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Ein echt beschissener Vater

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29.11.2005
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Ein echt beschissener Vater

Jasper hätte einen Typen bevorzugt, der selbst im Sommer mit Wollmütze durch die Gegend schlurft, nach jedem Schritt die rutschende Hose justierend, mit implantierten Kopfhörern und großflächigen Tatoos. Mit dem hätte er sein Bier wenigstens auf Augenhöhe trinken können. Aber der Bursche neben seiner Tochter sieht eher so aus, als müsse er anschließend noch zu einer Beerdigung. Er wäre Vermögensberater bei einer Bank, hatte Carolin ihren Vater am Telefon bereits vorgewarnt. Und wie sehr sie ihn liebte. Gleich zwei beängstigende Neuigkeiten.

Nun drückt der smarte Bursche Jaspers Hand, als könne er auf diese Weise Gene entschlüsseln. Dabei streift sein Blick wie ein Suchscheinwerfer über das verlebte Gesicht seines Gegenübers. „Ich freue mich, Sie kennenzulernen.“
„Schon klar“, murmelt Jasper. „Kommt bloß rein. Muss ja nicht jeder mitkriegen, dass mich ein Vermögensberater besucht.“
„Mein Vater hat den Humor einer Abrissbirne.“ Carolin ist spürbar um Harmonie bemüht, denn sie zwinkert konspirativ. Das macht Jasper misstrauisch. Er zerrt Tim, der sich nach einer Fußmatte zum Schuhe abtreten umzublicken scheint, entschlossen in die Wohnung. „Wollt ihr was trinken?“
„Was gibt's denn außer Dosenbier?“ Diesmal verzichtet Carolin aufs Zwinkern.
Jasper würgt die Dead Kennedys ab, während Tim – mitten im Raum stehend – eifrig seine Designerbrille putzt; vielleicht, weil er erst einmal den Anblick der Wohnung verkraften muss. Jasper hat seine besten Jahre in der Hausbesetzer-Szene verbracht, das hat ihn für den Rest seines Lebens geprägt. Seitdem bewohnt er Räume nicht mehr, sondern hält sich nur noch in ihnen auf. „Wie wär's mit Kaffee?“, schlägt er vor. Solche verstaubten Worte kommen ihm nur mühsam über die Lippen. Carolin weiß das zu schätzen und lächelt dankbar. „Ich koche uns gern welchen. Wo finde ich Kaffee?“
„Drüben, beim Nachbarn.“

„Eine Hochzeit also.“ Jasper macht keinen Hehl daraus, wie wenig ihm das gefällt. Natürlich erinnert er sich gleich daran, wie planlos Carolins Mutter und er nach der Geburt ihrer Tochter vorübergehend in ein eheähnliches Verhältnis gestolpert waren. Besonders er hatte den wilden Zeiten nur widerwillig den Rücken gekehrt, um stattdessen mit Anja die glückliche Familie zu spielen. Nach zwei harten Jahren hatte er den Selbstbetrug nicht mehr länger ausgehalten; taugte einfach nicht für dieses Leben, war kein glaubwürdiger Familienvater, kein Ehemann, kein Hausbewohner. Bekam von regelmäßigem Essen Magenschmerzen, von Gardinen rote Augen und von der warmen Umgebung kalte Füße; und genau deshalb musste er Freundin und Kind damals verlassen. Vor allen Dingen diese lähmende Ordnung, das enge Dasein, die Tage, die einfach nur noch vergingen, vollgestopft mit Pflichten und dem ständigen Lamentieren darüber. Eine geeignetere Partnerin als Anja für das Projekt Familie hätte er sowieso nicht finden können, und nachdem es gescheitert war, wollte er einfach wieder zurück in sein altes Leben; nur war da niemand mehr. Die besetzten Häuser waren abgerissen oder saniert worden, seine Kampfgefährten in der Gesellschaft versickert; manche längst tot und vergessen. Und für die Generation junger Aktivisten reichte seine Puste nicht mehr. Zudem beunruhigte es Jasper, wie schnell die eigenen wilden Gedanken müde werden konnten, selbst wenn man die alten Songs immer noch bis zum Anschlag aufdrehte und hin und wieder mal „Fuck“ murmelte.

Damals war es ein Irrtum gewesen zu glauben, er müsse nur wieder zu der Kreuzung zurückkehren, an der er versehentlich falsch abgebogen war, und die Sache wäre damit erledigt. Aber halsstarrig wie immer hatte er am Ende vor Anja gestanden, mit der gepackten Sporttasche in der einen, und einer Bierdose in der anderen Hand, um sich ohne großes Theater zu verdrücken – darin war er Spezialist. Anja schien vor lauter Wut nicht einmal heulen zu können. Sie sagte kein Wort, starrte ihn nur an und wirkte dabei so seltsam erwachsen, mit der modischen Frisur in ihrer natürlichen Haarfarbe. Problemlos hatte sie sich in eine verantwortungsbewusste Mutter verwandelt, während Jasper aus jedem Entwicklungsprozess immer nur wieder als Jasper hervorkam. Abseits dieser hilflosen Abschiedsszene war die zweijährige Carolin zu hören, wie sie in ihrem winzigen Zimmer unerträglich brav spielte. Für Jasper wurde es höchste Zeit, all diesen zermürbend putzigen Geräuschen endlich den Rücken zu kehren, bevor er darin für immer kleben blieb.

„Wie geht's deiner Mutter?“, fragt er nun viele Jahre später seine Tochter, während sie Kaffee einschenkt.
„Was ist das für eine merkwürdige Frage?“
„Was ist das für eine merkwürdige Antwort?“
„Es geht ihr gut. Seit über zwanzig Jahren.“
„Und woher kommen diese merkwürdigen Kaffeetassen?“
„Von deinem Nachbarn, der mir eben auch noch ein Päckchen Kaffee geliehen hat. Du hast ja nichts im Haus, außer ...“
„Ja, ja! Was ist jetzt mit dieser fu...dammten Hochzeit? Ihr solltet da nichts überstürzen.“
„Oh, eine Expertenmeinung!“ Carolin lächelt säuerlich. „Wie wär's zur Abwechslung einfach mal mit Freude? Die Tochter will heiraten und der Vater ist happy. Wie im richtigen Leben, verstehst du?“
Er starrt in die Kaffeetasse vor sich und wünscht sich, sie wäre mit Wodka gefüllt. Scheiß auf das richtige Leben! „Wir sollten uns einen Kleinen genehmigen“, schlägt er vor und macht Anstalten, die verlockende Idee gleich in die Tat umzusetzen.
„Nein, danke.“ Über der Nasenwurzel seiner Tochter taucht die altvertraute Zornesfalte auf. „Meinetwegen dröhn dich wieder zu, wenn wir weg sind. Jetzt wird geredet.“ Sie seufzt. „Du hast es mir doch versprochen.“ Begleiter Tim sitzt aufmerksam neben ihr, rückt in kurzen Abständen immer wieder seinen Krawattenknoten zurecht, und es hat den Anschein, als wolle er jeden Moment eine Rede an die Nation halten.

Während Anjas Schwangerschaft hatte selbst Jasper einmal von Heirat gesprochen, mit ungefähr 1,5 Promille im brodelnden Punkerblut, unmittelbar nach dem vielleicht besten Fick ihrer Beziehung. „Lass uns heiraten, Süße“, hatte er willenlos geschnauft, während ihm der Puls noch in den Ohren hämmerte. „Wäre doch cool, oder?“ Es war ihm tatsächlich verlockend vorgekommen, das berauschende Gefühl der Zusammengehörigkeit spontan besiegeln zu wollen. Aber Anja hatte ihm mit kühlen Fingerspitzen den oft so unbedacht plappernden Mund verschlossen, und danach war dieses Thema für immer tabu gewesen. Sie hatte ein perfektes Gespür dafür entwickelt, Jasper im richtigen Moment vor sich selbst zu retten. Verschwenderisch oft hatte er ihr gesagt, wie sehr er sie liebte, seine „Süße“, die aus seiner Bierdose trinken und von seinen Joints mitrauchen durfte, die mit zu Pauli kam, seine Musik hörte, über seine Sprüche lachte und ihm das beruhigende Gefühl gab, ein politisch motivierter Anarchist und kein Verlierer zu sein - und die schließlich, mit seinem Baby im Leib, zur Madonna wurde, verwandlungsfähig, visionär, stark, mutig und endlich mit Brüsten in der von ihm bevorzugten Größe. Allerdings konnte er sich nicht daran erinnern, von Anja jemals so etwas wie „Liebe“ gehört zu haben. Sie besaß lediglich die Fähigkeit, es ohne Worte zu sagen; praktisch jedes Mal, wenn sie ihn ansah. Das war für Jasper am Anfang zu wenig. Und am Ende zu viel.

