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Drei Tage
Das Aroma meines morgendlichen Kaffees liegt mir in der Nase, als ein Tropfen eben jenes schwarzen Kaffees auf meinem kirschroten Filzuntersetzer landet.
Ich räume wie jeden Morgen eine Tasse in die Spüle, verlasse das Haus, steige in die Bahn, steige aus, nicke ein paar bekannten Gesichtern zu, gehe zur Arbeit, gehe in eine Bar, rede mit einer Frau, gehe mit ihr nach Hause.
Das kalte Feuer meiner Augen spiegelt sich in ihren, als sie den Reißverschluss ihres mintfarbenen Sommerkleides öffnet. Nach ein paar Gliedern bleibt er kurz, eigentlich unmerklich, stecken. Für einen Wimpernschlag klemmt der Reißverschluss. In diesem kurzen Moment spüre ich das pochende Blut, welches meinen Körper durchströmt und den Druck der Luft in meiner Lunge. „Zrr“, der Moment ist vorbei.
Tränen drängen sich in meinen Augen, als ihr Kleid fällt. Tränen, so klein, dass man sie nicht sieht und kaum spürt. Langsam huscht der leichte Stoff über ihre geringfügig schief stehenden Schultern, als sie ihre dunkelroten Lippen, welche im Kontrast zu ihrer hellen Haut unnatürlich wirken, zusammenpresst.
Ihr Kleid fällt immer noch und enthüllt ihre Hüften, sowie ihren Bauchnabel, welcher ungewöhnlich gewölbt ist. Nicht als würde er jeden Moment platzen, sondern wie eine Holzmurmel, mit der schon seit Jahren gespielt wird. Eine fleischerne Holzkugel, umgeben von makelloser, heller Haut, welche sich um wohlgeformte, wenn auch an den Seiten leicht hängenden Hüften, schmiegt.
Das Kleid verliert seine leuchtende Farbe, als es still und heimlich auf den dunklen Holzboden meines Zimmers kracht.
Auf meiner Bettdecke sind Abdrücke ihres Körpers zu sehen, als ich den letzten Schluck meines schwarzen Kaffees am nächsten Morgen trinke. Ich stelle wieder eine Tasse in die Spüle, gehe zur Arbeit, gehe in eine Bar, bringe eine Frau nach Hause. Ich ziehe ihr das T-Shirt schwungvoll aus und merke dabei, wie sich ein paar ihrer viel zu langen, blonden Haare dabei verknoten. Sie scheint es auch zu merken, denn ihr ihre Augen suchen meine. Doch ich schaue auf ihren Mund, der sich gerade minimal geöffnet hat, sodass ihre Lippen immer noch zusammenkleben, lediglich von einer dünnen Schicht Speichel getrennt. Als sie mich nach vorne auf's Bett drückt spüre ich Baumwolle, so weich, dass sie gerade erst frisch gewaschen worden sein muss, zwischen meinen schwitzenden Fingern.
Ihr Ohrring glitzert in der Sonne, als ich die Tür hinter ihr schließe. Mit dem Geschmack meines schwarzen Kaffees im Mund stelle ich eine Tasse in die Spüle, gehe zur Arbeit, bringe eine Frau nach Hause. Als sie den ersten Knopf ihre Bluse aufknüpft, schießt mir das Blut in die Beine, Schweiß strömt über meine Stirn, die Luft steht, eine Lampe flackert in meinem peripheren Sichtfeld. Als sie den zweiten Knopf aufmacht und sich ihre Bluse symmetrisch zu den Seiten wölbt stoße ich sie weg und renne ins Badezimmer. Alles ist bereit: ein volles Blister Ibuprofen, eine Rasierklinge und ein schwarzer Kaffee.
Am nächsten Tag sind noch blutrote Flecken auf dem Boden meines Badezimmers, als die Polizei einen jungen Mann und einen kalten, schwarzen Kaffee in meiner Badewanne findet. Er hatte das Haus seit drei Tagen nicht verlassen.