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Edgars Opfer

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20.02.2016
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Edgars Opfer

04. März
"Das, das ist furchtbar, grausam, unmenschlich." Diese Doku über die Herkunft unseres liebsten Nahrungsmittels, des Fleisches, hat Charlotte wirklich mitgenommen. Schluchzend sitzt sie neben mir. Zitternd vor Wut. Dann wischt sie sich mit einer resoluten, fast trotzigen, Bewegung die Tränen aus den Augen und sieht mich mit diesem "so-geht-es-nicht-weiter-wir-müssen-etwas-tun"-Blick an.
"Edgar, Liebling, diese armen Wesen. Ich kann nicht fassen, wie blind wir Menschen schonmal sind. Das muss ein Ende haben. Sag, findest du nicht auch?"
Ohne groß darüber nachzudenken, stimme ich zu. Seitdem sind wir Vegetarier.

16. April
So schlimm ist das Leben als Salatfresser gar nicht. Es tut sogar ganz gut. Fast kann ich mein altes Sixpack wieder sehen. In den letzten Jahren hat es sich unter einem leichten Wohlfühl-Speckmäntelchen versteckt. Aber seitdem es bei uns nur noch Tofu, Seitan, Obst und Gemüse gibt, schmilzt der Speck wie Schnee in der Sonne.

10. Mai
Ich gehe jetzt sogar wieder joggen. Ich nehme mir vor, das Training auch dann beizubehalten, wenn Charlottes Veggie-Phase vorbei ist.

05. Juni
Jetzt haben wir schon 3 Monate hinter uns. "Ein Königreich für 'ne Currywurst", rutschte mir heute heraus. Was Lotte mit einem 30-minütigen "Wenn-wir-etwas-verändern-wollen-müssen-wir-im-Kleinen-anfangen"-Vortrag beantwortete. "Du bist, was du isst", sagt sie, der mahnend erhobene Zeigefinger in Elfengestalt. Ob ich ein antibiotikageflutetes Schwein sein wolle. Sie hätte auch gequältes Kalb oder lebend gerupftes Masthähnchen sagen können.

12. Juli
Fühle mich wie ein Junkie auf Entzug. Meine Gedanken kreisen nur noch um das eine: Fleisch. Gebraten oder geräuchert, Schwein oder Rind, Steak oder Schnitzel, ....ich träume sogar schon davon.

07. August
Wäre heute fast schwach geworden. Der Duft aus Herberts Büdchen war einfach zu köstlich.
Einzig der Gedanke, Lotte damit zu enttäuschen hielt mich zurück. Die Welt zu verbessern ist wirklich hart.

05. September
6 Monat schon. Wie lange noch?

11. September
Das Verlangen wird stärker. Von Tag zu Tag. Lange werde ich es nicht mehr im Zaum halten können. Aber ich muss. Ich darf nicht nachgeben. Charlotte zuliebe. Sie würde es mir nie verzeihen. Schließlich habe ich ihr versprochen, dass kein Tier mehr für uns sterben muss.

16. September
War heute im Supermarkt. Birte, die neue Kassiererin hatte ihren üppigen Vorbau geschickt in Szene gesetzt. Wie ein saftiger Braten in der Fleischtheke. "Du bist, was du isst" schoss mir durch den Kopf.

23. September
Gehe nun fast täglich in den Supermarkt. Wegen Birte. Ich glaube, sie findet mich attraktiv. Während sie mich frech anlächelt, frage ich mich, welche Maserung ihr Fleisch hat. Das Bild zarter, dunkelroter Muskelfasern, durchzogen von feinem Fettgewebe entsteht vor meinem geistigen Auge. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen.
25. September
Ob Menschenfleisch sich bei der Zubereitung genauso verhält wie Schwein?

01. Oktober
Habe heute die Treuepunkte eingelöst. Gegen ein Set vorzüglicher Steakmesser. Extrem scharf geschliffen. Elegant geschwungene Klinge. Liegen verdammt gut in der Hand. Der Gedanken, wie diese zarte Klinge sich ihren Weg durch den saftigen Oberschenkel von Birte, bahnt, elektrisiert mich.

09. Oktober
Warte, warte nur ein Weilchen, dann kommt Edgar auch zu dir. Mit dem kleinen Hackebeilchen und.......

18. Oktober
Charlotte muss für zwei Wochen auf Geschäftsreise. Perfekt. Die Zeit dürfte reichen.

20. Oktober
Der Plan ist nahezu genial.
Unglaublich wie unkompliziert man dieser Tage an Mittelchen kommt, mit denen man jemanden kurz, schmerzlos und vor allem unauffällig und spurlos Schlafen legen kann.
Ich frage mich, ob das Zeug einen Nachgeschmack hinterläßt.

28. Oktober
Innerhalb von 7 Tagen habe ich den ehemaligen Probenraum im Keller meinen Anforderungen entsprechend umgestaltet. Gut, dass ich die Schallisolierung nicht vorschnell entfernt habe, nachdem ich mir eingestehen musste, dass aus mir nie ein zweiter Jimi Hendrix werden würde. Das Interieur habe ich mir einige Tage zuvor mit wenigen Mausklicks bei fleischeslust.com (über den Namen muss ich immer noch schmunzeln) zusammengestellt. Erstaunlich, was diese S/M-Shops bieten.