„Wie stehen denn so die Aktien?“, wendet er sich an seinen zukünftigen Schwiegersohn. „Habt ihr coolen Jungs auf den Finanzmärkten wieder alles im Griff?“
„Hör auf damit!“ Carolin funkelt ihren Vater zornig an. Der alte Stier senkt mal wieder die Hörner. Seine rüde Angriffslust hat sie immer gehasst, denn er geht nie auf das rote Tuch los, sondern immer gleich direkt auf den Torero.
Nun zuckt er scheinheilig mit den Achseln. „Warum seid ihr überhaupt hier?“
„Eigentlich war es Tims Wunsch, dich noch vor unserer Hochzeit kennenzulernen. Ich wollte dich vorerst echt nicht mehr sehen, ehrlich nicht. Denk nur mal an deinen letzten großen Auftritt, als ich dich mal wieder bei der Polizei auslösen durfte. Langsam reichen mir deine Eskapaden, verstehst du? Ich bin deine Tochter, nicht deine Bewährungshelferin. Wie kann man nur ... in deinem Alter!“
„Es war nicht meine Schuld.“
„Es ist nie deine Schuld.“
Jasper wendet sich an Tim, breitet hilflos die Arme aus. „Sorry, aber ich bin ein echt beschissener Vater. Ich hoffe, dein Alter hat da mehr drauf.“
Der Vermögensberater fummelt an seinem Krawattenknoten herum. „Als ich meinen Daddy verlor, war ich gerade mal fünf Jahre alt“, erzählt er mit einem sich entfernenden Blick. „Ich habe mich seit dem immer nach ihm gesehnt. Väter sind so unglaublich wichtig. Ohne sie ist es doch in jungen Jahren so, als wäre das Leben zu laut, zu groß und zu schwer, wenn Sie verstehen, was ich meine.“ Seine Gedanken scheinen dem wehmütigen Blick zu folgen und nehmen die Stimme gleich mit. Ein sensibler Banker. Auch das noch! Jasper bemerkt fassungslos, wie seine sonst so rationale Tochter ihren zukünftigen Ehemann mit glitzernden Augen anhimmelt, während der seine Gefühle wie Seifenblasen in die graue Atmosphäre aufsteigen lässt. Was für ein Schleimer! Früher hat Jasper solchen Typen ohne Umschweife die Fresse poliert. HSV-Logen-Dauerkarteninhaber! Auch jetzt juckt es ihm wieder in den Fäusten. Dieser pomadige Bankenwichser, der seiner Tochter den Kopf verdreht hat; der sich wirkungsvoll zu inszenieren und einem die Hand zu schütteln versteht, als befände man sich auf einer Ordensverleihung. Seit seinem Auftauchen hat sich viel verändert, und nichts davon zum Guten. „Es wird Zeit, dass du endlich vernünftig wirst“, hatte Carolin ihrem Vater erst letztens wieder gemahnt, und Jasper hatte ratlos vor ihr gestanden, in abgerissenen Jeans und dem fleckigen T-Shirt mit einem ausgebluteten Slogan auf der Brust; ein Vater, der nicht erwachsen werden wollte, und eine Tochter, die niemals wirklich Kind gewesen war auf der verzweifelten Suche nach Augenhöhe.

„Ich musste ganz ohne Eltern klar kommen.“ Jasper lehnt sich mit einer Selbstgedrehten in den nikotingelben Fingern und der Routine des geübten Märchenerzählers zurück. „In den Heimen damals, das war kein Zuckerschlecken, das kann ich euch sagen ...“ Carolins Blick bringt ihn zum Schweigen. Sie kennt die abenteuerlichen Geschichten vom kleinen Oliver „Jasper“ Twist, der sich von Anfang an hatte durchboxen müssen und nie eine echte Chance bekam, zur Genüge; die fröhlichen Hausbesetzungen, die folgen sollten, die kunterbunten Straßenschlachten mit den oberfiesen Bullen, erfrischende Wasserwerfer, lustig brennende Autos und fantasievolle Barrikaden. Sie weiß alles über die grenzenlose Liebe zum FC St. Pauli, über Abstiegstränen und Aufstiegseuphorie, Bierdosenromantik und Punkmusik, Drogen, Arbeits- und Hoffnungslosigkeit, über das Gefühl, dass Anderssein geil ist, Bier satt macht und dass sich die echte Freiheit nur in muffigen Räumen finden lässt, auf feuchten Matratzen, bei kompromissloser Musik und Zukunftsplänen, die am nächsten Tag schon wieder scheißegal sind.

„Wir heiraten nächsten Monat“, sagt Carolin entschlossen. „In Weiß und in der Kirche. Mit Hochzeitskutsche, Hochzeitstorte, Hochzeitsbankett und allem was dazu gehört. Mit Mama und unseren Freunden. Und ... ohne dich.“
„Das klingt nach idealen Hochzeitsplänen“, erwidert Jasper. „Und wo genau ist jetzt das Problem?“
Du bist das Problem. Du bist immer das Problem. Und deshalb können wir dich nicht zu unserer Hochzeit einladen. Das kann ich dir heute wenigstens persönlich sagen.“ Carolin lässt ihren Vater nicht aus den Augen. „Du zusammen mit Mama auf unserer Feier, das geht sowieso nicht. Du weißt, dass es nicht geht.“
„Ich habe deine Mutter scheiß lange nicht mehr gesehen. Wie soll ich da wissen, was geht, und was nicht. Wir hatten damals 'ne echt geile Zeit. Wenigstens das weiß ich noch.“
„Trotzdem hast du sie sitzen lassen. Und mich.“
„Ging nicht anders.“
„Mama wäre daran fast zerbrochen.“
„Wäre ich geblieben, wären wir heute alle im Arsch.“ Jasper stößt trotzig den Rauch der Zigarette aus und sehnt sich nach Wodka. Aber Carolin lässt nicht locker. Ihre Wangen haben sich leicht gerötet, während sie weiterredet. „Und wenn ich mich zwischen euch beiden entscheiden muss, dann ...“
„Keiner verlangt das von dir, oder? Hab ich etwa gesagt, dass ich überhaupt auf deine Traumhochzeit will? Einen Anzug tragen? Torte essen? Eine Rede halten? Fu..such dir das mal vorzustellen!“
„Zweifellos wirst du dich wieder betrinken, dann diese peinlichen Sprüche klopfen und den Leuten von deinen geilen Zeiten vorschwärmen, in denen du auf immer und ewig stecken geblieben bist. Später würdest du meine Freunde als Nazis bepöbeln und ihnen Schläge androhen, nur weil sie erfolgreich sind. Und du wirst wieder so fucking stolz auf mich sein wollen, und genau das will ich nicht. Nicht dieses Mal. Nicht auf meiner Hochzeit. Weil dein Stolz oft nach Shit und Bier stinkt! Was hat das eigentlich mit mir zu tun? In Wirklichkeit gefällt dir doch absolut nichts an meinem Leben.“
„In Wirklichkeit“, entgegnet Jasper. „habe ich überhaupt keine Ahnung von deinem Leben.“
„Wir hätten Sie wirklich gern dabei gehabt“, wirft Tim schnell ein. „Das wäre nett gewesen. Die Familie endlich wieder vereint, der Brautvater führt die Braut zum Altar, all diese schönen Bräuche.“
Jasper erhebt sich endgültig. „Scheiß auf all diese schönen Bräuche. Ich bräuchte jetzt mal was Anständiges zu trinken. Wir sollten wenigstens anstoßen. Und dann könnt ihr meinetwegen wieder zurück ins Disneyland. Okay?“
„Nein, das mit dem Trinken lassen wir mal lieber. Wir müssen jetzt sowieso wieder los. Haben noch Einiges auf dem Zettel.“ Carolin erhebt sich entschlossen, und Tim reagiert wie ihr Schatten.

