Was ist neu

Dreizehn und Vierzehn

Seniors
Beitritt
10.10.2006
Beiträge
2.635
Zuletzt bearbeitet:

Dreizehn und Vierzehn

Dirk sagt, ich solle mich nicht so anstellen, aber Dirk versucht auch seit dreihundert Jahren das perfekte Sonett zu schreiben, wie ernst kann man den schon nehmen?
Ralf hat sich mal wieder vorgedrängelt, muss immer der Erste sein, immer in der ersten Reihe stehen, falls mal was passiert. „Ich hab so das Gefühl, heute passiert was“, sagt Ralf immer. Irgendein Wahnsinniger zieht ein Sturmgewehr und mäht Subway to Sally nieder. Diese Dudelsack spielenden Emporkömmlinge, einfach weg. So was malt sich Ralf aus. In irgendeiner Turnhalle ein Gemetzel epischen Ausmaßes. „Hast du den Fotoapparat dabei?“, fragt Ralf. Er liegt nachts wach und denkt in irgendeiner Zukunft, wenn Menschen sich nur noch von nahrungsergänzenden Tabletten ernähren, beugt sich eine rothaarige Studentin mit einer Taille, die man mit Daumen und Zeigefinger umschließen kann, über uraltes Archivmaterial. Flugzeugabstürze, Zugunglücke, Turnhallensturmgewehrmassaker und sie hält den Atem an, sie vergisst zu atmen. Denn da ist ein Mann, auf all diesen Fotos von Ereignissen, die Generationen und Generationen und Abergenerationen entfernt voneinander stattgefunden haben. Da ist ein und derselbe Mann. Und dieser Mann ist Ralf. Und ich glaube, das treibt ihm echt die Tinte in den Füller.
„Ich weiß wirklich nicht, wie mich das inspirieren soll“, sagt Dirk. Er steht, die Hände über der Brust verschränkt, an einem Pfeiler, hat natürlich keinen Fotoapparat dabei und nickt missmutig mit dem Kopf. „Was soll das überhaupt bedeuten? Um was geht’s denn da?“, fragt Dirk. „Ist das irgendwie ein Witz, den ich nicht verstehe? Findest du das komisch?“, fragt er mich.
„Nein, nein“, sag ich. Da gebe es auch nichts zu verstehen. Es sei nur Musik.
„Nur Musik?“, brüllt er.
Und Ralf natürlich vorne mit dabei. Leute rempeln ihn an, stoßen gegen seine Schulter, eine windende Masse, ein Haufen Haare fliegen, es wird geschwitzt und Ralf lauscht dem Klicken eines Sturmgewehrs entgegen, das einfach nicht kommt.
„Wir sollten ihm einen Gefallen tun und den Pfeiler da wegsprengen“, sage ich.
„Mir tut auch keiner einen“, sagt Dirk und dann legt er einen Finger an den Mund, weil er irgendeine Textzeile gehört haben will und macht „Psst“.
Dirk sagt Der Fänger im Roggen sei von ihm. Und Jurassic Park auch. Ich weiß nicht, auf was er stolzer ist. Ich weiß nur, Jurassic Park macht ihn wütender. Man kann nicht an einem Dinosaurier vorbeigehen, ohne dass Dirk einen fürchterlichen Wutanfall bekommt. Ice Age, sagt er, sei auch nur ihm zu verdanken. Weil er ja die ganze Dinosaurierwelle erst losgetreten habe. Die Feuersteins waren ja schon lange vorbei und dann erst wieder Jurassic Park von dieser schlechten Entschuldigung eines Zahnarztes, und auf einmal wusste jedes Kind, das eine Brille trug, wie man Triceratops schrieb und Pterodactylus.
„Das diffundiert“, sagt Dirk immer. Das sei so eine Art kosmischer Witz. Er denke sich die tollsten Dinger aus, Abfallprodukte, während seine Kreativität sich dem Sonett widmet, und die Ideen trieben dann wie Bordsteinschwalben durch die Nacht und ließen sich beim Erstbesten nieder, der ihnen ein warmes Plätzchen am Kamin zu bieten habe. „Diese Nutten“, sagt Dirk. „Diese verdammten Drecksnutten.“

