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Ein bißchen Spaß muß sein

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06.09.2012
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Ein bißchen Spaß muß sein

Ein ganz normaler Arbeitstag. Ich schaue in den Terminkalender und plane den Tag mental schon für mich durch. Das tolle an meinem Job ist, dass ich wirklich unheimlich nette Kunden habe und es nie wirklich langweilig wird. Einen schlechten Tag haben wir alle mal, sogar ich!
Aber heute kommt mal wieder ein Kunde, der etwas anstrengend ist. Nett, aber anstrengend. Steffen! Steffen kommt so alle drei bis vier Wochen und dann ist volles Programm angesagt, Maniküre, Pediküre und heute auch eine kosmetische Gesichtsbehandlung. Okay, dann muss ich mich auf ein sehr hippeliges, nervöses Etwas einstellen, der immer unter Zeitdruck steht und dadurch eine angespannte Atmosphäre verbreitet.
Und da ist er schon! Steffen ist ein gutaussehender, 1,95 großer und schlanker Typ, mit blauen Augen und kurzen, mittelblondem Haar, Mitte 30 und geschäftlich ganz gut aufgestellt. Deshalb sieht man über seine proletenhafte Profilneurose, was er für ein toller Hecht ist, auch hinweg. Schließlich muss ich fairer weise sagen, er hat auch hart dafür gearbeitet.
Jedenfalls die Tür geht auf und Steffen kommt schon völlig verhuscht und nervös zur Tür herein. Ich glaube Kaffee sollte ich ihm nicht anbieten!
Wir fangen an mit Maniküre. Wir schwatzen so ganz belangloses Zeug und ich warte... Ich warte und ich warte immer noch... Da! Jetzt geht es los! Ich kenne das schon, weil es immer das Selbe mit Steffen ist.
„Annett, hast du nicht eine Freundin für mich?“ Ich schaue ihn an und sage: „Nöö, ich kenne keine doofen Weiber!“ Er lacht. „Sie muss ja nicht doof sein!“
„Was ist denn mit der Letzten passiert?“ Er mosert: „Die kann sich ihre Handtaschen jetzt wieder alleine kaufen! Ihr Weiber denkt immer, dann ziehe ich mal bei ihm ein und schon frisst er mir aus der Hand und ich kann ihm auf der Nase rumtanzen. Es ist immer das Gleiche!“
Nachdenklich sage ich: “ Du scheinst da aber ein Händchen für solche Trullas zu haben. Irgendwas musst du doch suchen, sonst würdest du dir doch nicht solche Hupfdohlen an Land ziehen. Und warum sind es eigentlich immer russische Frauen? Deine letzten Freundinnen, von denen du erzählt hast waren alle aus dem Ostblock. Wieso eigentlich?“
Stille. Dann ein kurzer Kommentar: “ Sie machen einfach ALLES!“ Er holt tief Luft, als wenn er mir jetzt einen Vortrag halten wolle.
„Okay, okay! Mehr will ich gar nicht wissen“ sage ich schnell. Ich feile wie blöde an seinen Fingernägeln und denke dabei: wieso musst du auch so dämlich fragen, es ist doch sein Problem. Ich hatte auch wenig Lust mir die männlichen, verbalen Ausschweifungen über die Vorzüge der osteuropäischen Frauen anzuhören. Ich fühlte mich auch etwas an meiner deutsch-fraulichen Ehre gekränkt.
Das war genau der Typ Mann, den ich ums verrecken nicht auf der Backe haben wollte.
Ich muss an dieser Stelle mal was klar stellen. Hallo Männerwelt: Wir Frauen mögen gutaussehende und gepflegte Männer!! Aber das allein reicht nun mal nicht. Mir jedenfalls nicht.
So eine gesunde Mischung aus Hugh Jackman mit einer ganzen Menge Verstand, gepaart mit einer großen Dosis Humor, und nicht zu vergessen, Sexappeal...Und wenn das dann auch noch zu mir passt, ich bin ja schließlich auch keine Nicole Scherzinger, dann ist doch die Welt im Lot. Meine Welt ist zur Zeit in Ordnung!
Aber zurück zu Steffen. Maniküre erfolgreich und ohne Verletzungen abgeschlossen und jetzt geht es in die nächste Runde, Kosmetik.
Während ich sein Gesicht abreinige und peele höre ich wir wieder die gleiche Leier an, warum ich keine Freundin für ihn habe...
Jetzt wird es mir langsam zu bunt und mir blitzt in der Sekunde eine Idee durch den Kopf, kombiniert mit einer riesengroßen Portion Schalck,. Ich habe die Massage beendet und trage die Maske auf. Entgegen den Gewohnheiten der letzten Behandlungen lege ich Wattepads auf die Augen. Es sieht lustig aus! Die großen weißen Pads leuchten richtig auf dem grünen Gesicht. Steffen rutscht unruhig hin und her. Seine Frage: “Warum machen wir das heute?“, beantworte ich, indem ich ihm erkläre, dass seine Augenpartie heute sehr mitgenommen aussieht und extra Pflege braucht. Schließlich muss er doch gut aussehen, wenn er eine neue Freundin anbaggern will.