Im Flur umarmt sie ihren Vater und küsst die Luft westlich und östlich seiner unrasierten Wangen. „Das alles tut mir so leid!“
Von Tim gibt es zum Abschied wieder einen staatsmännischen Händedruck und einen aufmunternden Klaps gegen den Oberarm. Der Junge ist groß, sieht gut aus und hat ausgezeichneten Manieren, scheint von Kopf bis Fuß aus Größe zu bestehen. „Es hat mich sehr gefreut“, sagt er.
„Aber klar!“ Jasper schiebt ihn endgültig aus der Wohnung, der Tochter hinterher, der es jetzt offensichtlich nicht mehr schnell genug gehen kann.

Nachdem die beiden weg sind, schraubt Jasper die Wodkaflasche auf, als befände sich darin dringend benötigter Sauerstoff. Er „atmet“ das Zeug gleich aus der Flasche ein und lässt mit der anderen Hand die Dead Kennedys wieder loslegen. Vom Fenster aus beobachtet er fasziniert, wie der Vermögensberater Carolin ein weißes Taschentuch reicht, während er ihr gleichzeitig galant die Autotür aufhält. Dieser Bursche weiß offensichtlich immer, was zu tun ist. Seine Tochter gleitet in das Cabriolet, als hätte sie in ihrem Leben nie etwas anders getan. Die Sonne lässt das junge Glück strahlen, obwohl für heute eigentlich Regen angesagt war. Alles wirkt so perfekt und selbstverständlich. Man könnte meinen, die Stadt da draußen habe sich in ein überdimensionales Wahlkampfplakat verwandelt. Selbst der blaue Himmel sieht wie eine verlogene Parole aus. Mit dem richtigem Leben hat das da draußen nichts mehr zu tun.

Immerhin haben in Jaspers Kühlschrank ein paar Dosen Bier die zurückliegende Nacht überlebt. Reichlich Tabak und genügend Blättchen liegen auf den Tisch. Allein aus herumliegenden Tabakkrümeln ließen sich noch ein paar brauchbare Kippen basteln. In einer der Küchenschubladen müsste sogar noch ein fetter Joint schlummern. Die Jungs von Pauli sind zur Zeit mächtig gut drauf, spielen seit Wochen richtig ansehnlichen Fußball. Vielleicht steigen sie diese Saison auf. Das wäre endlich mal wieder ein guter Grund, die Sau rauszulassen. Und wenn Jasper heute im Lauf des Abends doch noch Frust bekommen sollte, könnte er die merkwürdigen Tassen seines Nachbarn gegen die Wand schmeißen. Später wird er dann Nils anrufen, sie werden sich treffen, irgendwo einen saufen gehen. „Nie mehr zweite Liga!“, wird Nils grölen. Die Hoffnung wird ihnen am Tresen zur betörenden Begleiterin werden, wird ihre zarten Arme schützend um sie legen und mit ihnen die Nacht durchzechen, bis kein Cent mehr in den verräucherten Klamotten zu finden ist. Zu dritt werden sie labern, lachen und träumen und auf den Rest der Welt scheißen. Die Hoffnung. Ein Junkie. Und ein echt beschissener Vater.

 

Salü Rick,
keine schöne Geschichte! Und doch gefällt sie mir. Sehr konfliktreich beschreibst Du diese Vater-Tochterbeziehung und (merkwürdig?): Der Vater gefällt mir viel besser, als die Tochter – obwohl doch diese Frau ganz normal und der Vater nur ein Sauf- und Raufbold ist. Aber er steht doch sehr ehrlich in seinem Leben und völlig unbeschissen. Ihn beschreibst Du so, dass ich meine ihn zu sehen und zu hören.
Daneben ist Caroline eine rechte Zicke, die wahrscheinlich den Frust ihrer Mutter mittragen muss, bis in alle Ewigkeit … Der zukünftige Schwiegersohn – naja, ist halt so einer, den alle Muttis gern an der Seite der Tochter sehen. Ich denk mir: Wenn das man gut geht …

Das kommt alles locker daher, wie aus einem Guss, ist fein beobachtet und zog mich gleich ins und flott durchs Geschehen.
Es hat viele 'Lieblingssätze und -beobachtungen' - das wär jetzt aber zuviel zum zitieren :)

Hier noch Kleinkram:

Besonders er hatte den wilden Zeiten nur widerwillig den Rücken gekehrt, um statt dessen
stattdessen
sondern immer gleich direkt auf den Torrero.
Torero
Väter sind so unglaublich wichtig. Ohne sie ist es doch in jungen Jahen so,
Jahren
deshalb können wir dich nicht zu unser Hochzeit einladen.
„Du zusammen mit Mama auf unser Feier,
unserer Hochzeit / unserer Feier
Später würdest meine Freunde als Nazis bepöbeln
würdest du

Schön von Dir wieder was zu lesen. Offenbar hast Du den Stau überwunden. Hier jedenfalls ist davon gar nichts zu lesen!

Liebne Gruss,
Gisanne

 

Hallo Rick

Eine richtig vertraute Stimmung kommt mir da auf, auch wenn ich mich nicht in dieser Szene bewegte, und Jasper der Zeit enthoben schon etwas verstaubt wirkt. Beinah ein Artefakt aus revolutionärer Zeit, wie er heute nach so vielen Jahren lebt und leibt. Doch eins muss man ihm lassen, seinen Lebensstil hat er sich bewahrt.

Originell das Zusammentreffen der konträren Welten, einmal mit umgekehrten Generationsmerkmalen einen Tochter-Vater-Konflikt belebend. Einzig der Abgang ist dann sittsam geordnet, der Altrevoluzzer träumt bürgerlich von einer Fussballnacht mit Bier und Kumpanen, einzige Krönung bleibt da noch der Joint.

Gern gelesen und mit eigenen Erinnerungen vernetzt, an eine Zeit als die Revolution noch nahe schien.
Gruss

Anakreon

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Gisanne,

danke für deinen Kommentar und die Änderungsvorschläge. Ich hoffe, ich habe alle erwischt. Ja, der Vater ist natürlich der Platzhirsch im Text und alle anderen sind mehr oder weniger zu Randfiguren verdammt :-)

Es freut mich, dass die "keine schöne Geschichte" dir trotzdem gefiel - und ich hoffe sehr, dass es wenigstens eine unterhaltsame Geschichte ist. Ob ich die Blockade hinter mir habe, weiß ich noch nicht. Der Text war in weiten Teilen schon vor der Blockade fertig. Das merkt man auch daran, dass St. Pauli damals noch in der 2. Liga kickte und man noch vom Aufstieg träumte.

