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Durchschnittsjugendgewalttäter
edit: Eins vornweg ich bin Schweizer. Also achtet bitte nicht auf die Doppel-S und gewisse Themen sind auch eher regional verankert...
Durchschnittsjugendgewalttäter
Einleitung
Die Merkmale der heutigen Jugend sind Gewalt, Revolte, Drogen, Wut, Hass und dann diese 68er-Haltung in der Sexualität! Seit man das Thema nicht mehr tabuisiert, hat sich die Sexualstraftatenrate verzehnfacht!
Die Anzahl der Revolutionen, die auf den Hauswänden proklamiert wird, übersteigt die Einwohnerzahl der altehrwürdigen Schweizerischen Eidgenossenschaft!
Unter diesen Umständen aufgewachsen - als herrschende Minderheit – hat der Durchschnittsjugendliche ein immenses Selbstvertrauen und verhält sich auf dieser Welt* als würde sie ihm in Zukunft gehören!
Im goldenen Westen wird nur eingekauft (legal konsumiert), geklaut (illegal konsumiert), gebettelt (Diese elenden, aufmüpfigen, bettelnden Kinder können nicht mal wirklich Deutsch! Und dann verprassen sie den Ertrag bestimmt für Pokémon-Sammelkarten und Videospiele; das kennt man ja vom eigenen Nachwuchs!), gesoffen (eine ganz gefährliche, neuartige Entwicklung!), gekifft (eine altbekannte Entwicklung! Kam mit diesen Langhaaraffen-Hippies!) oder die Schule geschwänzt! Ausser die Bettelkinder! Daran sollten sich die anderen mal ein Beispiel nehmen!
Kerlchen Karl ist auch jung. Das heisst er ist Staatsfeind.
Jugendliche sind Staatsfeinde.
Neben seiner staatsfeindlichen Tätigkeit ist er aber auch ständiger Vertretungsdurchschnittsjugendlicher. Der echte Durchschnittsjugendliche Max Musterknabe säuft sich momentan auf Mallorca den Rest seines degenerierten Gehirns weg.
Kapitel 1 Jugendkultur
Kerlchen Karl (von seinen Freunden Karl Kerlchen genannt) führt das typische, westeuropäischen Leben voller semi-wichtigen Problemchen und aufbrausenden Hormonwallungen.
Ein willkürlich herausgegriffenes Problemchen „des“ zweiten Durchschnittsjugendlichen ist die Beliebtheit und die persönliche Selbstdefinition im simplen Denkschema der Jugend.
Die selbstgeschaffenen Ressorts dieser starrsinnigen Selbsteinteilung nennt man Jugendkulturen – oder je nach Jugendkultur auch Subkulturen!
Jugendkulturen entstehen normalerweise dann wenn Jugendbewegungen erlahmen.
Von Jugendkultur zu sprechen, ist aber eigentlich schon ein Euphemismus, denn eigentlich handelt es sich dabei bloss um Jugendkonsum!
*Welt ist ein eingetragenes Markenzeichen der Nestlé Gruppe. Jedes zuwiderrechtliche** Handeln wird massive Sanktionen zur Folge haben!
**Das Recht im Sinne von Gesetz, nicht zu verwechseln mit „der Gerechtigkeit“!
Eine trendige Sendung bewegt einem zum Kauf sogenannter Baggypants. Da ein Grossteil der Jugend durch die Medien zu simplem Schubladendenken getrieben wurde, wird man dann direkt nach dem „Bravo-Yam-GIRL!“-Testschema einer Subkultur zugeteilt und durch die Wechselwirkung zwischen Einzelperson und Umfeld wird das Denken, ja das ganze Bewusstsein grundlegend verändert.
Ähnlich verhielt es sich anfangs auch bei KK. Bis etwa zwölf, genauer gesagt bis seine Eltern Kabelfernsehen gekauft haben, trug er brav die ausgetragenen Discountklamotten seines grossen Bruders*, doch dann änderte sich das schlagartig und zwar damals als er zufälligerweise, während seinen ersten Zappingversuchen**, auf dem Musiksender mit einem eingetragenen Markenzeichen als Namen hängenblieb.
Das M für Music im Titel desselbigen ist eigentlich eine reine Farce. So dröhnten auch an jenem denkwürdigen Nachmittag nicht Engelstrompeten und Teufelsposaunen aus den Fernsehboxen, sondern die bechernde Stimme eines B-Promis, der das echte Leben als Hundemasseur erlebt und nichts davon weiss, dass seine Eltern in einer anderen Sparte der gleichen Sendung seine boulevardkompatible Traumhochzeit mit einem/einer von 10000 Bewerber/innen*** planen.
Leicht liess sich Karl K. vom Glamour der Hundemassagenwelt beeindrucken und kaufte sich bald darauf eine ähnlich abgetragene Hose, die den charakteristischen Geruch von „Nassem Hund“ in sich trägt. Da es sich aber um ein abgetragen designtes Beinkleid und nicht um eine wie man annehmen sollte von chinesischen Kindern**** genähte und von einer Strassenhündin als Geburtsort für ihre Welpen ausgewählte Hose handelte, betrug ihr Preis einen halben Monatslohn, zumindest im „Den-Nachbarn-den-Rasen-mäh“-Geschäft mit dem sich Karl über die Runden brachte. Das war der harmlos scheinende Beginn, doch der dämonische Zirkel des Dazugehörens änderte sich nicht bis ans Ende der letzten Teenager-Hormonwallung...
*Der Durchnittsjugendliche hat 0.7 Geschwister.
**Wenn sie diesen Text lesen erlebt das Durchschnittskind seine ersten Zappingversuche mit zwei bis drei Jahren. Es ist gut möglich, dass es erst mit vier zur Fernbedienung greift, doch dann handelt es sich wohl um ein in seiner Entwicklung massiv zurückgebliebenes Kind.
