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Easy
DU
Kennst du das, wenn ein Mädchen deine sexuellen Wünsche so umfassend erfüllt,
dass du das aufkommende Gefühl der totalen Befriedigung beinahe mit Liebe verwechselst?
❤ 11:43
ANDREJ
du bist einfach ein arschloxh nimm dich nicht so wichtig 11:47
Andrej und ich haben uns zuvor bei ihm zuhause betrunken. Es gab Glühwein und dazu das Weihnachtsgebäck seiner Mutter, die eine unglaublich warmherzige Babuschka ist und mich verstehen lässt, warum man während des Studiums noch nicht von zuhause auszieht. In seinem Zimmer präsentiert er mir dann eine Website, für die er in den letzten Wochen viel Mühe verwendet hat. Erfolgs-Psychologie.at. Es geht wohl darum, Artikel zu veröffentlichen, die psychologisches Know-How für den Alltag vermitteln, um so genug Klicks zu generieren, dass man sich durch die geschaltete Werbung finanzieren kann. Seine Frage, ob ich auch solche Artikel für ihn schreiben möchte, verneine ich sehr höflich und setze mich an die Konzertgitarre, die etwas verloren in einer Ecke seines kleinen Zimmers steht und noch erstaunlich gut gestimmt ist.
Andrej ist sehr jung und mit guter Wahrscheinlichkeit noch Jungfrau. Er trägt kurze, schwarze Haare, die er heute zur Ausnahme mit etwas Gel in Form gebracht hat, und besitzt einen so dichten Bartwuchs, dass er sich dem Neid jedes sibirischen Holzfällers sicher sein kann. Außerdem hat er sich eine Goldkette um den Hals gelegt, die halb in dem Kragen seines frisch gebügelten Hemdes versinkt und über die ich mich schon lustig mache, seit ich am frühen Abend viel zu pünktlich bei ihm aufgeschlagen bin. Wahrscheinlich fand er sie irgendwann selbst lächerlich, aber ich habe so heftig gegen sie gewettert, dass er sie schlecht wieder ablegen konnte, ohne vor mir sein Gesicht zu verlieren. Wir versuchen schon seit Längerem ein paar Kommilitonen aus unserer Übung zur Diagnostik zu erreichen, mit denen wir auf eine von unserer Studentenvertretung organisierte Party gehen wollen. Es meldet sich jedoch niemand zurück und wir überlegen, ob am Donnerstagabend noch eine Vorlesung stattfindet, von der wir nichts wussten, weil wir seit dem zweiten Semester nur noch Pflichtveranstaltungen besuchen.
Aus Langeweile stifte ich ihn irgendwann dazu an mit Larissa zu schreiben, um sie und Easy dazu zu überreden, mit uns mitzukommen. Larissa meint, dass sie heute ebenfalls noch mit Easy ausgehen wolle und dass die Beiden vielleicht noch bei der Party vorbeischauen würden. „Vielleicht“ heißt dabei, dass sie zu gut erzogen ist, um „ich bin noch lange nicht besoffen genug, um mit euch beiden meinen Abend zu verbringen“, zuschreiben. Irgendwann vor Mitternacht entschließen wir uns dann dazu, auf gut Glück loszugehen und falls wir auf keine andere Gruppe stoßen sollten, die wir kennen, einfach den größtmöglichen Spaß zu zweit zu haben.
Andrejs Mutter füllt uns noch etwas Glühwein in eine Plastikflasche um, damit ihr mal'chik auf dem Weg zum Club gut versorgt bleibt und bekommt dafür zum Dank von ihm einen Kuss auf die Wange. Man merkt erst wirklich wie betrunken man ist, wenn man die Umgebung, in der man sich betrunken hat, verlässt. In der U-Bahn erzähle ich ein paar rassistische Witze, in deren Kern Andrej viele Wahrheiten entdeckt. Das stört mich kaum weiter, weil ich rassistische Osteuropäer ohnehin nicht ernstnehmen kann. Wir würden noch etwa zehn Stationen fahren müssen, bis wir ganz in der Nähe vom Club aussteigen und am Donaukanal entlang unseren Glühwein austrinken würden und Andrej entschließt sich dazu, unseren Fahrgästen eine kleine Freude zu bereiten, indem er ihnen über sein Handy Musik vorspielt. Es ist einer dieser Abende, an denen die Frustration über das Studium, die Jugend und das Leben so durchschlägt, dass man sich an den Grenzen seiner Mitmenschen stoßen möchte, um herauszufinden, ob man überhaupt noch ein Teil ihrer Wirklichkeit ist.
