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Duell mit dem Großen Autoren

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08.11.2001
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Duell mit dem Großen Autoren

Duell mit dem Großen Autoren

Satt. So satt. So elendig satt. Noch nie im Leben hatte er das Leben so unsäglich satt gehabt. Nicht das Leben an sich. Das Am-Leben-Sein. Sondern einfach nur die verdammte Rolle, die man ihm darin geschrieben hatte. ‚Regie!' zu brüllen, war mit achtzehn cool gewesen. Heute ging nichts mehr.
"Schneid mich halt raus! Ich bring eh keine Quote..." Nach drei Bier mochte er sich selbst nicht mehr zuhören. Nach vier oder fünf ohrfeigte er den Spiegel. Was danach geschah, wusste nur noch der Wirt. Und der schwieg. Und verdiente.

Das Vertrackte an seiner Situation war, dass er keinerlei Mitspracherecht hatte. Niemand hatte ihm je die Chance gegeben, seinen Weg zu bestimmen. Und nicht mal eine Falltür war im Drehbuch seiner eigenen daily soap. Stattdessen floss er Tag für Tag wie Schmierseife durch das, was er gezwungen war, Leben zu nennen.
"Ich kann dich ja verstehen", murmelte er in Richtung des Großen Autors. "Ich würd ja auch von mir wegzappen, wenn ich du wär. Wenn ich du wär... du wär..." Und er spülte das dritte Bier mit dem vierten hinunter. Später in der Nacht grölte er eine Hauswand hinauf, er wolle rausgeschrieben werden. Einfach raus. Keine Abfindung, keine letzte Gage. Eine Reaktion bekam er nicht. Nicht einmal das.

Nach Jahren des Haderns fasste er noch einmal den Mut, sich mit dem Großen Autoren anzulegen. "Entweder du schreibst mich raus, oder... oder... oder", und von einem Geistesblitz getroffen, flacktere die Erkenntnis in seine Gedanken. "Oder du schreibst mir eine "Sie" hier rein. Ich bin ein Film, in dem die weibliche Hauptrolle fehlt, oder so ähnlich. Muss ja ein Flopp sein."

Unendliches Vertrauen in den Großen Autoren zu setzen erschien ihm aber bei genauerer Betrachtung während Bier Nummer zwei zu riskant. Unter Zuhilfenahme von Glas drei bis sieben loggte er sich daher erfolgreich ein. Überall, wo es nackte oder willige Frauen gab. Oder einsame. Oder suchende. Oder überhaupt irgendwelche.
Wem es letztendlich zu verdanken war, dass er sie traf, mochte er nicht mehr entscheiden. Ebenso wenig, wem es zu verdanken war, dass sie ihn mochte. Sicherheitshalber schob er die Verantwortung dem Internet zu. War es dagegen der Große Autor, so konnte diese Seifenblase zerplatzen, wie jede zuvor.
Vertrauen in Technik stand eindeutig vor dem Vertrauen in Güte oder Glück. Lass bloß Gnade oder Verständnis aus dem Spiel.

Ob er sie mochte. - Wie konnte er nicht!
Was an ihr besonderes sei. - Alles. Vor allem, dass sie mit ihm sprach.
Wann sie sich treffen sollten. - Jeder Augenblick des Zögerns konnte fatale Folgen haben. Am besten gestern, also morgen früh.

Der Große Autor verspottete ihn. Mit schillerndem Aprilwetter. Wuselnden Wolken, giggelnden Regenschauern und blinzelnder Sonne. Wann je hatte man von einem erfolgreichen ersten Date gehört, dass bei planlos wechselndem Wetter stattfand. "Dann zapp doch gleich wieder vorbei!", schrie er, noch bevor er das Haus vollends verlassen hatte.
An der Haltestelle verkroch sich eine gelangweilte Gruppe Wartender unter das Schutzdach. Er dagegen blieb mitten im Regenschauer stehen.

Die Bahn ächzte heran, die Türen sprangen auf und die Bahn kotzte ihm vor die Füße. Ein undefinierbarer Schwall riechenden Mensches ergoss sich über den gesamten Bahnsteig, floss um ihn herum und versickerte letztendlich zum größten Teil in der Unterführung. Der nächste Regenschauer würde sie auf der anderen Seite wieder hervorspülen. Unausweichlich.
Angewidert betrat er die Bahn, in der es noch nach den Erbrochenen roch. In stetigem Kreislauf, durchgeschleuste Nasse - Jackenträger, hatten eine Moderluft hinterlassen, die ihn schaudern ließ. Allein der Duft des verschütteten, jetzt kalten Kaffees hielt ihn wach.

Nur Minuten zum Café. Minuten, die er in Anbetracht seiner späteren Entdeckung am liebsten verlängert hätte. Ins Unendliche verzerrt und verklärt. Wo ist ein Fade-out, wenn man eines braucht? Wünsche gehen in Erfüllung, nur will man niemals wirklich, was man wünschte! Schon gar kein Fade-out.

