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Ein Bruder für Paul

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27.12.2012
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Ein Bruder für Paul

Ich heiße Paul, bin fünf Jahre alt und alleine. Naja, nicht ganz – da sind noch Mama und Papa und natürlich Oma, aber die können nicht sooo toll spielen.
Oma kann lustige Geschichten erzählen, aber auf mein Baumhaus traut sie sich nicht.
Papa baut hohe Türme, aber er ist nicht oft zu Hause.
Und Mama, die muss sich immer gleich die Hände waschen, wenn wir zusammen Matschsuppe kochen.

Ich will einen Bruder! Na gut, eine Schwester ginge auch – sie sollte halt gerne Fußball spielen. Und Matsch mögen.
Mama und Papa haben sich ganz komisch angeschaut, als ich das beim Abendessen gesagt habe. Mama sah sogar ein bisschen traurig aus.
Aber sie hat gesagt, dass sie es auch schön fände, wenn ich ein Geschwisterchen hätte.
Prima, dann muss ich also nur noch warten. Bald habe ich Geburtstag. Vielleicht bekomme ich da ja einen Bruder!

Ich habe ein Fahrrad bekommen, mit Dino-Hupe dran. Mööp, mööp. Und einen Lutscher und noch ein paar andere Päckchen. Aber in keinem war ein Baby drin. Oma sagt, Babys kommen nicht in Päckchen. Die kommen aus Mamas Bauch. Und dann hat sie noch etwas von Bienchen und Blümchen erzählt, die fleißig sein müssen, damit das Baby in Mamas Bauch reinkommt. Ob das auch Mama weiß?
Mama hat wieder traurig geschaut, als ich sie gefragt habe.

Ich habe beschlossen, den Bienchen zu helfen. Jeden Tag male ich ihnen eine schöne bunte Blume und lege sie unter meine Matratze. Da liegt nun schon ein ganzer Stapel. Der wird jeden Tag dicker, der Bauch von Mama aber nicht. Mama ist jetzt oft traurig. Oma sagt, es sei alles in Ordnung, die Bienchen müssten nur weiter fleißig sein. Darum male ich noch größere Blumen.

Und dann ist Mama plötzlich wieder fröhlich. Papa tanzt mit ihr durchs Wohnzimmer. „Du bekommst einen Bruder Paul!“, rufen sie fröhlich. „Schon bald!“
Der muss ganz schön klein sein, Mamas Bauch ist nämlich gar nicht dick.
Ich baue ihm ein kleines Bett in meinem Zimmer, in einen alten Schuhkarton lege ich ein paar weiche Taschentücher und Wollsocken, falls er nachts auch immer kalte Füße hat.
Dann ist es soweit, Mama und Papa holen meinen Bruder ab. Ich warte gespannt mit Oma.

Die Tür geht auf. Mama kommt herein: „Paul, das ist Jamal!“
Aber Jamal ist gar kein Baby mehr! Und er ist so … bunt!
Ich laufe schnell in mein Zimmer und hole mein letztes Blumenbild unter der Matratze heraus.
Den Schuhkarton räume ich weg, da passt Jamal bestimmt nicht rein.
„Schau!“, rufe ich Mama zu, „genau, wie ich ihn bestellt habe!“
Die Blume auf dem Bild ist besonders groß und bunt.
Mama lacht und ich gebe meinem Bruder die Hand und nehme ihn mit in mein Zimmer.

 

Hey claudianne,

jetzt also eine Geschichte mit menschlichen Protagonist :).

Ich weiß gar nicht so richtig, was ich sagen soll. Mich stört diese ganz naive Sicht auf das Thema. Aber ich bin auch nicht fünf Jahre alt und kann daher die Wirkung auf die Zielgruppe nicht einschätzen. Ich will auch keine Vermutungen darüber anstellen. Wahrscheinlich hast du einen Testkind zur Hand und weißt es besser.

Mein Hauptkritikpunkt ist der gleiche, wie auch schon in meiner Kritik unter deiner letzten Geschichte. Der Konflikt und die Lösung dessen, liegen nicht im Aktionsfeld deines Protagonisten. Es ist ja eher der der Mutter. Sie kann scheinbar keine weiteren Kinder bekommen, obwohl sie sich so gern eines wünscht und sie löst das Problem über eine Adoption. Das kommt auch ein bisschen wie Wundertüten-Lösung daher. Tada - neuer Bruder ist da. Aber gut, genau so würde es ein fünfjähriger wohl auch begreifen, wenn er zuvor in die Entscheidung nicht miteinbezogen worden ist.

Ich kann aber auch nicht sagen, dass mir die Geschichte deswegen nicht gefallen hätte. Aber einen wow-Effekt hat sie auch nicht ausgelöst. Also, irgendwo dazwischen ;).

Beste Grüße Fliege

 

Aber sie hat gesagt, dass sie es auch schön fände, wenn ich ein Geschwisterchen hätte.

… aber die können nicht sooo toll spielen,
können die schon,

lieber Paul,
pardon,

liebe Claudianne,

aber die Ältern wissen’s zu verbergen, dass sie auch schlicht und einfach albern sein und spielen können oder auch einfach zuzugeben, dass sie auch in Manchem naiv sind, denn sie spielen Dir nur vor, dass sie’s nicht könnten, weil sie meinen, was man einmal angefangen habe, müsse man auch zu Ende bringen, dass ihnen selbst Spiele zur Arbeit und Naivität zum Schutzmantel werden.

