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Egoismus

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02.11.2001
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Egoismus

Ein Mann.
Anzug, Schuhe mit Lederabsätzen.
,Es ist nie zu spät' sagt er.

Eine Frau.
Perlenkette. Überschlagene Beine.
,Das sagen alle' sagt sie.

Warum ist sie so, denkt er. Die Kälte in ihrer Antwort lässt ihn für später nichts erkennen.
Wieso kommen so bald alle damit, denkt sie und spürt nicht die Wärme in seiner Stimme.
Der Wind macht sich über die Kastanienbäume her. Bei jeder Bö ein Geprassel.
Der Gastgarten ist sonst leer. Die Stühle sind an die Tischkanten gekippt.
Herbst ist schon. Blätter liegen im Kies.
Wenn der Winter da ist, frag ich sie noch einmal. Alles braucht Zeit, denkt er und fährt mit dem Daumen über den Bierschaumrest am Glasrand.
Der Herbst, denkt sie. Die Zeit, die den Sommer stiehlt.
Was blieb vom Sommer? Von den Jahren zwischen den Sommern? Ich hatte Möglichkeiten, denkt sie. Ihn hatte ich auch und die Möglichkeiten gingen vorbei. Jetzt sitzt er da. Er quält mich. Warum, denkt sie.
Alles sollte vorbei sein.

Seine Lederabsätze scharren im Kies.
Sie rührt im Kaffee.
Ein Rosenverkäufer. Ausgerechnet Rosen, denkt sie.
Als ich ihr Rosen mitgebracht habe, damals, denkt er, hat sie nur gefragt: Verbirgst du etwas vor mir?
Kein Dank. Er hat nie darüber nachgedacht und was sich dahinter verbergen könnte.
Der Wind. Kastanien poltern gegen Tischplatten, rollen unter die gekippten Stühle.

,Ich kann mir das gut vorstellen' sagt er und fühlt sich wie ein Bettler.
,Das reicht nicht' sagt sie, und ,Ich kann dir nicht vertrauen.'
Warum gehe ich nicht, denkt er. Wenn ich jetzt aufstehe, was dann?
Wenn er aufsteht und geht, laufe ich ihm nicht hinterher, denkt sie.
Ein Fahrrad fällt krachend gegen die Kante des Gehsteiges. Ein Mädchen weint.
Frauen beschimpfen einen Jungen. Ein Spaniel leckt dem Mädchen die Hand.

,Du kannst dir dafür jederzeit eine Andere suchen' sagt sie. ,Ich hatte das schon.'
Das Bier schmeckt schal. Er ist sich nicht mehr sicher, ob er noch will, was er sie fragte.
Alles ist weg nach ihren Worten und der Himmel darüber grau wie Schiefer.
Sie spielt mit der Perlenkette. Es ist kühl geworden.
Er. Sie.
Sie spielt auch mit ihm.
Das Scharren seiner Absätze im Kies.
Sie rührt im Kaffee.
Der Rosenverkäufer lehnt am Stamm einer Kastanie. Er betrachtet die überschlagenen Beine der Frau.
Der Spaniel hat mit dem Lecken aufgehört. Das Mädchen lacht wieder.
,Bist du böse auf mich?' fragt sie und lässt die Perlenkette zwischen den Fingern auf und ab gleiten.
,Nein' sagt er und weiß, dass er verloren hat.
Ihr Sohn wird dreizehn, denkt er, vielleicht ist es mein Egoismus. Vielleicht hat sie recht.
,Wollen wir Wein trinken?' fragt sie und zieht sich die Lippen nach.
Er bestellt ein frisches Bier.

 

Ich finde deinen Schreibstil toll, man kann sich die kritische Stimmung sehr gut vorstellen.
Allerdings frag ich mich immer noch worum es sich bei der ursprünglichen Frage des Mannes an die Frau handelt und warum reagiert sie so komisch auf die Rosen - das sind alles Fragen die offenbleiben und mich verwirrt haben, falls es so sein soll - toll gelungen, wenn nicht vielleicht kannst du mir ja antworten.

 

Hallo smily,

danke für deine Kritik. Ich nehm sie als eine positive, in Ordnung?
Das mit den Rosen spielte sich in der Vergangenheit ab, sein Kinderwunsch ist gegenwärtig.