Hallo Anakreon,

danke für deine Kommentierung der KG. Ich freue mich, dass du mit der Geschichte eigene Erinnerungen vernetzen konntest, solche Rückmeldungen machen das Schreiben besonders reizvoll. Ja, ich habe versucht, den Generationskonflikt mal völlig auf den Kopf zu stellen. Wenn der Vater wild, verrückt und planlos war/ist, dann ist es fast normal, dass die Tochter sich so stark es geht dagegen abzugrenzen versucht. Auch in der Wahl ihres Ehemanns. Freue mich über das "Gern gelesen"

Rick

 

He Rick,

schön, dass du mal wieder von dir lesen lässt. :)
Hat mich sehr berührt, dein Vater-Tochter-Konflikt. Ich habe ja bis zum Schluss gehofft, dass Jasper noch einlenken würde. Wenigstens so einen kleinen Funken der Hoffnung aufglimmen würde. Aber nichts. Wer sich so hinter den Mauern der Vergangenheit verbarrikadiert, fühlt sich an Orten, die nicht nach Moder riechen und vom Halbdunkel regiert werden, einfach nicht mehr wohl. So ein Funken könnte zur totalen "Erblindung" führen. Letztlich nur Angst. Das hast du glaubhaft umgesetzt.
Obwohl du das meiste nur erzählst und wenig konkrete Bilder lieferst, wirkt der Text sehr stark. Das ist schon ein großes Können, wenn das trotzdem so eindringlich daherkommt.
Wunderbar geschliffene Sätze, auf den Punk(t) gebracht. Sehr gerne gelesen. Welcome back :anstoss:

grüßlichst
weltenläufer

 

Hallo Rick!

Ein Schlüsselsatz in deiner Geschichte scheint mir dieser zu sein:

Problemlos hatte sie sich in eine verantwortungsbewusste Mutter verwandelt, während Jasper aus jedem Entwicklungsprozess immer nur wieder als Jasper hervorkam.

Nun ist solch eine erfolgreiche Verwandlung in einen Vater oder eine Mutter ein Fortschritt, fast eine Neugeburt, zugleich aber auch eine Beerdigung: Wenn aus Anja eine Mutter werden soll, muss das Mädchen Anja sterben. Die Kindheit, die Jugend muss begraben werden. Aus und vorbei! Und genau dazu ist Jasper unfähig, obwohl er tief seinem Inneren zu wissen scheint, dass solch eine Beerdigung des unreifen Jünglings überfällig ist, denn das Motiv der Beerdigung kommt ihm in den Sinn:

Aber der Bursche neben seiner Tochter sieht eher so aus, als müsse er anschließend noch zu einer Beerdigung.

Diese jungen Kerle, die einem die Tochter ausspannen und einen dann vielleicht auch noch zum Opa machen, lassen einen ja auch spüren, dass die Zeit gnadenlos vergeht, und wir, wenn wir mithalten wollen, den Jüngling in uns begraben müssen - dieser Gedanke, der sich in Jaspers Unterbewusstsein regt, bleibt aber verdrängt - Jasper nimmt ihn sich nicht zu Herzen, er bleibt lieber, was manche Psychoanalytiker in der Tradition von C.G.Jung einen puer aeternus nennen.

Grüße gerthans

 

hallo Rick,

sehr berührend, Deine sensible Geschichte. Ich komme gut rein, die Beziehung wird deutlich, auch was hinter den Sätzen schwingt. 30 Jahre vorher hätte es eine ähnliche Geschichte geben können, mit einem geschniegelten Vater mit Schlips und Job in der Bank, der mit einer ausgeflippten, lebenshungrigen Göre und ihren lockeren Beziehungen nicht klar kommt. Ich sehe das als Äußerlichkeiten, die von Zeitströmungen geprägt werden; die seelischen Defizite dahinter bleiben meist gleich. Auch Menschen, die sich in die Gesellschaft nahtlos einordnen, werden deswegen noch lange nicht erwachsen. Die Bilder sind komplementär, und die Tochter sollte sich nicht wundern, wenn ihre Kinder wieder den Weg des Vaters gehen.
Einen schönen Blick auf dieses Aussen und Innen liefert der Film "Was tun, wenn´s brennt", in dem es um die schmuddeligen stehengebliebenen 68er und um die geschniegelten Juppie-68er geht.
Schöne Geschichte.

Gruß Set

 

Hallo Rick!

Wäre die Geschichte ein Satz, ich würde dich fragen: Warum stellst du ihn in die Passiv-Form?

Warum erzählst du das aus der Perspektive des Vaters? Der ist ja nur Nebenfigur, eigentlich, und ich habe die ganze Zeit darauf gewartet, dass nun endlich die Geschichte losgeht, bis ich dann im Mittelteil rausgefunden habe, dass es die nicht geben wird - und dann war der Text auch irgendwann zu Ende.

Klar, vielleicht geht es dir darum, das Innenleben des Vaters zu zeigen, aber da passiert ja nichts. Du schreibst, dass er sich nicht ändert, dass er sich nicht ändern will. Ging es dir darum, dieses Nicht-Ändern-Wollen zu zeigen?

Mir kams so vor, die Tochter war mir so fern und fremd, ebenso der Anzugtyp. Und ich verstand beim besten Willen nicht, warum sie den Vater besucht hat um ihm zu sagen, dass er nicht eingeladen ist. Ich meine, das ist doch klar, dass er nicht kommen wird.

Beliebigkeit, irgendwie. So wie diese Szene könnte der ganze Tag dieses Vaters ablaufen. Auch der Besuch seines Nachbarn. Hier wars halt seine Tochter. Ich finde aber, eine Geschichte sollte einen bestimmten Punkt zeigen, da muss was im Fokus sein. Und auch wenn eine Nicht-Entwicklung im Fokus steht, dann muss klar werden, dass es genau darum geht: Dass sich nämlich nichts ändert, dass es aber auch keine Folgen hat, dass es einfach schlicht und schnurz egal ist, wenn sich überhaupt irgend etwas in der Umgebung des Vaters tut. Wie: In China fällt ein Rad um und drei Menschen gehen dran vorbei, der reiche Schnösel gibt dabei der jungen Frau ein Taschentuch.

Aber hier gehts auch irgendwie um "Augenhöhe", ganz am Anfang schon. Nur wird das fallengelassen, oder nur so angeschnitten. Dabei wäre es so ein hübsches Thema gewesen. Dass er sich selbst so ein bisschen Scheiße findet, aber all die anderen noch viel mehr. Dann müsste aber rauskommen, dass er es vllt. selber gern anders gehabt hätte. Nur ... er wirkt so selbstzufrieden in seinem Rotz, dass ich mir denke: Ist doch alles super. Warum also plappert er am Anfang was von wegen gleicher Augenhöhe?

So. :)

Aber der Text an sich ist hübsch geschrieben.

yours

 

Lieber Rick,

mir hat die Geschichte ganz gut gefallen.
Vater und Tim scheinen mir aber gefährlich nahe am Klischee herumzusurfen.

Der Alte: Säufer, Kiffer, Raucher, St. Pauli, Kneipe, Dead Kennedys, Bierdosen, Tasse gegen die Wand werfen, Fuck schreien.
Nur ein Teil davon und ich wäre näher an den Vater herangekommen. (Vor allem die Dead Kennedys zu Beginn haben mich gestört, das ist so mit dem Vorschlaghammer)

Und der Tim:

rückt in kurzen Abständen immer wieder seinen Krawattenknoten zurecht
(kommt später noch mal)

Find ich nicht glaubwürdig. Die süße Caroline wird doch ihren Liebsten zumindest einigermaßen auf ihren Alten vorbereitet haben. Da wird er doch wenigstens seinen Binder in seinem schicken Auto lassen.

Also z.B so was wie
… zupft seinen Hemdkragen zurecht.. erscheint mir plausibler.


Ein sensibler Bänker
.

Banker, glaub ich

Du weisst, dass es

weißt (auch nach der Reform, zumind. in Deutschland)

Also für mich wäre die Geschichte der Hammer, wenn die beiden Figuren noch etwas vielschichtiger wären. Der Alte sich wirklich Mühe geben würde an dem Tag. Der Banker auch ein wenig cool sein könnte.

Beste Grüße, T. Anin

 

Bekam von regelmäßigem Essen Magenschmerzen, von Gardinen rote Augen und von der warmen Umgebung kalte Füße
Das ist Humor, Beschleunigung des Textes und treffende Beobachtung in einem Satz. Gefällt mir sehr!

Sie hatte ein perfektes Gespür dafür entwickelt, Jasper im richtigen Moment vor sich selbst zu retten.

