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Ein aufschlussreicher Kinobesuch
„Sind sie sich sicher, dass sie sich das ansehen wollen?“, der Kartenverkäufer guckt mich schief an, nachdem ich die Tickets für den Film mit dem einschlägigen Titel „Wissenschaft: Eine Dokumentation“ bestellt habe. „Wir haben auch Blockbuster wie: Topmodel - Schön sein steigert das Interesse!“ „Wohl eher Topmodel - Naivchen fliegen auf die Fresse“, entgegne ich ihn, während ich die Karten an mich nehme. Ich nicke dem Mann an der Kasse desinteressiert zu und mache mich zum richtigen Saal auf.
Beim Schlendern über den roten Teppich sticht mir der angenehm süßliche Geruch frischen Popcorns in die Nase. Das Kino selbst ist gigantisch. Es gibt mehrere Eingänge zu den Sälen, die mit beeindruckenden Plakaten locken. Auf einem zum Beispiel, starrt ein übergewichtiger, glatzköpfiger Mann auf einen prall gefüllten Teller. In diesem Saal geht es wohl um jede Menge Essen. Überall hängen Bilder von Spaghetti bis zu Hamburgern und unter jedem steht: „Wir sind diesmal auf der Suche nach dem besten Nationalgericht von….schauen sie doch mal rein“, die Plakate scheinen mir da ein kleiner zu Spoiler zu sein. Die Besucher wirken ein wenig emotionslos und ähneln eher Statuen mit trüben kalten Blicken, die sich nur bewegen, wenn es unbedingt sein muss. Von Gesprächen keine Spur, nur das stille Schlurfen in den Saal, als ihr Film zu beginnen droht.
Ein paar Schritte weiter, sehe ich auch schon den angesprochen Topmodel-Saal. Hier schauen die Poster etwas anders aus: Das mittlerweile in die Jahre gekommene Modepüpchen „Heidi Klum“ posiert mit einem diabolischen Lächeln und ihren beiden mir völlig unbekannten Gargoyle-ähnlichen Handlangern auf einer Empore, während hunderte junger Frauen vor ihr Knien und andächtig zu ihr aufschauen. Der Film scheint extrem beliebt zu sein. Unzählige kreischende Mädchen rangeln darum, wer als Erste den Raum betritt. Vom Duft nach billigem Parfüm betäubt, ergreife ich die Flucht.
Mit der Wahl der Themen schwinden immer mehr die entgegenkommenden Gesichter. Filme wie „Nachrichten: Das passiert in ihrer Umgebung“ locken eher mit einer bescheidenen Aufmachung. Wenig Plakate, wenig Haut und wenig Farbe. Die Gespräche der paar Menschen vor den Räumlichkeiten gehen allerdings in eine ganz andere Richtung als die vorherigen: Sie diskutieren, fachsimpeln und reden über all das, was bisher gezeigt wurde. Die wenigen Besucher sind motiviert, trotz mangelnder Werbung.
In der hintersten Ecke sehe ich dann endlich meinen Saal. Bisher stehen dort lediglich zwei weitere Besucher, von denen einer für den Film hinter der Kamera stand und der andere davor. Nachdem ich die verschiedensten Plakate gesehen hatte, fragte ich die beiden, warum gerade hier keines hängt. Sie zucken mit den Schultern und sagen so monoton wie nur möglich, „Der Pressesprecher hat gerade Urlaub.“ Unsere gesamte Unterhaltung klang eher nach einer Vorlesung als nach einem Gespräch. Auf einmal erscheinen in den hinteren Bereichen ein paar Silhouetten die sich uns langsam nähren. Mit jeden Schritt der Schatten steigt mir auch ein unangenehm beißender Geruch in die Nase. Es riecht nach einer Mischung aus etwas pflanzlichen und Tabak. Die Gespenster nehmen Form an und ich erkenne ein paar rot unterlaufene Augenpaare.
„Ist hier der Doku-Film?“, fragt mich eine fast schon zu ruhige Stimme. „Ja, hier ist der Doku-Film“, sage ich und in den Gesichtern der Leute breitet sich ein müdes Lächeln aus. Neben den etwas berauschten Gästen, kamen auch ein paar Rentner. Scheinbar aus reiner Gewohnheit oder weil sie mit den „Zombies“ der Essensfilme sowie den kreischenden Gören nichts anzufangen wussten. Wir betreten allesamt den Raum mit einer Leinwand, die nicht viel größer als ein stinknormaler Fernseher ist und nehmen auf einen der leicht ranzigen Kinosessel Platz. Eine Sprungfeder bohrt sich in meinen Hintern. Nach ein paar Minuten beginnt auch schon der Film. Eine Stimme erzählt mit einer Leidenschaft, wie man sie nur bei Notaren oder Büroangestellten vorfindet, wie das Leben funktioniert. Die Kamera scheint dabei aus einer längst vergangenen Zeit zu sein. Das einzige wirklich spannende war der Inhalt der Sendung. Hier hatte ich das Gefühl wirklich etwas gelernt zu haben, wenn auch mich der monotone Sprecher zeitweise ins Reich der Träume geschickt hatte.
Schade eigentlich, ich hätte gerne noch ein wenig mehr mitbekommen…