Du
nicht das der Anderen
Marc starrte aus dem Fenster. Der Regen prasselte bereits seit einigen Stunden aus an das Fenster und die Lehrerin, Frau Hagewitzt-Müller (sie war schon zweimal geschieden), mokierte sich furchtbar über dieses grässliche Wetter. Sie würde ja immer Depressionen bekommen, wenn es regne. Und – ihre Frisur würde ja auch so darunter leiden, wenn sie nass würde. Marc hörte nicht zu. Er saß in der letzten Reihe, direkt hinter Kevin, dem Größten in der Klasse. Müde legte er seinen Kopf auf die Tischplatte und schloss die Augen. Es fiel ihm nicht schwer sich zu entfernen, sich zu lösen und nachzudenken.
„Ey, Marc.“ José, sein Nachbar stieß ihn in die Seite. Müde richtete Marc sich auf und starrte in an. „Was?!“ José sagte nichts mehr, sondern hielt ihm die Hand hin, in der weißes Pulver lag. „Eins-A Zeug!“ Es war cool Drogen zu nehmen im Moment. Die Lehrer hatten sie bereits durch zig Drogenveranstaltungen geschleift und jeder wusste, dass es nicht nur gefährlich, sondern auch strafbar war, aber – Drogen waren cool. Rasch fegte Marc die Hand von José ab und schniefte das Zeug durch die Nase weg. Nicht nachdenken, hatte er sich vorgenommen. Nicht mehr überlegen. Drogen sind nicht gefährlich – sie sind cool.
In der Pause stand er mit seiner Clique auf dem Hof und unterhielt sich über Musik. Irgendwer hatte schon wieder „Pulver“ aus der Tasche geholt und alle waren wieder am Schniefen. „Boah, ey, kennt ihr schon dieses neue Lied von Flypside? Angel heißt das, glaub ich.“ Alle nickten – sie mussten es kennen, da es seit Wochen in den Charts lief. Doch keiner wagte einen Kommentar abzugeben, bevor nicht Jason, der Coolste der Schule, seine kundgetan hatte. Ist doch eigentlich ganz gut, dachte Marc so bei sich und er war gerade dabei sich durchzuringen und zu antworteten, doch … „Das is soo was von scheiße. Das kannste inne Tonne kloppen!“ Jetzt nickten alle zustimmend und die meisten spuckten zur Bestätigung auf den Boden. Marc schluckte seine eigene Meinung runter und nickte auch. Als er Josés Blick auf sich spürte, spuckte er auch auf den Boden. Dieser nahm das mit Wohlwollen dar und reichte ihm wieder ein Hand voll.
„Ich muss kurz pissen.“ Marc entfernte sich rasch. Er ekelte sich vor sich selbst, was für ein Heuchler er doch war – oder? Nein, redete er sich ein, das Lied hat mir doch noch nie gefallen! Erschöpft lehnte er sich ans Waschbecken und ließ das kalte Wasser über sein Gesicht rinnen. Er hörte wie ein Jüngerer hereinkam und sich in eine Kabine davon schlich. Marc bemerkte dies kaum und ließ immer noch das kalte Wasser über sein Gesicht laufen. Die Spülung ertönte und der Junge kam aus der Kabine zurück. Er wählte das Waschbecken, was am weitesten weg von Marc war, und drehte leicht den Wasserhahn auf. Die Haupttür wurde aufgerissen und knallte gegen die Wand. Mit grimmigem Ausdruck stand Jason in der Tür und starrte das Kind an. „Du!“ Er durchquerte den Raum mit 3 Schritten und war bei dem Jungen angelangt. Die Tür flog hinter ihm wieder in die Angeln. „Nein!“ Das Kind schrie angsterfüllt auf und wandte sich unter Jasons Griff. „Ich halte und du schlägst.“ Jason schaute ihn an und packte die Handgelenke des Jungen nur noch fester. „Aber was hat er denn ge…“ „Willst du cool sein wie ich … oder so ’ne Lusche wie der hier?!“ Marc schaute in die Augen des Jungen. Weit aufgerissen. Angst. Er spürte pure Angst. Langsam ging er auf ihn zu. Schaute ihm noch mal in die Augen. Schloss die Augen.
Und schlug zu.
nicht das der Anderen.
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