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Eiche

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02.11.2001
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Eiche

Ein Baum. Eiche. Ein Stamm breit wie ein Scheunentor. Sein Alter? Der Baum, Eiche. Ein Jahrhundert. Mehr, mehr vielleicht. Seine Rinde wie der Rückenpanzer eines Alligators.
Würmer, Käfer, Schnecken darunter. Ein Biotop. Darauf führen ewige Ameisenstrassen flüsternd zur Sonne. Schwarze Heere darauf, flink, alles in Besitz nehmend.
Der Stamm streckt sich. Äste wie Klauen. Der Himmel erschrickt. So viele Klauen?
Nein, nur zum Licht, nur zur Sonne. Keine Angst, keine Klauen.
Ist gut, sagt der Himmel. Dann komm zu mir.

Also dorthin und dahin.
Ein Gewirr von Ästen. Alles will wachsen. Auf dem Weg nach oben schon Brüchiges. Narben. Hart wie nur Stein sein kann. Blutende Wunden früher. Die Eiche steht weiter, wächst sich raus aus all dem.

Hanfstricke schon früh.
Geschundenes Geäst.
Ein Brotdieb. Nackte Sohlen. Zehennägel fehlen. Der Handstumpf. Kleine Eingriffe anderer. Belustigung dabei. Alle Blicke nach oben. Seht nur. Hinschauen. Das Gejohle. Der unterste, der älteste Ast. Fast waagrecht ist er dem Stamm davongewachsen.
Vorhersehbar wozu.
Das Geschaukel. Fast peinlich. Die Krähen. Spitze Schnäbel dort und da. Die Hackordnung. Rot. Sagen wir Rot zu alldem.

Dann die Frau. Dichtes langes Haar.
Es ist heiß und die Eiche ist gnädig mit ihr, über ihr.
Ehebruch. Was bricht, bitte was? Der Ast hält. Hält alles aus. Ein Sommer, ein Jahrzehnt. Wohin geht all die Zeit?
Wieder etwas von Besuch. Wieder ein Auspendeln lassen. Taue reiben sich. Der Hanf hat ausgedient. So geht es besser.

Dann dies. Nur ein Andersgläubiger. Seinem Gott verfallen. Einer davon. Viele irren sich weiter. Der Bruch der Hostie. Das Blätterdach. Soviel Schweigen darin. Weihrauch. Abschaum. Wir vergeben dir. Jetzt, danach, da oben. Hörst du die Krähen? Gebete dann. Angst in den Augen der Hochblickenden, einfach nur Angst. Wie mag der Blick von dort sein? Dieser Augenblick?

Geschützdonner. Saboteure.
Gleich drei und auf einmal. Pappschilder. Lange Hälse. Ein Gezappel unter der Eiche. Darin. Wofür?
Wir sind Schweine in großen Buchstaben. Der Ast ist stark wie ein Phyton. Erträgt das Uniformierte. Gerade noch. Waagrecht stehen die Zungen. Verrat sagt die Stimme darunter. Alle in Reih' und Glied. Alle hören, schauen hoch, schauen sich das an. Beaufsichtigt, beobachtet. Wir noch nicht, noch nicht. Gott, nicht so. Nicht da oben. Nicht so oben. Wir verraten anders. Irgendwann uns selbst.
Weitermachen. Links um. Abmarsch.
Der Schützengraben wittert Nahrung.

Bin doch nur Baum! Menschwerk, wahnsinniges.
Kein Mann hat eine Frau an meinen Stamm gelehnt. Nie Liebe. Nicht in einem dieser Jahre.
Taue, Drähte, Hanfstricke. Hattet ihr nicht mehr zu bieten?
Will nicht Werkzeug sein.
Ein Handlanger, gesät, gewachsen neben dieser Strasse nur durch Zufall. Weil sich alles dreht und es so bleiben wird. Der Wind, der Regen.
Ich bin doch Teil eurer Welt. Ihr Schänder. Atmet tief ein. Schläft doch unter mir. Erkennt mich, ja? Nehmt meinen Schatten, liebt euch in seiner Kühle. Aber lasst mein Geäst. Ich wachse noch.
Nehmt euren Tod von mir.
Was tut ihr mir an?
Ich bin euer Bruder.

 

Servus Aqualung!

Was für eine Geschichte. Ich werde sie oft lesen müssen, um bis an die tiefsten Stellen vorzudringen.

