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Durch die Hölle

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13.02.2002
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Durch die Hölle

Er wachte auf, fuhr hoch und saß aufrecht im Bett. Schweiß perlte von Stirn und Oberlippe. Sein Atem ging schwer und er musste sich mit den Händen abstützen. Es war dunkel im Zimmer. Kein Lichtstrahl konnte die bis zu Anschlag herabgelassenen Jalousien durchdringen.
Vor seinen Augen wechselten sich merkwürdige Verformungen und Fractale mit Bildern aus seiner Erinnerung ab. Langsam ordneten sich seine Gedanken wieder und seine Erinnerung vervollständigte sich. Er wusste wieder wer er war und warum er in seinem Bett gelegen hatte. Erst jetzt bemerkte er, dass auch seine Augen nass waren. Tränen liefen seine Wange hinab und tropften hinab auf das Bettlacken. Er presste seine Augen zusammen und versuchte seinen Schmerz zu vergessen und die Erinnerungen aus seinem Gedächtnis zu bannen. Doch es ging nicht. Alles kehrte wieder, die Frucht, der Schmerz, der Lärm, der Geruch – Plötzlich zeichneten sich vor seinem Inneren Auge der Schützengraben, die Männer, die Waffen, die Leichen und das Blut ab. Langsam baute sich der Krieg in seinem Kopf wieder auf.