Sie hatte schon einen Tisch gewählt. An der hinteren Wand des Cafés. Der Ruhe wegen, damit man sich kennen lernen könne. Das aber war nicht der einzige Grund, der es ihm schwer machte, sie zu entdecken.
Mit einer verzweifelten Geste wandte er sich an den Großen Autor: "Wie, zum Teufel und Lektoren, kannst du mir das antun! Das kann nicht dein Ernst sein! Es reicht. Endgültig! Die ist ja so was von unauffällig! Da muss ich ja die Wand hinter ihr angucken, um zu wissen, ob diese Szene schwarz-weiß ist! Das - stand - nicht - in - meinem - Vertrag!"
Ohne je ein weiteres Wort zu sprechen, stürzte er hinaus auf die Hauptstraße und ließ sich von einem vorbeirasenden LKW endgültig rausschreiben.

 

Nö, wieso will der sich rausschreiben lassen, wenn sein Blind-Date unauffällig ist... kapier ich nicht. Gefällt mir ansonsten. Ich hab das schon in ähnlicher Form gesehen (DER Regisseur, wir sind alle Schauspieler in seinem Film, Marionetten, ohne Selbstbestimmung, spielen nur eine Rolle), aber es ist dir gut gelungen, mein ich.
Wenn ich noch ein paar negative Wellen machen darf:
- ächste: ächzte(?)
- das "Dann schreib mich doch gleich raus" kommt für meinen Geschmack zu oft vor.

Aber alles in allem jut

megarat

p.s. axo und der Titel "Duell mit dem Großen Autoren (Autor solls heissen, odda?)

 

hi Megarat!

Dank für die Kritik. Ich freu mich, Dich gut unterhalten zu haben.
Ich werd mal nachzählen, wie oft "rausschreiben" vorkommt. Vielleicht nehm ich es noch einmal raus.

Aber was das mit dem Date betrifft: "ich mach eh keine Quote..." also will er eine weibliche Hauptrolle. Ein Mauerblümchen erfüllt da wohl nicht seine Ansprüche :D

Das ächzen ist mir tatsächlich durchgerutscht, danke schön.
Allerdings ist "mit dem Großen AutorEN" schon richtig. Autor ist eine mittlerweile auch machbare Form, aber nicht tatsächlich korrekt.

Lieben Dank!

Frauke

 

Oh-oh - dat Frauke hatte Nachtschicht...

Mein erster Eindruck: HARHARHAR(tm)

bzw.

Hehe, und ich dachte immer, ich wäre zynisch...;)

Nicht unbedingt luftig-leichter Schenkelklopfer-Humor. Eher intimgepflegter Sarkasmus (wenngleich an manchen Stellen etwas nörgelig wirkend). Laut gelacht hab ich nirgends. Aber grimmigst geschmunzelt - eine Art Schrotflinten- und Kettensägenlächeln, das nicht ganz bis zu den Augen reicht - das hat der Text in mir ausgelöst. Weil es leider halt so ist - alles läuft so, wie der große Autor es will. Unser Mitspracherecht wurde von unserem Agenten anderweitig verkauft...

"Ich bin ein Film, in dem die weibliche Hauiptrolle fehlt"? Das kenn ich doch von den Fantastischen Vier - dennoch passt es hier natürlich gut. Was mich jedoch grundlegend stört: Das eine Motiv arg dünn ausgewalzt. Wie Megarat schon sagte: Gewisse Dinge kommen ein paar mal zu oft vor.

Trotzdem: Ich hab's ganz gern gelesen. Ist für mich eine niedlich-zynische Betrachtung des ganz normal-verzweifelten Single-Wahnsinns. Und der große Autor, mit dem wahrscheinlich nicht nur ich seit eh und je auf Kriegsfuß stehe, sollte sich besser schon mal warm anziehen, für den Fall, dass ich ihn jemals in die Finger kriege... :D

Dafür kriegt die kleine Autorin... öhm... was? Eine selbstmordgeeigenete Nascherei mit 5 Buchstaben? Okay: Also, ein Roché! *die Kugel geb* :D

Grüsslis,
Markus

 

Hey Markus!

Danke für die Kritik!

arg dünn ausgewalzt? Bei meinen Keksen stört Dich das nicht :D
Nee, ehrlich: ich war schwer überrascht, wie lang der Text am Ende war... vielleicht hätte ihm ein wenig weniger gut getan.

Hehe, und ich dachte immer, ich wäre zynisch...
Den Zynismus hast Du nicht allein gepachtet. Den müssen wir uns im time-sharing teilen.

Zum Laut-Rum-Gackern war es auch nicht wirklich gedacht. :D

"Ich bin ein Film, in dem die weibliche Hauiptrolle fehlt"? Das kenn ich doch von den Fantastischen Vier -
Genau. Deshalb hab ich es ja auch geklaut. Nicht mal einen eigenen Text gibt man ihm. Er muß klauen...
deshalb hängt er ja auch an:
Ich bin ein Film, in dem die weibliche Hauptrolle fehlt, oder so ähnlich.

für mich eine niedlich-zynische Betrachtung des ganz normal-verzweifelten Single-Wahnsinns.
Du nennst mich niedlich!?!
... na gut! obwohl:
kleine Autorin
*so tief wie möglich grummel*

ach, Schwamm drüber, oder sonst was nasses...