Der Baum, der sogar den Himmel ängstigt. Der seine Friedfertigkeit darreicht und ehrlich ist.
Unverwundbar scheint er in seiner Kraft, steinern. Aber er ist auch sanft, bietet Schutz unter seiner Rinde, ist Lebensraum für ganze Völker.

Der Baum, zum Spiel genötigt, gebunden und missbraucht von Einfältigen und Millitanten. Den Tod wünscht er hinweg, besteht auf Abstand. Wunden und Verletzungen die sich eingraben in sein Holz. Und aus jeder Narbe wächst neues Leben.

Hier beginnt der Baum langsam mit leisem Knirschen, ganz zart zuerst, dann Raum fordernd, die Zweige aus dem Bildschirm wachsen zu lassen. Er bricht heraus aus der Enge der elektronischen Buchseite. Seine Blätter rauschen im kalten Wind der durch das Fenster ins Zimmer strömt. Der Baum selbst spricht nun mit mir. Zeigt auf was er zu bieten hätte. Der Baum, seiner eigenen Erkenntnis fähig, hilft uns zu verstehen.

Diese Eiche hat ein Blätterdach, würdevoll wirkt sie in ihrer Verwundbarkeit, hat einen vielfach beschriebenen Stamm der sie unbeugsam erscheinen lässt, Geäst das mal drohend und dann auch wieder beschützend wirkt, Rinde die Lebewesen als Dach dient -
aber sie hat keine Wurzeln! Warum hat sie keine Wurzeln?

Du bist in dieser Geschichte Fragender und Aufdecker, Verunsicherter und Weiser zugleich - aufrichtig Achtung und Respekt - Eva

 

Huiiiiiiiiii Aqualung,

nun gehst du aber an mein Verständnis, lässt mich an meine Fähigkeiten zweifeln.
Ersteinmal: Ein gnadenloser Schreibstil, der die Intelligenz des Schreibers erahnen lässt.

Nun hör mal: ich musste auch Schnee.eule lesen, half noch nicht viel.

Ich versuche es heute abend noch mal, morgen früh oder wann auch!

Schreib bitte keine Aufklärung, wenn du es überhaupt könntest!

Liebe grüsse Stefan

 

Oh, Aqualung,
trüge ich einen Dreispitz mit Feder so würde ich ihn ziehen vor dir.
Wie so oft fehlen mir zum sezieren die Worte und ich mag das auch nicht, Texte unter die Lupe nehmen. Ich mag nur lesen und immer wieder lesen.
Und schreiben.
Schön ist der Text und traurig zugleich. Heftig sind die Beschreibungen, die Bilder entstehen lassen.
Und der Perspektivenwechsl, der bring Dimension herein.
Super
*******Merlinwolf*******

 

Hallo Aqua!

Was Du da ablieferst, alles andere als flüssig eigentlich. Fragmente, Bruchstücken von Erinnerungen, Gedanken...all das kommt bei mir an, muss ich in meinem Kopf sortieren...oberflächlich verstanden hab ich ihn, den Text, wirklich begriffen, glaub ich, noch nicht. Ich weiß nur, dass er gut ist, dass er etwas auslöst, gerade in diesem Stil, mir diesen Worten.

Schöne Grüße, Anne

 

Hallo, Aqualung!

Wunderschöner Text, der, wie schnee.eule schreibt, zu mehrmaligem Lesen einlädt.

Für mich: Deine Geschichte - eine Anklage. Die langlebige, starke Eiche hält den Menschen einen Spiegel vor. Sie wirft ihm vor, ihr, in all der Zeit, die sie mit und neben ihm verbracht hat, nur die bösen Seiten seiner Existenz gezeigt zu haben. Gewalt, Schrecken und Tod. Sie, die leben läßt (Biotop), wird mißbraucht, um Leben auszulöschen (Hängen, Verstümmeln, Richten). Sich ständig wiederholendes Unrecht.

Was tut ihr mir an?
Richtig.

Ciao
Antonia

 

Liebe Eva,

so viel Antwort, soviele Gedanken. Schön, dich so moblisiert zu haben. Auch viele schöne Zugänge hast du zu diesem Text gefunden. Die Eiche hat Wurzeln. Ich sah sie nur nicht und habe deshalb darüber kein Wort verloren. Der Baum ist eine Metapher. Das Menschengeschlecht ist der Protagonist.
Die Situation wirft Schatten auf Geschehenes und Schatten auf Zukünftiges, das ähnlich aussehen wird.

Arche, ich schreib keine Aufklärung.
Mit Hilfe ist nix, du schaffst das schon.

