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Eierträumerei
Eierträumerei
Ein Traum?
Hef hatte mich wegen regelmäßiger unsittlicher Entblößung in der Mansion, auf längere Zeit verbannt. Obschon endlich (!) wieder mal „geladen“, ich bin, weiß der Kuckuck warum, ein wenig unheilfroh ob dieser Amnestie.
Ein kastanienhaariges Bunny der Sumo-Klasse, nimmt mich am Eingang zur „Mansion“ in Empfang. Sie stellt sich meinen - sofort zu Berge stehenden Ohrhaaren - lispelnd als „Adipositas“ vor. Ein angebrachter Name. Etwa 90 Kilogramm orangenhäutiger Hängearsch plus 100 Kilogramm Torso, wuchern vor meiner Staubnase die Treppe aufwärts. Geballtes Menschenfleisch. Hefs neueste Geschmacksentwirrung, sinniere ich, schleppgetaut.
Auf der großen Konsole am Rande zum Emporium: eine rosagrünblau schillernde Galeé Schale, randvoll mit dem erfrischenden Weißen Riesen C17H21NO4 gefüllt. Im Stofflichen stecken rund ein dutzend silberne 100-Dollar-Imitat-Röhrchen. Daneben das obligate „Spieglein, Spieglein an der Hand“. Elegisch augenwinkle ich das Gefäß. Sollten sich doch die röchelnden Tapire unter den noch „un“geladenen Geladenen daran erquicken. Meine zerfledderten Nasenschleimhäute pfeifen beim Emporrotzen und ich schaffe es, diesmal am Gral vorbei zuziehen.
In der Mitte des Salons: Hef in luftig golddurchwirkter Toga. Er feixt mich, umzingelt von einer Horde weiblicher Homo Hypos, an, wie ein erbeutetes Tier. Jählings gelingt ihm ein Befreiungsmanöver aus dem Halbkreis der Superschwergewichts-Nymphen. Arme ausgebreitet, torkelt er mir auf hochhackigem Schuhwerk entgegen: „Seid willkommen oh Licinius!“ flötet er mit abstrus verschwulter Stimme. Dabei verliert er die Balance und verbeißt sich im nächsten Moment röchelnd in meiner toupethaarigen Brust. „Rettet mich vor diesen pompösen Lepussis, damit ich nicht unter den übelsulzigen Auslässen ihrer verwesenden Adipozyten ersticke“, wimmert er beschwörend und ich verdrehe meinen Kopf, um seinem von „Glenfarclas 1904“ gesättigten Atem zu entgehen. Ein tönernes Klickern unterbricht die Stille: Hefs Gebissprothese zersplittert auf dem harten Granitboden in zierliche porzellane Kristalle.
„Götter, Flavius Valerius Constantinus! Was tut ihr hier in den Armen des verruchten Verräters Licinius?“, lallt es aus dem Hintergrund.
Ich entferne Hef, der wie eine seelenlose Stoffpuppe zahnlos zu Boden sackt, und wende mich um: Es ist der alte Arthur S. Jefferson, der mir, bekleidet wie ein römischer Tribun, mit schief auf der Birne sitzender Melone entgegentorkelt. Der Mann ist 83 und säuft seit 40 Jahren wie ein Loch. Beirrt blicke ich an mir herab und kann gerade noch eines der Flusspferde zurückdrängen, dass mit fleischigen Fingern und aufgeblähten Lippenwülsten am Entre zu meinem Genital zerrt. Der obere Teil von Hefs Zahnprothese grinst mich, verfilzt in meinem Brusthaar, kopflos an.
Panik überkommt mich, denn nun erfasse ich, dass „ich“ es bin, der den Ausflusspferden zur orchestrierten Fellatio im Forum Hugh-Manum geopfert werden soll.
Ich entfalte den Plan, zu verschwinden - und zwar pronto! Geeignete Fluchtwege abschätzend, irren meine Blicke sense-o-round.
Plötzlich kitzelt eine sanfte Stimme meinen rechten Ohrlappen: „Elwood! Wo warst du so lange?“ Ein Tonfall der schaurig in meiner Cochlea nachklingt. Es muss eine hünenhafte Hand sein, die sich krallig auf meine Schulter schichtet. Ich taste danach und schlottere voll Grauen zurück. Halb betäubt rotiere ich um neunzig – verflucht: Ein gut und gerne drei Meter großes schneeweißes Karnickel, glotzt mich aus unbarmherzigen grellroten Augen an. Massive schadhafte Nager fletschen bedrohlich. Das Monster hat ein Gebiss wie ein Hengst. Lächerlich, irgendwie kommt mir Fury in den Sinn.