***Jene werden von C-Promis, deren Traum eine ähnliche Sendung mit ihnen in der Hauptrolle ist, ausgewählt. Das von ihnen verwendete Schema soll möglichst viele Jugendliche zum Konsumieren anregen.
**** Die Markenkleider werden von Kindern in der Nachbarsstadt gefertigt. Jene leben in absoluter Glückseligkeit, da sie wissen, dass ihre verlorene Kindheit irgendwelche Geldsäcke noch reicher macht. Was?! Sie können ihnen das nicht nachfühlen?
Kapitel 2 Beziehung
Alles geht so schnell heutzutage: Die verflixte Leichtigkeit des Seins und Scheins...
Kerlchen Karl verliebte sich. Er sah das Licht in ihr, das Nordlicht! Den Ausgleich.
Sie war wunderbar, auf ihre spezielle Weise. Echte Ausstrahlung ist in dieser grausigen Welt voll von Plastikbrüsten und zentimeterdicker Schminke eben wahrhaftig unbezahlbar – ja sogar das Einzige, was man nicht mit dem klimpernden Metall kaufen kann.
Im Hintergrund flimmert die Rundschau über den Bildschirm. Christoph Blocher ist im Studio und spricht über ein irgendeinen Skandal und gibt wie üblicherweise der Überfremdung die Schuld.
Kerlchen ist wie hypnotisiert von den sich windenden Lefzen des ABGEWÄHLTEN Bundesrats Christoph Blocher, aber seine Gedanken dringen unter die Oberfläche unseres Exportschlagers Nummer 1.
Sein Verstand schweift durch die Tiefen des Schweizer Miefs und in seinem Innern, welches unbeirrt vom landeseigenen Möchtegerndiktator ist, erblickte er die Augen, das Lachen, den Arsch, den Humor, die Brüste, die Neurosen, die Haut, den Verstand, die Beine nach denen er sich so sehr sehnt…
Normalerweise Normalzustand für Kerlchen Karl, doch nach unzähligen Malen unerfüllter Sehnsüchte, empfindet nun sein momentanes Objekt der Begierde ähnlich. Das Mädchen seiner Träume zeigt spürbares Interesse!
Als unser aller Blochi endlich auch Luft holen muss, findet unser Protagonist die Zeit eine hastige unpersönliche SMS zu verfassen.
Wunderbar diese moderne Scheinwelt, in der man mit wenigen Handgriffen literarische Ergüsse verfassen kann, die dann die primitiven hormongesteuerten Begierden wie einen undurchdringbaren Nebel umfassen.
Dank der heutigen Technik fällt es KK also leicht, schmalzige Worte zu verfassen, welche die Adoleszenzhormone der Ranzigen Rosi* lossprudeln lassen.
In jedem anderen Buch würde sich der zwingend folgende Beziehungsknatsch über zig Seiten erstrecken, aber der Verfasser ist der Meinung, dass jede Beziehung im Grunde austauschbar ist.**
Deshalb belässt er es bei einem abgehalfterten Satz:
Wir sind oft gekommen und dann endgültig gegangen.
*Austauschbarer Name für eine weibliche Klischeefigur. Der Autor ist Feminist, gesteht aber die Frauen nicht zu verstehen und möchte deshalb die weiblichen Charaktere nicht in ein Korsett des männlichen Denkens packen. So lässt er den Versuch,
ihnen Tiefe zu verschaffen, ganz bleiben.
**Der Verfasser ist ein Mittvierziger Glatzkopf, der seine Kinder jedes zweite Wochenende sieht.
Kapitel 3 Liebeskummer
Wie wir alle wissen ist die heutige Jugend so verroht, dass es Augenwischerei ist von Liebeskummer zu sprechen. Natürlich handelt es sich bei ihren Gefühlen nur noch um das Fehlen der Befriedigung primitivster Triebe, welche sie zuvor gemeinsam mit einem Gegenüber ( Mann, Frau, Hermaphrodit) ausleben konnten. Der Einfachheit halber werden wir hier trotzdem das antiquierte Wort Liebeskummer benutzen.
Kerlchen Karl vergrub sich danach in Unmengen Eiscreme und guckte sechzehn Stunden pro Tag den Teleshopping-Kanal, um seine seelischen Leiden zu verdrängen. Doch auch das Ertragen von unzähligen, gefälschten Vorher-Nachher-Bildern änderte nichts Grundsätzliches an seinem Gefühlsleben. Danach träumte er aber noch monatelang von dem Wunder der weggereinigten Kaffeeflecken.
Abartig, wie skrupellos diese Wesen sind!
Die Schule eine Ewigkeit nicht besucht! Wegen ein paar kindischen, unreifen Liebeleien!
Grässlich ist, wer nicht alles für seine vorgesehene Zukunft auf dem Arbeitsmarkt opfert!
Auch Kerlchen Karls Freunde, Bartansatz Bob und Pickelfratze Pete, versuchten ihn auf jede Art und Weise von seiner verflossenen Liebe abzulenken, doch keine der üblichen Methoden gelang.
Der Besuch eines feuchtfröhlichen Botellones brachte den Dreien zwar einen ordentlichen Rausch, änderte aber nichts an den inneren Schmerzen hinter der betrunkenen Ausgelassenheit. Ausserdem kam noch ein Klinikaufenthalt wegen Glasscherben im Sitzfleisch dazu. Im Krankenhaus erfuhr er auch, dass er mittleweile ganze drei Kilogramm infolge des übermässigen Glacékonsums zugenommen hatte.