Hallo Merlinwolf,

Dreispitz mit Feder, eine grandiose Idee. So viel Lob, danke. Über das Sezieren habe ich dieselbe Meinung. Lesen ist wichtig, immer wieder. Räume öffnen, Dimensionen auskosten.

Hallo Maus,

danke für deine Kritik. Toll, dass der Text bei dir etwas auszulösen vermag, trotz seiner Fragmente, Bruchstücke.

Hallo Antonia,

Genau so ist es. Das meinte ich damit.
Punktgenau erkannt. Danke.

Liebe Grüße an euch- jetzt muss ich aber nachzählen- fünf - Aqualung

 

Hallo Aqualung,

was ich von deinem Schreibstil halte habe ich dir ja schon mehrfach mitgeteilt. Zu dieser Geschichte, obwohl ich mir über die gänzliche Tiefe noch nicht ganz im Klaren bin, hat mich an einen Aphorismus erinnert. Es ist von Hermann Hesse:

"Ein Baum spricht: In mir ist ein Kern, ein Funke, ein Gedanke verborgen, ich bin Leben vom ewigen Leben.
Einmalig ist der Versuch und Wurf, den die ewige Mutter mit mir gewagt hat, einmalig ist meine Gestalt und das Geäder meiner Haut, einmalig das kleinste Blätterspiel meines Gipfels und die kleinste Narbe meiner Rinde. Mein Amt ist es, im ausgeprägten Einmaligen das Ewige zu gestalten und zu zeigen."

ich will überhaupt nicht mehr viel sagen, da die andern schon alles gesagt haben. Nur ein paar kleine Fehlerchen sind mir noch aufgefallen und ein paar Anmerkungen hätte ich noch:

mehr vielleicht.Seine Rinde wie
hinter dem Punkt muss ein Leerzeichen. Dasselbe hier
Gleich drei und auf einmal.Pappschilder
Fast waagrecht ist der dem Stamm davongewachsen.
"er" würde hier vielleicht ein wenig besser passen.
Äste wie Klauen. Der Himmel erschrickt. So viele Klauen?
Die Wiederholung von Klauen solltest du vielleicht etwas umschreiben
Hattet ihr nicht mehr zu bieten?
Vorschlag: "Habt Ihr mehr nicht zu bieten?"

So, nur ein paaar Vorschläge, da du ja sonst nur mit Lob überhäuft wirst :D!

Lieben Gruß
Roman

 
Zuletzt bearbeitet:

Aqualung, das ist aber echt so schwer. Gestern habe ich mir es noch einmal vorgenommen. Heute ein paar Teile nachgelesen. Ich habe versucht, die Eiche als Mensch zu sehen, ein wenig Sinn kommt auf. Dann habe ich den Baum also die Eiche als Lebewesen gesehen, dass sich gegen seine "Mörder" wehren will, nach solidarität gegen deen Tod überhautpt, ruft. Dann habe ich gemerkt, dass da noch was ist!
Oh mann, das ist wirkich das schwierigste was ich von dir las!

Hier sind dann, genau hier, sind dann meine Grenzen, mehr geht momentan nicht!

Wahnsinn, wie du darauf kommst!

Liebe Grüsse Stefan (aber gleich oder so, lese ich noch mal "so oder so")

(deine pm-mailbox ist voll)

liebe grüsse STefan

 

hi Aqua.

habe auch an Hesse denken müssen, allerdings an ein Gedicht, heißt "Die gestutzte Eiche", ist mir zu lang zum zitieren, kannst du schon selbst nachkucken, bist ja schon groß.
deine Geschichte- mal wieder so prima daß man Komplexe kriegt. vielleicht laß ich das mit dem Schreiben und les lieber Aquatexte.

liebe Grüße, alex.

 

Hallo Prodi,

vielen Dank für deine sehr diffizile Kritik. Darin zitierst du Hesse. Ich muss gestehen, dass ich bei Hesse nicht sehr sattelfest bin. Ich sollte Reitstunden nehmen.
Danke für die Fehlerhinweise. Wird geändert.

Arche, du weißt es mittlerweile.
Die Eiche fühlt sich als Handlanger mißbraucht, hat im Gegensatz zu den Menschen die Zeiten allerdings überlebt.

Hi Alex,

ich werde nachgucken, klar. Auch bei dir kommt Hesse als Empfehlung. Nix mit Komplexen, Alex. Du schreibst selbst sehr gut. Aber besuch weiter die Aqua- Geschichten, ja? Großes Danke an dich.

Liebe Grüße an euch drei - Aqua

 

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