„Also mir gibt das gar nichts“, sagt Dirk. „Ich weiß nicht, fühlst du dich irgendwie durchdrungen?“
„Ein bisschen“, sag ich, nur um ihn zu ärgern. „Ich hab da so eine Idee mit einer Riesenkrabbe, die in einer Zukunft über eine Armee von Kindersoldaten regiert.“
„Arsch“, sagt Dirk. „Wenigstens hab ich den Chef nicht abgeknutscht.“
Nicht wieder die Leier.
Ralf teilt die Menge, als wäre sie das Rote Meer, und bahnt sich langsam einen Weg zu uns, er hält eine Hand über den Kopf, so als balanciere er ein heißes Getränk. Ralf ist der absolute Meister, was Menschenmengen angeht. Er sagt, er habe da jeden Trick drauf, den man sich nur vorstellen könne, irgendwie löse es in den Menschen einen uralten Instinkt aus, wenn man so tue, als halte man eine brühend heiße Flüssigkeit nach oben. Wenn er das früher gewusst hätte, hätte man sich viele blaue Flecken erspart. Auch dem Chef. Niemand widerspricht Ralf.
„Ich hatte so ein gutes Gefühl“, sagt er.
„Hier?“, frag ich. „Es sind vielleicht vierhundert Leute da.“
Ralf winkt ab. „Lennon wurde auch ohne Publikum erschossen“, sagt er. „Libanon kann ja jeder, das ist wie schummeln.“ Ralf überspringt gerne zwei Gedanken. Vielleicht liegt das an der vielen Musik oder er führt in seinem Kopf ein Interview mit dieser rothaarigen Studentin, seiner Muse.
„Ich weiß genau, was du jetzt denkst“, sagt Dirk, der noch immer die Hände um die Brust verschlossen hat. „Du brauchst endlich ein Ziel.“
„Das wird’s sein“, sag ich. „Komm, wir verschwinden hier.“
„Es wär so viel leichter, wenn ich eine Frau wäre“, sagt Dirk. „Schon mal von einer männlichen Muse gehört?“
„Einem Muserich?“, frage ich.
Dirk macht ein fletschendes Geräusch mit den Zähnen. Wir folgen Ralf, dem besten Menschenpflug aller Zeiten.
„Dirklinde Crichton“, sagt Dirk.
„Du könntest schwul werden“, sage ich.
„Hey“, Ralf dreht sich zu uns um, ich stoße mit dem Kopf gegen seine Brust. „Lass das. Mir hilft auch keiner.“