Wir stehen nur für kurze Zeit in der Schlange bis uns der Türsteher, den ich aus einem Seminar für Sozialpsychologie kenne, nach vorne durchwinkt und im Tausch gegen eine Zigarette hereinlässt. Direkt am Eingang wird Punsch von einer ungewöhnlich hübschen Asiatin ausgeschenkt, aber es ist unsere Tradition, das Trinken beim Ausgehen mit Jägermeister zu beginnen. Also drängen wir zur Bar vor und realisieren dabei, warum kein anderer mit uns herkommen wollte. Bis auf die Mitglieder der Studentenvertretung sind nur Erstsemester hier, die gerade ihre Aufnahmeprüfung bestanden haben und nun übermütig den Start ins Studentenleben zelebrieren. Allein am Tresen lassen sich drei Pärchen ausmachen, die sich wahrscheinlich erst vor einer Viertelstunde gebildet hatten und deren sich gegenseitig verschlingenden Münder Andrej den Ekel ins Gesicht zeichnen. Ein Junge mit roten Haaren und Hornbrille tippt mir auf die Schulter.
„ichkendichvonfacebook“
„Ich versteh‘ kein Wort.“
„vonfacebook“, raunt er mir viel zu laut ins Ohr. Er ist total hinüber und hält mich an meinem Jackenkragen fest. Bevor Andrej, der bereits seine Hand zur Faust geballt halt, etwas Dummes anstellen kann, dränge ich meinen Verehrer zur Seite ab und gehe vor die Tür, um mit Andrej erstmal ein Zigarette zu rauchen.
„Scheiß Veranstaltung.“
Ich sage ihm, dass er sich nicht so aufregen soll und heute bestimmt noch ein Mädchen für ihn abfallen wird. Das lässt ihn ganz verlegen zu Boden schauen und er hat sich den Rest des Abends nicht mehr bei mir beschwert.
Als wir wieder hineingehen, um uns Punsch zu holen, versuche ich mit der Asiatin zu flirten. Leider hat sie beim Trunkausschank die Gewissenshaftigkeit eines maoistischen Politoffiziers und lässt sich durch meine Frage, wie ihr das Studium bisher gefällt, nicht von ihrer Pflicht ablenken, betrunkene Idioten noch betrunkener zu machen. Wir setzen uns daraufhin auf ein Sofa im Loungebereich und beobachten eine Gruppe deutscher Studenten bei ihrem Tischkickerspiel. Ihrem Dialekt nach müssen sie aus der Gegend um Hamburg stammen. Nach dem viel zu süßen Punsch bekommen wir Lust auf ein herbes Pils. Ich sage Andrej, dass er uns für die nächste Runde am Kicker anmelden soll und schlendere alleine zur Bar, um eine erneute Begegnung zwischen ihm und dem Rothaarigen zu vermeiden.
Als ich zurückkomme stoße ich auf Easy und Larissa, die Andrej und mir den Platz am Kicker geklaut haben. Walküren, die sich plötzlich verlorenen Seelen annehmen. Der Abend scheint gerettet. Sie tragen kurze Röcke und durchsichtige Oberteile, die ihre BHs durchschimmern lassen. Fick-mich-Kleidung, wie es ein guter Freund aus Leipzig ausdrücken würde. Sie sind perfekt aufeinander eingespielt und bringen den Punktestand schnell auf ihre Seite, was die beiden Fischköpfe gegenüber sehr ärgert. „Schietbüddel!“
Ich gebe Easy eine Kuss auf ihren Nacken, den sie mit einer Kopfdrehung abwehren möchte.
„Du siehst doch, dass ich gerade spiele!“ Easy heißt eigentlich Isabella, aber ich mag dieses sprechende Akronym lieber und habe ihr daher diesen großartigen Spitznamen verpasst. Sie gibt sich zunächst kühl und geht erst auf meine Annäherungsversuche ein, als ich sie beleidige: „Du bist doch schon gestern und vorgestern ausgegangen. Ab welchem Zeitpunkt würdest du dich als Alkoholikerin bezeichnen?“
„FICK DICH DOCH, DU BIST DOCH SELBER STÄNDIG BETRUNKEN!", entgegnet sie mir wutgeladen, weil ich einen wunden Punkt getroffen habe. Ich muss lachen und gebe ihr noch einen Kuss, den sie sich dieses Mal gefallen lässt.