In aller Seelenruhe bastle ich aus Kleenextüchern 2 wunderschöne große Hasenohren, die ich dann seitlich rechts und links in das Kosmetikband feststecke. Das ist aber noch etwas fad! Also knicke ich die nächsten Tücher zu einer Fliege und lege sie unter sein Kinn. Perfekt!
Ich hole mein Handy raus und mache ein Foto!
Steffen wird jetzt wirklich unruhig und ich befreie ihn ganz schnell von den Accessoires und von seiner giftgrünen Maske.
Kosmetik beendet! Wir machen Kasse und noch einen neuen Termin für die Füße.
3 Wochen später! Steffen kommt pünktlich, aber wieder total gehetzt zum Termin. Er ist so nervös, dass ich ihn wirklich scherzhaft frage, ob er irgendwas genommen hat. Hat er natürlich nicht! Während ich die Füße bearbeite, die dank regelmäßiger Pflege wirklich noch gut aussehen, fängt er wieder an die übliche Leier runterzubeten. Frauen, Frauen, Frauen.
Ich zu ihm:“ Ach ja, habe ich fast vergessen! Ich habe eine Freundin für dich!“ Misstrauisch schaut er mich an. „Wie, du hast eine Freundin für mich!“
„Na, ich habe eine Freundin für dich.“ Sage ich: “ Mich hat das so beschäftigt letztes Mal, dass ich mir gesagt habe, ich muss dir helfen eine Freundin zu finden. Und wo kommen mehr attraktive Frauen hin? In ein Kosmetikinstitut! Ich habe seit letzter Woche eine neue Kundin. Ganz frisch aus Russland, genau deine Kragenweite. Sie hat auch noch den Vorteil, dass sie intelligent ist und ebenfalls mit Immobilien zu tun hat.“ Steffen sein Interesse ist geweckt. Er wirkt noch etwas verwirrt. Aber promt kommt die Frage: “Und? Wie sieht sie aus?“
Ich muss mir schon die ganze Zeit auf die Zunge beißen um ernst zu bleiben. Auweia! Das gibt bestimmt böse Punkte auf meinem Karmakonto. Egal, Risiko ist manchmal nicht verkehrt. Ich setze also mein unschuldigstes Gesicht auf und erzähle ihm:“ Sie ist groß, schlank, hat blaue Augen und zu kurzes, mittelblondes Haar. Und sehr nett.“
Er fragt:“ Ja und nun? Hast Du ihre Nummer?“
Verschwörerisch blinzle ich ihn an und sage:“ Ich habe etwas viel besseres!“ Kleine Kunstpause! „ Ich habe sogar ein Foto von ihr!“
Jetzt schaut Steffen doch etwas irritiert. „Wieso hast du ein Bild von ihr?“
Ja wieso eigentlich!? Okay, nachdenken, nachdenken...
Ganz harmlos plaudere ich drauf los:“ Wir haben gleich so total locker geschwatzt und da hat sie mir erzählt, dass sie neu in der Stadt ist und noch gar keinen hier kennt. Es wäre auch anstrengend , Leute einfach so kennen zulernen. Da sie sehr viel arbeitet und im Moment wenig Freizeit hat. Ich habe ihr dann gesagt, dass ich einen sehr netten jungen Mann kenne, der genauso tickt wie sie. Und er hat den Vorteil, dass er aus der gleichen Branche kommt. Vielleicht könnte man ja mal einen Kontakt herstellen. Und dann habe ich ihr vorgeschlagen ein Foto von ihr zu machen. Das wäre doch eine gute Idee.“
Steffen ist schon ganz aufgeregt. Er rutscht auf seinem Stuhl hin und her: “Zeige mal .Los komm, gib mal her!“
Ich hole mein Handy und sage:“ Ich schicke es Dir einfach rüber! Warte mal! Es dauert ein bisschen!“
Ungeduldig drängelt er:„Es ist noch nicht da! Man wie lange dauert das denn?
Es ist immer noch nichts da!“
Ich lasse ihn noch etwas zappeln: „Mmh, ist ja komisch, es müsste doch schon zu sehen sein!“
Er starrt förmlich sein Handy an und fixiert es wie die Schlange ihr Opfer. Sein Gesichtsausdruck verändert sich merklich. Erst völlig gespannt, dann ziemlich irritiert und nicht verstehend, dann :“ Das , das bin ja ich!! Du hast ein Foto von mir gemacht und mir geschickt! Wie sehe ich denn aus? Was sind das für Ohren?“ Er schaut mich an und überlegt scheinbar wie er reagieren soll. Er entscheidet sich für die entspannte Variante, er lacht! „Aber Annett, das löscht du bitte sofort, ja! Das darf keiner weiter sehen!“
Ich habe es auch wirklich gelöscht! Und er hat mich nie wieder gefragt, ob ich eine Freundin für ihn habe!


