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Echte Freunde

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Echte Freunde

Hallo zusammen,

Da ich hier ganz neu bin, begrüße ich Euch erst einmal. So ganz genau wußte ich nicht in welcher Rubrik ich die Geschichte unterbringen sollte, deswegen ist sie jetzt hier... Euch wünsche Euch viel Spaß beim Lesen und mir viele konstruktive Kommentare.

Vielen Dank
Ann-Christin


Echte Freunde


Leon öffnete die Haustür nur einen Spalt breit, wandte sich mit hängenden Schultern ab und schlurfte im Schlafanzug durch den Flur, in die abgedunkelte Wohnung. Es war bereits Mittag. Nicht einen Blick gönnte er Ben, seinem ältesten und besten Freund. Erst als er sich auf die schwarze Ledercouch fallen ließ, sich eine neue Zigarette anzündete, obwohl die Letzte noch im Aschenbecher qualmte, betrachtete er den Gefährten wie jemanden, der ihn gerade zu einem Duell herausgefordert hatte.

"Wolltest du mich so sehen? Bist du deswegen hier?"

Ben schämte sich und schwieg. Er setzte sich neben den Freund auf die Couch und starrte an die gegenüberliegende Wand. Noch immer grinsten Karla, Leon und er von dort in die Kamera, dem Selbstauslöser und einer Zeit entgegen, die sie einander entfremden sollte, ohne dass sie das jemals gewollt hatten.

"Du solltest das Bild abhängen. Sie ist seit Monaten weg." Ben schaute auf den Fußboden.

Leon pumpte sich die Lungen voll Rauch. "Du tust gerade so, als wüsste ich das nicht."

"Das Leben geht weiter, Leon."

Leon lachte bitter. "Tee, Kaffee, Kakao? Darf ich meinem Gast etwas anbieten? Etwas, dass dir den Aufenthalt hier versüßt? Jetzt, wo Karla nichts mehr für dich tun kann."

Ben zuckte zusammen. Hatte sie geredet? Aber er kannte die Antwort. Karla war wortlos gegangen und genau daran zerbrach Leon.

"Ich möchte dir jemanden vorstellen, Leon. Kommst du heute zum Abendessen? So wie früher?"

"Willst du mich verkuppeln?"

Ben schmunzelte. "Nein, Leon. Ich möchte dir die Frau vorstellen, mit der ich alt werden will." Er stand auf. "Ich muss los. Aber vorher habe ich noch eine Aufgabe für dich. Der Verlag sucht Fotos für einen neuen Bildband. Das Thema heißt 'Abschied' und ich gebe dir bis heute abend Zeit."

Nachdem die Tür ins Schloss gefallen war, rauchte Leon drei weitere Zigaretten. Ben, der kleine, unschuldige, ewig schüchterne Ben hatte es also geschafft. Er hatte sich verliebt. Sich in eine andere Frau als Karla verliebt. Wie lange hatte er darauf gewartet? Und jetzt, jetzt wo es endlich wahr geworden war, gab es Karla nicht mehr.

Mit der Wut kam die Bewegung. Leon ging ins Bad und duschte so heiß es nur ging. Er rasierte sich, zog saubere Jeans an, fand noch ein frisches gewaschenes Hemd und trank einen Kaffee. Er nahm die Kamera, stopfte einige Filme in die Innentasche seiner Lederjacke und verließ das Haus. Ben wollte Bilder? Er sollte sie bekommen. Geschenkt. Den Preis würde er ihm später nennen.

Leon stand an Gleis eins und war eins mit seinem dritten Auge. Er brauchte seine Motive nicht zu suchen, sie flogen ihm zu. Es tat gut zu arbeiten.

"Die falsche Blondine wischt sich verstohlen den feuchten Kuss ihres Geliebten von den Lippen." Klick. Klick. Klick.

"Der Teenager befreit sich aus den schützenden Armen seiner Mutter. Ja, nun nimm sie schon, die rettenden Stufen in den Zug."

Klick.

"Ein lebender Aktenkoffer mit viereckigen Schultern, der den Jungen endgültig vor den tränenfeuchten Blicken der Frau verbirgt. Glück gehabt, Kleiner! Das Leben schreibt doch die besten Geschichten."

Klick. Klick.

Leon nahm die Mutter ins Visier. Stumm gab er weiter Kommandos.

"Dreh' dich ein wenig. Nach rechts. Ja, genau so. "

Klick.

"Ja, sehr gut. Jetzt noch einen Schritt in Richtung Ausgang."

Klick.