Sie besaß lediglich die Fähigkeit, es ohne Worte zu sagen; praktisch jedes Mal, wenn sie ihn ansah. Das war für Jasper am Anfang zu wenig. Und am Ende zu viel.

iiiiilllike it!

Ach, mir gefällt einfach der gesamte Text ausgezeichnet. Ich finde ihn auch irgendwie tief traurig. Gib mir mehr!

Gruß
Jan

 

Hallo weltenläufer,

danke für deinen Kommentar, ich freue mich, dass dir der Text gefiel. Ja, ich denke Jasper kommt schon recht konsequent rüber, aber ich mag den Burschen irgendwie, in seiner ganzen Unart :-)

Dein Kommentar hilft sehr, ich war mir schon sehr unsicher bei dieser Art Geschichte. Hatte schon damit gerechnet, dass die erzählten Rückblicke wieder negativ bewertet werden, mit erhobenem Zeigefinger wieder meine zu mageren Show-Elemente kritisiert werden.

Hallo Gerthans,

ja, das ist wohl ein wesentlicher Schlüsselsatz in der Geschichte. Du hast dir sehr interessante Gedanken zu meinem Text gemacht, das freut mich sehr, besonders weil ich behaupten kann, dass meine Geschichte diese Gedanken auslöste. Danke für deinen Kommentar.

Hallo setnemides,

auch dir vielen Dank für deine Kommentierung. Du äußerst Überlegungen, die mich auch vor und während des Schreibens bei der KG beschäftigten. Es war besonders reizvoll, die klassische Situation "Zukünftiger Schwiegersohn lernt erstmalig Schwiegervater kennen" total auf den Kopf zu stellen.

"Was tun wenn's brennt" steht noch auf meiner DVD-Liste der Filme, die ich unbedingt noch sehen muss - bevor es brennt auf jeden Fall :-)

Für heute muss ich leider schließen, weitere Antworten wenn's mal wieder passt. Schönen Dank schon mal für die rege Kommentierung!

Rick

 

Hey Rick,

und Willkommen zu Hause :)

Ich hab mal irgendwann geschrieben, dass ich Deine Texte sehr gern lese, sie in Samt binden könnte und so ... bei diesem Text fällt mir auf, wieso ich das tun würde. Denn obwohl er mir inhaltlich ziemlich egal ist, hab ich ihn gern gelesen. Also liegt es wohl sehr an Deiner Art, die Dinge vorzutragen. Ich höre Dir einfach gern zu. Und natürlich ist es großartig, wenn da noch mehr ausgelöst wird. Mir gehen Geschichten besonders nah, in denen ich mich selbst irgendwie wiederfinde. Das geht halt nicht immer, logisch.

Jasper geht mir hier ziemlich auf den Keks, insofern ist er eine sehr glaubhafte Figur. Dieses: ich bin anders, jawohl - und ich zeig der Welt, dass ich mich damit wohlfühle, auch wenn ich am Arsch und verdammt einsam bin - aber so bin ich, und da wird auch nix anders gemacht. Für so Typen hab ich wenig Verständnis und soll er da doch krepieren in seinem Dreck und Alkohol, ist ja was er will. Ich habe ja nix gegen alternative Lebensarten, aber wenn Menschen anfangen, die sich selber schön reden zu müssen, dann sind sie arme Schweine und ich möchte sie ständig vor die Tür schicken. Und gerade weil mich dieser Typ so nervte, muss er Dir wohl gelungen sein.

Carolin weiß das zu schätzen und lächelt dankbar. „Ich koche uns gern welchen. Wo finde ich Kaffee?“
„Drüben, beim Nachbarn.“

:)

Nach zwei harten Jahren hatte er den Selbstbetrug nicht mehr länger ausgehalten; taugte einfach nicht für dieses Leben, war kein glaubwürdiger Familienvater, kein Ehemann, kein Hausbewohner.

Spätestens an dieser Stelle musste ich an die Werbung denken, wo die kleine Tochter Spießer werden will. War die nicht auch für Bausparen, Vermögenstrallarö ... Ja, den Typen hatte ich dann vor Augen. Nur älter halt.

Eine geeignetere Partnerin als Anja für das Projekt Familie hätte er sowieso nicht finden können, und nachdem es gescheitert war, ...

Ich mag das sowieso nicht

... während Jasper aus jedem Entwicklungsprozess immer nur wieder als Jasper hervorkam.

Das ist schön. Das mochte ich.

Für Jasper wurde es höchste Zeit, all diesen zermürbend putzigen Geräuschen endlich den Rücken zu kehren, bevor er darin für immer kleben blieb.

Ja, das sagst Du ja bereits vorher.

.. und die schließlich, mit seinem Baby im Leib, zur Madonna wurde, ... und endlich mit Brüsten in der von ihm bevorzugten Größe.

auch schön!

Der Vermögensberater fummelt an seinem Krawattenknoten herum. „Als ich meinen Daddy verlor, war ich gerade mal fünf Jahre alt“, erzählt er mit einem sich entfernenden Blick. „Ich habe mich seit dem immer nach ihm gesehnt. Väter sind so unglaublich wichtig. Ohne sie ist es doch in jungen Jahren so, als wäre das Leben zu laut, zu groß und zu schwer, wenn Sie verstehen, was ich meine.“

Boah, dieser Typ sollte sich mal selbst zuhören! Rick, warum setzt Du Jasper so ne Heulboje zum Gegenspieler an? Die beiden sind sich so ähnlich, wenn auch ganz anders in ihrem leidenden Wesen. Die sind nicht Gegenspieler, die sind eigentlich im selben Team. Da kommt doch keine Spannung auf. Alle zum Heulen in die Ecke, aber zack!

... und dass sich die echte Freiheit nur in muffigen Räumen finden lässt, auf feuchten Matratzen, bei kompromissloser Musik und Zukunftsplänen, ...

da kommt doch Stimmung auf - kauf ich sofort

Keine Ahnung ob das jetzt ein hilfreicher Kommentar war. Denke eher nicht. Aber so Sachen hab ich halt gedacht beim Lesen. und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich mich freuen werde, wenn hier wieder mal ne Neue von Dir auftaucht.

Lieben Gruß Fliege

 

Hallo,

„Ich koche uns gern welchen. Wo finde ich Kaffee?“
„Drüben, beim Nachbarn.“
Den find ich gut.

Dabei streift sein Blick wie ein Suchscheinwerfer über das verlebte Gesicht seines Gegenübers
Meckern auf hohem Niveau: „des Gegenübers“ spart das zweite Possessivpronomen, denn es ist auch so klar, wer gemeint ist.

während Jasper aus jedem Entwicklungsprozess immer nur wieder als Jasper hervorkam
Ja, das sind diese tollen Sätze in deinen Geschichten, wenn komplexe menschliche Mechanismen ganz lapidar wiedergegeben werden. Also so ein Satz trifft ja genau den Kern einer Sache und ist auch noch wunderschön formuliert, da ist dieses sperrige „Entwicklungsprozeß“ in der Mitte, das da drohend herausragt und dann die ganz lapidare Auflösung.

Für Jasper wurde es höchste Zeit, all diesen zermürbend putzigen Geräuschen endlich den Rücken zu kehren, bevor er darin für immer kleben blieb.
Das ist in der Geschichte ein bisschen viel, zu viel bestärkendes, glaube ich. Es könnte da an manchen Stellen schlanker sein. „Höchste – endlich – für immer“ – da würde eins reichen, gar keins ginge auch. Der Fokus des Satzes soll doch auf „zermürbend putzig“ liegen, aber das kommt in den Satz nicht so stark zu tragen, weil er drumherum zu dick ist.

