Mitglied
- Beitritt
- 22.12.2002
- Beiträge
- 482
Eileen und der Hoppitz
Eileen war sehr stolz, daß sie Enno schon alleine ausführen durfte. Enno war der Schäferhund ihrer Tante, und ein Schäferhund ist für ein achtjähriges Mädchen ein ziemlich großes Tier. Jetzt, in den großen Ferien, ging sie mit ihm zweimal in der Woche im Wandse-Tal spazieren. Dort nahm sie ihm die Leine ab und ließ ihn im Gebüsch den Kaninchen nachstöbern. Wenn er genug hatte, kam er zurück, und sie gingen weiter.
Einmal aber kam er nicht aus den Büschen zurück. Eileen wartete und rief und wartete und rief wieder und wartete noch länger; schließlich wurde es ihr zu dumm, und sie kroch ins Gebüsch, um Enno zu suchen.
Als sie ihn endlich fand, traute sie ihren Augen nicht. Enno stand vor einem großen Erdhaufen, der ihr bisher wegen der Büsche rundherum nicht aufgefallen war. Und mitten in diesem Erdhaufen war eine kleine, hölzerne Tür. Auch ein rundes Fenster gab es.
Aus dem Fenster drang ein jämmerliches Gewimmer.
Schüchtern klopfte Eileen an die Tür. Beim ersten und zweiten Mal passierte nichts. Nach dem dritten Klopfen öffnete endlich jemand die Tür – aber nur einen Spalt weit.
Ein putziges Männchen blickte durch den Spalt und fragte ängstlich: „Gehört das schreckliche Monster zu dir?“ Dabei deutete das Männchen auf Enno.
Der Schäferhund kam auch gleich näher, um an der Tür zu schnüffeln.
Als Eileen merkte, daß das Männchen große Angst vor Enno hatte, rief sie: „Aus, Enno! Platz!“
Der Hund gehorchte und legte sich still auf den Boden.
Eileen sagte: „Enno ist doch kein schreckliches Monster. Nur ein Schäferhund.“
„So?“ fragte das Männchen. Nach einem Augenblick öffnete es die Tür ganz und bat Eileen herein.
Eileen bückte sich etwas und trat durch die Tür in eine geräumige Höhle. Jetzt sah sie das Männchen etwas genauer an. Es trug eine grüne Hose und ein gelbes Hemd. Es war barfuß, und auf den Füßen wuchs dasselbe zottelige, braune Haar wie auf dem Kopf!
„Jetzt weiß ich’s!“ rief sie plötzlich. „Du bist ein Hoppitz, nicht?“
Eileens Papa hatte nämlich Bücher, in denen genau solche Männchen abgebildet waren. Die hießen Hoppitze – oder so ähnlich.
Das Männchen überlegte einen Moment, dann sagte es: „Hoppitz? Hm, das ist zwar ungewöhnlich – aber es gefällt mir. Und wie heißt du?“
„Eileen“, antwortete Eileen.
Der Hoppitz überlegte noch einmal einen Moment, dann begann er zu singen:
„An einem schönen Sommertag,
die Sonne in die Höhle schien,
da traf ein Hoppitz einen Mensch,
der war recht klein und hieß Eileen.
Ein Monstertier war auch dabei,
das hatte einen großen Mund.
Eileen jedoch sprach: Hab’ nur Mut,
das Tier ist bloß ein zahmer Hund.“
Der Hoppitz bat Eileen, ihm beim Essen Gesellschaft zu leisten. Sie setzten sich an den Tisch und bedienten sich aus einer großen Obstschale.
Nach dem Essen, als der Hoppitz ein Bier und Eileen einen Apfelsaft tranken, begann der Hoppitz plötzlich wieder zu singen. Es war das Lied von vorhin, aber es gab eine dritte Strophe:
„Man nahm sofort ein Gastmahl ein,
mit Früchten aus des Hoppitz’ Garten.
Es schmeckte wirklich sehr, sehr gut –
der Hund, der mußte draußen warten.“
Das Lied gefiel Eileen. Zusammen mit dem Hoppitz sang sie es noch ein paar Mal, um es zu lernen.
Schließlich verabschiedete sie sich, denn Enno fing schon an, ungeduldig zu bellen. Sie versprach aber, bald wieder zu Besuch zu kommen; der Hoppitz hatte nämlich nur selten Gäste.
Als sie wieder zu Hause war, wollte ihr niemand glauben, daß sie einen Hoppitz getroffen hatte. Doch sie hatte ja einen Beweis: das Lied, das sie vom Hoppitz gelernt hatte!
Als sie das sang, mußten ihr wohl alle glauben. Und sie staunten nicht schlecht!