Diese Information brachte den von der heutigen oberflächlichen Welt geprägten Karl endgültig zur Verzweiflung und so verbrachte er seine Tage fortan vor alten Folgen von „Eine himmlische Familie“. Zum Glück verinnerlichte Kerlchen die Botschaft dieser Sendung nicht , sonst stünde er jetzt in der Bahnhofsunterführung mit Ausgaben von „Wachturm – Verkünder des Königreich Jehovas“.
Durch ausgeklügelte Überzeugungstechniken (MEHR ALKOHOL) und das gemeinsame Schauen der verrufenen „Komödie“ Canadian Cake 5* brachten PP und BB** unseren KK wenigstens kurzzeitig auf andere Gedanken und so geschah es, dass die drei Staatsfeinde des Nachts durch die Stadt torkelten...
*Seit dem dritten Teil handelt es sich bei der Reihe eigentlich nur um Softpornos, durchsetzt mit Witzen unter der Gürtellinie.
**Nicht zu verwechseln mit Brigitte Bardot (Tierschützerin/Rechtsextreme/Schauspielerin)!
Kapitel 4 Der Gewaltakt
Was jetzt kommt macht mich wirklich wütend!
Es tut mir leid, wenn ich für einmal meine allseits geliebte Seriosität verliere, doch momentan kann ich mich nicht mehr beherrschen! Ich verstehe es ja, dass die heutige Jugend völlig verdorben ist, aber...Nein! Ich muss mich zusammenreissen. Ich darf meinen Schreibjob nicht verlieren – ich brauche das Geld für die Alimente! Also, sehr geehrter Leser, wenn sich mich kurz entschuldigen würden, ich muss meine Tränen trocknen...
So! Wie neugeboren. Aaalso...
Unter Einfluss von Alkohol – ein neues, bisher unbekanntes Problem, dass die Jugend so viel trinkt – sind die sonst schon skrupellosen Teenager endgültig zu jeder Missetat fähig!
Ältere Mitmenschen fürchten sich vor der unhaltbaren Lärmbelästigung unserer Jugend zu Tode!
Eltern sind absolut verängstigt, weil sie wissen, dass ihre Kinder schon Wahlplakate von Wänden gerissen haben! Wie weit ist es dann noch zum Verunstalten der Heimatsfilmposter in den eigenen vier Wänden?
Lehrer dürfen ihre Schüler nicht mehr schlagen, doch jene kennen keine Grenzen mehr und malen Lachgesichter (sogenannte Smileys) statt geometrische Skizzen in ihre Notizbücher!
Dazu kommen die ganzen Skandale, die jede Woche von der beliebten und unabhängigen Zeitung „Blick“ aufgedeckt werden!
Wo waren wir bevor uns dieser Polemiker* unterbrach?
Nun.
Bob, Kerlchen und Pete befanden sich in ausgelassener Stimmung und torkelten beschwipst durch die Innenstadt.
Auf ihrer ziellosen Wanderung durch die Stadt, kamen sie auch am örtlichen Polizeiposten vorbei, wo eine Spendengala zur Unterstützung im Dienst verunfallter Verkehrspolizisten stattfand.
Durch das Fenster beobachteten der Durchschnittsjugendliche und seine Freunde den Gemeindepräsidenten, welcher eine stockende Rede voller Äähms und Öööhs hielt.
Dieser köstliche Spass liess die Drei in einen nicht mehr enden wollenden Lachanfall ausbrechen. Mit Tränen in den Augen und von den Galabesuchern vorwurfsvoll angesehen schleppten sich die Drei weiter um den Polizeiposten herum, nebenan zum Gemeindehaus.
Gemeinsam entschieden sie sich für eine kurze Unterbrechung ihrer nächtlichen Stadtbesichtigung und setzten sich auf die Holzbank vor dem Gemeindehaus mit Sicht auf die überlebensgrosse Kartontellfigur für das 1. August - Fest.
Bob war froh, weil es ihm während der Ruhepause möglich war den Harndrang loszuwerden.
Pete war froh, weil er sich im Abfallkorb neben der Bank „oral entleeren“ konnte.
Kerlchen wurde ganz still, verflogen war die soeben noch so ausgelassene Stimmung.
Er wurde ruhig und betrübt.
Er schaute die Statue an. Wilhelm Tell, das Sinnbild für die Schweizerische Biederkeit, Symbol für ein Land von Vorvorgestern!
*Die Mitarbeiter unseres Reportageteam befinden sich mitnichten im offenen Streit. Sie sind nur durch den Hergang der Geschehnisse ein wenig aufgewühlt.
Es entwickelte sich langsam eine wirkliche Abneigung. Nicht das KK ein echter Tellfeind gewesen wäre, aber unser Nationalheld wurde das willkürlich gewählte Ziel von Karls Wut.
Durch Alkohol und pubertäre Hormonschübe beeinflusst und immer noch vom Herzschmerz getrieben, brachte ihn die zum Schweizer Nationalfeiertag aufgestellte, gigantische Wilhelm Tell-Statue aus Pappmaché in unbändige Rage.
Als seine Wut den Siedepunkt erreichte, war es seinen mit ihren Körperflüssigkeiten beschäftigten Kumpels auch nicht mehr möglich, ihn von seiner grauenhaften (und auch so unnötigen) Tat abzuhalten.
Ruckartig steht unser standardisierter Protagonist auf, greift zu einem Kieselstein und wirft mit aller Wucht, in klassischer David gegen Goliath – Pose, das schicksalshafte Steinchen.
Es fliegt. Es rotiert. Der graue Komet trifft auf die patriotische Kartonstatue und reisst ein Stückchen der Stirn unseres Lieblingsarmbrustschützen mit sich.
Jetzt wäre der richtige Moment gewesen, um einfach zu verschwinden...