Ja, das ist schon gut, vielleicht bis auf den letzten Absatz, da entlarvt sich die Geschichte halt ein bisschen als erstarrt, das ist häufig bei diesen Geschichten, hier natürlich, weil der Vater auch nicht zu einer Bewegung fähig ist, aber das ist auch die Geschichte dann wieder. Die Figuren werden vorgestellt, der Konflikt kommt rein und dann entwickelt sich die Geschichte eher in die Vergangenheit wieder, was führte dazu, dass das Verhältnis jetzt so ist, aber an dem verhältnis selbst wird überhaupt nicht geruckelt. Die Geschichte stellt also Figuren im Ist-Zustand vor und erklärt, wie der Zustan erreicht wurde, geht dann aber nicht weiter, ich finde das oft schade bei deinen Geschichten, weil sie so ein dynamisches Erzählerlebnis vermissen lassen, natürlich ist das eine schöne Geschichte, das ist keine Frage, das ist auch ein starkes Thema, „Was tun, wenn’s brennt“ wurde erwähnt – natürlich. Es gab vor ein paar Jahren mit Ingo Naujoks Werbespots für LBS oder Sparkassen, die genau dasselbe Thema hatten – Papa, der Punker, war total entsetzt, wenn seine Tochter auf bürgerliche Werte stand. Also da hab ich zuerst daran gedacht, dann lässt man sich natürlich auch gerne in die Geschichte fallen, weil da so viel, in den einzelnen Sätzen, über die menschliche Natur steht, weil du es als Autor verstehst, dumpfe Empfindungen und Wahrnehmungen präzise auf den Punkt zu bringen. Aber, vielleicht bin ich auch damit alleine und es ist für dich sicher jetzt auch kein guter Zeitpunkt nach einer längeren Trockenphase, aber ich wünsche mir oft Mehr. Ein auch nach vorne gerichtetes Erzählen, das würde sicher gut tun.
Es ist fast ironisch, dass du für die Geschichte, die so ganz und gar in der tiefen Vergangenheit spielt, das Präsens als Erzählform benutzt hast.

Deine Schreibpause merkt man dir nicht an, das ist eine wohlformulierte und durchdachte Geschichte, die sich hervorragend liest; dir gelingt es auf ein paar Seiten einen Menschen vorzustellen und ihn so interessant zu machen, dass man auch nach dem Lesen noch über ihn nachdenken kann, das ist schon eine Leistung, die immer wieder gewürdigt werden muss

Gruß
Quinn

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Rick,

Quinn spricht mir mit seinem Kommentar aus der Seele. Inmitten des Textes dachte ich mal, dass es doch interessant wäre, wenn Jasper aus unerklärlichen Gründen die Kurve bekäme und sich (wenigstens mal vornimmt), an die Feier zu gehen. Aber gleichzeitig war mir bewusst, dass eine Rick-Geschichte nie mit solchen positiven Auflösungen arbeitet und ich getrost darauf warten kann, dass er am Ende wieder zur Musik und zum Dosenbier zurückkehrt.

Sie ist gut so, die KG, und ich habe sie mit Freude gelesen, aber ich könnte sie mir auch mit einer Weiterentwicklung vorstellen (der Mensch ist ja nie zufrieden ;) ), dann käme man auch yours Einwänden entgegen.

Was mich - gerade auch noch im ersten - Satz etwas gestört hat:

Jasper hätte einen Typen bevorzugt, der selbst im Sommer mit Wollmütze durch die Gegend schlurft, nach jedem Schritt die rutschende Hose justierend, mit implantierten Kopfhörern und großflächigen Tatoos.

Als Einleitung ein sehr langer Satz, dazu noch zwei etwas anspruchsvolle Verben hintereinander: Das ist mir zuviel. Viel besser wäre sicher schon, wenn das implantiert (was für mich zu fremd wirkt) mit einem gängigeren Ausdruck ersetzt wird.

@ Jan: Hast du die alle schon gelesen :D?


Liebe Grüße
bernadette

 

Hallo Maria,

vielen Dank für deine Kritik, schön, dass dir die KG in weiten Teilen gefallen konnte. Über das einschränkende "Aber" werde ich nachdenken, ich denke mal, dich stören zu viele Metaphern. Da habe ich mich eigentlich ziemlich zurückgehalten. Dass dich meine Art zu Schreiben an die von Proof erinnert, ehrt mich sehr, denn ich mag dessen Stil und dessen Geschichten. Insofern kann ich mit dieser Tatsache gut leben.

Dass der Prot kein Sympathieträger ist, entspringt natürlich meinem Konzept. Ich versuche ja immer mal wieder, vermeintlich unsympathische Figuren zu zeigen, die man vielleicht verachten mag, aber dennoch bemühe ich mich, Ihnen eine menschliche, nachvollziehbare und authentische Note zu verleihen. Es ist so scheiß einfach, eine interessante, bunte und schillernde Figur in den Mittelpunkt einer Geschichte zu stellen. Aber solche Figuren findest du in meinen Geschichten nur selten. So wie im richten Leben auch.

Freut mich jedenfalls, dass du mit meiner Story etwas anfangen konntest.

Hallo yours truly,

danke für deine Kritik, in der du mir ausführlich deine verzweifelte und erfolglose Suche schilderst, zwischen all meinen Worten irgendwo eine Geschichte finden zu können. Nun bin ich mir sicher, dass ich mich exakt mit der Zielsetzung seinerzeit an den Computer setzte, und nachdem ich meinen Text fertig hatte auch meinte, tatsächlich eine Geschichte geschrieben zu haben. Aber sie hat sich dir nicht gezeigt, ist in den Worten verborgen geblieben.

Sie kann dich nicht erreicht haben, wenn du der Meinung bist, der Vater wäre nur eine Nebenfigur. Viel deutlicher, als schon im Titel darauf hinzuweisen, konnte ich eigentlich nicht werden, wenn es um die Frage geht, wer in der Geschichte die Hauptrolle spielt. Wie kommst du zu der Ansicht, der Vater wäre nur Nebenfigur? Wenn hast du denn als "hauptfigurlich" empfunden?

Nun ging es mir nicht nur darum, dass Innenleben eines Typen zu beschreiben, der sich nicht ändern will. Viel mehr wollte ich eine bekannte und schon oft beschriebene klassische Situation aus einer neuen Perspektive und mit einer neuen Figurenkonstellation darzustellen.

Der Klassiker wäre gewesen, dass die Tochter eines Vermögensberaters ihren Vater mit einem räudigen, aufmüpfigen Nullbock-Schwiegersohn aufschreckt und dadurch die harmonisch-spießigen Strukturen der Familie ins Wanken bringt. Diese KG zu erzählen hätte vermutliche einige Leser ins Koma versetzt. Deshalb habe ich eine (relativ) neue Rollenverteilung ausprobiert, wobei sich am Grundsätzlichen nix wirklich ändert. Auflehnung heißt immer Abgrenzung von dem Leben der älteren Generation. Trugen die Alen lange Haare, rebellieren die Kinder mit Glatzen. Liefen die Eltern in schäbigen Klamotten herum, zeigen sich die Kids geschniegelt und gestriegelt. Der Vater wünscht sich einen Penner als Schwiegersohn, und kriegt einen Bankangestellten serviert. Für ihn der reinste Horror. Ja, es geht in dieser KG auch sehr viel um Augenhöhe, und die ist zwischen den Generationen in der Regel nur schwer bis gar nicht zu finden. Eltern und Kinder haben häufige unterschiedliche Blickrichtungen. Kinder schauen oft nach vorn. Eltern schauen oft nach hinten. Am Anfang blicken Eltern auf die Kinder hinunter, später ist es dann umgekehrt. Kinder sehen eine Zeit zu ihren Eltern auf, später manchmal auf sie herab. All das steht auch in meiner Geschichte.

Ich fand das als Thema spannend und witzig. Du nicht. Schade.

Ich bin froh über den letzten Satz deiner Kritik, sonst hätte ich vermutlich nach einem Taschentuch suchen müssen :-)

Hallo T Anin,

es freut mich, dass dir die Geschichte ganz gut gefallen hat und danke, dass du dir die Zeit genommen hast, eine Kritik zu schreiben.

