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Ein Besuch im Regen

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15.03.2015
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Ein Besuch im Regen

Der Himmel ist bewölkt als ich das hüfthohe, schmiedeeiserne Tor aufschiebe und hindurch trete.
Kies knirscht unter meinen Schuhen und der Wind rauscht in den Kronen der großen Laubbäume.
Ich hab dich lange nicht besucht…

Das Gebäude mit seiner weißen Fassade ist ein Lichtfleck zwischen dem dunklen Grün der Hecken und dem Grau des Himmels.
Mein Weg führt mich die Gartenanlage entlang. Die Blumen in meinen Händen würden dir gefallen.
Nur eine kleine Aufmerksamkeit…
Ich weiß dass ich richtig bin, obwohl ich diesen Weg erst einmal gegangen bin.
Die Grabsteine wirken heute nicht mehr ganz so grauenhaft wie damals.

Meine Schritte sind langsam… aber nicht aus dem gleichen Grund wie vor ein paar Monaten, als wir dich zu Grabe getragen haben.
Sie sind langsam, weil ich mir bei jedem Schritt eine schöne Erinnerung an dich herbeirufe.
Wir haben uns kennen gelernt… wir waren Freunde… hatten so viel Spaß… so viel Vertrauen.
Ich habe dich kennen gelernt.
Den Menschen hinter dem lauten Lachen, dem hübschen Gesicht und der Ausgelassenheit eines Einundzwanzigjährigen, der keine Angst vor der Zukunft hat.
Den Poeten hinter dem Realisten, den Romantiker hinter dem harten Kerl… den Unsicheren hinter dem selbstbewussten jungen Mann…
Ich habe dich kennen gelernt.
Ich habe dich lieben gelernt.
Und ich habe dich verloren.

Ich bleibe stehen.
Keine tausende von Schritten würden jemals reichen für all das Schöne was ich mit dir erlebt habe, was uns verband.
Ich durfte weinen, ich durfte toben und ich durfte mich anlehnen…
So wie ich hinter deine Maske geschaut habe, durftest du hinter meine blicken.
Du durftest alles von mir sehen… und du warst so zärtlich dabei.

Ich wische eine Träne von meiner Wange und schüttle den Kopf.
Mein Versprechen kann ich also nicht halten. Ich trauere.
Noch immer…
Für immer…
Du fehlst mir. Und diese Worte sind keine Metapher.
Es fehlt ein Teil von mir.
Ich bin sechsundzwanzig und der, der meine zweite Hälfte war ist nicht mehr da.
Sechs Jahre mit dir waren zu kurz um alles zu sein. Es ist nicht fair!
Ich blicke auf den Grabstein unter dem mein Leben vergraben liegt.

Ich weiß noch, dass ich am liebsten mit dir in dieses sandige Grab gestiegen wäre…
Fort vom Licht das in den Augen brennt, flüchtend vor den grausamsten Nächten der Einsamkeit, die mich immer aufs Neue zerbrachen.
Mittlerweile gibt es wenigstens traumlose Nächte.
Und ich weiß nicht ob ich deshalb weinen oder erleichtert sein soll.
Ich habe Angst nicht mehr von dir zu träumen… das ist alles was ich noch von dir habe.
Der einzige Ort wo ich dich sehen, hören, berühren, riechen und schmecken kann.

Ich gehe in die Knie und lege die Blumen auf das Grab.
Die Inschrift auf dem Grabstein schmerzt.
Ein Tropfen Regenwasser fällt auf meinen Handrücken und ich erinnere mich an einen Tag im Sommer.
Du hast mich in den warmen Regen gezogen und gelacht.
Ich wollte mein Gesicht vor dem Wasser schützen aber du hast meine Hände weggezogen und mich geküsst.
Dann war mir der Regen egal. Das wusstest du genau…
Und dann hast du mich zu einem Eis eingeladen… Erdbeer und Zitrone.
Nun lächle ich doch, während sich der stärker werdende Regen mit meinen Tränen mischt.

Ich vermisse dich!
Ich vermisse dich für immer!
Und ich weiß nicht ob ich jemals wieder leben kann.
Ich existiere im Moment nur noch in Erinnerungen und dem was du zurückgelassen hast…
Das letzte Haus in dem ich sicher bin.
Im Moment will ich dort nie wieder raus!
Du würdest das nicht wollen. Aber die Alternative wäre, dir zu folgen.

Dachte ich mir… bei Diskussionen hast du meistens verloren.

Meine Hände streichen über die Blütenblätter, die nass werden und ich weiß, dass ich zu früh hierher gekommen bin.
Doch Menschen machen Fehler.
So wie ich… wie du… der Autofahrer in der Nacht als du nicht neben mir lagst.
Ich sinke in mir zusammen und weine so, wie schon gefühlte hundert Nächte lang.
Wir waren füreinander bestimmt.
Und nun muss ich sehen, wie ich überlebe. Ich kann nur hoffen, dass du nicht so leiden musst wie ich.