Wir hängen an einem Tresen und der Geschmack des Versagens hat sich in den Mündern der anderen beiden eingenistet.
„Nine Eleven“, sagt Ralf traurig.
„Oh Mann, nicht das wieder”, sagt Dirk.
„Los Angeles, ich war so dicht dran.“
Ich leg ihm eine Hand um die Schulter und sage: „Bitte, wir haben das schon sehr oft gehört.“
„Chicago, Washington, Los Angeles, New York. Ich hatte es auf vier Städte runtergebrochen. Aber Nein, wir mussten ja auf den da hören!“, murrt er und zeigt mit einem Finger auf Dirk.
„Ich dachte, die Idee zieht“, sagt Dirk.
„Die Riesenkrabbe? Du hast einfach kein Talent. Irgendeiner muss dir das mal sagen: Du hast einfach kein Talent.“
Dirk, der Ralf an einem guten Tag knapp bis zum Bauchnabel reicht, nun auf dem Barhocker aber zumindest Schulterhöhe erreicht, starrt ihn an.
„In zweitausend Jahren“, sagt Ralf. „In zweitausend Jahren hattest du nicht eine einzige, halbwegs vernünftige Idee! Sogar ein Schimpanse hätte in der Zeit wenigstens einen kleinen Erfolg gehabt. So was wie Phantom-Kommando, das hätte dir doch wirklich mal einfallen können. Unbreakable! Na! Unbreakable! Das ist doch mein Leben!“
„Diffundiert!“, sagt Dirk und zieht die Hände wie eine Quetschkommode auseinander. „Es ist einfach wegdiffundiert!“
Ralf stürzt seinen Drink runter, eine goldbraune Flüssigkeit, Dirk tut es ihm Sekunden später nach, knallt das Glas aber zuerst auf den Tresen: „Und was ist mit dir? Was für ein Scheiß Elends-Tourist bist du eigentlich? Du kannst ja nicht mal einen Grippeausbruch vorhersagen, der da“, sagt er und zeigt auf mich, „sogar der hat damals gesagt: Bleib bei Bobby Kennedy, der Blitz schlägt immer zweimal ein.“
„Der Blitz schlägt immer zweimal ein“, äfft Ralf. „Das ist doch das Dämlichste, was je einer gesagt hat.“
„Du bist so oft mit nem Scheiß Flugzeug geflogen, da hätte aus Zufall mal eins abstürzen müssen, rein statistisch.“
„Früher“, sagt Ralf. „Die Beulenpest, wer stand da am Hafen von Konstantinopel? Die Wiedertäufer in Münster, wer saß da unterm Käfig? Wenn du mal ein gescheiter Maler gewesen wärst …“
„Jetzt fang nicht wieder damit an, ich hab doch gesagt, die Malerei ist einfach nicht mein Medium.“
„Und ich hab nur eine kleine Pechsträhne.“
„Eine Pechsträhne. Seit die Fotografie erfunden wurde, klar eine kleine, vorübergehende Pechsträhne …“ Dirk macht wieder die Quetschkommode, diesmal zieht er sie zusammen.
„Es fing alles mit Lincoln an. Im Theater, wer erschießt denn jemanden in einem Theater!“
So kann das noch den ganzen Abend gehen, denke ich.
„Vielleicht können wir ja noch mal mit ihm reden“, sage ich und zeige mit dem Kopf nach oben. „Die anderen haben ja auch alle gute Jobs bekommen. Petrus am Tor, und der Rest – man hört nur Gutes – Santiago de Compostela, die pilgern immer noch zu Thomas’ Grab und der war ja wirklich nicht der Hellste, – und ihr? Was macht ihr? Nee, du, Chef, lass mal, wir machen das schon. Lass uns einfach hier bleiben, wir suchen uns schon eine Beschäftigung. Na, vielen Dank!“
Dirk dreht seinen Kopf zu mir und flüstert: „Beschreib deinen Schmerz. Nagt er an dir? Diese Leere? Wie fühlt es sich an? Heiß? Kalt? Wie ein Brennen?“
Und Ralf legt mir eine seiner Pranken um die Schulter und sagt: „Weißt du, wenn da eine Wut in dir ist. Unterdrück sie nicht. Wir könnten zurück zu dem Konzert gehen und auf dem Weg vielleicht noch einen Fotoapparat kaufen und ein kleines, handliches –“
„Ich red grad mit ihm!“, sagt Dirk
Ich schaue an die Decke der Kneipe. „Versteht ihr nicht, das ist ein Fluch.“
Dirk schaut mich skeptisch an, Ralf murmelt „So ein Käse.“
„Stell dir mal vor, du wärst der einzige Überlebende nach einem Flugzeugabsturz. Meinst du, das würde keinem auffallen?“
„Details“, sagt Ralf.
„Und bei dir, wenn du der neue Lyrik-Star wirst.“
„Eine Frage der Zeit“, sagt Dirk und nippt an seinem Drink. „Nur eine Frage der Zeit.“
„Wird dann vielleicht irgendeiner mal schauen, was für ein Privatleben du so führst. Wo du zur Schule gegangen bist? Wie deine Vergangenheit genau aussieht?“
„Er arbeitet doch nicht mit Flüchen, Mann. Er ist Jesus und nicht Bibi Blocksberg.“
Ich massiere meine Nasenwurzel. „Ihr habt zwei Möglichkeiten. Entweder ihr glaubt mir und es ist ein Fluch oder ihr beiden seid seit zweitausend Jahren die größten Luschen der Menschheitsgeschichte.“
„Weißt du, was dein Problem ist?“, fragt Dirk.
„Ja“, sag ich. „Ich hab genau zwei.“
„Du brauchst einfach ein Ziel.“
„Such dir doch eine Beschäftigung“, meint Ralf. „Damals mit Bobby Kennedy, das war doch eine gute Idee, vielleicht bist du ja hellseherisch begabt.“
„Hey! Ich könnte darüber schreiben: Der Prophet des jüngsten Tages! Eine packende Geschichte über einen zweitausend Jahre alten Unsterblichen, der ziellos durch die Weltgeschichte irrt, ohne irgendeine Spur zu hinterlassen.“
Und Ralf ergänzt: „Ich könnte im Hintergrund mitspielen. Der Statist! Ich könnte in allen möglichen Filmen mitspielen. Jahrtausende lang und irgendwann würde eine rothaarige …“
„Wer redet denn hier überhaupt von einem Film?“
„Das bist du mir wirklich schuldig, du Gartenzwerg.“
„Seit zweitausend Jahren ziehst du mich runter, und ich soll dir irgendetwas schulden?“
Ich schaue erneut an die Decke der Kneipe. Es war ein Kuss, Chef. Vor zweitausend Jahren. Und du machst mich zum Schutzheiligen der hoffnungslosen Fälle.
„Oh schau, der feine Herr Judas hat wieder seine Identitätskrise.“
„Der braucht einfach eine Aufgabe“, meint Dirk.