Aber der adoleszente Durchschnitt verhält sich in einer so prekären Situation anders: Karl blieb erst ungläubig stehen und überdachte seine Möglichkeiten. Er hätte so leicht unbemerkt verschwinden können, aber Alkohol und Testosteron pumpten in seinen Adern und nicht mehr Blut und so entschied er sich dafür, sich mit dieser Heldentat zu brüsten.
Nach einigen Sekunden bemerkte auch Bartfratze, dessen Hose immer noch offen und halb heruntergelassen war, die Enthauptung des Tell.
Mit einigen Sekunden Verspätung, die auf seinen benebelten Verstand zurückzuführen sind, begann er schliesslich, herumzugröhlen und seinen Durchschnittskollegen mit äusserster Heiterkeit zu feiern.
Pickelfratze seinerseits bekam von dem ganzen Treiben nichts mit: Er lag in einem Zustand der Beinahe-Bewusstlosigkeit neben seinem stinkenden Klumpen Erbrochenes.
Aber andere, Leute aus einer anderen Generation, wurden darauf aufmerksam - spätestens nachdem Bob „Das hast du davon wenn du deine Frau mit Helvetia betrügst, du Hirtensohn!“ zur schwerverletzten Nationalikone schrie.
Die sogenannten „Anderen“ waren die Besucher der Polizeispendenveranstaltung und da das Wort Polizei dem Wort Spendenveranstaltung vorangestellt worden ist, kann man auch leicht daraufkommen, welchen Beruf die meisten Besucher dieser Gala ausüben.
Als erster erschien am Ort des Geschehens, ein Gebäude vom Polizeiposten entfernt, Gemeinderat Füdlibürger. Er war erbost über so ein unerhörtes Benehmen und fragte direkt nach dem Schuldigen. Welcher Partei jener Gemeinderat angehört, können wir mal aussen vor lassen, denn das Entscheidende ist seine Zugehörigkeit zu einer anderen Altersgruppe und obwohl er in den Achtzigern „Macht aus dem Staat Gurkensalat!“ rumbrüllte, konnte er kein Verständnis für die Tat Kerlchens aufbringen, wohl aber aufrichtiges Mitleid mit der so früh aus dem Leben gerissenen Pappmachéfigur. Nach ihm folgten weitere, doch sein Verhalten ist exemplarisch, der einzige Unterschied zwischen Politiker und Polizist war, dass die Einen es bei verbaler Schelte beliessen und die Anderen zu den Handschellen griffen. Nach zig Bezichtigungen als „Staatsfeind“, „Anarchist“ oder auch „Durchschnittsjugendlicher“ wurde KK im Polizeiposten verhört. Der Verhörsführer war extrem aufgebracht und setzte die Beleidigungen fort, da er wegen dem Vorfall seinen Erdbeerkompott nicht fertig verspeisen konnte.
Nicht nur Kerlchen wurde so abschätzig behandelt, sondern auch der unflätige Bob – nur Pete nahm man nicht in polizeiliches Gewahrsam: Er wurde zur Magenauspumpung ins Spital eingeliefert.
Kapitel 5 Die Untersuchungshaft
U-HAFT! Du letzter Rettungsanker der Polizei!
Da unsere Gerichte schon heute auf jegliche wirklichen Strafen verzichten und immer nur Gnade walten lassen, müssen unsere starken Männer ab und zu mit der Faust* auf den Tisch hauen!
Oh, ich sehe sie innerlich vor mir, die verängstigten Blicke eines jungen Monstrums...um Gnade winselnd...nach den Eltern schreiend...spätestens unter der Dusche, wenn Körper an Körper gedrängt ist und die stillschweigende Gefängnishierarchie vorherrscht...fast empfände ich Mitleid für die jungen Halbstarken mit rosiger Haut!
Dann! Ja dann spürt er die bittersüsse Rache der Gesellschaft!
Das Schwert der Justitia!
Die Macht der Staatsgewalt!
Schade, dass Verhöre mit Schmackes heutzutage von Gesetzes wegen verboten sind!
*Die Faust ist bildlich gemeint. Keineswegs befürwortet unser Mitarbeiter den Einsatz von Gewalt bei der Polizei.
K.K wurde in seine Zelle geführt. Nette Möblierung. Zwar wirkte alles ein bisschen steril und nicht so, als ob es die Grossmutter des Polizeipräsidenten mit Wonne selbst eingerichtet hätte, aber es gab mit Sicherheit keine grösseren Mängel zu beanstanden.
Eigentlich ist es unüblich, dass ein Siebzehnjähriger wegen so einer minderschweren Strafe die reguläre U-Haft-Behandlung durchmachen muss, doch aufgrund des öffentlichen Entsetzens und der Angst vor der radikalen Ecke aus der er zu kommen schien, konnte die Polizei nicht anders handeln. Ausserdem war es für den Gemeinderat eine willkommene Profilierungsmöglichkeit, so kurz vor den nächsten Kommunalwahlen.
Jedenfalls fühlte sich Kerlchen – gemessen an seiner Situation – relativ wohl. Endlich fand er Zeit seine momentane Lektüre, das Zivilgesetzbuch, fortzusetzen und ausserdem hatte er die Möglichkeit, durch den Trubel und die ganze öffentliche Entrüstung, die Trauer um seine verflossene Liebe zumindest vorübergehend hinter sich zu bringen. Schon am zweiten Tag hatte sein Herzschmerz keinerlei Stellenwert in seinem Denken mehr.
Aber die Friede-Freude-Eierkuchenstimmung hielt nicht lange an: Wenn man, wie ich, eine Reportage verfasst, gilt im Gegensatz zum antiken Drama die „Einheit der Handlung“ nicht und die Katastrophe ist nicht ein von Anfang an absehbares Übel.
K.K befand sich beim Verzehren des nicht wirklich feudalen Mittagsfrasses, als sich folgende zumindest kapitelschaffende Katastrophe begab.