Ich fühle zwei warme Hände an meinen Schultern.
Er passt auf mich auf, weißt du?
Seit du weg bist achtet er auf mich. Obwohl er einen Freund, einen Bruder verloren hat.
„Wir kommen im Sommer wieder, was meinst du…“
Er zieht mich sanft auf die Beine und nimmt mich in den Arm.
Zwei Überbleibsel von etwas ganz Wunderbarem… aber eben nicht mehr ganz.
Ich klammere mich an seiner Jacke fest und wir gehen langsam zurück.
Ganz langsam.
Alles geht nur noch ganz langsam ohne dich…
...Doch es geht Schatz...

„Weißt du, worauf ich jetzt Lust hätte?“
Die Hand an meiner Schulter drückt mich aufmunternd ein wenig enger an den schützenden Körper.
„Nein, worauf denn?“
„Erdbeer- und Zitroneneis…“, schluchze ich und er lächelt.

 
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Hallo PhobosMargrace

du bist neu hier und hoffst, laut deinem Profil auf gute Kritiken. Na, mal sehen, ob ich dir damit schon mal hier helfen kann. Ich begrüße dich auf jeden Fall herzlich hier, bei den Wortkriegern.

Ich war mir am Anfang nicht sicher, ob das eine Kurzgeschichte ist, die du hier eingestellt hast. Deine Protagonistin erzählt in der Ichform von einem Besuch am Grab ihres Liebsten und lebt ihre Trauer aus. Ich fühle beim Lesen, dass sie wirklich trauert und das nicht irgendwelche Phrasen sind, die sie denkt und sagt.
Ist es richtig, dass es sein Bruder ist, der nun an ihrer Seite ist? Du hast subtil anklingen lassen, dass er ihr Halt gibt und dass es im Sinne ihres Verstorbenen sein würde, dass es eine gute Lösung ist. Ich sehe das als angedeuteten Spannungsbogen in deiner Geschichte, was ihr dann doch das Recht gibt, eine Kurzgeschichte zu sein. Das ist aber nur meine eigene Meinung.

Du hast einen Erzählstil, der mir sagt, dass das hier nicht deine erste Geschichte ist, die du geschrieben hast. Und wenn du Buchhändlerin bist, dann bist du auch belesen. Das merkt man schon. Dennoch habe ich so einiges rausgefischt, was mir aufgefallen ist.

Den Menschen hinter dem lauten Lachen, dem hübschen Gesicht und der Ausgelassenheit eines 21 Jährigen, der keine Angst vor der Zukunft hat.

Kleine Zahlen werden ausgeschrieben: Einundzwanzigjährigen Das kommt im Text noch mal vor.

Du würdest das nicht wollen, ich weiß[KOMMA] aber die Alternative wäre dir zu folgen.

Noch besser ließe sich das lesen, wenn du drei kurze Sätze draus machst:

Du würdest das nicht wollen. Ich weiß. Aber die Alternative wäre, dir zu folgen.

Meine Hände streichen über die Blütenblätter, die nass werden und ich weiß[KOMMA] dass ich zu früh hierher gekommen bin.

So wie ich… wie du…

Wenn du andeuten willst, dass noch Worte folgen könnten, dann musst du ein Leerzeichen zwischen dem letzten Buchstaben und dem ersten Auslassungszeichen machen. Sonst bedeutet das, dass noch Buchstaben folgen.

Ich sinke in mich[mir] zusammen und weine so[KOMMA] wie schon gefühlte hundert Nächte lang.

Auf das so könntest du sogar verzichten. und weine, wie schon gefühlte hundert Nächte lang.

Und nun muss ich sehen[KOMMA] wie ich überlebe.

Er passt auf mich auf[KOMMA] weißt du?

Seit du weg bist[KOMMA] achtet er auf mich.

„Weißt du[KOMMA] worauf ich jetzt Lust hätte?“

Wie ich gesehen habe, solltest du die Kommasetzung verbessern. Da stehst du meines Erachtens ein wenig auf Kriegsfuß.

Mal sehen, was so noch kommt von dir.

Schönen Gruß
khnebel

 

Hallo khnebel!

Herzlichen Dank für deinen ausführlichen Kommentar und die Hinweise. Ich habe editiert und es ist ganz richtig, dass die Kommasetzung nicht gerade eine Stärke von mir ist. Werde mich in Zukunft etwas genauer damit befassen.
'Ich sinke in mich zusammen'
Das habe ich schon öfter so gelesen und ich weiß nicht, ob es grundlegend falsch, ein 'eingedeutschter' Fehler ist, oder ob beides geht : /
Habe es aber nach deinem Hinweis berichtigt und werde mal verstärkt danach Ausschau halten ^^

Genauso nach einer genaueren Definition von Kurzgeschichten. Die habe ich hier schon irgendwo gelesen, das ist allerdings schon ein paar Tage her.

Da mein Beruf natürlich keine Garantie für perfekte Rechtschreibung und Grammatik ist, bin ich sehr dankbar, wenn ich auf Fehler hingewiesen werde.