Harveys rasant nach mir schnappende Karottenreisser und ein Kitzeln an meinen Fußsohlen befördern mich überlichtschnell zurück aus diesem Albtraum.
Die Realität?
Schlaftrunken fokussiere ich meine sandigen Pupillen auf die quergeschlitzen Augen Hirka´s, einer einstmals obdachlosen Ziege, die mit mir seit 2 Jahren den Stall, den ich Haus zu nennen pflege, teilt. Sie knabbert vertraulichen Blickes, an einer meiner Zehen. Heilfröhlich stemme ich mich von der Heumatratze und verfüttere gleich ein paar herausragende Halme an die Dame. Wie praktisch. Ich unterdrücke einen Fluch: Hirka hat die Nacht genützt und eifersüchtig meine einzige Wichsvorlage - die 7 Jahre alte Märzausgabe von Playboy Magazine - in winzige Papierfutzeln verwandelt. Wer konnte es der Dame schon verübeln, ihre einzige Konkurrenz aus dem Weg zu räumen? Was soll’s? Hey heute ist Buggs-Bunny-Sunday und: in 39 Tagen geht’s erstmals bemannt zum Mars. Hoffentlich ist J.C. mit den Jungs unterwegs - hm - wäre ohnedies nur ein Abstecher auf dem Weg zu seinem alten Herrn.
Das hohle Geräusch der alten Kuhglocke an der Haustüre Bugs-iert mich vom Rande der Hellas Planitia zurück in unser „Gemach“. Hirka schnuppert am Spalt der Türe zur Küche und wippt dabei mit ihren prallen Titten aufreizend zwischen den Hinterläufen. Ein wartendes Himmelfahrtskommando für einen Laktoseallergiker wie mich.
Wer zum Teufel mag das an der Haustür sein? Mit Ausnahme des Briefträgers – ein-, zweimal im Monat - habe ich nie Besucher. Der Gerichtsvollzieher meidet mich, seitdem Hirka ihm einmal die Hörner in den schneidigen Eiersack rammte. Dem armen Schwein musste man einige Wochen später die geplatzten Testikel absaugen. Sie sollten mal die Blicke sehen, die mir seine Alte rüberblitzt, wenn ich ihre Wege im Supermarkt kreuze. Der lupenreine Todeswunsch. Offenkundig kein makelloses Vergnügen mit dem erektionslosen alten Knabensoprano seine Jahre zu verplanen. Aber was zum Teufel wäre der Kirchenchor ohne den Entmannten? Jedes mal wenn wir am Pfarrhaus vorbeigehen, kommt der Pfarrer raus und streichelt Hirka. Sie meckert dabei immer freundlich – das Vieh ist intelligent, weiß vielleicht worum es geht.
Ich stelze aus dem Haus und ein geplanter Gruß erstarrt mir auf den brüchigen Lippen. Ich blicke links, rechts. Keine verlotterte Menschenseele weit und breit. Hirka stupst mich und ich lande zwei lehmige Stufen tiefer. Wer mein Einschicht-Chalet kennt, weiß: Niemand kann sich hier draußen vor mir verstecken. Nicht in jener Zeitspanne, die ich vom Bett zur Haustüre benötige: 5 Sekunden. Grübelnd stütze ich mich auf Hirkas linkes Horn, und werde sofort mit einer unwilligen Bewegung wegbugsiert. Habe ich mir das Gebimmel eingebildet? Verunsichert lasse ich meinen Blick noch einmal schweifen. Ich zucke zurück: Da liegt – ein Ding auf der Strasse - unter der letzten Stufe. Vorsichtig nähere ich mich dem Objekt. Mann – da liegt ein Nest und im Nest steht ein Ei – was heißt ein Ei – ein Monsterei. Das Ding ist gute 50 cm hoch und entsprechend breit. Das Nest – ich gehe näher an das Arrangement heran – besteht aus Ästen - besser gesagt aus geflochtenen Zweigen. Das Ei ist knallrot und glänzt, als wäre es lackiert. Ich werfe einen Blick auf Hirka, die unschlüssig hinter mir steht. Ich starre wieder auf das Ei. Das Ding hat, während ich mich abwandte, nicht nur seine Farbe in ein tiefes Blau verändert, sondern es scheint jetzt auch aus seinem Inneren zu leuchten. Der Himmel ist wolkenverhangen, eine Reflexion dadurch ausgeschlossen. Ein krummer Scherz den mir jemand umhängen will? Ärger kommt in mir hoch. Die Rache der Gerichtsvollziehers-Gattin? Mir wird plötzlich heiß und ich sehe, wie das Ei unverzüglich seine Farbe in ein buntes Schillern verändert. Es erinnert mich dabei an das einzige Erbstück meiner Mutter, einen Ring mit einem australischen Mondstein. Das Ei fluoresziert in einem ähnlichen Blau und Rosa. Im nächsten Moment erstarre ich. Gibt das Ei nicht soeben ein zirpendes Geräusch von sich? Hirka meckert hysterisch und gallopiert staubwolkend zurück ins Haus.