K.K steckte den Löffel ein weiteres Mal in die breiige Pampe, die in der Strafanstalt an jenem Tag als Mittagessen angepriesen wurde. Das Essen im Gefängnis bestand aus den Resten des Vortages vom Altersheim nebenan. Diese Information erklärt auch weshalb es meist so flüssig war, dass es von der Stiftung Warentest als Babybrei klassifiziert worden wäre.
Plötzlich gesellte sich ein älterer, unscheinbarer Sire Baron von und zu, der sich als noch nicht überführter Brandstifter vorstellte, zu ihm.
„Hallo Jungchen.“, brachte der Mitinsasse wie gleichgültig hervor. Kerlchen antwortete fast gezwungenermassen mit einem desinteressierten „Hallo“
Der Mitinsasse, welcher ein bestimmtes Ziel zu verfolgen schien, liess nicht locker: „Wie gefällt es dir denn hier bei uns?“
„Bisher ganz gut“, erwiderte der frischgebackene Durchschnittsjugendgewalttäter, „ wenigstens schlafe ich hier nicht mit Schokoladenglacéresten vor dem Fernseher ein.“
„Magst du so gerne Eis, dass du die Gesundheit deiner roten Bäckchen riskierst? Oder hattest du in letzter Zeit Probleme? Ist es dir schlecht ergangen? Wir können darüber sprechen. Ich habe schon vielen Jungspunden weitergeholfen – und die Jungspunde auch mir,“ setzte der vermeintliche Brandstifter das Gespräch auf eine so unglaublich klischeeüberfüllte Art und Weise fort, dass auch der grösste Naivling Verdacht geschöpft hätte. Aber die durchschnittliche Jugend ist so interessiert daran, jedem zu signalisieren wie „verdammt cool“ sie alles nimmt, dass sie nicht die Möglichkeiten hat, auch noch Misstrauen zu zeigen. K.K hängte also getreu seiner Rolle den starken Mann raus:„Was geht dich das an? Hast du das Gefühl, dass ich eine Ersatzmutter brauche?“ „Nein ich möchte eine ganz andere Rolle einnehmen als deine Mutti, du Babypopo.“, hauchte der Mithäftling spürbar lasziv, „Ich möchte dich lieben und dich fühlen wie sie. Nur ist meine Liebe für dich tierischer und triebhafter, du Grünschnabel.“
Untersuchungshäftling Kerlchen Karl zischte leise: „Perverses Schwein!“ und machte sich auf zu seinem klärenden Zusammentreffen mit der Presse im Besuchszimmer. „Um welche Zeit duschst du? Ich bin übrigens sauber – weder Aids noch Penisherpes!“, rief der Stehengelassene hinterher.
Kerlchen war trotz seiner aufgesetzten Coolness nicht ungerührt geblieben.
Aber im Gefängnis wird nicht nur vorgegeben, wann und wie lange man duschen darf, es wird auch noch kontrolliert, dass man seine sämtlichen Körperöffnungen angemessen säubert.
Etwa fünf Tage nach obigem Gespräch hat sich Karl entschieden mit einigen von Oma gestrickten Alpakawollunterhosen duschen zu gehen.
Die klinisch weissen Wände des Duschraums, erinnern an einen Industrieschlachthof vor der Eröffnung und das unwissende Schlachtvieh sind die Gefängnisinsassen.
Kerlchen ist gerade dabei, die unter fünf Schichten Alpakawolle und einer aus gekräuselten Körperhaaren versteckten Schamgegend einzuseifen, als der werte Herr mit dem langen, ehrwürdigen Namen vom Wärter reingeführt wird. Er sieht Karl in seiner beschämenden Aufmachung und geniesst die Szenerie sichtlich. Auch sein bestes Stück ist quicklebendig und für sein Alter enorm aktiv[...]*
Die Vernunft hat gesiegt! Einmal! Ein einziges Mal ist der Verlag auf meiner Seite! Diese halbwüchsigen Nihilisten erfinden doch allerlei! Wieso sollten aufrechte - ja in diesem Fall sogar adlige - Eidgenossen, die sich vielleicht einmal etwas zu Schulden kommen liessen, ihren guten Namen aufs Spiel setzen?!
Oder wieso haben diese angeblichen Perverslinge einen guten Namen, wenn sie zu derart abartigen Handlungen bereit sind? Fragen über Fragen, die der Reporter vor Ort bei diesem Thema alle übersehen hat! Er ist wohl endgültig den Lügen der Jugend verfallen!
*Der Aufsichtsrat unseres Verlages, „Gefahren für das christliche Europa“ - Bücher, befand einstimmig, dass folgender Textabschnitt nicht ausreichend mit stichhaltigen Belegen nachgewiesen wurde. Für ein seriöses Verlagshaus ist es ohnehin fragwürdig, solche Inhalte, die auch ähnlich von Handkameras auf Hinterhöfen im Hamburger Rotlichtviertel aufgenommen werden, wiederzugeben. Der Aufsichtsrat nimmt an, dass unsere Leser entweder zu intellektuell oder zu werttreu sind, um sich mit solchem Schundgeschreibsel auseinanderzusetzen.
Der Mann mit Oscar Wildesken Vorlieben unternahm nichts und liess K.K bei seiner unter diesen Umständen nicht wirklichen erholsamen Dusche gewähren. Seinen Tageshöhepunkt, die alltägliche Erleichterung, verschaffte er sich gerüchteweise auf dem Klo. Er war alles in allem zufrieden, aber ein wenig verwirrt darüber, dass K.K ihm sein Herz nicht ausschütten wollte. In einem weisen, philosophischen Tonfall sprach er nach vollendeter Handarbeit zu sich selbst: „Tz, tz, tz... heutzutage besitzen die jungen Menschen einfach keinen Sinn mehr für Gefühle...“
Kapitel 6 Die Medienhetze
Dieses Kapitel Medienhetze zu nennen, ist eine unglaubliche Frechheit!