 

Hallo Quinn!

Ich habe heute die Geschichte das zweite Mal gelesen, und schon während des Lesens wurde mir klar, dass der Dritte, also der Ich-Erzähler, Judas sein muss, wegen der „Knutscherei“ mit Jesus, noch bevor ich das geänderte Ende gesehen hab. ;)
Also da sind Apostel Numero 13 und 14, die die absoluten Versager, aber unsterblich sind, und Judas muss mit denen abhängen, als Strafe für seinen Verrat an Jesus? Die gehen zu einem Konzert von Subway to Sally und ansonsten passiert nicht viel ...

Es geht ja ein wenig auch um die Identitätsfrage, der eine hat sich entschieden, als Künstler groß zu werden, der andere als Adabei, der bei jeder Katastrophe gerne dabei wäre, wenn man so will, sind das die zwei stärksten Egoshooter, die man heutzutage hat: Entweder überragendes Können (in irgendeiner Kunst) oder Berühmtsein (indem man einfach in den Medien präsent ist).

Du hast hier natürlich wieder dieses Lebowski-Männerfreundschaftsding drinnen, die verhalten sich so wie ganz normale, männliche Versager, die sich vor ihren Freunden rechtfertigen, sich immer ein bisschen miteinander streiten, sich aber natürlich doch gern haben. Ich weiß, das ist auch der Witz und die Würze der Geschichte dabei: Aus diesen apokryphen, aber doch irgendwie biblischen Gestalten ganz normale Männer zu machen.

Aber ich nehm dir die einfach nicht ab: Wenn man 2000 Jahre gelebt hat, ist man bestimmt nicht mehr wie ein normaler Mann, das ist mir zu seicht gelöst, das hätte für meinen Geschmack mehr in ihrem Verhalten rauskommen müssen und zwar nicht nur auf der faktischen Ebene.

Dirk dreht seinen Kopf zu mir und flüstert: „Beschreib deinen Schmerz. Nagt er an dir? Diese Leere? Wie fühlt es sich an? Heiß? Kalt? Wie ein Brennen?“
Und Ralf legt mir eine seiner Pranken um die Schulter und sagt: „Weißt du, wenn da eine Wut in dir ist. Unterdrück sie nicht. Wir könnten zurück zu dem Konzert gehen und auf dem Weg vielleicht noch einen Fotoapparat kaufen und ein kleines, handliches –“

Die wollen beide was sein, also Ralf und Dirk, es geht ihnen um ihre Identität. Aber sie fühlen nichts, sie neiden vielleicht Judas sogar seine Schuld, die er auf sich geladen hat und seine Trauer darüber, weil sich daraus eine Aufgabe ergibt für, er muss damit fertig werden.
Aber was für eine Identität kann jemand entwickeln, wenn er unsterblich ist, das ist ja die interessante Frage im Text, für mich jedenfalls. Wenn ich unsterblich bin, brauch ich mich letzten Endes nicht wirklich bemühen, ich kann alles machen oder auch nichts. Das heißt: Wenn man unsterblich ist, bleibt nichts über, wofür es sich zu leben lohnt, weil das Leben sozusagen gratis ist, es ändert sich nie was, es gibt keine Konsequenzen, das ist der Fluch, von dem Judas spricht. Denn MORGEN kann ich noch immer WIRKLICH anfangen, ernsthaft an einem Sonett anfangen zu arbeiten oder ich hab MORGEN noch immer die Chance, eine wirklich coole Katastrophe mitzuerleben, heute muss es ja nicht mehr sein, wenn ich unendlich viel Zeit habe. ;) Unendlich leben heißt, sein Leben für nichts opfern können, oder das Leben nichts widmen, weil man es eh immer hat und alles immer wieder aufschieben kann. Diese Tragik spüre ich hier zu wenig, nach 2000 Jahren MUSS man einfach schon weiser sein und abgeklärter, als die hier sind, die sind zu banal.

