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Du kannst mir vertrauen
„Nun mach schon", sagte die hübsche blonde Frau.
„Es macht Spaß und tut auch bestimmt nicht weh. Es kann überhaupt nichts passieren. Du kannst mir vertrauen."
Mit wackeligen Beinchen setzte er sich also vor die große gurgelnde Röhre und blickte noch einmal ängstlich in die schwimmbad-grünen Augen der Frau. Als die Ampel von rot auf grün sprang, kontrollierte er ein letztes Mal den Sitz seiner Schwimmflügelchen. Dann fasste er sich ein Herz und stieß sich ab.
Sofort klatschte ein Schwall Schwimmbadwasser in sein Gesicht. Vor ihm und hinter ihm schrieen Leute. Aber es machte tatsächlich Spaß – soviel, dass er sich auf den Rücken legte, um noch schneller zu werden. Die bunten Bilder an den Wänden der Schwimmbadrutsche erinnerten ihn an sein Kinderzimmer. Da waren Seepferdchen, Delfine, Wale und ein Krake. Plötzlich griff ihn der Krake am Bein. Mit einem Arm zog er ihn zu sich, mit den andern Sieben würgte er ihn. Der Junge aber schrie so laut, dass sich der Krake erschrak und ihn losließ. Glücklich darüber, dem Tintenfisch ohne Flecken entkommen zu sein, ging es weiter die Rutsche hinab.
Da nahm ihn ein kleines Mädchen bei der Hand, und gemeinsam rutschten sie, mal auf dem Rücken, mal auf dem Bauch und mal aufeinander, was besonders viel Spaß machte, weil man dabei so schön knutschen konnte.
Das Mädchen, so erfuhr er, hieß Mariechen.
Nach und nach verschwanden die bunten Motive an den Wänden der Röhre. Die Schwimmflügel begannen zu drücken, und er bemerkte, dass seine Arme dicker geworden waren. Überhaupt war er irgendwie gewachsen. Er riss sich also die Schwimmhilfe von den Armen und gab sie einem kleinen Jungen, der plötzlich zwischen ihm und Mariechen saß. Aber er erschrak, als er sah, dass aus Mariechen plötzlich Maria geworden war und sie einen Busen hatte, der seitlich aus ihrem Badeanzug heraushing.
Aber das war egal. Beide achteten jetzt nicht mehr auf ihr Äußeres. Die Fahrt war so schnell geworden, dass sie alle Hände voll zu tun hatten, sich selbst und den kleinen Jungen festzuhalten.
Sie rutschten auch nicht mehr aufeinander. Sie hatten den Spaß daran verloren. Plötzlich wurde die Rutsche sehr steil und dunkel, und sie bekamen das Gefühl zu fallen. Als es wieder hell wurde, war der kleine Junge verschwunden und mit ihm die Schwimmflügel.
Das machte ihn und Maria sehr traurig, hatten sie sich doch gerade erst an ihn gewöhnt. Sie waren so traurig, dass sie beschlossen, nie mehr zu knutschen, sondern stattdessen lieber ein paar Runden Mau-Mau zu spielen, was sehr schwierig war, weil die Karten immer nass wurden. Maria war bald genervt von den nassen Karten und davon, dass er sie nie gewinnen ließ. Also verließ sie ihn.
Den letzten Teil des Weges musste er also alleine rutschen. Unsicherheit machte sich breit, weil er nicht wusste, was am Ende auf ihn zukam. Aber als das Licht am Ende des Tunnels erkennbar wurde, konnte er auch SIE wieder sehen. Sie war inzwischen alt, aber immer noch hübsch. Ihre blonden Haare waren grau geworden, aber die Augen waren immer noch schwimmbad-grün.
Er schoss aus der Rutsche, direkt in die Arme der Frau.
„Aber mein Junge, wo hast du denn deine Schwimmflügel gelassen?", fragte ihn seine Mutter und fing ihn auf.