Lieben Dank für Dein Lob! Und ich werd dann mal sehen, ob das Teilchen noch Kürzung verträgt. Mag helfen...

Frauke

 

Du nennst mich niedlich!?!
Nö. Nur Deinen Text! :D
kleine Autorin
*so tief wie möglich grummel*
Wieso grummel? Ach...momäääänt! Soll das etwa heißen... soso - Du bist also nicht die kleine Autorin sondern DU bist also der GROSSE AUTOR!?! Na warte... *knurr* :D
Und ich werd dann mal sehen, ob das Teilchen noch Kürzung verträgt.
Zumindest leichte Rundung bzw. etwas mehr Abwechslung im Detail. Ein bisserl gesundschrumpfen ist allerdings generell nie verkehrt. ;)

M.

 

Jetzt soll ich auch noch schrumpfen?!

Also ehrlich!

Und um Mißverständnisse zu vermeiden: der Große Autor bin ich bestimmt nicht! :D
DIE Verantwortung laß ich mir nicht aufladen ;)

Danke für die Kritik, ich setz mich nochmal dran!

Frauke

 

Jetzt soll ich auch noch schrumpfen?!
Boah, Frauke... :rolleyes:

Wo Du m.E. auf jeden Fall ein bisserl roden könntest, ist die U-Bahn-Sequenz. Die zieht sich ziemlich, wie ich finde .

Was mir ebenfalls gerade wieder gewahr wird: Selbst extrem trockene Brötchen haben glaube ich keinerlei Neigung, effektvoll zu "zerschellen", so denn irgendwohin geworfen. Sie zerkrümeln evtl. unter einem wütenden Absatz, oder so. Und überhaupt: Warum wird der Prot ausgerechnet mit alten Backwaren beworfen? Das ist doch höchst surreal! Ab nach "Seltsam" mit solch Schmarrn! :D

Soll heißen: Wenn schon Brötchen, dann fände sich evtl. ein weniger seltsames Wort für den Moment des Bodenkontakts? :shy:

 

och, daß da plötzlich das Brötchen geflogen kam, hat mich ja selbst überrascht *schnell noch duck*
Im Grunde wär ein Eimer Wasser passend gewesen (also das Wasser, nicht der Eimer), aber wer hat den heutzutage schon rumstehen.
Du meinst nicht, es könnte aus lauter Zynismus einfach mal so zerschellen?

Ich seh mal zu, ob das Brötchen über den Prot hinwegfliegen kann, sodaß es keiner Erwähnung bedarf...

Und wenn ich heut ein wenig mißverstehend zynisierend bin.... och, sonst hätte ich das gar nicht schreiben können ;)

Das Brötchen hab ich eigentlich deshalb geschrieben, weil ich es eine so "primitive Art" der Belohnung fand... ach, weißt Du, dessen Tage sind im Grunde gezählt... aus, vorbei. Wahrscheinlich fliegt es raus!

F.

 

So Ihr 2!

Ich hab auf Euch gehört und umgeschrieben. Im Wesentlichen gekürzt und verbunden, das Brötchen raus und weniger rausschreiben.
Ich hoffe, es gefällt jetzt.

Ich denke, an der Original-Version hat keiner mehr Interesse? Wenn doch: ich hab sie noch und kann sie gern noch wieder mit reinstellen.

Lieben Dank für den Tritt in den Hintern!

Frauke

 

Hi Frauke,

Schöne Geschichte. Die Grundidee ist sehr interessant und zumindest mir neu. Stilistisch meiner Meinung nach sehr gelungen - viele schöne Bilder und Vergleiche, wodurch der Text sehr plastisch wirkt.
Wie Horni schon sagte, wirklich lachen mußte ich auch nicht, aber dein Text überzeugt trotzdem durch unterschwelligen Humor und unterhält somit sehr gut.

Nur eine Sache hab ich nicht verstanden: Warum ist er plötzlich frustriert, weil sein Date so farblos daherkommt? Du hast megarat gesagt, dein Protagonist hätte einfach höhere Ansprüche, aber weiter vorne im Text steht "Was an ihr besonderes sei. - Alles. Vor allem, dass sie mit ihm sprach.". Das heißt für mich, daß er seine Ansprüche auf ein Minimum beschränkt hat und alles nimmt, was ihn nicht ignoriert. Warum plötzlich der erneute Umschwung?

Ansonsten aber eine wirklich gelungene Geschichte.

 

Oh!
Wieder einmal Lob vom Papst des Humor?! Vielen lieben Dank dafür!

Ich hab mir das mit dem Date so gedacht:
Er fühlt sich schlecht und minderwertig. Aber anstatt sich mit irgendwas zufriedenzugeben, will er eine weibliche Hauptrolle, die ihn aufwertet. Was will er da mit einer super-unauffälligen?
In seinen Augen ist die Unauffälligkeit der Frau, die man ihm an die Seite geschrieben hat, ein Beweis dafür, daß er dem Großen Autoren nicht mehr als das wert wäre :D

Vielen lieben Dank für die aufmunternde Kritik!

Frauke

 

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