Was das Verständnis der Geschichte betrifft: Ich hab bei deinen Geschichten oft das Gefühl, dass ich ein Labyrinth betrete, das mir jeden weiteren Überblick verwehrt. Und so werden meine Gedanken auch einmal hierhin und dorthin geschickt, und irgendwann kenn ich mich nicht mehr aus. So ging es mir jedenfalls beim erstmaligen Lesen, jetzt geht´s schon. ;) Aber ich weiß nicht, ob das der Sache dient, du willst damit vielleicht Unmittelbarkeit erreichen oder so, aber ich bin mir nicht sicher, ob du nicht viel mehr mit der an sich tollen Idee spielen könntest, wenn du den Leser von vorneherein als Mitspieler hast, ohne dass er sich mit einer Machete zuerst einmal einen Weg durchs Gewirr schlagen muss, ich weiß nicht, ob dann nicht viel mehr dabei rausschauen würde: Sowohl für den Autor als auch für den Leser. Denn dann könntest du endlich mal etwas mehr in die Tiefe gehen, von der man bei dir häufig nur ein fernes Signal wahrnimmt: Sie ist immer da, aber du tust alles, um es möglichst zu verbergen! ;)

Ich hab grad zuviel und zu starken Kaffee getrunken, deswegen das metaphernreiche Geschwafel! :D

„Das diffundiert“, sagt Dirk immer. Das sei so eine Art kosmischer Witz. Er denke sich die tollsten Dinger aus, Abfallprodukte, während seine Kreativität sich dem Sonett widmet, und die Ideen trieben dann wie Bordsteinschwalben durch die Nacht und ließen sich beim Erstbesten nieder, der ihnen ein warmes Plätzchen am Kamin zu bieten habe. „Diese Nutten“, sagt Dirk. „Diese verdammten Drecksnutten.“
Das ist toll und süß! :)


muss immer der erste sein
groß: der Erste
Diese Dudelsack spielende Emporkömmlinge
spielenden
von einander entfernt
zusammen: voneinander
und bahnt sich langsam zu uns
bahnt sich einen Weg zu uns
Ich leg ihm eine Hand um die Schulter und sage
Hand auf die Schulter
klar eine kleine vorübergehende Pechsträhne
Komma: kleine, vorübergehende
wer erschießt denn jemandem in einem Theater
jemanden
Meinst du das würde keinem auffallen
Komma: … du, das …
Der brauch einfach eine Aufgabe“, meint Dirk
braucht

Gruß und Kuss
Andrea

 

Moin,

hab ich gern gelesen. Das ziemlich wenig passiert, stört mich eigentlich nicht, weil ich auf Dialog-lastige Geschichten stehe. Diese sind ja meist eh nicht handlungsfördernd. Mag ich.

Achso nochmal wat Allgemeines: Für die meisten hier ist das wahrscheinlich nix dolles, aber ich finde es schwierig Dialoge mit mehr als zwei Personen zu schreiben. Und vorallem lesbar zu schreiben. Das fand ich hier gut umgesetzt.

:D Ich hab auch an Walter, Donny und den Dude denken müssen.

Tschüß
Freygut

 

Hier, das schenke ich dir:

Ralf teilt die Menge, als wäre sie das rote Meer,
das Rote Meer - weil Eigenname.
„Nine Eleven“, sagt Ralf traurig.
„Oh Mann, nicht das wieder”, sagt Dirk.
„Los Angeles, ich war so dicht dran.“
Hilfe! Ich komme nicht mit.
Hab aber eh das Gefühl, die Geschichte ist einfach ein Mix aus allen Sprüchen, die du mal bringen wolltest, schade um die Idee.

Du meintest ja bei der Orgasmus-Nummer, man dürfte ja nicht an jedem Thema "gottweißwie" rangehen - aber deine Rangehensweise kann ich einfach nicht ernst nehmen, sorry. Die Geschichten unterhalten mich, bei Andy lösen die vielleicht Gedankenrakete aus, bei mir nur Knallfrösche höhö.
Also ich bin der Meinung du musst ernster werden. :D Jedenfalls musst du deine Geschichten ernster nehmen, vielleicht jede Idee (und verdammt deine Ideen sind gut) so behandeln, wie sie es verdient haben, vielleicht mal so tun, als wär's die beste Idee der Welt - was weiß ich.

Du kannst ja nicht mal einen Grippeausbruch vorhersagen, der da“, sagt er und zeigt auf mich, „sogar der hat damals gesagt: Bleib bei Bobby Kennedy, der Blitz schlägt immer zweimal ein.“
„Der Blitz schlägt immer zweimal ein“, äfft Ralf. „Das ist doch das Dämlichste, was je einer gesagt hat.“
„Du bist so oft mit nem Scheiß Flugzeug geflogen, da hätte aus Zufall mal eins abstürzen müssen, rein statistisch.“
:D
Ich sag ja nicht, dass es schlecht ist, ist halt nur schade um die Grundidee.