"Ja, sehr schön. Jetzt noch einmal zurückblicken. Ja, ganz wunderbar. Das ist der Ausdruck in den Augen nachdem ich gesucht habe."

Klick. Klick. Klick.

"Der Kleine bricht dir das Herz. Ja, prima machst Du das."

Klick.

"Er winkt nicht einmal mehr."

Eine Hand legte sich auf seinen Arm. Leon fuhr zusammen.

"Entschuldigen Sie bitte, aber ich beobachte Sie schon eine ganze Weile. Sie sind Fotograf?" Die Frau lächelte. "Die Frage ist dumm, nicht wahr."

Leon nickte, noch bevor er etwas sagen konnte. Beide lachten.

"Darf ich Sie um etwas bitten?"

"Ja, sicher." Du darfst alles. Leon wurde rot, als er merkte, was er da gerade dachte.

"Ich bin neu in dieser Stadt. Eben erst angekommen und ich hätte so gerne ein Foto von diesem Moment. Das möchte ich meinem neuen Freund schenken. Und als ich sie sah, dachte ich ... . Würden sie vielleicht? Wenn ich ihnen meine Kamera gebe?"

Bevor sie weiter stottern konnte, nahm Leon ihr den Fotoapparat aus den Hand, warf einen Blick darauf und grinste. "Nein."

Ein Schatten huschte über ihr Gesicht. Die blauen Augen wurden dunkel.

"Ich bin Profi. Wir nehmen meine Kamera und Sie geben mir hinterher Ihre Adresse, an die schicke ich das Bild. Einverstanden? "

Eine Stunde später hatte Leon alle Filme verschossen. Verena war wunderbar. Sie kannte keine Geheimnisse. Er hatte in ihr gelesen wie in einem Buch und sich in diese Frau, die es nicht nötig hatte, ihr Wesen zu verschleiern, verliebt. Gerade kam sie mit zwei Pappbechern voll Kaffee zurück und drückte ihm einen davon in die Hand. Ihn wurde warm, als sie ihn dabei leicht berührte.

"Ich danke Ihnen sehr, Leon. Das war ein wunderbarer Nachmittag. Und die vielen Bilder. Ich habe ja schon ein ganz schlechtes Gewissen." Ihr Gesichtsausdruck strafte ihre Worte Lügen. Verenas Wangen waren gerötet und die Augen glänzten.

Leon überlegte, ob er sie wohl zum Abendessen einladen durfte, als ihm seine Verabredung mit Ben in den Sinn kam. Er rührte verlegen mit dem Kunststofflöffel in seinem Becher herum. Noch vor wenigen Stunden hatte er nichts als Rache im Sinn gehabt. Aber er war erleichtert. Einem fremden Mann die Frau streitig zu machen, erschien ihm inzwischen fast als
Heldentat. Was sollte man denn anderes tun? Er wusste genauso gut wie Ben, dass man gegen die Liebe nur schwer ankämpfen konnte.

"Jetzt muss ich aber los." Verena umarmte Leon, küsste ihn auf die Wange und gab ihm eine Visitenkarte. "Hier können Sie mich erreichen." Verena nahm ihren Mantel, lächelte Leon zu und verschwand in der Menge.

Statt Verena nachzuschauen warf Leon noch einmal einen Blick auf die Karte mit Bens Adresse. Nach wenigen Minuten folgte er der Frau.

 

Hallo Ann- Christin,

vielen Dank für die nette Begrüßung, ich wünsche Dir erfolgreiches Schreiben auf kg.de und viele gute Einfälle.

Deine Geschichte habe ich gern gelesen, sie ist flüssig geschrieben und die Dialoge passen. Wenn man sich die Situation einmal vorstellt - jetzt kommt es ja nicht nur darauf an, wie sich Leon verhält, sondern auch Verenas Verhalten ist entscheidend. Hat sich Ben nur eingebildet, sie hätten eine Liebe für`s Leben? Immerhin ist sie extra in die neue Stadt gekommen. Doch wie kann sie dann so schnell mit einem Fremden eine Beziehung aufbauen? Oder bildet sich der Photograph da etwas ein? Du siehst, Dein Text läßt viele Möglichkeiten zu, es ist die Frage, ob Du das wolltest.
Der Satz mit dem „lebenden Aktenkoffer ...“ ist etwas unverständlich, warum „lebend“, warum hat der Kleine Glück gehabt?
Bei „stumm gab er ...“ fände ich `im Gedanken´ (oder ähnliches) günstiger, ich dachte erst: Wie soll man so Befehle geben?

Liebe Grüße,

tschüß... Woltochinon

 

Hallo Ann-Christin!