Er fand sich im Dreck liegend und mit Blut beschmiert am südlichen Ende des Grabens wieder, dort wo er vor vielen Jahren schon einmal gelegen hatte. Er war wieder hier, schon wieder. Das Geräusch von herüberfliegenden Geschossen drang an sein Ohr. Knapp über ihm, dort wo der Graben die Oberfläche erreichte, schlugen Kugeln ein und Dreck spritze über den Rand und rieselte auf ihn herab. In der Ferne, doch nicht weniger laut hörte er Artilleriefeuer, Granaten und Panzer und ganz laut, vor, neben und hinter ihm hörte er Stimmen. Sie schrieen. Er hörte Befehle, Schmerzenschreie, Gebete. Explosionen erschütterten die Erde. Sie drangen auf ihn ein, als ob sie nur auf ihn gerichtet wären. Er sah an sich herab und stellte fest, dass er gerade im Begriff war sein Magazin zu wechseln. Instinktiv nahm er ein neues aus seinem Gürtel und schob es in die Waffe, verriegelte sie und lud nach. Neben ihm sackte ein Mann zusammen und blieb auf dem Rücken liegen. Es gab keinen Zweifel: Dieser Mensch war tot. Sofort schob er sich heran und nahm dem Toten die restlichen Magazine und seine Faustfeuerwaffe ab. Dann kroch er wieder zurück an die Wand des Grabens und drückte sich eng an diese. Der Tote blieb in der Mitte des Grabens liegen und Soldaten, die gebückt durch den Graben liefen um nicht vom gegnerischen Feuer getroffen zu werden, kümmerten sich nicht um ihren toten Kameraden. Sie liefen über ich hinweg als ob er nur Erde wäre. Nach kurzer Zeit war von dem Toten nicht mehr viel zu sehen. Fast der ganzer Körper des Toten war mit Dreck und Schlamm bedeckt. Während er so an der Wand lag, dachte er nach. Er wusste nun wieder wo er war und was er zu tun hatte. Langsam hob er seinen Kopf aus der schützenden Deckung des Grabens um über den Rand zu spähen. Kugeln sausten über ihn hinweg und verursachten fiepende Geräusche. Ein Geschoss schlug direkt vor seinem Gesicht in die Erde. Dreck spritzte hoch und ihm in die Augen. Er sank wieder zurück in den Graben. Wild rieb er sich den Dreck aus Augen und Gesicht. Als er wieder sehen konnte kniete neben ihm ein junger Mann. Er hatte blonde, mit Dreck verschmutze Haare und blaue Augen. Eine große Narbe zog sich quer über seine Wange. Der Narbige redete auf ihn ein aber er verstand nichts. Eine Explosion im Graben, ein paar Meter weiter, setze für kurze Zeit sein Hörvermögen außer Kraft. Nach einiger Zeit verstand er endlich den Narbigen und er wusste nun auch wieder wer das war: Es war ein alter Freund von ihm, doch der Name viel ihm nicht ein. Der Narbige schüttelte ihn an der Schulter. Es war unerträglich laut, das Einzige was er und der Narbige wahrnehmen konnten waren Schüsse und Schreie. Als der Narbige bemerkte, dass er ihn nicht verstand nahm der Narbige ihn bei der Hand und zog ihn weiter an sich heran. Dann rief ihm der Narbige in Ohr, dass sie so schnell wie möglich zu Nordende des Grabens müssen. Denn dort wäre der einzige Ausweg aus dieser Hölle. Er nickte dem Narbigen zu, worauf dieser durch den Graben zu einem anderen Soldaten kroch und ihm dasselbe sagte. Nun war er wieder allein. Neben ihm sackten durchlöcherte Soldaten zusammen wie Kartenhäuser. Manche hatten Wunden am ganzen Körper aus denen Blut austrat wie aus einer Quelle. Manchen fehlten gar ganze Gliedmaßen, von Händen bis hin zum Kopf.
Es war ein furchtbarer Anblick. Wut stieg in ihm auf. Er wusste nicht recht wieso, aber er war verdammt wütend. Er nahm seine Waffe und legte sie über den Rand des Grabens und versuchte zu zielen. Erkennen konnte er nichts, deshalb schoss er bild drauf los, in der Hoffung irgendetwas zu treffen. Plötzlich packte ihn wieder etwas an der Schulter und er veriss die Waffe. Als er den Abzug losließ und sich umgedreht hatte, sah er den Narbigen wieder neben sich knien. Der Narbige zeigte in Richtung des Ausweges von dem er gesprochen hatte. Der Beschuss hatte sich verschlimmert und war nun auch weiter vorgerückt. Granaten flogen in den Graben und rissen ganze Krater in ihn hinein. Explosionen erzeugten eine gewaltige Hitze und Druckwellen rissen Männer nieder oder warfen sie zurück. Soldaten flogen in den Schützengraben , von Explosionen fortgeschleudert. Kugeln schlugen nun zahlreicher und nicht mehr nur über dem Rand ein. Leichen lagen nun überall im Graben verstreut und die meisten Stimmen stöhnten und klagten nur noch. Der Narbige drückte ihn kurz fest am Arm und lief dann los. Nicht geduckt und auch nicht vorsichtig.. Der Narbige lief um sein Leben. Er folgte ihm. Dreck gepaart mit Blut und Gliedmaßen, spritze von allen Seiten hoch in die Luft. Leichen lagen überall herum. Manche hingen halb über dem Rand des Grabens mit weit geöffneten Augen und Mündern,
andere lagen verkrümmt auf dem Boden. Während er lief spürte er wie die Kugeln um seinen Kopf flogen, ihren heißen Luftzug. Sie schienen sich auf ihn einzuschießnen, so dicht flogen sie an seinen Gesicht vorbei. Vor ihm sah er den Narbigen wie er lief und über Leichen, Waffen und Munition hinwegstieg. Ab und zu bückte er sich, hob vereinzelte Granaten auf und warf sie aus dem Graben. Plötzlich zeriss eine Kugel das Gesicht des Narbigen und er sank zu Boden. Blut sprudelte aus dessen Kopf. Das halbes Gesicht war nur noch eine wabbbelnde, blutende Masse. Der Narbige wand sich auf dem Boden und griff sich an Hals und Gesicht. Er lief weiter und warf sich neben den Narbigen. Dieser griff nach seiner Hand und wollte etwas sagten, doch statt Worte brachte sein zerfetzter Mund nur noch Blut hervor. Er nahm seine Hand und presste sie sich and die Wange. Der Narbige war tot.