Ich bin mutterseelenallein mit dem Ei, das inzwischen schwarz angelaufen ist. Das überrascht mich nicht - nein - ich werde angesichts des Trauer-Eies plötzlich von ungezügelter Entschlossenheit gepackt. Wie ein Feldherr vor der alles entscheidenden Schlacht. Aber was ist zu tun, soll ich das Ei etwa an mich nehmen? In Anbetracht dieser Überlegung ziehe ich mich zunächst - drei Stufen höher - auf meinen Feldherrnhügel zurück. Hat Hirkas Instinkt das Vieh vor dem Ei gewarnt? War das ein Zeichen? Ich entscheide mich für die Geborgenheit des Hauses. Es ist Zeit nachzudenken und einen Plan auszubrüten. Eine Strategie gegen das Ei.
Während ich grüble, dunstet aus meinem Unterbewusstsein die Frage des Überlebens empor. Ich verscheuche sie, aber sie duckt sich am Rande meines Bewusstseins nieder, wie ein Hund der sich am Boden flach macht, um nicht aufzufallen. Vom Fenster des Wohnraumes habe ich einen guten Blick auf das Ei. Auch das Nest ist sichtbar. Das Nest? Ich werfe noch einen Blick auf das Ei und - bilde ich mir das ein, oder haben sich die Äste des Nestes ausgebreitet?
Ich fege zur Küchentruhe und nehme die Mossberg 590 mit dem 20 Zoll Lauf heraus. Der kühle Stahl fühlt sich in meinen rutschigen Händen gut an. Mag es nur kommen – das Ei! Auf Eindringlinge wird ab sofort und ohne Warnung geschossen. Hirka glotzt mich an. Ich sollte sie melken. „Verdammt, ich kann jetzt nicht an die Entspannung deiner dummen Euter denken.“ Sie wendet mir ihren mageren Arsch zu und lässt den gehörnten Kopf hängen. Scheiße - das Ei hat von uns Besitz ergriffen. Meine Gedanken vollführen einen Eiertanz, auf dem Tanzboden meiner Hilflosigkeit. Ich pumpe die 590er durch. Der Stahlschrott in den Hülsen ist auch noch auf 50 Yards tödlich. Kein Hühnerei würde ein solches Inferno überleben. Auch kein Gänse- oder Straussenei. Aber dieses Ei? Ich weiß nichts über Es. Ist es ein Kampfei - gibt es denn überhaupt Kampfeier? Was weiß ich über das Nest in welchem sich das Ei verbarrikadiert, wie in einer Festung? Mann ich verblöde hier noch völlig, so direkt an der Front. Das Ei ist eine Gefahr für uns beide, dessen bin ich mir jetzt völlig sicher.
Mein Magen ist leer und ich spüre Schwindel aufkommen. Ich brauche einen Schluck Milch, wage es aber nicht mich über Hirkas Titten herzumachen, weil ich das Ei nicht aus den Augen verlieren darf. Es ist wieder schwarz und auch größer geworden – kommt mir vor. Ich hebe meinen Kopf ein wenig über den Fensterrand - entsetzlich: Die Äste des Nestes sind bis zur obersten Stufe vorgedrungen - wie Schlingpflanzen. Ich reibe mir die Augen: Herrgott, ich habe mich nicht getäuscht. Das verdammte Astwerk bewegt sich ganz langsam hauswärts. Ein Frösteln schüttelt mich und Panik grapscht eisig nach meinem Kranium.