Ein toller Einstand von Dir! Ich bin begeistert! Der story liegt ein gut durchdachtes Konzept zugrunde, die Ringschlüsse überzeugen, und die Charaktere entwickeln sich auf engstem Raum mehrdimensional. Auch sprachlich finde ich den Text ansprechend. Neben den von Woltochinon bereits angesprochenen Textstellen gäbe es vielleicht hier und da noch etwas zu feilen, ein paar wenige Fehlerchen auszubügeln, aber das sind nur Kleinigkeiten.

Großes Lob von mir! Und ich bin schon gespannt auf mehr :-)

Viktoria

 

Hallo Ann-Christin!

Eine schöne Geschichte, flüssig geschrieben und angenehm zu lesen. Dazu noch sprachlich recht ausgefeilt – ausgetüftelt möchte ich fast sagen. Also insgesamt sehr ansprechend, wenn’s auch noch ein paar Überarbeitungsmöglichkeiten gibt.

Dass das „Model“ am Schluss nur eine bestimmte Frau sein konnte, war mir zwar irgendwie klar, weil es ja fast so sein musste, aber das macht eigentlich nichts. Bei so einer Geschichte gehört das einfach dazu. ;)

Wie Viktoria ist auch mir aufgefallen, dass du in wenigen Sätzen eine recht gute Charakterisierung deiner Protagonisten hinbekommen hast. Wenn man genau liest, kann man aus einigen Sätzen viele Aussagen herauslesen. Allerdings würde ich dir empfehlen, dir die Dialoge zwischen Leon und Ben, den guten Kumpels, noch mal anzuschauen. Da sind ein, zwei Sätze dabei, die etwas „gestellt“ klingen.

Bei der „Rache“ war ich mir unschlüssig, ob Leon sich (unbewusst?) an Ben rächen wollte, weil er gedacht hat, dass Karla ihn wegen Ben verlassen hat/haben könnte?? Mir ist nicht ganz klar, an wem sich Leon rächen will. Weiß er es selbst nicht genau? Wieso ist das „Frau streitig machen“ eine Heldentat? In der Dreiecksgeschichte gibt es wohl verschiedene Interpretationsmöglichkeiten, wie auch Woltochinon geschrieben hat. Wenn du möchtest, dass der Leser die Geschichte zweifelsfrei enträtseln kann, wäre vielleicht noch ein Zusatz angebracht.

Ein paar Anmerkungen noch:

Erst als er sich auf die schwarze Ledercouch fallen ließ, sich eine neue Zigarette anzündete, obwohl die Letzte noch im Aschenbecher qualmte, betrachtete er
Mit einem „und“ nach „fallen ließ“ fände ich den Satz „runder“. Da du es mit „und“s nicht übertrieben hast, könnte hier mE gut eines stehen. Evtl. könnte man auch zwei Sätze draus machen: Auf die Couch. Zigarette anzünden und betrachten.

Die Beschreibung des Bildes von Karla, Leon und Ben an der Wand fand ich anfangs etwas stark konstruiert, aber im Nachhinein gefällt sie mir ganz gut, weil es die „Dreiecksbeziehung“ andeutet und in einem Satz etwas ausgesagt wird, was im richtigen Leben wohl lange gedauert hat („entfremdet“).

