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Du sollst nicht begehren

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08.08.2002
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Du sollst nicht begehren

Sie war mit zu ihm nach Hause gefahren. Dort gehörte sie nicht hin, das wusste sie. Doch sie wollte einmal dort sein wo er lebte, ihre Liebe ausbreiten in dem Haus und wie ein Nebel durch die kleinsten Ritzen kriechen. Jeder berührte Gegenstand würde eine unauslöschliche Verbindung mit ihr eingehen. Sie wollte etwas von ihrer Aura in seinem Zuhause hinterlassen. In seinem und dem seiner Frau.

Sie riefen den Hund und liefen in der Dunkelheit den Feldweg entlang. Blitze zuckten rund um sie. Ein Gewitter zog auf. Er habe es extra für sie bestellt, weil sie dieses Himmelsspektakel doch so liebte. Schwarze Wolken verdeckten die Sterne, gönnten den Ehebrechern das Funkeln nicht. Der Hund war aufgeregt, deutete den ersten Donnerschlag richtig, als das was er war, Gottes Peitschenknall. Blitze zuckten über den Horizont und ein Sturm kam auf. Selten hatte sie sich so am Leben gespürt. Die Elemente in Aufruhr und ihr Körper an den seinen gepresst.

Sie betrachteten das Schauspiel am Himmel, atmeten die schwefelige Luft tief ein. Sie spürte seine Hände die sie streichelten und genoss jede seiner Berührungen. Der Hund wurde unruhig, lief hin und her, bellte. Der Wind tobte durch den Wald und sie küssten sich als würde ihr Leben allein davon abhängen. Ihre ungezähmte Sinnlichkeit wurde von einem neuerlichen Donnergrollen begleitet. Der Himmel war dagegen. Erste Regentropfen, groß und schwer fielen auf die Liebenden herab. Die Ähren auf den Feldern wogten wie aufgepeitschtes Meer. Die Luft war erfüllt vom Rauschen der Blätter und einem nicht enden wollenden „Ich liebe dich". Drohend sahen die schwarzen Wolken auf sie herab, schleuderten erneut Blitze und öffneten ihre Schleusen um die beiden Menschen in ihrem Tun zu ertränken.

Als sie wieder ins Haus kamen waren sie völlig durchnässt. Die kleine Wendeltreppe hinauf in den ersten Stock überwanden sie mit Zärtlichkeiten in welche sie sich versinken ließen, hinausgleiten ließen aus einer Welt die ihnen beiden längst zu eng geworden war. Sie liebten sich während der schwere Regen zornbebend auf die Fenster niederprasselte, der Wind tobend, das durch Liebe entehrte Haus, zu zermalmen suchte. Es war egal, wenn sie sich nur spüren konnten.

Die Katze kam ins Zimmer. Es war jene die zum Sterben im Haus bleiben durfte. Alt und krank sollte sie einfach in Ruhe ihren Tod abwarten dürfen. Sie streichelte das Tier, erkannte sich in seinem Blick wieder. Er brachte Brot und Wein und sie lagen in der Finsternis und schauten hinaus in den Garten. Dort wollte sie ihn lieben, sagte sie, nur den Wind und seine Liebe möchte sie dann spüren. Er nahm sie ganz fest in den Arm, küsste ihre Augen. Dann aßen sie aneinandergeschmiegt. „Brot und Wein. Wie gut das schmeckt." sagte er und sie waren glücklich.

Einige Tage darauf starb die Katze, hatte einfach aufgehört zu atmen. Er hat sie liebevoll im Arm gehalten bis es vorbei war und sie dann ganz in seiner Nähe begraben. Als er die Geliebte wenige Monate danach verließ tat er es mit der gleichen Liebe in den Augen, doch hat er sie beim Sterben allein gelassen.

 

Hallo schnee.eule
Eine schöne aber sehr traurige Geschichte.
Liebe kennt keine Vernunft.
Sie wußte das es nicht richtig war, aber sie konnte nicht anders, die Frage ist was sie sich vieleicht erspart hätte wenn sie doch wiedersagt hätte.

Liebe Grüsse Samaya!

 
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Liebe Samaya!

Alles - sie hätte sich alles erspart.
Den Himmel und die Hölle.
Sie hätte nicht gelebt und wäre nicht gestorben.
Und sie hätte nicht gelernt.

Lieben Gruß an dich - schnee.eule

 
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Servus Existence!

Ich freue mich, wenn diese Geschichte Stimmungen rüberbringt, Schlüsse zulässt.

Das Herz der Ehefrau wurde schon vor langer Zeit gebrochen, ebenso wie seines. Es hätte dieses Augenblicks, dieser Geliebten gar nicht mehr bedurft. Aus dieser Schuldspirale konnte nichts Neues entstehen.