Nach dem Spiel gehen wir zu viert tanzen. Ein DJ legt Electroswing auf und lässt sich dabei von einem Saxophonisten begleiten, der wirklich ein paar nette Soloeinlagen miteinbringt. Die Tanzfläche ist überfüllt und man kommt nicht umhin, die Plebs um sich herum wegzuschubsen, um genug Platz für sich zu schaffen. Wenn man Andrej dabei hat, kann man sich das gut erlauben. Easy drückt beim Tanzen ihren Hintern an mich und ich frage sie, ob ihr Arsch mich vermisst hätte.
„Dich Arsch bestimmt nicht“. Sie dreht sich herum, um mir etwas ins Ohr zu flüstern:
„Kannst du dich noch an deinen Wunsch erinnern?“
Ich blicke sie mit einer hochgezogenen Augenbraue an. „Heute Abend?“
Sie bestätigt es mit einem Griff in meine Hose. „Ich versuche schon Larissa zu überreden, aber sie will [irgendeinen Typen, dessen Namen ich mir nicht gemerkt habe] nicht betrügen. Gib mir noch etwas Zeit mit ihr und schau dich mal selbst um.“
Mit einem kleinen Freudensprung verlasse ich die Gruppe und grase die Mädchen auf der Tanzfläche ab. Weil mich irgendwann die Gespräche über Psychologie zu nerven beginnen, gebe ich mich als Veterinärmediziner aus und wehre die anfliegenden Bekundungen der weltbewegenden Tierliebe meiner Gesprächspartnerinnen mit der Bemerkung ab, dass sich viele meiner Kommilitonen aus dem Fenster stürzen, weil sie den Stress nicht packen. Dieser Zynismus ist herrlich entwaffnend und verschreckt ohnehin nur die Mädchen, die später sowieso nicht mit uns mitkommen würden. Bisher bleibt mein Bemühen jedoch unfruchtbar, wahrscheinlich weil ich überdeutlich „Ficken“ auf der Stirn geschrieben stehen habe. Als ich mich wieder an eine Asiatin ranmache, die ich mit dem Mädchen an der Punschausgabe verwechsle, stellt sich Easy dazu und fragt mich, ob ich mit ihr rauchen gehen wolle.
„Du glaubst doch nicht im Ernst, dass du bei so einem süßen Mädchen landen könntest.“
„Warum nicht? Glaubst du, nur du bist leicht zu haben?“
Andrej und Larissa haben bereits draußen auf uns gewartet. Sie meint an seiner Goldkette das Aushängeschild eines male chauvinist pig zu erkennen. Auf die Sexismusdebatte lasse ich mich sofort ein.
„Ich halte den Feminismus für überflüssig. Nicht, weil ich einen essentialistischen Standpunkt vertrete, der einen natürlichen Unterschied zwischen Männern und Frauen postuliert und daraus einen patriarchalen Herrschaftsanspruch ableitet. Im Gegenteil. Ich lehne das dicho-,“ ich brauche eine kurze Pause, in der ich meine Zigarette anzünde, „das dichotome Begriffspaar Mann/Frau ab, das Feministen in ihrem Diskurs gerade erst konstituieren und damit die individuelle Qualität des einzelnen Menschen untergraben.“ Damit hatte sie jetzt nicht gerechnet und Andrej bestärkt meinen Standpunkt mit einem „ganz Genau!“ Ich hoffe wirklich, dass Larissa später mitmacht. Feministinnen fühlen sich an keine rigide Sexualmoral gebunden und zeigen im Bett oft einen ausgeprägten Masochismus, der wirklich kranke Sachen zulässt.
Um die Stimmung zu lockern erzähle ich ein paar Witze, über die ich herzhaft lache weil es niemand anderes für mich tut, bis Larissa ebenfalls einen zum Besten gibt:
„Wie viele Deutsche braucht man, um eine Glühbirne zu wechseln? Einen. Deutsche sind effizient und haben keinen Humor.“
„Sehr witzig“, entgegne ich ihr. „Ich habe auch einen, pass auf: Was sagen Deutsche über Österreicher? Gar nichts. Niemand interessiert sich für das 17. Bundesland.“
„Ich wundere mich, dass du überhaupt Freunde hast“, bekomme ich daraufhin von Larissa zu hören.