Darf ich meinem Gast etwas anbieten?
Leon ist zwar verbittert, aber diese sehr spitze Formulierung erschien mir etwas zu stark. „Meinem Gast“: Sagt Leon so etwas zu seinem besten Freund?
Hatte sie geredet? Aber er kannte die Antwort.
Die Konstruktion mit „aber“ gefiel mir hier nicht so gut. Vorschlag: Hatte sie geredet? Nein, natürlich nicht. Sie war wortlos gegangen ...
Ich möchte dir die Frau vorstellen, mit der ich alt werden will.
So reden Kumpels nicht miteinander. Glaub mir ...
ich gebe dir bis heute abend Zeit.
Abend
Ben hatte es also geschafft. Er hatte sich verliebt. Sich in eine andere Frau als Karla verliebt.
Damit sagst du auch recht viel aus: Ben, Leons bester Freund, war in Leons Freundin Karla verliebt. Es hat wohl lange Zeit keine andere Frau für ihn gegeben. Das hat er jetzt überwunden. Hier ging ich eigentlich davon aus, dass Leon nicht wirklich denkt, dass Karla ihn wegen Ben verlassen hat. Am Schluss, bei der "Rache", war ich mir dann nicht so sicher.
fand noch ein frisches gewaschenes Hemd
etwas umständlich vielleicht. Warum nicht „fand noch ein sauberes Hemd“?
Leon stand an Gleis eins und war eins
Wie wärs mit Gleis vier? ;) Oder vielleicht einfach „stand am Bahnsteig“.
Ausdruck in den Augen, nachdem ich gesucht habe
nach dem
Die Frage ist dumm, nicht wahr?
:D Hat mir sehr gut gefallen, weil es mir absolut realistisch vorkam. In solchen Situationen neigt man doch zu „dummen Fragen“, nicht wahr?
Und als ich sie sah, dachte ich ... Würden sie
Sie
Er hatte ... sich in diese Frau, die es nicht nötig hatte, ihr Wesen zu verschleiern, verliebt
Hier hast du’s ein bisschen kurz gemacht und dabei „show, don’t tell“ nicht berücksichtigt. Das kannst du bestimmt weniger direkt und schöner formulieren.
ob er sie wohl zum Essen einladen durfte
evtl. „sollte“ statt „durfte“
Kunststofflöffel
warum nicht einfach „Plastik“?
warf Leon noch einmal einen Blick auf die Karte mit Bens Adresse.
“Noch einmal“ ist schon klar, aber mir hat das „erste Erstaunen“ gefehlt. Hier hätte es vielleicht nicht geschadet, aus dem einen Satz ein paar zu machen.
Wenn Leon „wenige Minuten“ wartet, wird Verena nicht mehr zu sehen sein, also kann er ihr nicht folgen. Er kann zu Bens Wohnung gehen/fahren, aber dann „folgt“ er ihr ja nicht direkt.

Die Geschichte hat mir gut gefallen. Es steckt viel mehr dahinter, als ich beim ersten Lesen entdeckt habe. Das wurde mir nach dem zweiten Lesen klar. Man merkt, dass du dir einige Gedanken dazu gemacht hast. Zufall kann das nicht sein. ;)
Wenn du möchtest, dass man als Leser alle „Verwicklungen“ versteht, wäre vielleicht, wie schon gesagt, eine kleine Ergänzung hilfreich.

Viele Grüße :)

Christian

 

Hallo Woltochinon, Viktoria und Criss!

Diesmal mach ich's kurz:

Danke schön !!!

Ann-Christin ;)

 

Hallo AnnChristin!

Ich kann mich den meinen lobenden Vorrednern nur anschließen. Eine schöne Geschichte, die sehr sauber geschrieben ist.

Eine Sache nur würde an deiner Stelle noch ändern:

...ich hätte so gerne ein Foto von diesem Moment. Das möchte ich meinem neuen Freund schenken.
Streich das "neuen". Ich weiß nicht wie es anderen Lesern ergeht, aber ich hatte bis zu diesem Zeitpunkt vermutet, dass Bens neue Freundin die Ex von Leon (Karla) ist. Der Hinweis an dieser Stelle, dass sie einen neuen Freund hat, macht klar, dass Verena die Neue von Ben ist. Oder du streichst komplett, dass sie die Fotos für ihren Freund haben möchte. Dann ist - zumindest für den ein oder anderen Leser - am Ende die Überraschung größer.

Watt meinste?

Beste Grüße
sticker

 

Hallo AnnChristin,

kann mich nur allen Vorrednern anschließen. Liest sich sehr gut und ist gut nachvollziehbar.

Etwas ist mir noch aufgefallen, was von den anderen nicht erwähnt wurde:

Er sollte sie bekommen. Geschenkt. Den Preis würde er ihm später nennen
Geschenke stellt man nicht in Rechnung. Wenn du aber meinst, dass er auf andere Art würde dafür bezahlen müssen, solltest du es m.E. umformulieren.

Gruß vom querkopp

 

Hi Sticker,

*Lach* Du meinst also ich soll einfach etwas weglassen und am Ende 'Überraschung' rufen ;)
Lieber nicht. Ist mir schon passiert. Das gab 'bööööse' Kritiken.
Ich fürchte, ohne diesen Hinweis (Eine Dreiecksgeschichte ist beendet; eine neue 'bahnt sich an') funktioniert die gar Geschichte nicht ...

Hallo Querkopp,

Danke für den Tipp.
Also, ich wollte umschreiben, dass Leon Rachegedanken hat ( Du wirst dafür bezahlen ... )
Nun, ja. Ein bisschen lass' ich die Story noch auf Halde liegen, bevor ich mich ans Überarbeiten mache. Dann schau' ich mal.

Über euer Lob freu' ich mich sehr.

Ann-Christin

 

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