Manchmal schiebt der Mensch Entscheidungen feige hinaus weil er sich seine eigene Schwäche nicht eingestehen will und beweist sie damit erst recht.
Das gilt in diesem Fall wohl für alle Beteiligten.

Schön, dass du es gelesen hast.

Lieben Gruß an dich - schnee.eule

 

Liebe Eva!

Deine BEschreibungen von der NAtur sind wunderschön gelungen: das drohende Aufziehen des Gewitters, das sie eigentlich liebt, das aber bereits auf das Ende eigentlich hindeutet, die Blitze, der Donner...

"Die Ähren auf den Feldern wogten wie aufgepeitschtes Meer"

AUch schön am Schluss: Die alte Katze, die stirbt, von ihm, begleitet und geliebt, und sie, auch geliebt, aber verlassen. Der Tod für sie. Alt, zum Sterben nocheinmal ins HAus gelassen.

Eine sehr stimmungsvolle Geschichte. Sie macht nachdenklich... über LIebe, Fremdgehen, den Tod, Sehnsucht.
Alles ist drin.

liebe Grüße, Anne

 
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Servus Maus!

Ich empfinde alles Leben das in der Natur geschieht viel intensiver. Das wogende Ährenfeld, das aufziehende Gewitter, ein Feldweg in der Dunkelheit, Wind - mit der Kraft der Naturgewalt lässt sich alles noch tiefer empfinden.

Hier ist diese Kraft darüber hinaus auch Mahnung und will Furcht einflößen. Aber wer, der liebt, hat schon Angst, man weiß sich unbezwingbar und nimmt es mit dem zürnendsten Gott und allen Höllenknechten auf.

Die Katze ist ein sehr wichtiges Symbol. Oft geben Menschen Tieren all das was sie am Menschen nicht ausleben können, dürfen oder besser gesagt - wollen.

Lieben Gruß an dich - Eva

 

Hallo schnee.eule,

eine gute Geschichte, über der schon von Anbeginn ein Fluch zu schweben scheint. Sie will wenigstens etwas von ihrer Aura hinterlassen, doch sie weiß wohl schon, daß ihre Chancen schlecht stehen. Trotzdem läßt sie sich darauf ein.Der Hund, der Wächter, kann Unheil anzeigen, doch nicht verhindern. Sie drohen „in ihrem Tun zu ertrinken“ - die Gott gegebenen Elemente als Rächer dessen, was nicht gut gehen kann, weil es nicht sein darf. (Ich nehme an, seine Frau lebt noch?).

Diese Thematik scheint Dich zu berühren:
Eine Frau gibt, lebt und liebt für den Augenblick, obwohl sie spürt, daß sie mit ihrer Hingabe keine Zukunft haben wird (sie erkennt sich in der vor dem Tode stehenden Katze - ein mystisches Symbol für Nacht und Unbestimmtheit).

Eine Story voller Gefühl und Bildern kraftvoll wie von Van Gogh.

Tschüß... Woltochinon

 

Hallo schnee.eule,

,das durch Liebe entehrte Haus' - ein zwingender Satz in dieser Geschichte ohne Hoffnung. Sie will ihre Liebe in seinem Haus lassen, wissend, dass da noch wer ist.
Warum lässt sich der Mann darauf ein? Warum fährt er mit ihr dorthin? Er muss es nicht und tut es dennoch. Damit fügt er ihr Schmerzen zu. Beide handeln in einem momentanen Egoismus, in der Form einer Selbstgeißelung, die das Scheitern voraussetzt.
Eine Geschichte voll mit Gefühl und starken Gedanken.
Auch ein Aufbruch.

Liebe Grüße - Aqua

 
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Servus Woltochinon!

Diese Frauenthematik der für den Augenblick Lebenden, die sich in sterbenden Katzen wiedererkennt, hat schon was Dramatisches.

Sie verlieren sich, in ihrem Drang Liebe zu geben und zu spüren, völlig selbst. Das Aufwachen aus diesem Illusions- und übersteigerten Sehnsuchtsverhalten ist dann sehr schmerzlich. Manche sterben daran, manche machen so weiter. Doch einige beginnen zu hinterfragen wieso es dazu kommen konnte und heilen in dem sie sich auf die Suche nach ihren ureigenen Wurzeln begeben.

Ich freu mich jedenfalls sehr, dass diese Geschichte von einer Frau, die sich vor lauter Liebe selbst vergisst, bei dir Gedanken an Van Goghs Bildern hevorruft. Es passt auch deshalb so schön, weil der sich auch gerne vom Gefühl überwältigt selbst verstümmelte.

Lieben Gruß an dich – Eva

Servus Aqualung!