Der Kapiteltitel „Medienbericht und die Untat als aktuelles Thema“ wäre um einiges sachlicher und längst nicht so tendenziös!
Das war die Idee von irgendwelchen auf Kuschelpädagogik schwörenden Wohlfühlpolitikern!
Politiker, die in der freien Wirtschaft keine Chance hätten!
Wenn irgendwelche Rotzlöffel solche unsäglichen Verbrechen begehen, ist es nur Fug und Recht, dass die freie schweizerische Medienwelt angemessen darüber berichtet!
Wenn diese widerlichen Blagen so unaussprechliche Abartigkeiten auch noch zwei Wochen vor den Wahlen verrichten, ist es klar, dass die Wähler durch dieses Thema bewegt werden!
Oh wenn ich die Zusammenarbeit mit diesem „Hab-Mich-Lieb“-Journi, der den anderen Teil schreibt, endlich beendet habe, gönne ich mir mit meiner Familie - oder zumindest mit meinen Kindern - so richtig erholsame Ferien an der Adriaküste!*
Es ist schön, wenn man sich nicht um die realen Verhältnisse kümmern muss, sondern polemisch allgemeingültige Phrasen auf der Welt herumposaunen kann...
Nein ich spreche über niemand Bestimmtes...bin ja schon von der Redaktion verwarnt worden!
Karl war durch das unter der Dusche Vorgefallene ein wenig verstört und versuchte die sexuelle Belästigung öffentlich zu machen, um auch mal in der Opferrolle zu sein.**
Seine Tat, die Schändung der Nationalikone bereute er, sobald er wieder halbwegs klar denken konnte – oder ihm wurde zumindest bewusst, wie idiotisch seine Tat war.
*Als es tatsächlich soweit gewesen wäre, wurden die Kinder in irgendein Sommercamp verfrachtet. Der unabhängige und ausgeglichene Schreiberling (Eigenbezeichnung) hatte Angst, dass die Kinder seinen Erholungsprozess stören könnten. So hatte er die Chance, sich allein mit den tausenden anderen Touristen herumzuschlagen. Nach dem dritten Glas Gin-Tonic fand er aber in einer schmuddeligen Bardame seine Seelenpartnerin.
**Das Thema ist endgültig gestorben. Behandeln Sie den Vorfall als wäre er nie geschehen, wenn Sie Ende Monat einen Gehaltsscheck erhalten wollen. Sie popeliger, aufrührerischer Aushilfsreporter!
Für seine Rolle als Symbol des zweiten Durchschnitts erlangte Karl auch eine immense Bekanntheit:
Am Morgen nach der Hinrichtung des armbrusttragenden Östereicherfeindes las man in der meistverkauften Gratiszeitung der Schweiz vom „jungen Anarchisten, der hoffte mit seiner symbolischen Tat die nihilistische Weltrevolution herbeizuführen“ und der schon oft erwähnte „Blick“ titelte: „Unser kulturelles Erbe – geschändet und zerstört!“
KK freute sich aber, vielleicht auch aufgrund seiner Durchschnittlichkeit, nicht besonders über die neugewonnene Aufmerksamkeit und stellte sich den Fragen einiger Journalisten.
Er erklärte einer Gruppe von populistischen Hetzern („die stärkste Zeitung der Schweiz“), halbinformierenden Angstmacher (Gratiszeitungen) und Pressemitteilungen abschreibenden Schlaftabletten (reguläre Tageszeitungen), dass seine Tat mitnichten einen politischen Hintergrund habe, da er es sich als Durchschnittsjugendlicher gar nicht erlauben könne, eine Ahnung von Politik zu haben. Ein standardisierter Adoleszent könnte höchstens in den USA eine politische Haltung haben, weil es bei der US-Politik um die Show und nicht um die Inhalte geht. John MC(emmmceee)Cain und Barack Obama haben bei der Jugend ihres Landes etwa die gleiche Funktion wie hier DJ Ötzi und AggroBerlin.
O-Ton Kerlchen Karl: „Wenn ich auch nur die Funktion von einem der sieben Ständeräte kennen würde oder wissen würde welches Amt Che Guevara momentan innehat, wäre ich nie und nimmer zweiter Durchschnittsjugendlicher! Ich kann keine politische Haltung vertreten!“
Die Zeitungen verarbeiteten die erhaltenen Informationen, so wie es die Presse – die vierte Gewalt im Land – üblicherweise macht, deshalb titelten die Zeitungen „Quo vadis heutige Jugend?“(reguläre Tageszeitungen), „Verrohter Gewalttäter handelt ohne Prinzipien!“(Gratiszeitungen) und „Kerlchen K. (17): Ich quälte Willy T. nur aus purer Lust.“. Der Inhalt der Artikel entsprach dann auch dem, was der jeweilige Titel versprach.
Als K.K nach wegen einem gewissen, von Presse, Politik und meinem Verlag totgeschwiegenem, Eklat aus der Untersuchungshaft entlassen wurde, war er dann aber auch schon nicht mehr Zielscheibe der nationalen Presse. Es war etwas Gras über die Affäre gewachsen und die Öffentlichkeit interessierte sich wieder für die neue Rehpincher-Wintermode und die täglichen Alkoholexzesse oder Sexskandale von Lindsay Lohan, welche zwar jung ist, aber doch zu alt, um über den Jugendlichen-Kamm geschert zu werden.
Der Sektor „Schreckensnachrichten, über die sich der durchschnittliche schweizerische Bünzli (genauso der Unterklassen-Bünzli und der Bünzli in den Chefetagen) erzürnen kann“, war durch diese Durchschnittsstaatsfeindsgeschichte für eine geraume Zeit übersättigt.