Und das Lesen hat sich schon allein wegen Andys Kommentar gelohnt. :P

So, mehr fällt mir zu der Geschichte nicht ein, hat mich natürlich unterhalten, wobei ich paar mal nicht mitgekommen bin, manchmal wusste ich nicht mal wer da was sagt, die Figuren RAlf und Dirk ähneln sich zu sehr, finde ich.
Und Judas wird erst gegen Ende bisschen charakterisiert, für mich stimmt die Gewichtung nicht.
Schreib mal wieder eine Alltaggeschichte - ohne Pipifax. Oder Horror.

JoBlack

 

Hallo Andrea,

Ich habe heute die Geschichte das zweite Mal gelesen, und schon während des Lesens wurde mir klar, dass der Dritte, also der Ich-Erzähler, Judas sein muss, wegen der „Knutscherei“ mit Jesus, noch bevor ich das geänderte Ende gesehen hab.
Du wusstest vom ersten Mal lesen ja auch, dass es Apostel sind.

Also da sind Apostel Numero 13 und 14, die die absoluten Versager, aber unsterblich sind, und Judas muss mit denen abhängen, als Strafe für seinen Verrat an Jesus? Die gehen zu einem Konzert von Subway to Sally und ansonsten passiert nicht viel ...
Genau. ;) Und in den Gesprächen erfährt man halt ihre Geschichte.

Es geht ja ein wenig auch um die Identitätsfrage, der eine hat sich entschieden, als Künstler groß zu werden, der andere als Adabei, der bei jeder Katastrophe gerne dabei wäre, wenn man so will, sind das die zwei stärksten Egoshooter, die man heutzutage hat: Entweder überragendes Können (in irgendeiner Kunst) oder Berühmtsein (indem man einfach in den Medien präsent ist).
Ja, die beiden sind einfach hoffnungslose Fälle.

Du hast hier natürlich wieder dieses Lebowski-Männerfreundschaftsding drinnen, die verhalten sich so wie ganz normale, männliche Versager, die sich vor ihren Freunden rechtfertigen, sich immer ein bisschen miteinander streiten, sich aber natürlich doch gern haben. Ich weiß, das ist auch der Witz und die Würze der Geschichte dabei: Aus diesen apokryphen, aber doch irgendwie biblischen Gestalten ganz normale Männer zu machen.
Ja, genau. Es ist an der Geschichte nicht viel dran, ich fand die Idee interessant und komisch und wollte mal wieder so eine Geschichte schreiben.

Aber ich nehm dir die einfach nicht ab: Wenn man 2000 Jahre gelebt hat, ist man bestimmt nicht mehr wie ein normaler Mann, das ist mir zu seicht gelöst, das hätte für meinen Geschmack mehr in ihrem Verhalten rauskommen müssen und zwar nicht nur auf der faktischen Ebene.
Sie sind ja so hoffnungslose Fälle, dass es keine Bewegung gibt, das ist für mich auch das entscheidende Kriterium bei diesem Archetyp. Die kommen in 10 Jahren keinen Millimeter vorran, warum sollten sie sich dann in 2000 Jahren verändern? :)


Die wollen beide was sein, also Ralf und Dirk, es geht ihnen um ihre Identität. Aber sie fühlen nichts, sie neiden vielleicht Judas sogar seine Schuld, die er auf sich geladen hat und seine Trauer darüber, weil sich daraus eine Aufgabe ergibt für, er muss damit fertig werden.
Sie nehmen ja Judas gar nicht zur Kenntnis, seine Aufgabe, ihr Schutzpatron zu sein, zählt ja nicht. :)

Aber was für eine Identität kann jemand entwickeln, wenn er unsterblich ist, das ist ja die interessante Frage im Text, für mich jedenfalls. Wenn ich unsterblich bin, brauch ich mich letzten Endes nicht wirklich bemühen, ich kann alles machen oder auch nichts. Das heißt: Wenn man unsterblich ist, bleibt nichts über, wofür es sich zu leben lohnt, weil das Leben sozusagen gratis ist, es ändert sich nie was, es gibt keine Konsequenzen, das ist der Fluch, von dem Judas spricht. Denn MORGEN kann ich noch immer WIRKLICH anfangen, ernsthaft an einem Sonett anfangen zu arbeiten oder ich hab MORGEN noch immer die Chance, eine wirklich coole Katastrophe mitzuerleben, heute muss es ja nicht mehr sein, wenn ich unendlich viel Zeit habe. ;) Unendlich leben heißt, sein Leben für nichts opfern können, oder das Leben nichts widmen, weil man es eh immer hat und alles immer wieder aufschieben kann. Diese Tragik spüre ich hier zu wenig, nach 2000 Jahren MUSS man einfach schon weiser sein und abgeklärter, als die hier sind, die sind zu banal.
Das wären die gleichen Zutaten, aber ein anderes Gericht. Dieses "Die Unsterblichkeit hat Nachteile"-Motive beschäftigt mich seit uhm, ich irgendwann mit 8 mal ein Marvel-Comic gelesen habe, über einen unsterblichen Pharaoh dem furchtbar langweilig war und dem dann die Fantastischen Vier auf die Finger hauen mussten. Der ganze Aspekt spielt in der Geschichte allerdings kaum eine Rolle.