Berlinwriter

 
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Hey,

dein Text ist 10 Tage ohne Kommentar geblieben. Vielleicht kriegen wir raus, warum?

Der Titel:

Ein bißchen Spaß muß sein
Würdest du eine Geschichte anklicken, die so heißt? Macht der Titel neugierig? Es ist ein altes Lied, das zu einer erstarrten Wendung geworden ist, aber auch schon angestaubt und bei einem bestimmten Publikum wirkt das sicher wie ein "Lies mich nicht"-Schild.
Der Satz müffelt nach Karneval und Beamtentum und Schlager.

Der erste Satz:

Ein ganz normaler Arbeitstag.
Wer über die Schwelle des Titels gekommen ist, kriegt als ersten Satz. „Ein ganz normaler Arbeitstag“, da sagt mir also einer: Ich erzähle dir jetzt so wie es bei mir immer ist.
Hm. Klingt das spannend oder so dass man es lesen müsste? Würdest DU das lesen wollen?
Ich hab mal geguckt, in den vergangenen 7 Tagen sind so ungefähr 80 Geschichten hier eingestellt worden, die allermeisten sind kommentiert worden, nur wenige schaffen es 7 Tage ohne Kommentar.
Und diejenigen, die ohne Kommentar bleiben, haben das oft gemein: Einen nichtssagenden Titel und einen laschen Anfang. Dann sind all die Zeilen, die danach kommen, völlig egal, weil die keiner liest.
Das ist doch traurig.

Steffen kommt so alle drei bis vier Wochen und dann ist volles Programm angesagt, Maniküre, Pediküre und heute auch eine kosmetische Gesichtsbehandlung.
Das hier ist ein brauchbarer erster Satz. Alles vorher kann weg.
Da hat man als Leser sofort das Gefühl: Ich bin im Geschehen drin. Ich seh gleich: Bewegung.
Man braucht so ein Palaver nicht zu Beginn einer Kurzgeschichte, der Autor sollte sich nicht warmschreiben müssen, und der Leser muss sich ganz sicher nicht „warm lesen“.

Ja, zu der Geschichte selbst. Wenn man humovrolle Geschichten schreibt, sollte man eher darauf achten, dass der Erzählerin der Streich gespielt wird, und nicht dass sie diejenige ist, die einen anderen veralbert. Das klingt sonst wie: „Guck mal, wie toll ich bin.“ So Gespräche macht man ja im Small-Talk häufiger mit als einem lieb ist.

Und dann ist es schwer für die Erzählerin Sympathie zu entwickeln.
Das ist generell so. Schon im alten Rom haben die Wahlkämpfer sich nicht selbst gelobt, sondern jemand hat sich neben sie gestellt und überlaut darauf hingewiesen, was für tolle Hechte sie sind.
Und wenn in der Ich-Perspektive jemand erzählt, wie er jemandem einen tollen Streich gespielt hat, dann wirkt das immer so ein bisschen als würde er sich selbst in einem besseren Licht darstellen, das ist immer ungünstig.
Die erfolgreichen Ich-Erzähler machen sich eher klein.
Das ist auch der Grund dafür, warum "wir" z.b. die Ich-Erzähler aus den klassischen hard boiled Detektivromanen heute eher albern finden. Wenn ein Ich-Erzähler ständig betonen muss, wie hart er ist und wie er kombiniert und was er alles gesoffen hat, das wirkt auf uns heute schon befremdlich (die einzigen, die in unserer Gesellschaft noch mit ihrem Alkoholkonsum angeben, sind Teenager - bei jedem anderen denkt man: Wann macht er den Entzug?). Wir sind an den Ich-Erzäher gewöhnt, der sich selbst klein macht und mit viel Selbstironie erzählt.

Ja, dann halt ist das weniger eine Geschichte und mehr so eine Kolummne. Ich les Samstags immer – ich gebe es zu – die Frauenkolummne in der Bild. So ähnlich sind die da auch immer.
Wenn man sowas macht: Unbedingt auch mit Selbstironie schreiben und den Ich-Erzähler kleiner machen als er ist. Sonst ist das nicht gut.

Und wie gesagt: Titel, erster Satz. Da mehr Arbeit reinstecken, sonst liest das halt keiner.

Gruß
Quinn

 

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