Kapitel 7 Der Korruptionsskandal
Korruption – das ich nicht lache!
Unsere Kinder sind so verbissen in ihrem materialistischen Drang nach mehr, dass unserer Generation gar keine andere Möglichkeit als der finale Schritt zur Wirtschaftskriminalität bleibt! Und da auch Menschen, die in der liberalen Wirtschaft durchaus vernünftig handelten, Nachwuchs gezeugt haben, ist die logische Folgerung daraus, dass es ohne unlautere Vorgehensweise nicht geht!
Wir sind die Opfer ihres Dranges nach mehr!
Abstossende elfjährige Bälger mit vollgestopften Pausbacken und Wohlstandsranzen wie ein 50-jähriger Büezer!
Aufgedunsene Gnomen mit Löffeln voll Erdnussbutter in der Hand!
Die kleinen Schweinchen sind es auch, die alle diese unter menschenunwürdigen Verhältnissen produzierten chinesischen Plastikspielsachen kauften!
Oder sie nötigten ihre eigenen Eltern, ihr eigenes Fleisch und Blut, zum Kauf der chinesischen* Billigprodukten!
Sie sind schuld an der Ungerechtigkeit !*Nicht zwangsweise chinesische Spielsachen, aber wer weiss schon wie man „Bangladesh“ adjektiviert? Bangladesk? Bangladesisch? Bangladeshesisch?
Gemeinderat Hölderlin war „wirklich erbost“ ! Sein „Nationalstolz“ war „sichtlich gekränkt“!
Er war „enttäuscht“ „von der Ruchlosigkeit der Jugend im Allgemeinen und Kerlchen Karl im Speziellen“! Sein „Glaube an eine Zukunft für unser Land“ geriet ins Wanken !
Zumindest waren das die Empfindungen, welche er lauthals und in ergriffenem Tonfall, der Gemeindeversammlung verkündete. In Wirklichkeit hatte er einfach die paar rhetorischen Kniffe angewandt, die er vorher zu Hause vor dem Badezimmerspiegel eingeübt hatte. Seine Gedanken aber waren ganz wo anders...
Seine Gedanken kreisten um das Wort „Gangstarap“. Jenes Wort ist zentral in seiner neuen Lektüre, „Das Schwarzbuch der Jugend“. Jene Lektüre befand sich auf seinem neuen Sekretär aus Rosenholz. Jener Sekretär hatte seinen Platz auf dem neuen Marmorboden. Jener frischgetäfelte Marmorboden ersetzte das hässliche Laminat. Jener Laminatboden verdeckte zuvor die Maschinerie seines neuen schneidigen Luxuskatamarans. Jener Katamaran befand sich an seiner eigenen Anlegestelle. Jene Anlegestelle war extrem gut erreichbar von der Druckerei „Bribery and Legal Robberies“. Jene Druckerei hielt sich an keinerlei Umweltschutzbestimmungen und liess ihre chemischen Abfälle ungeklärt in den Ortsbach laufen. Jenen Ortsbach sah man auch von Hölderlins Verwaltungsbüro in der Gemeindekanzlei aus. In jenem Büro war vor zwei Wochen ein Scheck über eine enorme Summe eingetroffen. Jene Summe ermöglichte es all den Tand zu kaufen, der hier in diesem Text mit dem Adjektiv „neu“ gekennzeichnet ist.
Den Restbetrag, welcher nach dem Erwerb des „Schwarzbuchs der Jugend“ noch übrig blieb, investierte der geschäftstüchtige Gemeindepräsident in Propagandagummibärchen für alle Haushalte. Auf diese Weise begründete der Kommunalpolitiker sein Verbrechen nach seiner Überführung: „Die ganze Gemeinde profitierte davon! Ich handelte als Diener des Volkes! Als aufrechter Staatsmann! Was kümmert uns die Zukunft? Wollen wir dieser verdorbenen Jugend unser malerisches Städtchen vermachen?“ Abgesehen von der Tatsache, dass der windige Wirtschaftskriminelle die Dimensionen ein wenig überschätzte und sich für General Guisan persönlich hielt, war sein Verhalten geprägt von tumben Vorurteilen gegenüber der Jugend. ( Er vertrat eine ähnliche Meinung wie mein geschiedener Mitschreibender , der sich gestern beim einfachen Versuch, Spiegeleier zu braten, die letzten Überreste seines Haarkranzes versengt hat. HA!)
Seine Überführung?!
Zwei Monate nach der gefährlichen Körperverletzung hat Kerlchen K weitgehend ins Alltagsleben zurückgefunden: Vom Jugendgericht war er zu einer saftigen Busse verdonnert worden, die allerdings von seinen mittelständischen Eltern entrichtet wurde; mit den Tomatenschmeissern und Sprayern mit grammatikalischen Problemen („Die Schweiz denn Schweitzern!“) hatte er sich abgefunden und die schiefen Blicke in der Bäckerei konterte er leicht mit seiner durchschnittlich jugendlichen Kühlheit. Komischerweise hatten auch die Anfeindungen in den regionalen Medien auf einen Schlag aufgehört - nach den Gemeinderatswahlen.