„Reines Kalkül.“
„So habe ich das nicht gemeint.“
„Ich weiß.“ Jetzt sollte ich wirklich damit aufhören, sie zu ärgern. Auch wenn es mir ungeheuren Spaß macht, könnte ich damit Easys ganze Vorarbeit zunichtemachen.
Andrej und ich gehen getrennt von den beiden wieder hinein und besorgen uns neues Bier. Mein Plan ist es nun Andrej auf Larissa anzusetzen. Nicht, weil er eine reelle Chance bei ihr hätte, sondern weil sein Machogehabe sie so abstoßen soll, dass sie sich im besten Fall in meine Arme flüchten wird. Ich sage ihm, dass ich von Easy gehört hätte, dass Larissa auf ihn steht und er sich nicht von ihrer zickigen Art abschrecken lassen soll, während ich mental schon das Popcorn hervorhole und die Show kaum erwarten kann. Aber irgendwas stimmt mit meinem Magen nicht. Ich bekomme immer stärkere Krämpfe, die ein großes Kotzen ankündigen. Das muss an dem verdammten Glühwein liegen, der von Andrejs Mutter bestimmt nicht dazu gemacht wurde, dass ich mich von ihm betrinke. Es hilft nichts, ich stürze mich auf die Toilette und übergebe mich direkt in der ersten Kabine. Während ich dem Weihnachtsgebäck dabei zusehe, wie es als halbverdaute Teigmasse auf möglichst unappetitliche Weise meinem Körper entweicht, muss ich daran denken, wie witzig es gewesen wäre, wenn jemand ganz einfach vergessen hätte abzuschließen und jetzt russisch-orthodoxe Weinachten in seinem Schoß feiern würde. Ich verbringe hier eine halbe Ewigkeit, bis sich Easy auf die Toilette schleicht und mir den Kopf streichelt. Andrej und Larissa sind gerade gegangen ‒ getrennt voneinander. Deus ex machina, da lässt sich nichts machen.
Wir fahren mit einem Taxi zu Easy nach Hause, das sie netterweise bezahlt, während ich im Wachkoma ausgestreckt auf der hinteren Sitzbank liege. Von ihr gestützt wanke ich in das Appartement und bekomme noch einen Kaffee ans Bett gebracht, der mich wiederbeleben soll. Easys Mutter macht irgendetwas mit Immobilien und ist verdammt reich, auch wenn Easy das ungerne hört. Das Appartement, in dem Easy umsonst alleine wohnt, gehört ihr. 200m² im ersten Bezirk von Wien. Churchill und Sativa springen auf das Bett und lassen sich von Easy streicheln. Die Katzen hassen mich und bleiben mir fern. Easy meint, das liegt daran, dass sie erkennen, was für ein schlechter Mensch ich bin. Kluge Tiere. Churchill ist schwarz und Sativa grau und ich glaube, dass mich Churchill insgeheim doch mag, weil er vor ein paar Tagen zum zweiten Mal ein gebrauchtes Kondom von mir aus dem Mülleimer gefischt und gefressen hat. Seit dem vögeln wir ohne.
„Ist Churchill kastriert?“, keine Ahnung, warum mich das plötzlich interessiert.
„Na klar, der ist so überzüchtet, dass er keinen Nachwuchs mehr zeugen sollte. Das erkennst du an dem eingefallenen Gesicht. Ihm fehlen auch ein paar Zähne und seine Hüfte sieht auch komisch aus. Aber das macht ihm nichts. Ich habe ihm beigebracht, dass es nur auf die inneren Werte ankommt.“
„Du wärst so eine tolle Mutter“, ‒ ich greife ihr an den Hintern, „wenn du nicht so eine Schlampe wärst.“ Wir küssen uns und ziehen uns gegenseitig unsere nach Zigarettenrauch stinkenden Klamotten aus. Wenn sie betrunken ist, lässt sie alles mit sich machen. Ich liege über ihr und winkle ihre Beine so stark an, dass sie ihr beinahe ins Gesicht stoßen. Das erste Loch, das ich jetzt treffe soll es für diesen Abend sein. Aber es will bei mir einfach nicht richtig funktionieren. Nach kurzer Zeit geben wir auf und beschließen einfach unseren Rausch auszuschlafen. Der Alkohol nimmt heute keine Rücksicht auf meine Wünsche.