Was das Verständnis der Geschichte betrifft: Ich hab bei deinen Geschichten oft das Gefühl, dass ich ein Labyrinth betrete, das mir jeden weiteren Überblick verwehrt. Und so werden meine Gedanken auch einmal hierhin und dorthin geschickt, und irgendwann kenn ich mich nicht mehr aus. So ging es mir jedenfalls beim erstmaligen Lesen, jetzt geht´s schon. ;) Aber ich weiß nicht, ob das der Sache dient, du willst damit vielleicht Unmittelbarkeit erreichen oder so, aber ich bin mir nicht sicher, ob du nicht viel mehr mit der an sich tollen Idee spielen könntest, wenn du den Leser von vorneherein als Mitspieler hast, ohne dass er sich mit einer Machete zuerst einmal einen Weg durchs Gewirr schlagen muss, ich weiß nicht, ob dann nicht viel mehr dabei rausschauen würde: Sowohl für den Autor als auch für den Leser. Denn dann könntest du endlich mal etwas mehr in die Tiefe gehen, von der man bei dir häufig nur ein fernes Signal wahrnimmt: Sie ist immer da, aber du tust alles, um es möglichst zu verbergen!
Ja. Das tu ich sehr gern. :)
Also die Geschichten unterscheiden sich ja schon, das hier ist eine ganz banale Pointengeschichte mit viel dummem Rumgerede. Vielleicht erwartet man das nicht unbedingt, wenn man eine Geschichte von mir liest, aber es gibt sie eben auch.

Mir ging es in der Geschichte eigentlich nur um diese Idee, dass die größten Versager der Menschheitsgeschichte nicht durch das Ausmaß ihres Versagens auffallen, sondern nur durch die Länge und um mal zu untersuchen, wie Judas mit seiner Aufgabe, Schutzpatron der hoffnungslosen Fälle, so klar kommt. (Das ist er ja tatsächlich).

Deine Detailanmerkungen sind wie immer sehr hilfreich, ich arbeite sie später ein, danke dir für den Kommentar
Quinn

Hallo Freygut,

hab ich gern gelesen. Das ziemlich wenig passiert, stört mich eigentlich nicht, weil ich auf Dialog-lastige Geschichten stehe. Diese sind ja meist eh nicht handlungsfördernd. Mag ich.

Achso nochmal wat Allgemeines: Für die meisten hier ist das wahrscheinlich nix dolles, aber ich finde es schwierig Dialoge mit mehr als zwei Personen zu schreiben. Und vorallem lesbar zu schreiben. Das fand ich hier gut umgesetzt.

Ich hab auch an Walter, Donny und den Dude denken müssen.

Das freut mich, ist so das best case-Szenario, wie die Geschichte ankommen konnte.

Danke dir fürs Kommentieren
Quinn

Hallo Jo,

Also ich bin der Meinung du musst ernster werden. Jedenfalls musst du deine Geschichten ernster nehmen, vielleicht jede Idee (und verdammt deine Ideen sind gut) so behandeln, wie sie es verdient haben, vielleicht mal so tun, als wär's die beste Idee der Welt - was weiß ich.
Ja, ich hör ja ständig "Schreib mal wie deine Horror-Geschichten da mit dem Ich-Erzähler", "Schreib mal wie bei Hilft es, wenn es mir leid tut", "Schreib mal wie bei Freier Wille", "Schreib mal wie Wolfgang", "Schreib mal wie Schaflos". :) Das war so alles in den letzte paar Monaten, dass 5 Leute wollten, dass ich im Stil von 5 verschiedenen alten Geschichten schreibe (Und mein Liebling der letzten Saison ist immer noch nicht genügend gewürdigt worden!)
Aber es ist ja auch kein Wunschkonzert hier. :) Und ich hab natürlich auch keine Muse, weil mir die wegrennen oder kaputtgemacht werden.