K.K wurde nur durch Zufall zum heldenhaften Aufdecker eines Korruptionsskandals.*
Kerlchen war auf dem Heimweg vom Gymnasium in sein Englischvokabelbuch vertieft, als er wie ein Fingerzeig des Schicksals just beim Lesen der Vokabel „bribery“ auf dem Bürgersteig vor der Treppe zum Eingangsportal des gleichnamigen Betriebs stolperte. „Bribery“ bedeutet Bestechung. Den Begriff Bestechung kennt der adoleszente Durchschnitt aus unzähligen Mafiafilmen. K.K wurde hellhörig und er beschloss jenes Unternehmen in nächster Zeit im Auge zu behalten. Im Klartext hiess das, dass er sich in Zukunft auf seinem Schulweg nicht mehr nur darauf konzentrierte den Anwohnern, die statt den Geranien den Durchschnittsjugendgewalttäter bewässern wollten, auszuweichen. Kerlchen observierte aber keine verdächtigen Tätigkeiten und auch keiner der Angestellten der „Bribery and Legal Robberies Company“ trug einen jener silbernen Blazer, die man aus „Der Pate“ und „Goodfellas“ kennt. So kamen seine Ermittlungen nur schleppend voran.
Doch dann bekommt er, bei einer „zu seinen Ehren“ veranstalteten und von den Landfrauen mitorganisierten Kerlchen-Karl-Kehrrichtabfallbewerfaktion, eine Packung von den Süssigkeiten, die die Person des Gemeinderats Hölderlin bewerben, in die Finger. „Mit freundlicher Unterstützung der Bribery and Legal Robberies Gruppe. Wir werden dich an unsere Hilfe erinnern.“ prangt gross auf der Rückseite. Diese abgehalfterte Floskel, welche schon in zig tausend Hollywoodfilmen, einem Schweizer Film und bei den „Sopranos“ Verwendung fand, war dem jugendlichen Gangsterfilmkenner suspekt. Der Durchschnittsjugendliche versteht endlich sämtliche Teile des Puzzles. Gemeinderat Hölderlin lässt sich seinen Wahlkampf von dieser zwielichtigen Druckerei finanzieren! Er greift zum Handy und ruft das „Sensationsgeile-Lokalnachrichten“-Reporterphone an, primär aus Interesse an der zwanzigfränkigen Prämie, aber auch um den Spiess mit der Verteufelung durch die Medien einmal umzudrehen.
Der Praktikant, der bei der Lokalpresse Telefondienst schiebt, versteht die Tragweite der Erkenntnisse erst nicht. Er ist unschlüssig, ob er seinen Vorgesetzten tatsächlich informieren soll. Aber Kerlchen wittert sogar eine Chance auf die allmonatliche Prepaid-Handyverlosung und kennt kein Halten mehr: „Das deutsche Wort für „bribery“ ist Bestechung! Sehen Sie nicht die Zeichen? Alles ergibt einen Sinn!“ Der Praktikant zweifelt an seinen Worten, denn er hat als Journalismus-Student im dritten Semester natürlich keine Ahnung von englischsprachigen Begriffen, aber er erhofft sich eine reisserische Story über einen verrückten Verschwörungstheoretiker in der Region. Sofort informiert er die Redaktion des Lokalfernsehens.
Der Rest ist Geschichte und steht in den Gemeindeannalen.(Ist also in aller Munde.)
Und das alles bloss, weil Kerlchen Karl geistesgegenwärtig genug war, sein „English Vocabulary“ zum Termin mit dem Lokalfernsehen mitzubringen. „...bitch – Hündin; bribery – Bestechung...“ flimmerte es schwarz auf weiss zu allen Bürgern im Umkreis von zehn Kilometern.
Der zweite Durchschnittsjugendliche K.K wurde jetzt von der Presse als Lokalmatador gefeiert, statt wie vorher mit dem Leibhaftigen gleichgesetzt! Das Natel für „die beste Story des Monats“ gewann aber ein Bauer, dessen Huhn an einer Essstörung litt. Das bulimische Federvieh stahl einige Tage sogar den Glamourpromis die Show.
*Trotz seiner Durchschnittlichkeit oder vielleicht gerade wegen ihr, denn all die amerikanischen Sitcoms und Soaps lehren uns, dass jeder Jugendliche in irgendeiner Folge/ an irgendeinem Tag in irgendeiner Staffel/in irgendeinem Lebensabschnitt zum Sensationsreporter wird.
Kapitel 8 Die Katharsis
Ich habe mittlerweile eingesehen, dass es keinen Sinn hat meine durchdachte und unparteiische Meinung einzubringen. Ich werde eh wieder niedergeschrien vom Reporter vor Ort, welcher andauernd nur Ansammlungen von Halb- und Falschwahrheiten von sich gibt! Deshalb belasse ich es bei einer Frage: Haben Jugendliche überhaupt eine Seele, die im Sinne einer Katharsis geläutert werden könnte?
Kerlchen Karl führte nach seiner einen Minute im Schneegestöber der Verleumdung und seinen zwanzig Sekunden im Scheinwerferlicht ein wieder relativ normales Leben. Die Landfrauen, stolze konservative Weiber, organisierten noch ein monatliches, mehr symbolisch gemeintes Kehrichtabfallschmeissen und Umweltschützer demonstrierten lauthals vor der „Bribery and Legal Robberies Company“. In den Reihen der Landfrauen befanden sich auch einige Bauerntöchter, welche sich mit der patriotischen Front verbunden fühlten und zu den jüngeren Demonstranten gegen die Wassserverschmutzung gesellten sich auch einige ältere Semester, die erbost waren über das rücksichtslose Vorgehen der Druckerei.
K.K verlor seinen Durchschnittsjugendlichen- und all seine anderen Durchschnittsposten.
Nach kurzer Zeit wurden alle exemplarischen Standardposten abgeschafft, da sich die starre Einteilung in Altersgruppen als undifferenziert erwiesen hatte, dass hinderte aber niemanden daran dem Schubladendenken weiterhin zu frönen.
Kerlchen selbst führte nach diesen Monaten voller kleineren Katastrophen ein geruhsames Leben.
K.K erreichte eines Tages - möglicherweise lange nach der hier dokumentierten Geschichte - tatsächlich das Erwachsenenalter.
Man nennt ihn jetzt Herrchen Karl.