Bei Easy wacht man zum ersten Mal gegen acht Uhr auf, wenn die Sonne durch die von den weißen Vorhängen nur spärlich verdunkelten Fenster scheint und die Katzen damit beginnen, sich durch das ganze Haus ‒ einschließlich dem Bett ‒ zu jagen. Für gewöhnlich schafft man es nach so einer kurzen Nacht schnell wieder einzuschlafen, nur um gegen elf Uhr zum zweiten Mal aufzuwachen, weil die Musikschule gegenüber ihren Betrieb aufnimmt. Dabei wieder in den Schlaf zu finden, gestaltet sich wesentlich schwieriger und es gehört eine Menge Übung dazu, sich über die falsch gespielten Notenleitern und den immer mindestens um eine halbe Note zu tief liegenden Gesang nicht weiter aufzuregen. Heute gelingt es mir nicht, weil dazu noch die Morgenübelkeit meines Katers kommt. Ich gehe zu Easys Bücherregal und blättere etwas in Camus „Der Fremde“. Irgendwann wird mir klar, dass ich noch viel zu besoffen bin, um etwas zu lesen, das ich nicht schon kenne. Andrej schreibt mir und möchte wissen, ob ich noch gut nach Hause gekommen bin. Ich antworte ihm kurz und greife mir dann „Der alte Mann und das Meer“ aus dem Regal. Easy verkörpert die Dekadenz der Bourgeoisie. Sie kennt viele wichtige Autoren und man kann gute skandinavische Filme mit ihr schauen und sie lässt sich meine Predigten über Hemingway gefallen, ohne dass all dies Spuren auf sie hinterlassen würde. Sie besitzt keinen echten Bezug zu den Dingen um sie herum und ich glaube, dass sie sich für kaum etwas anderes so sehr interessiert wie für Sex. Angeblich hatte sie ihr erstes Mal, mit zwei Typen in einer Badewanne, als sie vierzehn war und ich fange langsam an, ihr diese Anekdote zu glaube.
Die Übelkeit weicht mittlerweile stechenden Kopfschmerzen, die ich nicht weiter ertragen möchte. Ich beschließe Easy zu wecken, um sie nach einer Schmerztablette zu fragen. Ohne ein Wort zu sagen, steigt sie aus dem Bett, holt eine Schachtel Aspirin aus dem Badezimmer und schaltet die Kaffeemaschine in der Küche an, um dann zusammengekauert in einem Stuhl zu versinken. Ich weiß wirklich nicht, ob sie einfach übermüdet oder schlecht gelaunt ist, weil wir letzte Nacht nicht miteinander geschlafen hatten. Ich tue das einzige, worin ich wirklich gut bin und rede die ganze Zeit irgendein belangloses Zeug, bis sie sich ein Lächeln abgewinnt und meint, dass ich endlich die Fresse halten soll.
„Nur, wenn du mir eines deiner Gedichte zeigst.“ Ich habe schon oft versucht, Easy dazu zu bewegen, mir ihre Gedichte zu zeigen. Zur Not auch im Austausch gegen ein paar Storys von mir. Sie wird demnächst in einer Gedichtsammlung für neue Lyrik in Frankfurt veröffentlicht und ich möchte wirklich keinen Sozialneid vorbringen, aber es würde mich auch nicht wundern, wenn Easys Mutter zufällig ein paar Verleger in Frankfurt kennen würde. Sie drückt mir schließlich doch ihr Handy in die Hand, auf dem sie eines für mich geöffnet hat. Es besteht aus kurzen gereimten Zeilen ohne Metrum, vielen Paronomasien und drückt ein vages Gefühl der Vergänglichkeit aus. Es gefällt mir eigentlich ganz gut und ich meine dadurch dem Phänomen der modernen Lyrik, das mich ansonsten nie sonderlich interessiert hat, ein wenig näher gekommen zu sein. Churchill springt auf Easys Schoß und beginnt zu schnurren, als sie ihn streichelt. Ich kann mich doch nicht zurück halten und breche mein kurzes Schweigen.
„Für mich sind Haustiere emotionale Parasiten. Sie haben sich so perfekt an unsere Gefühlswelt angepasst, dass es uns eine Freude bereitet, ihr Überleben zu sichern.“
„Das klingt eigentlich ganz nach dir.“
Als ich sie frage, was sie damit meinen würde, bietet sich mir nur hämisch grinsend eine Zigarette an, die ich dankend annehme.