Schnell nahm er all seinen Mut zusammen, unterdrückte seine Tränen und lief weiter. Er lief so schnell wie er noch nie gelaufen war. Unterwegs gesellten sich andere zu ihm, die auch von dem Fluchtweg erfahren hatten. Es konnte nicht mehr weit sein. Plötzlich riss ihn eine enorme Explosion ein paar Meter vor ihm zu Boden. Er war wie gelähmt. Vor sich sah er laufende Fackeln, welche nach kurzer Zeit zu Boden sanken und zu kleinen hübschen Lagerfeuern niederbrannten. Nachdem das Dröhnen in seinem Schädel nachgelassen hatte fasste er sich wieder und stand auf. Er lief weiter, dicht gefolgt von anderen Soldaten die ebenfalls in einer schmalen Rinne in der Erde um ihr Leben liefen. Auf einmal sah er vor sich eine Öffnung in der Erde. Ein dunkles eckiges Loch, dass von zwei schießenden Soldaten bewacht wurde. Nun wurde ihm klar, was der Narbige gemeint hatte: einen Bunker. Der Ausweg war ein Bunker. Er nahm sich zusammen und lief das letzte Stück so schnell er konnte. Plötzlich spürte er einen beißenden Schmerz in seiner Schulter. Ihm wurde schwarz vor Augen und er fiel zu Boden. Unsanft wurde er beiseite getreten und für tot gehalten. Die anderen, die hinter ihm gelaufen waren, beachteten ihn nicht und liefen geradewegs auf den Bunker zu. Mühsam schleppte er sich mit einer stark blutenden Schulter zum Eingang des Bunkers. Immer wieder wurde er von vorbeilaufenden Soldaten unabsichtlich in den Dreck getreten. Er zog sich Meter für Meter weiter und als er endlich den Eingang erreicht hatte half ihm ein Soldat schnell hinein bevor draußen ein Artelleriegeschoß einschlug und alles mit Dunkelheit überzog.

Er zitterte. Nun war sein ganzer Körper nassgeschwitzt. Er ließ sich zurück in sein Bett fallen, deckte sich wieder zu und wollte schlafen, doch es ging nicht. Die Erinnerungen waren zu grausam.

Dieser Text ist all denen gewidmet, die in Kriegen durch die Hölle gegangen sind und diese Alpträume miterleben mussten.


by Dennis R.

 

Hallo Castleguard,

hat mir gut gefallen Deine Geschichte. Musste ein wenig an Stellen aus dem Buch "im Westen nichts neues" von Remarque denken.

Ein paar Tippfehler weniger und ein paar Absätze mehr wären schön gewesen...

gruss,
philipp.

 

Ja, stimmt. :) An den äußeren Formen meiner Geschichten muss ich noch arbeiten. :)


Parallelen zu anderen Büchern sind nicht beabsichtigt. :)

 

Salut! :)

Eine grauenhafte Szene, darum weiß ich nicht, ob eine stilistische Kritik überhaupt angebracht ist. Zu sehr wirkt der Eindruck von Angst, Krieg und Tod.
Außerdem ist die Geschichte gut aufgebaut mit der Umklammerung durch den Alptraum.
Trotzdem zwei Dinge: Du wiederholst ganz oft die Worte: Der Tote und dann Der Narbige. Oft könnte man einfach Er schreiben.
Und das andere: Wie wäre es, dem Narbigen einen Namen zu geben in dem Moment, wo es heißt: Der Narbige war tot. Vielleicht wäre das Grauen dadurch noch menschlicher - oder stimmt das nicht mit den Erinnerungen des Träumenden überein? Hat er den Namen auf ewig verdrängt?
Ansonsten gefiel mir der Stil. Selbst ich als weibliches Wesen meine, eine kleine Vorstellung von solch einer Hölle zu erhalten.

c.u. delphi

 

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