Ich habe die Türe verschlossen und Bretter am Türstock festgeschraubt. Die Arbeit hat mich ermüdet. Hirka schmollt im Schlafzimmer. Ich kann mich jetzt nicht um eine Ziege kümmern, auch wenn sie mir noch so nahe steht. Es gilt zu Überleben. Sie wird mir dafür danken. Was weiß das Vieh, was ich hier durchmache, welche Überlegungen und Strategien hier notwendig sind. Das Ei ist in den letzten Stunden auf mehr als zwei Meter Höhe angewachsen; es schimmert wie verchromt. Wie mir scheint, hat es sich einen kugelsicheren Panzer zugelegt. Die Metamorphose zum Kriegsei ist offensichtlich abgeschlossen. Vermute ich. Die Nestäste ranken sich über die Fenster – wachsen empor. Muss von außen aussehen wie wilder Wein.
So ein beschißener Sonntag! Ich wollte Hirka ausführen, mit einem Grashalm zwischen den Lippen in den Himmel guckend, in der Wiese liegen. Nun sitze ich hier, unter Belagerung. Hin und wieder werfe ich einen kontrollierenden Blick aus dem Fenster. Auf ein Ei, das uns unter Kontrolle hat. Seine ästlichen Scharen haben das Haus inzwischen völlig umzingelt.
Mittlerweile ist es dunkel geworden. Das Ei verdeckt meinen Blick auf die Strasse und die holzvernagelten Fenster sind außen völlig von einem Netzwerk zarter Äste überwuchert. Auch der Holzboden im Wohnraum ist teilweise von dünnen wurzelartigen Ästchen durchwachsen.
Ich habe mich auf den Dachboden zurückgezogen und beobachte durch die Falltüre wie Hirka beginnt, an den Ästen zu knabbern. Ich will sie warnen, doch meine Stimme versagt. Die Ästchen umschlingen Hirkas Hufe und sie versucht sie zu heben. Es ist zu spät. Meine Augen füllen sich mit brennenden Tränen.
Hirkas Euter platzen knallend und ich halte mir die Ohren zu, um ihr weinerliches Meckern nicht zu hören. Die Ästlein filettieren und vertilgen sie binnen weniger Minuten. Übrig bleiben nur die Hörner.
Ich werde keine Gelegenheit haben diese Geschichte weiter zu erzählen, daher berichte ich die Ereignisse dem kleinen Diktiergerät, dass ich vor kurzem erworben habe. Mein Therapeut hat mir geraten, meine Träume sofort nach dem Aufwachen aufzuzeichnen und ihm die Bänder zur Auswertung zu überlassen. Bisher sind es nur zwei gewesen Er war sehr besorgt über den Inhalt meiner Träume. Die Medikamente würden mir helfen - hat er gemeint. Ich habe sie nicht genommen.
Die Mauern des Hauses beginnen zu knirschen. Das Ei erdrückt meine Festung. Die Schlacht ist verloren. Ein wenig hadere ich noch mit dem Schicksal. Sinniere darüber nach, dass ich nicht zeitgerecht gehandelt und die Chance, das Ei sofort zu liquidieren, nicht genützt habe. Ein verhängnisvolles Zögern.
Ich bin müde. Lautlose Dunkelheit umarmt mich sanft. Es wird keinen Endsieg für das Ei geben. Ich werde mich weder dem Netzwerk der Eier-Agenten stellen, noch werde ich ihnen den Triumph gönnen, mich hinzurichten.
Behutsam spanne ich den Zeigefinger um den Abzug der Mossberg, bis ich den kleinen Widerstand überbrücke. Klick.
Die plötzliche Gedankenstille ist heiß und eisig. Der Raum schmerzfrei.
Epilog
Dr. Ferguson umrundet das kleine Haus und versucht - durch die mit Planken vernagelten Fenster - einen Blick ins Innere zu werfen. Peter hat sich seit zwölf Tagen nicht mehr bei ihm gemeldet. Es muss etwas Außergewöhnliches passiert sein. Vor der Eingangstüre stehend, drückt er die Notnummer auf seinem Mobiltelefon. In wenigen Sätzen beschreibt er dem Deputy die Situation.
Erst als er die Treppe vom Haus herab schreitet, bemerkte er den staubigen Nestkranz vor der letzten Stufe auf der Straße. Im Kranz steht ein Ei von erstaunlicher Größe. Kopfschüttelnd steigt er in sein Fahrzeug. „Besser nichts anrühren…“, murmelt er leise zu sich selbst.
Das Leuchten aus dem Inneren des Eies entgeht ihm dabei völlig.