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Eiche
Ein Baum. Eiche. Ein Stamm breit wie ein Scheunentor. Sein Alter? Der Baum, Eiche. Ein Jahrhundert. Mehr, mehr vielleicht. Seine Rinde wie der Rückenpanzer eines Alligators.
Würmer, Käfer, Schnecken darunter. Ein Biotop. Darauf führen ewige Ameisenstrassen flüsternd zur Sonne. Schwarze Heere darauf, flink, alles in Besitz nehmend.
Der Stamm streckt sich. Äste wie Klauen. Der Himmel erschrickt. So viele Klauen?
Nein, nur zum Licht, nur zur Sonne. Keine Angst, keine Klauen.
Ist gut, sagt der Himmel. Dann komm zu mir.
Also dorthin und dahin.
Ein Gewirr von Ästen. Alles will wachsen. Auf dem Weg nach oben schon Brüchiges. Narben. Hart wie nur Stein sein kann. Blutende Wunden früher. Die Eiche steht weiter, wächst sich raus aus all dem.
Hanfstricke schon früh.
Geschundenes Geäst.
Ein Brotdieb. Nackte Sohlen. Zehennägel fehlen. Der Handstumpf. Kleine Eingriffe anderer. Belustigung dabei. Alle Blicke nach oben. Seht nur. Hinschauen. Das Gejohle. Der unterste, der älteste Ast. Fast waagrecht ist er dem Stamm davongewachsen.
Vorhersehbar wozu.
Das Geschaukel. Fast peinlich. Die Krähen. Spitze Schnäbel dort und da. Die Hackordnung. Rot. Sagen wir Rot zu alldem.
Dann die Frau. Dichtes langes Haar.
Es ist heiß und die Eiche ist gnädig mit ihr, über ihr.
Ehebruch. Was bricht, bitte was? Der Ast hält. Hält alles aus. Ein Sommer, ein Jahrzehnt. Wohin geht all die Zeit?
Wieder etwas von Besuch. Wieder ein Auspendeln lassen. Taue reiben sich. Der Hanf hat ausgedient. So geht es besser.
Dann dies. Nur ein Andersgläubiger. Seinem Gott verfallen. Einer davon. Viele irren sich weiter. Der Bruch der Hostie. Das Blätterdach. Soviel Schweigen darin. Weihrauch. Abschaum. Wir vergeben dir. Jetzt, danach, da oben. Hörst du die Krähen? Gebete dann. Angst in den Augen der Hochblickenden, einfach nur Angst. Wie mag der Blick von dort sein? Dieser Augenblick?
Geschützdonner. Saboteure.
Gleich drei und auf einmal. Pappschilder. Lange Hälse. Ein Gezappel unter der Eiche. Darin. Wofür?
Wir sind Schweine in großen Buchstaben. Der Ast ist stark wie ein Phyton. Erträgt das Uniformierte. Gerade noch. Waagrecht stehen die Zungen. Verrat sagt die Stimme darunter. Alle in Reih' und Glied. Alle hören, schauen hoch, schauen sich das an. Beaufsichtigt, beobachtet. Wir noch nicht, noch nicht. Gott, nicht so. Nicht da oben. Nicht so oben. Wir verraten anders. Irgendwann uns selbst.
Weitermachen. Links um. Abmarsch.
Der Schützengraben wittert Nahrung.
Bin doch nur Baum! Menschwerk, wahnsinniges.
Kein Mann hat eine Frau an meinen Stamm gelehnt. Nie Liebe. Nicht in einem dieser Jahre.
Taue, Drähte, Hanfstricke. Hattet ihr nicht mehr zu bieten?
Will nicht Werkzeug sein.
Ein Handlanger, gesät, gewachsen neben dieser Strasse nur durch Zufall. Weil sich alles dreht und es so bleiben wird. Der Wind, der Regen.
Ich bin doch Teil eurer Welt. Ihr Schänder. Atmet tief ein. Schläft doch unter mir. Erkennt mich, ja? Nehmt meinen Schatten, liebt euch in seiner Kühle. Aber lasst mein Geäst. Ich wachse noch.
Nehmt euren Tod von mir.
Was tut ihr mir an?
Ich bin euer Bruder.