Hab ich doch geahnt, dass aus Dir was wird! Da musst’ ich schon richtig gucken, um was zum bekritteln zu finden, was eine meiner Seelen – der Kleinkrämer und –bürger in mir – sein Leben lang gern tut:

Jeden Tag male ich ihnen eine schöne bunte Blume und lege sie unter meine Matratze.
In der Form wäre zwischen den Adjektiven / Attributen „schön / bunt“ ein Komma zu setzen. Aber es gibt eine ganz einfache Methode, das erste zur Steigerung des zwoten zu nehmen (dann nämlich fällts Komma wie von selbst weg), indem Du den Zusammenhang durch das auslautende e kenntlich machtest:
Jeden Tag male ich ihnen eine schöne[,] bunte Blume und lege sie unter meine Matratze,
oder
Jeden Tag male ich ihnen eine schön[…] bunte Blume und lege sie unter meine Matratze.

Und dat war’t dann auch schon von’e Kleinkrämerseele, wie man hierzulande halt so quatscht

Oma kann lustige Geschichten erzählen, aber auf mein Baumhaus traut sie sich nicht.
Ich aber, der ich vielleicht sogar älter als Deine Oma bin, und wenn Du keine Angst vor Hunden hast (hab ich nur noch einen, denk ich, dass es besser sei, sofort aus dem Tierheim einen jüngeren zu holen, denn auch Hunde sind gesellig, und ich hab keinen, der so klein wäre, dass ich mich sonderlich bücken müsste, nicht, weil ich mich schlecht bücken könnte, sondern weil ich vor niemandem gerne buckel)
Papa baut hohe Türme, aber er ist nicht oft zu Hause.
Dein Papa ist also Architekt, Ingenieur, Polier, Maurer oder Kartenspieler … Da bistu ja ein Kind der (nahezu) vaterlosen Gesellschaft – wie zu Zeiten der Ritter (nicht gerade Herrn Rotz’), die waren nämlich auch immer auf Tour, Kreuz- und Feldzug, tournai (so nannten sie ihre Kampfspiele, quasi im Trainingslager), oder in Sachen Minne unterwegs und heute ist es die Arbeitsstelle, die einen gefangenhält.

Und Mama, die muss sich immer gleich die Hände waschen, wenn wir zusammen Matschsuppe kochen.
Hm, die ess ich gern, vor allem in Gulaschkanonen zubereitet und am nächsten Tag als Eintopf, aber nicht süß-sauer, sondern einfach scharf wie’n Rasiermesser! Deshalb lass ich mich auch nur dreimal im Jahr rasieren … süätestens, wenn der Schnäuzer die Suppe bereichert, d. h. darin hängt.

… sie sollte halt gerne Fußball spielen
Wat ja’t minnigste wäre für ein’ aus’m Ruhrpott! Ich bin gleich beim Borussia /dat is’ lat. für Preußen/ obwohl die Römer gar kein Preußen kennen konnten, lustig, gelt, die warn so schlau, dat ihre tote Sprache noch immer gesprochen und geschrieben wird, und nich’ nur im Papa-, pardon, Vatikan ...
Und Matsch mögen.
Wenn Du denn Hunde magst, selbst wenn die sich in Schafscheiße oder Durchfall von Joggern wälzen … (s. o.)

Die Tür geht auf. Mama kommt herein: „Paul, das ist Jamal!“
Aber Jamal ist gar kein Baby mehr! Und er ist so … bunt!
Ist für mich der Kern der Kindergeschichte und den Namen Jamal kenne ich bisher nur von Orientalen (Iran, Irak).
Es ist ja in der Regel so, dass Kinder erst dann unterschiedliches Aussehen gar nicht als störend empfinden (Auseinandersetzungen gehen um reale Dinge wie etwa im Sandkasten die Konkurrenz um die einzige Schüppe), erst mit dem Draufstoßen – „Spiel nicht mit den Schmuddelkindern“ heißt ein Text von Franz Josef Degenhardt – durch die Elterngeneration auf die Herkunft achten. Tatsächlich stammen wir alle aus Afrika und selbst unsere Vorfahren waren dunkelhäutig, bis sie sich an die klimatischen Bedingungen angepasst haben – und die indoeuropäische wie alle andern großen Sprachfamilien zeigen, dass wir alle miteinander verwandt sind, freilich um den mythischen Brudermord direkt am Anfang aller Geschichte.

Noch’ne Bemerkung, eher’n Kompliment: Es ist schwierig, sich in andere hineinzuversetzen, erst recht, wenn’s ums andere Geschlecht und zudem um eine andere Altersgruppe geht. Aber das ist Dir geglückt!

Gruß vom

Friedel,
der gespannt auf Deine nächste Geschichte ist!

 

Hallo und Danke für die Anmerkungen!
Mit dieser Geschichte bin ich recht unsicher, ob sie überhaupt für Kinder geeignet ist. Ein Testkind im betreffenden Alter habe ich leider nicht.
Sollte es also irgendwo eins geben, wäre ich gespannt auf seine Reaktion.
Also bitte vorlesen :-).

Bzgl. des Namens Jamal hatte ich unter den populären Vornamen Afrikas nachgeschlagen.

Und natürlich können Omas und Opas auch toll spielen, aber eben anders als ein weiters Kind, oder?

Danke nochmals für das Feedback, aus dem ich immer etwas lerne. Ich habe noch so viele Geschichten auf Vorrat, die ich kontinuierlich verbessere.

Schönen Abend,
Claudia

 

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