Ich weiß nicht, ob du es schon weißt, aber ich liebe Klischees, und halte mich gern in einer gefährlichen Nähe zu ihnen auf. Ich finde es literarisch reizvoll, unbefangen mit Klischees umzugehen, sie zu lieben und zu ehren und ihnen den Platz einzuräumen, den sie verdienen. Das Leben hat mir oft bewiesen, dass Klischees real, unverwüstlich und wichtig sind.

In dieser Geschichte waren sie deshalb so wichtig, weil sie durch die veränderten Rollen meiner Ansicht nach eine völlig neue Wirkung bekommen. Es gibt eben nicht die klassische Schwiegervater trifft Schwiegersohn-Konstellation, sondern ein umgekehrtes Rollenspiels, wobei der Schwiegersohn mit den Klischees der früheren Schwiegervaterfigur behaftet ist und umgekehrt. Nur die Tochter ist als Klischee konstant geblieben und auch in der Rolle der Mittlerin unverändert.

Wenn Schriftsteller oder Regisseure in ihren Werken eine jazzige Note einbringen wollen, dann wird die in der Regel über Miles Davis oder John Coltrane transportiert, und jene Mitmenschen, die sich nicht für Jazz interessieren, meinen wahrscheinlich, dass dies auch die beiden einzigen Musiker gewesen sind, die jemals Jazz spielten. Und als Vorzeigeband für die Punkmusik werden vermutlich immer die Dead Kennedys herhalten müssen. Ich finde das jetzt nicht so schlimm und meine sogar, dass die meisten gar nicht wissen, wer die sind, und ich hätte da auch einen Fantasienamen verwenden können, egal. Der Vorschlaghammer wäre meiner Meinung nach eher gewesen, wenn ich versucht hätte, Jaspers Frisur oder Klamotten ... aber das habe ich mir weitgehend verkniffen.

Dass Tim in Anzug und Krawatte beim Alten erscheint, finde ich nicht unglaubwürdig. Anzug und Krawatte gehören zu seiner Grundausstattung. Er fühlt sich darin wohler und sicherer, als ohne sie. Auch wenn er angesichts eines Altpunks dann doch mal hin und wieder den Krawattenknoten nachjustieren muss. Mir hat vor allen Dingen das Bild gefallen, wie sich da zwei völlig unterschiedliche Welten gegenüber sitzen. Vielleicht wollt Tim sogar die Krawatte noch abnehmen, und die kleine süße Carolin hat mit der für sie typischen Zornesfalte über der Nasenwurzel gesagt: "Die bleibt! Keine Zugeständnisse an meinen Vater!"
Nun könnte man sagen: Dann schreib das doch rein, so wird's wenigstens rund und nachvollziehbar.

Und wenn man's reinschreibt, seht in der nächsten Kritik: Oh je, da wird ja jedes Detail haarklein beschrieben, da steht nix mehr zwischen den Zeilen, das ist öde, fade und langweilig ...

Die Fehler bessere ich gleich noch aus, danke für die Hinweise.

Nun, ich weiß nicht, ob wir bei einem "bemühten Schwiegervater" und einem "coolen Banker" nicht auch wieder darüber nachdenken müssten, wie gefährlich dicht meine Figuren einem Klischee kämen.

Nee, meine Geschichte ist die über einen Unbelehrbaren. Ein echt beschissener Vater eben. So steht es im Titel. Aber ob der wirklich darauf scheisst, von seiner Tochter nicht zur Hochzeit eingeladen zu werden, soll sich der Leser selbst überlegen. Ich meine, diese Frage nicht endgültig beantwortet zu haben.

Rick

 

Salve Rick,

spannende Sicht auf den Generationenkonflikt, die Du hier vermittelst. Schade nur, dass die Figuren (zumindest für Dein Können) hier recht holzschnittartig agieren. Tims Sätze klingen wie auswendig gelernte Phrasen (was ganz reizend sein könnte, wenn es Anlass zur Vermutung gäbe, er hätte das wirklich getan). Der Vater vereint alle möglichen Autonomen-Klischees, die der Erzähler aufdringlich kommentiert, als würde er nicht allein durch die Beschreibung der erzählten Gegenwart eine lebendige, glaubwürdige Figur.
Ganz besonders schlimm finde ich die letzten moralinsauren Sätze - da springt einem der erhobene Zeigefinger förmlich ins Gesicht. Ertragen könnt ich sie höchstens, ließe sich darin eine Selbstreflektion des Vaters vermuten, doch dafür finde ich im Text keinen Anhaltspunkt.

Die Rückblende finde ich ähnlich überflüssig. Nichts ist trauriger, als ein auf dem Trip hängen gebliebener Rebell, das lässt sich an der aktuellen Situation deutlich genug schildern, ohne einen Exkurs zur gescheiterten Beziehung und den toten Kameraden der Jugend. Allein das Aufeinanderprallen der bürgerlichen Tochter und des Spätpunkervaters bietet genügend Kontrast - wenn diese Karte ausgespielt wird, ist die kommentierende Stimme aus dem Off nahezu überflüssig.

Wie gesagt, das Thema ist interessant, und vor allem brichst Du aus dem Erzählton aus, den viele Deiner Geschichten (zumindest derjenigen, die ich gelesen habe) haben. Jedem anderen würde ich wohl auch mehr löbliches schreiben, aber Du hast Dir selbst die Latte ziemlich hoch gehängt, nun ist das Publikum verwöhnt und anspruchsvoll. :D

LG, Pardus

 

Hallo Rick,

das Ganze ist gekonnt geschrieben, man merkt das an den Details.
Den Plot finde ich sehr interessant, etwas Ähnliches habe ich noch nicht gelesen.
Diese beiden Hauptpunkte machen das Ganze zu einer sehr guten Geschichte, die ich mit Freude gelesen habe.

Außerdem gefällt mir, dass das Ganze nicht ins Alberne abdriftet, sondern ernst ist und bleibt. Topp.

Viele Grüße,
Maeuser

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Rick!

Also eins muss man deiner Geschichte zu Gute halten, sie hat mich grad aus dem Bett geholt. :p Hab sie schon vor ner Woche gelesen und jetzt ist sie mir wieder eingefallen. Ich muss jetzt kommentieren, sonst kann ich nicht schlafen.

Also, für den Titel muss dich mal wieder einer schlagen, ganz echt! Für mich gilt eine Faustregel: Keine Kraftausdrücke im Titel. Und zwar niemals!

Und dann zur Geschichte ... also sorry, Rick, aber mir hat sie nicht so gefallen. Ehrlichgesagt regt sie mich auf. Die Protagonisten regen mich auf und die Story auch. Ich muss da auch ganz klar trennen zwischen "die Protagonisten sind mir unsympathisch" und "die Protagonisten sind mir nicht zugänglich". Abgesehen davon, dass sie mir tatsächlich unsympathisch sind, ist der letztere Punkt der entscheidende. Weil: Was passiert da eigentlich? Die ganze Geschichte ist doch wie ein Gewitter, das nicht stattfindet. Da ist ne Kaltfront und da ist ne Warmfront, die treffen sich, sagen kurz hallo und hauen wieder ab. Der Konflikt wird aufgebaut, aber nicht ausgeführt. Die Spießer-Tochter kommt zu ihrem Punker-Vater, lädt ihn offiziell von ihrer Hochzeit aus, den Vater juckt das nicht, die Tochter weiß das, redet aber munter weiter, als hätte sie sich zuhause eine Rede zurechtgelegt, die sie jetzt unbedingt an den Mann bringen will. Wenn der Sinn jetzt gewesen wäre, darzustellen, wie Vater und Tochter schon immer so eine Kommunikationsbasis gefehlt hat bzw. wie die Tochter eventuell hofft, der Vater könnte protestieren, aber enttäuscht ist, dass er es nicht tut ... Dazu hätte ich mir was vorstellen können. Aber das findet ja nicht statt. Stattdessen kommt diese Stelle hier:

