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"Edmund hat einen Penis, Edmund hat einen Penis!"
"Edmund hat einen Penis, Edmund hat eine Penis!"
Die legendären Poolpartys bei Inorbit.
Einmal mehr hatte sich alles angekündigt, was in der Münchner High Society
Rang und Namen hat, um eine begehrte Erwähnung, oder noch besser ein Foto,
in der örtlichen Regenbogenpresse zu bekommen. Alle wollten sie sich in
meinem Lichte sonnen. Leicht verrucht, ein Hauch von Dekadenz, unbotmäßig
überfrachtete Buffet- und Getränketische -und das alles gratis- das
lockte die Prominenz, die Gernegroßen und Möchtegerns.
Das ich, der Lokalmatador der Bildhauerei, der ungekrönte König der
bildenden Künste (zumindest in München), damit nur meine Einsamkeit
übertünchte, das wussten natürlich nur die wenigen echten Freunde, die mir
geblieben sind.
Mich selbst langweilten diese zur Routine gewordenen Sommerfeste. Die
Gäste waren in der Regel allesamt hoffnungslose Dummschwätzer und
humorlose Langweiler. Die Gespräche, wenn man diese überhaupt als solche
bezeichnen möchte, schwankten zwischen arroganten Protzgehabe, „ich habe
meinem Sohn jetzt einen Z3 gekauft“, und verlogenen Lästereien.
Ich konnte diese Gesellschaft nur im Suff ertragen. Ein weiterer Grund,
warum sich die bessere Gesellschaft so gerne bei mir einfand, denn mit
zunehmendem Alkoholspiegel sank meine natürliche Hemmschwelle und ich
mutierte zu einem schimpfenden, unausstehlichen Polterer. Einmal habe ich
in den Pool gepisst und die ganze verdammte Bande rausgeschmissen.
„Jetzt reichts, Inorbit! Gastgeber uriniert in Pool und beleidigt Gäste“,
so stand es am nächsten Tag in der Klatschpresse. Das mir das einen
gewissen Ruf beschert und die Nachfrage nach meinen Werken steigt,
versteht sich von selbst. Meine Poolpartys sind also letztendlich reine
Marketing - Events.
Irgendein Schwachkopf hatte den Ministerpräsident und seine Frau mitgebracht.
Zuerst war ich wütend darüber, schließlich hatte ich die nicht eingeladen.
Meine Neugier auf Menschen aber ist stark, und so begrüßte ich das
bayerische Vorzeigepaar.
Der Ministerpräsident schüttelte mir die Hand und zeigte mir sein in langen Jahren
angelerntes, verlogenes Wahlkampflächeln.
„Grüß Gott, Herr Inorbit. Ich habe schon viel von ihnen gehört. Lassen sie
mich ihnen versichern, das ich ihre Kunst sehr schätze. Sie sind ein
bedeutender Bildhauer der Moderne, wenn nicht der bedeutendste.“
Was für ein verlogenes Geschwätz. Ich wusste nicht, wer mir
unsympathischer war, der Ministerpräsident oder seine dümmlich grinsende
Frau.
„Ja, danke. Willkommen in meinem Hause, machen sie sich einen schönen
Abend“, antwortete ich und wandte mich den anderen Gästen zu.
Diesmal wollte ich alles anders machen. Ich hatte keine Lust mehr auf
fades, seichtes Dahingeplätscher. Ich wollte ein bisschen Stimmung in die
Bude bringen und versetzte die Bowle mit einem ordentlichen Schuss LSD.
Reinster, sauberer Stoff aus dem Hause Sandoz.
Im Laufe des Abends wurde die Stimmung zunehmend lockerer und entspannter.
Die Mischung aus Alkohol und LSD knallte mächtig rein, und so wurde es ein
rauschendes Fest.
Die Sterne, der Vollmond und die Fackeln, die meine Bediensteten
aufgestellt hatten, erleuchteten dezent und unaufdringlich das Szenario
rund um den Pool, den ich übrigens genauso bauen ließ, wie den der
Osbournes. Er gleicht einer von Felsbrocken gesäumten Lagune und hat einen
Wasserfall. Durch einen durchbohrten, ziemlich großen Felsen, kann man vom
Haus ins Wasser gleiten, wie auf einer Rutsche.
Die Gäste unterhielten sich angeregt, aus den Lautsprechern tönte James
Brown.
“Mama, come here quick, and bring that lickin’ stick. Hey Maceo (Parker),
can I have some Horn? Gimme some Horn!”
Als bei mir die Wirkung des LSD einsetze, überschwemmte mich eine
seltsame, melancholische Schwermut und so zog ich mich in meine Bibliothek
zurück, um ein wenig alleine zu sein. Ich ließ mich in den Ohrensessel
fallen, betrachtete die Regale voller Bücher, die Damst – und
Brokatvorhänge, die Gemälde.
Das LSD kam unerwartet heftig und mit voller Wucht.
Im abgedunkelten Zimmer packte die Stühle das Entsetzen. Die
schauderhaften Vorhänge dämpften die Geräusche von draußen. Ein
merkwürdiger Lufthauch von Knoblauch, der sich wie Schnarchen anhörte,
irgendwo in der Nähe des Steinway-Klaviers, oder gar aus dem Inneren, ließ
den Saum des Deckchens leicht erzittern. Ich dachte angestrengt über die
Bedeutung des Verhaltens von kleinwüchsigen Menschen nach, in
panchromatischer Resonanz bei niedergedrücktem Pedal und in anderen höchst
behaglichen Atmosphären.