Ob die besagte Person nun sein Bruder ist... ich überlasse gern und beabsichtigt einige Details der Interpretation der Leser.
Beste Freunde haben ja manchmal auch eine brüderliche Bindung.
Ich freue mich sehr darüber, dass du die Trauer der Hauptperson nachfühlen konntest.
Vielen Dank für deine Zeit!

Phobos

 

Hola PhobosMargrace,

ein mutiger Schritt, einem Forum beizutreten, wo schon mal Fetzen und Fäuste fliegen. Aber wir sind auch alle ausgebildete Sanitäter. Auf jeden Fall: Herzlich willkommen in der Firma!

Ich las Deine KG „Besuch im Regen“.
Mit diesem Text komme ich nicht ganz klar.
Es geht doch um das Ernsteste auf der Welt: Liebe und Tod.

Deshalb bin ich hin und her gerissen zwischen der Suche nach echter Betroffenheit und dem Finden von klischeehafter Aufarbeitung.

...Es fehlt ein Teil von mir. ...
...Sechs Jahre mit dir waren zu kurz um alles zu sein. Es ist nicht fair!...
...Ich blicke auf den Grabstein unter dem mein Leben vergraben liegt....
...Ich weiß noch, dass ich am liebsten mit dir in dieses sandige Grab gestiegen wäre…
...Fort vom Licht das in den Augen brennt, flüchtend vor den grausamsten Nächten der Einsamkeit, die mich immer aufs Neue zerbrachen....
...Ich sinke in mir zusammen und weine so, wie schon gefühlte hundert Nächte lang...
...Wir waren füreinander bestimmt....

usw. usw.

Sei mir nicht böse, dein Text erreicht mich nicht wirklich. Es kommt mir so vor, als wären mir viele seiner Elemente schon einmal begegnet. Er wirkt auf mich klischeehaft, zu sehr auf Effekt geschrieben, zu wenig getragen von tieferen Empfindungen, obwohl das doch der Inhalt des Textes sein soll.
Ich bin an Texte im Schülertheater erinnert: monoton vorgetragen, schön und makellos, aber dahin schleichend ohne die Spur von innerem Erdbeben, von Aufbegehren, Zweifel und ...(hier hätte ich eigentlich ’Demut’ geschrieben, doch das klingt wegen zu häufigen Gebrauchs in diesen mitfühlenden Zeiten peinlich abgedroschen).

Was denkst Du, wenn Du Deinen Text noch einmal durchliest?
Mit einem gewissen zeitlichen Abstand stellt sich bisweilen eine gewisse Distanz zum Text ein – und manchmal kann man dann sogar über den eigenen Text lächeln.

So. Ich gebe ja schon Ruhe. Meine ersten Geschichten waren auch schlechter als die heutigen, die aber immer noch nicht zufriedenstellend sind. Also was soll's? Wir dürfen uns nicht schonen! Um es mit morphin zu sagen: Weitermachen!
Schöne Grüße
Joséfelipe

1. PS: PM, ich hoffe wir werden Freunde!
(Friedel sagt an dieser Stelle: ‚Nix für ungut’!
Obwohl ich ihm schon zwanzigmal gesagt habe: Richtig hieße es: ‚Alles für gut’)

2. PS: Schau Dir noch einmal die Regeln der Kommasetzung an. Sie helfen dem Verständnis eines Textes.

 
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Hallo PhobosMagrace,

ja, die Geschichte strotzt vor Klischees. Das Ende jedoch entschuldigt dafür etwas: Eine Protagonistin, die trauert, aber trotz tränenreicher Nächte sich schon ersatzweise den Schwager, das heißt, wenn sie noch nicht verheiratet waren, den Schwager in spe geangelt hat. Das Ende hat definitiv etwas, auch wenn ich nicht verstehe, warum sie ihren neuen Partner so derart distanziert und anonym behandelt (als Ich-Erzählerin).

Aber noch mal zu den Klischees. Ich hätte da so eine Idee – nicht, dass ich erwarten würde, dass du sie auch nur im Ansatz umsetzt, betrachte das gern nur als Inspiration –, wie man der Geschichte eine zweite Ebene verleihen könnte, und die Klischees damit zwar nicht ausmerzt, ihnen aber eine hintergründige Bedeutung der Verklärung gäbe: Eigentlich war diese Partnerschaft nämlich gewalttätig. Die Geschichte dann mit einigen Rückblenden dieser Gewaltexzesse durchsetzen, ob nun unverbunden in kursiven Blöcken oder im Sinne von Flashbacks im Bewusstseinsstrom (schwieriger umzusetzen, der Leser wird damit sehr leicht verwirrt) musst du entscheiden. Und dann am Ende durchblicken lassen, dass der neue Partner, der Bruder des Toten, im Grunde nicht anders ist.

Willkommen bei den Wortkriegern.

Viele Grüße
-- floritiv

 

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