Liebe Grüße - Aqualung

 

Oh dann ist alles klar - natürlich ist das eine positive Kritik: weiter so! *g*

 

Aqualung,

Sag mal sind das vielleicht extra Aufgaben, die Du mir hier stellst?
Bin ich zu blöde!
Also der Anfang fehlt mir einfach.
Okay, die Rosen hast Du erklärt.
Ansonsten muß ich viel zu viel nachdenken, wer was warum sagte.
Was ich vom Schreibstil halte, weißt Du auch!
Sag mal das geht doch nicht gegen mich?
Eine Szenebeschreibung, ein Lebnsausschnitt, okay…der Hund leckt die Hände des Kindes…auch okay…wo ist mein Herzklopfen?

Das dies mal wieder äußerst professionell geschrieben ist, so empfinde ich es, wahrscheinlich auch weil ich neidisch bin, muss ich ja nicht extra erwähnen!

Erst lese ich „Schmidt empfiehlt sich“, dann hauste noch einen raus mit „Isa“ und hier wechsele ich schon wieder unfreiwillig die Gesichtsfarbe, jawoll so ist es!

Liebe grüsse stefan

 

Hi Aqualung.

Mensch, die Geschichte ist toll. Ich wollte eigentlich nur meine Freistunde von der Schule füllen und hätte damit gerechnet, daß ich jetzt nur lauter Geschichten anlese, um sie später ganz zu lesen, aber Deine hab ich glatt gleich ganz gelesen. Dein Stil ist irre gut! Und ehrlich: Was smily anmerkte... Also der Kinderwunsch kommt wirklich nicht rüber, aber mich hat das gar nicht gestört. Ich war ganz fasziniert, wie du schreibst, da ist es mir gar nicht aufgefallen. Und zu Archetyp: Wozu ein Anfang, Kurzgeschichten haben selten einen "Anfang". Ich finde, das Problem, das die beiden haben, ist völlig egal - die vielgepriesene offene Geschichte eben, umso besser für die Phantasie!

Also ich find's gut :-) :thumbsup:

Gruß,
M.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo mipsu,

danke für deine lobende Kritik. Der Kinderwunsch ist hier sekundär. Bei den beiden macht sich ja schon das Ende bemerkbar. Es sind die wirklich schlimmen Augenblicke, wenn man es erkennt, aber noch nicht wahrhaben will.

Hi Arche,

keine Extraaufgaben für dich. Und gegen dich geht gar nix. Werde doch einen meiner größten Fans nicht vergrämen. Tu den Neid weg und bleib mir treu.
Hoffe, ich helfe dir noch des öfteren, die Gesichtsfarbe zu wechseln.

Liebe Grüße an euch beide
Aqualung

 

Servus "Tauchgerät",

jetzt habe ich bald alle Geschichten von Dir durch, ich schreibe halt nicht unter alle ein Kommentar.

Bei dieser, wie bei so manch anderer Geschichte von Dir stelle ich eine ganz spezifische stilistische Eigenheit fest. Aqualunginischer Stil. (bei Aqualung, Isa und dieser hier kommt der meiner Ansicht nach am meisten zum Tragen).

Die Atmosphären, die Du schaffst sind auch ganz und gar einzigartig. Szenen, Begenungen mit den in den Geschichten dargestellten Personen, die einem verwirren, und schon sind sie wieder weg. Oft Personen, die einander weh tun, sich nichts mehr zu sagen haben, mißtrauisch sind. Gefällt mir gut muß ich sagen.

 

Muss lachen, Echna, muss lachen.
Tauchgerät ist klasse.
Jetzt ist es heraus: Aqualunginischer Stil.
Fühle mich schwerst geehrt. Oder habe ich da was nicht richtig verstanden?
Danke in jedem Falle für das Lesen meiner Geschichten.

Muss jetzt wieder abtauchen.

Liebe Grüße - Aqua

 

hi aqualung,
gleich vorweg - sehr guter schreibstil.
die geschichte selbst dekadentisch - verloren.
es fehlt ihr trotzdem an durchsetzungsvermögen, um empfindungen in mir, leser, auszulösen.
möglicherweise ist die geschichte zu prosarisch? nun, sie lebt auch hauptsächlich von dem erzählstil.
ich würde sagen, das ist eine gute geschichte für den, der's mag! *smile*
bye
barde

 

Hallo Barde,

dankeschön für deine Kritik. Dekadentisch finde ich passend, wenn du dekadent meinst. Ich wollte so ein Gefühl auslösen. Die Dekadenz spielt gerade in Beziehungen oftmals die erste Geige.
Schade, dass die Geschichte nicht ganz dein Fall ist.
Macht nix, kommt ja wieder was von mir.
Würde mich freuen, wenn du dann wieder bei mir reinschaust.

Liebe Grüße - Aqua

 

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