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"Du hast nichts verstanden!"

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07.07.2002
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"Du hast nichts verstanden!"

Als ich heute Morgen aufwachte, hallten die Worte immer noch in meinem Schädel nach, zerfetzt und doch so allgegenwärtig, wie die Splitter von einem zu Bruch gegangenen Kaleidoskop in meinem Auge. Es war wie an jedem Morgen in der letzten Zeit. Und genau wie an all den unzähligen Tagen davor, wachte ich schweißgebadet und mit einem Schrei auf den Lippen auf, dessen Ursprünge irgendwo in den Tiefen meiner existentiellen Ängste lagen. Jener Ängste, die auszusprechen ich mich nie traute. Ja, ich ging sogar soweit, sie vor mir selbst zu verleugnen.
Doch nun bin ich soweit. Endlich habe ich den Mut gefunden, mich in den Kreis zu stellen und es auszusprechen:
Hi, mein Name ist Cpr.Nobbs, und ich habe noch nie etwas verstanden.
Na gut, nie ist vielleicht etwas übertrieben, denn meine Kindheit verlief eigentlich ganz normal und harmonisch. Die Rahmenbedingungen des zu Verstehenden blieben konstant, die Umwelt schien für einen stillzustehen. Doch dann kam die Pubertät, und die Welt warf unzählige neue Fragezeichen in den Raum. Tja,... und die scheine ich irgendwie von der falschen Seite angepackt zu haben, denn seitdem hörte ich einen Satz immer wieder und wieder, bis er zum Bewußtsein wurde, zum roten Faden meines Lebens:
„Du hast nichts verstanden.“
Am Anfang stimmte es ja auch. Ich verstand grundsätzlich nichts, aber wenigstens wußte ich, daß ich nichts verstand. Doch irgendwann machte ich dann den Fehler zu glauben, ich hätte etwas verstanden, nur um gleich wieder zu erfahren, ich hätte absolut garnix verstanden. Ich denke, das war das traumatischste Erlebnis meines Lebens.
Seitdem ging es nur noch bergab. Fragen über Fragen, und kein Verstehen. Nicht, daß es an Antworten gemangelt hätte. Ihre Anzahl und Richtigkeit schien im gleichen Verhältnis zu steigen, wie die Quantität des an mich gerichteten, bereits erwähnten Satzes. Ich war stagniert. Alle um mich herum verstanden immer alles, hatten innerhalb von Sekunden die absolute Wahrheit zu jedem Thema bereit, auch wenn sie dabei manchmal nur die von anderen weitergaben. Aber sie wußten es wenigstens, und es ging ihnen dabei gut.
Ich wurde zum gesellschaftlichen Außenseiter; dem „Nichtversteher“, wie manche hinter vorgehaltener Hand murmelten. Letztens habe ich ein paar Kinder von Nachbarn gesehen, die mit dem Finger auf mich zeigten und lachend im singsang riefen: „Er hat es nicht verstanden, er hat es nicht verstanden... ha,ha,ha.“
Jetzt träume ich auch noch davon. Ich habe seit Wochen wiederkehrende Alpträume, in welchen die Worte zu Ungeheuern mutieren und mich pausenlos jagen. Und ich weiß, daß es kein Entkommen gibt. Komisch, daß es das einzige ist, was ich weiß.
Aber ich habe den Kampf aufgenommen. Ich will dieses Muster durchbrechen, denn ich möchte verstehen... Doch ich brauche Hilfe.
Deswegen dieser Hilfeschrei, der Seelenstrip meiner Ängste, denn ich möchte kein Freak mehr sein. Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als daß Ihr, die Ihr verstanden habt, mich in eure Mitte nehmt und mit sinnlicher Stimme im Kollektiv zu mir sagt: Du bist einer von uns, du bist einer von uns...
Mein Name ist Cpr.Nobbs, und ich habe noch nie etwas verstanden.

 

Guter Stil und auch ein interessantes Thema, aber ich frage mich, ob "Humor" wirklich die richtige Sparte dafür ist? Eigentlich kommt es mir eher sehr problematisch vor und vielleicht sogar ein bisschen philosophisch mit satirischem Touch? Wobei ich keinesfalls sagen möchte, dass ich es nicht gut zu lesen fand.

Ich weiß nicht... :dozey:
Liebe Grüße
Babs

[ 07.07.2002, 21:07: Beitrag editiert von: Barbara ]

 

Na ja, das wußte ich eben auch nicht. Für eine Satire nicht bissig genug, für Philosophisches nicht tiefgründig genug. Halt so`n Ding dazwischen. Ich warf Münze zwischen Humor und Sonstiges, zugunsten von Humor.

Gruß

Cpr.Nobbs

 

Erklärt einiges! Es würde sich aber auch unter "Seltsam" irgenwie ganz gut machen, nicht?

 

Hallo Cpr.Nobbs,

ja ich versteh es auch nicht, es ist ja auch nicht zu verstehen, denn ich blicke lieber durch und manchmal begreife ich auch nur. :)

Erstmal sei herzlich willkommen auf kg und ich hoffe, dass dich die Anfangsschwierigkeiten, das richtige Forum für deinen Text zu finden, nicht gleichzeitig davon abhalten, weitere Geschichten zu posten.
Ich hab deinen Text nämlich gerne gelesen und bin gespannt auf weitere Werke von dir.

Ich kann dir übrigens auch nicht sagen, ob du so exakt richtig hier im Bereich Humor liegst. Ich schätze es ebenso ein wie du und wie Barbara.
Satire ist es nicht, dazu reicht es nicht, Humor hat dieser Text, aber irgendwie eher fein dosiert und für eine philosophische Geschichte fehlt eben doch ein wenig mehr Tiefgang, obwohl in dem Forum manchmal Texte untergebracht sind, die weniger drauf haben als deine. *schmunzel*

Was ich eingangs sagen wollte war, dass wir Menschen jeweils in einer der drei Wahrnehmungweisen, also sehen, hören und ertasten unseren Schwerpunkt haben. Wenn also ein Mensch etwas partout nicht kapiert, dann kann es durchaus so sein, dass er ununterbrochen auf der sozusagen falschen Wahrnehmungsebene Angebote erhält, die er nicht verwerten kann.
Wenn ich also mehr durch Sehen meine Informationen aufnehme und dadurch in der Lage bin Dinge zu erlernen, dann wird mir das unter Umständen sehr schwer fallen, wenn ich lediglich dieses Informationsangebot auf rein akustischer Ebene geboten bekomme. Wenn ich also nie was verstehe, bin ich vielleicht mehr jemand der es erkennen könnte oder sogar begreifen könnte.

Nungut beende ich mal hier meinen Exkurs zu Fragen der individuellen Wahrnehmung und schließe

mit Gruß lakita

 

Hallo Cpr.Nobbs,
jetzt noch meine Analyse.
Ich glaube, ich verstehe den Erzähler. Er leidet nicht
unter Wahrnehmungsstörungen, sondern kann die Welt nicht so akzeptieren wie sie ist.
Wer versteht denn schon diese komplizierte Welt ? Er ist menschlicher als die anderen und gibt es als einziger zu.
Habe ich das richtig gedeutet ?

 

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