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Ein Bruder für Paul
Ich heiße Paul, bin fünf Jahre alt und alleine. Naja, nicht ganz – da sind noch Mama und Papa und natürlich Oma, aber die können nicht sooo toll spielen.
Oma kann lustige Geschichten erzählen, aber auf mein Baumhaus traut sie sich nicht.
Papa baut hohe Türme, aber er ist nicht oft zu Hause.
Und Mama, die muss sich immer gleich die Hände waschen, wenn wir zusammen Matschsuppe kochen.
Ich will einen Bruder! Na gut, eine Schwester ginge auch – sie sollte halt gerne Fußball spielen. Und Matsch mögen.
Mama und Papa haben sich ganz komisch angeschaut, als ich das beim Abendessen gesagt habe. Mama sah sogar ein bisschen traurig aus.
Aber sie hat gesagt, dass sie es auch schön fände, wenn ich ein Geschwisterchen hätte.
Prima, dann muss ich also nur noch warten. Bald habe ich Geburtstag. Vielleicht bekomme ich da ja einen Bruder!
Ich habe ein Fahrrad bekommen, mit Dino-Hupe dran. Mööp, mööp. Und einen Lutscher und noch ein paar andere Päckchen. Aber in keinem war ein Baby drin. Oma sagt, Babys kommen nicht in Päckchen. Die kommen aus Mamas Bauch. Und dann hat sie noch etwas von Bienchen und Blümchen erzählt, die fleißig sein müssen, damit das Baby in Mamas Bauch reinkommt. Ob das auch Mama weiß?
Mama hat wieder traurig geschaut, als ich sie gefragt habe.
Ich habe beschlossen, den Bienchen zu helfen. Jeden Tag male ich ihnen eine schöne bunte Blume und lege sie unter meine Matratze. Da liegt nun schon ein ganzer Stapel. Der wird jeden Tag dicker, der Bauch von Mama aber nicht. Mama ist jetzt oft traurig. Oma sagt, es sei alles in Ordnung, die Bienchen müssten nur weiter fleißig sein. Darum male ich noch größere Blumen.
Und dann ist Mama plötzlich wieder fröhlich. Papa tanzt mit ihr durchs Wohnzimmer. „Du bekommst einen Bruder Paul!“, rufen sie fröhlich. „Schon bald!“
Der muss ganz schön klein sein, Mamas Bauch ist nämlich gar nicht dick.
Ich baue ihm ein kleines Bett in meinem Zimmer, in einen alten Schuhkarton lege ich ein paar weiche Taschentücher und Wollsocken, falls er nachts auch immer kalte Füße hat.
Dann ist es soweit, Mama und Papa holen meinen Bruder ab. Ich warte gespannt mit Oma.
Die Tür geht auf. Mama kommt herein: „Paul, das ist Jamal!“
Aber Jamal ist gar kein Baby mehr! Und er ist so … bunt!
Ich laufe schnell in mein Zimmer und hole mein letztes Blumenbild unter der Matratze heraus.
Den Schuhkarton räume ich weg, da passt Jamal bestimmt nicht rein.
„Schau!“, rufe ich Mama zu, „genau, wie ich ihn bestellt habe!“
Die Blume auf dem Bild ist besonders groß und bunt.
Mama lacht und ich gebe meinem Bruder die Hand und nehme ihn mit in mein Zimmer.