29.Oktober
Ich bin sehr zufrieden mit mir.
Auf den ersten Blick sieht mein Reich aus, wie man sich gemeinhin ein "Zuchtstudio" der extravaganteren Art vorstellt. Handschellen, Fixierbänder aus Leder und Seide, neunschwänzige Katze, diverse Knebel, aber auch das ein oder andere Sexspielzeug zieren die beaurdoxrote Wand gegenüber der Tür. In der Mitte des Raumes eine große, runde Spielwiese mit rotem Latexüberzug. Den Boden habe ich mit schwarzen, glatten Fliesen ausgelegt. Wobei ich darauf achtete, dass der notwendige Abfluss nicht zu sehr ins Auge springt.
Egal wie hoch es her gehen wird, alles ist verhältnismäßig schnell wieder zu reinigen. Und das Beste: Lotte wird keinen Verdacht schöpfen, keine Fragen stellen. Im Gegenteil. Sie wird begeistert sein. Seit sie "Shades of grey" gelesen hat, lässt sie immer mal wieder durchblicken, dass sie einem Abstecher in diese Sphären der Lust nicht abgeneigt wäre. Schade, dass sie jetzt nicht hier ist. Ich brauche dringend eine kalte Dusche.

31. Oktober - morgens
Endlich ist es soweit. Alles ist vorbereitet. Heute abend kommt Birte. Habe sie zum Essen eingeladen.

31. Oktober - abends
Habe den ganzen Tag keine Ruhe gefunden. Bin durch die Wohnung getigert wie ein Raubtier. Doch jetzt, jetzt bin ich vollkommen relaxt. Ich sitze und warte. Wie eine Spinne in ihrem Netz.
Es klingelt. Birte. Ich öffne die Tür. Es verschlägt mir den Atem. Die Jahreszeit ignorierend hat sie sich in das Kleine Schwarze geworfen. Ich lasse meinen Blick über ihren Körper schweifen.
"Komm rein", höre ich mich mit rauher Stimme sagen. In meinen Ohren klingt es wie Knurren. Noch nicht. Erst die Beute tiefer in die Falle locken.
"Wie sehe ich aus?", gurrt Birte.
"Zum Anbeißen", antworte ich. Meine Nerven zum Zerreißen gespannt. Jetzt bloß keinen Fehler machen. Sie kichert.
Kurz darauf stoßen wir mit prickelndem Prosecco an.
"Auf einen unvergesslichen Abend", säuselt Birte.
Es dauert nicht lange, bis die K.o.-Tropfen Wirkung zeigen. Einige Minuten später liegt das Fleisch gut fixiert auf dem Latexlaken. Ich bin so aufgeregt, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Am liebsten würde ich meine Zähne direkt in diese durchtrainierten Waden schlagen. Doch ich zügele mich. Diese besondere Mahlzeit muss zelebriert werden.
Ich gehe zurück in die Küche, hole das Filettiermesser und beginne mein Werk.

Ich arbeite präzise. Konzentriere mich auf die Teile mit festem Muskelfleisch. Wade und Oberschenkel. Ich bin im Rausch. Als die ersten Stücke zischend die heiße Oberfläche des kleinen Tischgrills berühren, erfüllt ein himmlischer Duft den Raum. Wellen der Ekstase fluten meinen Körper. Plötzlich erstarre ich. In der Tür steht Charlotte. Keine Ahnung wie lange schon. Sie steht einfach da. Ihr Blick wandert vom Laken, zum Grill, zu mir. Stocksteif steht sie da. Auf einmal tritt ein Funkeln in ihre Augen.
"Bekomme ich auch ein Stück?"

 

Hallo KonfuziFen!

Sehr blutig und makaber dieser Text.
Ich muss dabei an ein Lieder der "Die Ärzte" denken, in dem Kannibalismus behandelt wird.
Und obwohl es sehr brutal, wenn nicht sogar pervers zugeht, hat mir die Geschichte gefallen.


Mehr gibt es nicht dazu zu sagen - aus meiner Sicht auf jeden Fall!

LG

Betze

 

Hallo KonfuziFen!

Dankeschön für die Veröffentlichung der Geschichte.
Mir hat es gefallen, obwohl der Inhalt keine Überraschung parat hat und blutig/makaber finde ich es auch nicht, dazu hättest du zum Schluss mehr ins Detail gehen, oder einige perverse/blutige Elemente zu einzelnen Tagen hinzufügen müssen.
Doch warum hat es mir gefallen?
Ich fand es gut, dass die Geschichte in Tagebuchform verfasst wurde und zudem finde ich deinen Schreibstil angenehm. Damit rundest du die gesamte Geschichte ab.

Mir hat es Spaß gemacht!
Lg
MyStoryWorld

 

Hallo KonfuziFen!

Sehr schöner Text der sich locker runterliest!

Eigentlich eine gute Idee, die "Veggie-Einstellung" auf total verrückte Weise weiterzuspinnen und auszuschmücken. Am Ende war ich für einen kurzen Moment geschockt, musste dann beim letzten Satz aber doch lachen.

Bin von deinem Schreibstil und deinen Ideen beeindruckt (Die Eden-Story fand ich auch sehr gelungen.)

Einzige kleine und triviale Korrektur, aber für mich doch wichtig (da ich ein großer Fan bin :D ):

dass aus mir nie ein zweiter Jimmi Hendrix werden würde.

Er heißt tatsächlich Jimi Hendrix.

Ich bin auf weitere Werke von dir gespannt :)

 

Hallo zusammen,
Danke für euer Feedback. Folsom Phoenix hat den Text so verstanden, wie er von mir ursprünglich gedacht war. Das freut mich natürlich ;-) Habe auch umgehend das überflüssige m gestrichen (*peinlich*)
LG
KonfuziFen

 

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