Selbstgeißelung - ein gutes Wort. Wie oft bleiben Verbindungen bestehen, statt die Konsequenzen zu ziehen, aus Gewohnheit, aus Sicherheitsdenken oder der Angst vorm Alleinsein.

Die Geliebte geißelt sich natürlich auch. Wollte vielleicht gar nicht mitfahren und es war seine Idee ihre Liebe in das einsame Haus der Leere und des Hasses zu holen, sie in seiner Welt zu wissen. Und sie gab wieder ihrer Liebe nach, statt aufzubegehren, bestürmt von Leidenschaft und Naturgewalt, wer weiß.

Auch ein Aufbruch sagst du? Nein, ganz sicher nicht. Menschen wie das Ehepaar verbringen meist den Rest ihres Lebens zwischen Flucht, Wut und Resignation.
Die Geliebte hat ihre Liebe und ihren Respekt aber möglicherweise sich selbst zugewandt. Einen Aufbruch hat sie deshalb gar nicht nötig.

Lieben Gruß an dich - Eva

 

Hallo schnee.eule!

Eine sehr schöne Geschichte. Das meine ich auch vom Inhalt her. Niemals würde ich ein Urteil über die beiden fällen wollen. Auch gute Ratschläge würde ich weder ihr noch ihm geben. Und zu fragen, warum sie so handeln wie sie handeln, nein, das fiele mir nicht ein. Die Antwort ist klar.
Und schließlich, ich würde auch keinen von beiden bedauern. Sie leben, sie spüren sich, sie machen Erfahrungen. Und ich interpretiere mal, dass sie daran wachsen. Ich würde viel eher jemanden bedauern, der Gefühle in diese Richtung niemals erlebt hat, und damit meine ich auch die traurige Seite der Geschichte.

Es wird in der Geschichte und in den Kommentaren so viel von Liebe gesprochen. Für mich beschreibt ein anderes Wort die Situation der beiden treffender; nämlich Leidenschaft. Für mich ist es eher eine Geschichte der Leidenschaft, als eine der Liebe. Aber die Abgrenzung zwischen diesen beiden Emotionen ist wohl tatsächlich eher fließend und schwierig zu definieren. Und das eine schließt das andere ja nicht aus.

Alles in allem, eine meiner "Favourites" von dir. :)

lg
klara

 

Servus Klara!

Punktgenauer kann man es wohl kaum ausdrücken. Ich habe mich in einer meiner Antworten ja selbst vom Wort Liebe in die Leidenschaft gleiten lassen. Es ist mir erst gar nicht richtig bewusst gewesen, aber jetzt wo du es ansprichst fällt es mir besonders stark auf. Die Grenzen verwischen sich zusehends je länger man hinschaut. (Eines meiner "leidenschaftlich geliebten" Bücher heißt auch Verstand und Leidenschaft - allein der Titel hatte mich damals fasziniert)

Und du hast recht. Es nicht erlebt zu haben, hätte das nachfolgende Wachstum in diesem Ausmaß nicht ermöglicht. In dem ganzen Fallenlassen war sie ein erwachsener Mensch der für sein Tun, sein Leben und auch das daraus resultierende Sterben selbst die Verantwortung trägt. Keiner ist zu bedauern und ich denke es verlangt auch keiner danach.

Deine klaren Worte haben dieser Geschichte jetzt sehr gut getan, danke dir dafür. Dass sie dir darüber hinaus sehr gut gefiel, freut mich ungemein.

Lieben Gruß an dich - Eva

 

Hallo schnee.eule,

es ist auffällig, daß Deine Protagonistin ihre Beziehung nur über Gefühl und Physis definiert. Ist sie so, oder stellt die Geschichte nur einen Teilaspekt ihrer Persönlichkeit dar?

Tschüß... Woltochinon

 
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Servus Woltochinon!

Die Prot. kann aufgrund meiner schreibenden Hand eine Beziehung nur aufgrund von Gefühl und Physis, wie du es so erfrischend nennst, definieren. Aber sie hätte eine neue Dimension von Nähe entdeckt, hätte sie gesagt, das verletzt mich, das lasse ich nicht zu.

Warum fragst du das? Suchst du gar ihren Verstand?

Ich stelle mir vor, sie denkt eher zuviel, denn zuwenig. Der Verstand hätte viele Wörterwolkenkratzer gebaut um den Mann zu entschuldigen, endlose Gedankenschlangen hätten die Freiheit dieser Beziehung gewürdigt, ihre Richtigkeit erklärt. Dem Verstand hat sie zu sehr vertraut.

Wachsam und ehrlich war nur ihr Gefühl. Beim Blick in die sterbenden Katzenaugen hat sie die Wahrheit gesehen. Gerade ihr Verstand hat sie wegschauen lassen.

Lieben Gruß an dich - Eva

 

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