Dann nahm ich einen Gedichtband zur Hand, der sich auf dem Beistelltisch
links vom Ohrensessel befand. Ich las:
Immer noch
Ist es wie Kommen und Reden von Weisen auf hoher Warte.
Die ihre Jugend versinnen. O wie ich harrte
Vergebens! Meines Mädchens Gekose, wie war es weiser
Vor dem Einschlafen, wenn sein Gemurmel leiser
Die Farben vermengte und
Es kleine weise Worte und witzige Worte versprengte,
Wie Wasser vertaut, auch das geweihte.
Immer noch
Dünkt mich, ich liebe Rosen, Zypressen,
Weitsichtig Gebirg und niederer Hügel Vergessen,
Das Rauschen der See. Nie aber war ich so reich,
Als fremdartige Augen kamen und Hände, Maifaltern gleich,
Und früh schon war es, da der Zauber begann.
Lerchen hoben sich hoch aus dem Thymian,
Und Kinder kamen baden im Silberwasser.
Immer noch
Dünkt mich, ich habe den heißen Geschmack aus dem Leben gepresst,
Grüngoldne Pokale hob ich beim Fest,
Nur für kurze vergessne versunkene Zeit,
Dann hatte ich Tränen, mein Mädchen war weit,
Doch ewiges Licht strömte aus ewigem Wort.
Ich fuhr mir mit der Hand über die Augen. Eine Weile noch saß ich in
meinem Ohrensessel, dann verließ ich die Bibliothek, verschloss die Türe
hinter mir und ging wieder nach draußen.
Inzwischen waren fast alle Partygäste nackt.
Einige tanzten zum Rhythmus von James Brown, dem Gott des Motown, andere
unterhielten sich oder sinnierten still und in sich gekehrt.
Auf der Veranda hatte sich eine kleine Gruppe um Rudolf Mooshammer
versammelt, der weinte. Erst unlängst hatte ihn sein Freund verlassen. Die
um ihn versammelten trösteten und streichelten ihn zärtlich. „Sei nicht
traurig, Rudolf, auch die Liebe ist vergänglich“, sprach ein besonders
großartiger Geistesakrobat. Wie leid mir der Moosi tat. Ich wusste, das
man es in der Schwulenszene mit zunehmendem Alter sehr schwer hat. Ich
mochte Rudolf. Er war ein sehr feiner Mensch mit hervorragenden Manieren,
immer ganz der Gentleman. Auch sein Engagement für die Armen in München
schätzte ich, weil er sich nicht aus reinen Publicitygründen, sondern
aus Menschlichkeit und echtem Mitgefühl für die Bedürftigen einsetzte.
Ich spazierte weiter. In den Salbeibüschen trieb es hemmungslos ein
Pärchen: „Fick mich, du geile Sau, fick mich“, hörte ich eine Frau rufen.
Abseits der Feierlichkeiten, neben dem großen Gewächshaus, stieß ich auf
den bayerischen Ministerpräsidenten. Er stand da, starrte auf den Boden
und murmelte vor sich hin:
“Ja, äh, schaun sie, Frau Christiansen, die Regierung Schröder hat ihre
Versprechungen nicht eingehalten, äähh.... ähh, ich denke da an die
mitteständischen Betriebe, äähhh......die mittelständischen---
äh...Betriebe...Frau Christiansen....ähh...die internationale Isolation
Deutschlands....und...und...ähh...Frau Christiansen...nun...die Regierung
Schröder....ähh.....hat ihre Versprechungen nicht
eingehalten...ähhhhhh.....die Isolierung...ähhh...“
Erschreckt stellte ich fest, das der Mann in einer Art Endlosschleife
gefangen war. Wie eine Schallplatte, die hängen geblieben ist. Sein Kopf
zuckte ohne Unterlass, er blinzelte wild, ich fürchtete, er würde gleich
explodieren.
Ich ging zu ihm hin und haute ihm mit voller Wucht meine flache Hand ins
Gesicht, so fest, das sein Kopf zur Seite flog.
„Äh, was, was ist?“ sagte er und sah mich überrascht an.
Ich hatte ihn zurückgeholt, Gott sei Dank.
„Kommen sie, Herr Minsisterpräsdident, lassen sie uns schwimmen gehen,“ sprach ich und
zog ihn am Hemdsärmel zum Pool, wo eine kleine Gruppe Partygäste wild
umherplanschte, andere saßen am Beckenrand und knutschten.
Der Bayer zog sich aus. Ganz nackt, wie alle anderen auch, stand er da am
Beckenrand und sah an sich herab. Er nahm seinen Penis in die rechte Hand
und rief:
“Seht mal, ich habe einen Penis!“
„Edmund hat einen Penis, Edmund hat einen Penis“, riefen die
Gäste, „bravo, bravo.“ Sie applaudierten.
Der Ministerpräsident spannte seine Muskeln und hüpfte ins Wasser.
Ich riss mir die Kleider vom Leib und klatschte mit einer gewaltigen
Arschbombe ins herrliche Nass. Das Leben war schön.