Ich sag ja nicht, dass es schlecht ist, ist halt nur schade um die Grundidee.
Die Ideen werden ja nicht schlechter, weil sie verbraten werden. Ich könnte mich morgen hinsetzen und aus der Grundidee einen Roman machen. Die Idee wäre so frisch wie eh und je, nur weil hier mal eine Kurzgeschichte, die 200 Leute angeklickt haben (und vielleicht 20 gelesen haben), geschrieben wurde, ist die Idee ja nicht verbrannt. Ich hab wahrscheinlich wirklich so wenig Respekt vor den Ideen, weil ich die nicht so wahnsinnig hoch einschätze. Sie kommen und gehen, wichtig ist, was man draus macht, die Umsetzung.

Schreib mal wieder eine Alltaggeschichte - ohne Pipifax. Oder Horror.
Ja, hab ich umgehend erledigt - tatsächlich auch wegen dieses Kommentars.

Danke dir für den Kommentar
Quinn

 

Moin Quinn,

habe mich sehr gut unterhalten gefühlt! Die Geschichte ist witzig, knackig und vor allem gut geschrieben! Musst du was ändern? Nee, bloß nicht - hier kann man maximal verschlimmbessern.

Ein paar Kleinigkeiten habe ich dann aber doch noch in der Hinterhand:

Die Feuersteins waren ja schon lange vorbei und dann erst wieder Jurassic Park, von dieser schlechten Entschuldigung eines Zahnarztes, und dann wusste auf einmal jedes Kind, das eine Brille trug, wie man Triceratops schrieb und Pterodactylus.

Dank des Kommas hinter "Jurassic Park" saß ich lange vor dem Satz und dachte: "Häh, warum erst wieder ab dem Zeitpunkt, an dem welcher Zahnarzt was für eine schlechte Entschuldigung formuliert hat!?" Irgendwann ging mir auf, dass "von dieser schlechten Entschuldigung eines Zahnarztes" ein Synonym für "von Michael Crichton" sein soll. Dann ging es besser. Daher meine Frage: Muss das Komma sein?

...und die Ideen trieben dann wie Bordsteinschwalben durch die Nacht und ließen sich beim Erstbesten nieder, der ihnen ein warmes Plätzchen am Kamin zu bieten habe.

Boah, super Halbsatz!

Er sagt, er habe da jeden Trick drauf, den man sich nur vorstellen könne, irgendwie löse es in den Menschen einen uralten Instinkt aus, wenn man so tue, als halte man eine brühend heiße Flüssigkeit nach oben.

Kommt bei mir nicht an. Wie sieht denn jemand aus, der eine brühend heiße Flüssigkeit über dem Kopf(!) balanciert?

Chigaco, Washington, Los Angeles, New York.

Das muss natürlich Chicago heißen.

Bleib bei Bobby Kennedy, der Blitz schlägt immer zweimal ein.

Hahaha, der Satz ist auch super! Wie die ganze Geschichte eben, die Werbung für dich macht. Ich werde mich wohl mal bei Gelegenheit bei dir einlesen müssen...

 

Hallo Mugo,

schön, dass du eine Geschichte ausgräbst.

Ich sehe die hier mittlerweile wie Jo sie damals kritisiert hat. Ich denke, ein paar Sprüche sind schon gut, aber die Idee hätte eigentlich eher eine „ernste“ Herangehensweise erfordert, so ist das schon ein komisches, krude Ding.

Das mit dem Zahnarzt ist Michael Crichton, ja. Die drei in dem Text unterhalten sich ja auch seit 2000 Jahren permanent über dasselbe und gehen einander mittlerweile furchtbar auf den Geist.

Schön, so eine Geschichte mal wieder zu lesen … also ich weiß nicht, zu der hier hab ich irgendwie gar kein richtiges Gefühl, mit Humor ist es immer schwer, finde ich, denn entweder lacht der Leser oder er lacht nicht. Du hast gelacht - wunderbar. Das freut mich!

Danke dir für den Kommentar
Quinn

 

Hallo Quinn,
Gerade als ich dachte: "Komm zur Sache!" hast du das auch gemacht, also die Spanne zwischen Spannung und Langeweile genau richtig ausgereizt. Meine Lieblingsstelle:

Ralf teilt die Menge, als wäre sie das Rote Meer, und bahnt sich langsam einen Weg zu uns, er hält eine Hand über den Kopf, so als balanciere er ein heißes Getränk. Ralf ist der absolute Meister, was Menschenmengen angeht. Er sagt, er habe da jeden Trick drauf, den man sich nur vorstellen könne, irgendwie löse es in den Menschen einen uralten Instinkt aus, wenn man so tue, als halte man eine brühend heiße Flüssigkeit nach oben.
Gefällt mir!
LG Damaris

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom