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Ecken und Kanten
Mira sitzt in der Vorlesung und versucht dem Dozenten konzentriert zuzuhören.
Es bleibt jedoch bei dem Versuch, da sie innerlich bedrückt ist. Es ist still, nur der Dozent redet. Was ist es, was sie so sehr bedrückt? Ist das der überfüllte Kurs? Hat sie Platzangst? Oder ist die Luft einfach zu trocken? Es wird immer unangenehmer, doch sie versucht weiterhin der Vorlesung zu folgen.
Endlich ist Pause. Mira holt ihr Handy raus und kontrolliert ihre Nachrichten. Mit leeren Blicken starrend auf ihr Handy, versucht sie alles um sich herum abzuschalten.
Sie ist eine beliebte Studentin, ihre Kommilitonen schätzen und mögen sie sehr. Sie kommt mit den meisten gut klar, aber hält wenig von tiefen Konversationen. Sie meidet Bindungen. Die anderen wissen nichts von ihr.
In einem Kreis wird es keinen Platz für Ecken und Kanten geben. Sie versucht es mit dem schleifen und formen, doch es passt nicht. Die Ecken sind keine Kurven, in denen sich die Bahnen lenken können um ans Ziel zu gelangen. Sie bleibt stecken. Es hält sie zurück. Sie kann die Blockade nicht brechen.
Täglich versucht sie ihren Aufgaben gerecht zu werden, ihren Pflichten nachzugehen, dass Meisterwerk zu vollenden, das niemals zu Ende gebracht werden kann. Doch letztendlich bleibt es bei dem Versuch.
Der zweite Block beginnt, verspätet treten einige Studenten in den Kurs. Die Stille tritt wieder ein. Unauffällig schaut sie nach hinten, doch plötzlich schaut er zu. Nervös wendet sie sich wieder der Vorlesung zu. Sie fragt sich, ob das ein Zufall war oder hat er vielleicht etwas Interesse? Ihn kennt sie noch nicht. Sie erinnert sich an den einen Sommertag, an dem er den Raum betrat, als er um Rat suchte. War das nicht er? Üblicherweise spricht Mira offen jeden an. Sie redet einfach los und denkt nicht darüber nach, doch aus irgendeinem Grund fällt es ihr bei ihm schwer. Er erscheint ihr etwas introvertiert. Ruhig und zurückhaltend. Trotz der Neugierde spricht sie ihn jedoch nicht an.
Die Vorlesung ist zu Ende. Als sie sich auf den Weg zur Mensa macht, spürt sie wieder das bedrückte Gefühl, als würde ihr etwas fehlen. Es scheint wie eine endlose Suche, die niemals aufhört. Vielleicht eine Unmöglichkeit, auf der Suche nach der Endlosigkeit, die im jetzigen Erscheinen nicht existiert. Die kühle Luft zerreißt das Anwesen ihres Daseins. Sie hat das Gefühl als würde der Abgrund unter ihren Füßen kein Ende findet. Ihr Teller ist voll, doch wieder ist ihr Appetit zu klein, trotzdem schluckt sie ihr essen runter.
Zu Hause angekommen, legt sie ihre Sachen ab und versucht sich in ihr Zimmer zurückzuziehen. Sie will alleine sein, abschalten und sich entspannen. Es schwirren zu viele Gedanken im Kopf, die sie vom Schlaf abhalten. Morgen ist ein neuer Tag, denkt sie sich. Ein neuer Versuch und eine neue Chance die sich ergibt. Und übermorgen, übermorgen ist wieder ein neuer Tag, in der sie ihre Linien neu ansetzen kann und es wird kein diesmal kein einfaches Viereck, sondern Polygone.
Polygone die sich beliebig formen lassen und vielleicht neue Muster entstehen zu lassen.