Im Flur umarmt sie ihren Vater und küsst die Luft westlich und östlich seiner unrasierten Wangen. „Das alles tut mir so leid!“
Ihr Monolog im Abschnitt vorher klang wie so ein einseitiger Streit, der Streitpartner wäre ihr Vater gewesen, nur, der hat sich nicht gewehrt. Und wie passt denn jetzt diese Aussage von ihr? Die hat mich beim ersten Lesen stutzig gemacht, dann dachte ich: Naja! Beim zweiten Mal lesen ergibt das vielleicht Sinn. Hats aber nicht. Und das einzige, was mich noch mehr wundert als diese Stelle, ist, dass es vor mir noch keiner angemerkt hat. Ich fühl mich irgendwie, als würde ich völlig offen rumliegende Hinweise übersehen, die mir die Geschichte irgendwie zugänglich machen würden.
Die Stereotypisierung der Charaktere ... Naja, also der Vater geht bei mir noch so durch. Der ist schon ein Stereotyp, da aber viele Punks schlicht und ergreifend nichts als solche sind, passt das. Anders siehts aus mit Tochter und Schwiegersohn. Irgendwer hats schon erwähnt und ich kann dem nur aus vollstem Herzen beipflichten: Dass er so overdressed zum Vater seiner Freundin geht ist für mich recht unglaubwürdig. Ich mein, wie idiotisch kann man sein! Du versuchst hier meiner Meinung nach die Charaktere mit der Holzhammermethode rüberzubringen.

Gut geschrieben ist die Geschichte allemal, da sind hübsche Wendungen drin, aber für mich hakts am Plot und an den Protagonisten. Immerhin hat sie mich beschäftigt und mich nochmal aufstehen lassen, wo ich doch morgen ... ach was solls. ;)

Liebe Grüße,
strudel

 

Hallo herrlollek,

vielen Dank für deinen Kommentar, es freut mich, dass dir die KG so gut gefiel und dich auch emotional berührte. Mehr davon ... :-)

Hallo Fliege,

danke für das Willkommen und deine Meinung zu meiner Geschichte. Dass du den Text gern gelesen hast, obwohl er dir inhaltlich egal war, verbuche ich natürlich als Kompliment. Mir war auch klar, dass sich bei diesem Protagonisten die Geister scheiden werden. Wer interessiert sich schon für einen Null-Bock-Typen im fortgeschrittenem Alter?

Es freut mich, dass dir einige Stellen des Zitierens wert waren und über die Anmerkungen für andere Stellen denke ich mal nach.

Hallo Quinn,

auch dir vielen Dank für deinen Kommentar und die interessanten Gedanken zu meinem Text. Du hast recht, in meinen Stories fällt oft ein großer Schatten aus der Vergangenheit in eine kleine Gegenwart und das mag tatsächlich zu Lasten der Dynamik gehen.

Als ich diese Geschichte schrieb, war mir von Anfang an klar, wie groß diese Gefahr auch diesmal wieder war. Als der Text dann weitgehend fertig war, hatte ich das Gefühl, trotz dieses Wissens wieder eine sehr vergangenheitslastige KG geschrieben zu haben. Nachdem ich den Text aber nachträglich analysierte, stellte ich zu meiner eigenen Überraschung fest, dass mindestens 80% der Story in der Gegenwart spielen. Trotzdem hat man das Gefühl, es wäre genau umgekehrt. Mir wurde dann klar, wie ungleich sich die inhaltlichen Schwerpunkte auf Gegenwart und Vergangenheit aufteilen und stieß auf die fast immer stimmige 80/20-Theorie.

In meiner KG heißt das: 80% des (interessanten?) Inhalts werden im Rückblick transportiert, der grade mal 20% des Textes ausmacht. Und 20% Inhalt findet sich in der Gegenwartsbeschreibung wieder, die immerhin 80% des Gesamttextes ausmacht.

Das ist vermutlich das Ungleichgewicht, das einigen bei dieser Geschichte zu schaffen macht bzw. Unbehagen auslöst oder Dynamik vermissen lässt.

Der Text hat sogar eine Zukunftsausrichtung, dass sind die Hochzeitspläne der Tochter (Gewichtung 20). Dem Gegenüber steht die Nu-Future-Null-Bock-Einstellung des Vaters, der mit solchen Plänen nix anfangen kann (Gewichtung 80). Also auch da wieder ein extremes Ungleichgewicht.

Dieses Übergewicht prägt die ganze Story, sowohl beim Verhältnis Gegenwart, Vergangenheit, Typenzeichnung, Dynamik und Handlungsschwerpunkt. Das war nicht Konzept, das ist einfach so geschehen. Die Frage stellt sich, ob dadurch die Balance der Story nicht stimmt, eine Antwort darauf versuche ich zu finden - auch über die Kritiken.

Und mit dieser Erkenntnis und einer damit verbundenen Ratlosigkeit habe ich den Text letztendliche gepostet, und lerne nun aus den Reaktionen - wie beispielsweise auch aus deiner - wo die Schwachstellen sind und welche Teile Wirkung erzeugen.

Mich hätte nicht gewundert, wenn 80% die KG scheiße finden, und 20% gut :-)

Danke auch für dein Schlussfazit, das tut echt gut, ich habe phasenweise nicht einmal mehr Einkaufszettel auf die Reihe bekommen, aber dann geht man halt ohne los ;-)

Hallo bernadette,

vielen Dank für deine Meinung zur Geschichte. Tja, an eine mögliche Weiterentwicklung Jaspers habe ich ehrlich gesagt von Anfang an keinen Gedanken verschwendet. Für mich wäre es z. B. eher ein Klischee gewesen, aus Hippys und 68ern Rechtsanwälte, Unternehmensberater und Manager werden zu lassen, die dann ihre Ideale verraten und am Ende schlimmer werden, als jene, die sie einst bekämpften.

Ich hätte es auch als langweilig und kitschig empfunden, Jasper eine solche Entwicklung aufzubürden. Ursprünglich flackert eine solche Idee mal kurz auf. Ehemaliger Punker, mittlerweile Geschäftsführer eines florierenden Unternehmens, steht plötzlich seinem jugendlichen Spiegelbild gegenüber, inform des zukünftigen Schwiegersohns an der Seite seiner Tochter. was tun, wenn man plötzlich seinen alten Denkweisen gegenüber steht?

Nein, ich wollte lieber eine konsequente Lebenslinie, weil ich dies für reizvoller und neuer hielt. Ein schönes Thema ist das vielleicht nicht, aber ich habe kein Problem damit, wenn sich Menschen für diese Art von Leben entscheiden, und jede Weiterentwicklung verweigern. Ob es als Stoff für eine Geschichte taugt, ist eine andere Frage, die sich derzeit durch die sehr unterschiedlichen Kritiken auch nicht endgültig beantworten lässt.

Der Stoff an sich weckt schon relativ viele Erwartungshaltungen, und es ist sehr riskant, davon dann nahezu keine zu erfüllen. Aber das war tatsächlich Konzept, weil ich denke, Erwartungen zu erfüllen heißt oft tatsächlich ja nix anderes, als Klischees zu erfüllen.

Rick

 

Hey Rick!

Im Grunde hat apfelstrudel alles gesagt, was mich auch gestört hat.
Ich finde, wenn keine Entwicklung in der Geschichte erkennbar ist, (dass die Figuren sich nicht weiter entwickeln ist okay, das kann man meinetwegen darstellen und sonst was) dann führt das den Leser nicht weiter und man fragt sich, warum erzählt er das? Das hat keine Handlung; du hast schon von dem Ungleichgewicht gesprochen, ja, so kann man's auch ausdrücken, du hast den Fokus auf die Gedanken gelegt, und solange es keine neuen (bahnbrechende) Ideen sind, finde ich Gedanken in Kgs meistens langweilig. Wie hier.
Ich finde diese Kg langweilig und überflüssig. (Aber ich bin da eh in der Minderheit, andere finden ihr Vergnügen dadran. :))

JoBlack

 

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