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Drei Staatsfeinde
In einem Land, in dem es kein Recht gab, wurden eines Tages drei Männer des Hochverrats bezichtigt und festgesetzt. Der General, der das Land regierte, wollte seinen Söhnen eine Lektion erteilen und ließ sie sich persönlich vorführen.
Der erste Verdächtige war ein berühmter und reicher Boxer. „Warum hast du gegen die geheime Regierung gearbeitet und versucht, Geheimnisse an das Volk zu verraten?“ herrschte ihn der General an. „Welche Geheimnisse? Ich weiß nicht, wovon sie sprechen. Ich kenne keine Geheime Regierung und würde niemals ihre Geheimnisse verraten!“, beteuerte der Boxer verzweifelt.
Der General ließ den zweiten Verdächtigen hereinführen. Dieser war ein berühmter Dichter, der für sein Eintreten gegen das geheime Rüstungsprogramm der Regierung bekannt war. Warum hast du gegen die geheime Regierung gearbeitet?“ donnerte der Präsident auch ihm entgegen. „Weil ich ihre schmutzigen Machenschaften durchschaut habe und dem Volk die Wahrheit berichten werde, und niemand kann mich davon abhalten.“ erwiderte der Dichter mit fester Stimme. Die anwesenden Beamten schüttelten den Kopf über soviel Dummheit.
Man führte den dritten Verdächtigen herein, einen Professor für Politikwissenschaft der Hauptstadtuniversität. „Was hast du dir dabei gedacht, deinen Studenten weismachen zu wollen, das Rüstungsprogramm der Regierung sei falsch?“ brüllte der General ihn an.
„Es tut mir leid“ flüsterte der Professor und zeigte ein Gesicht voller Reue. „Meine Absicht war nur, einige bescheidene Verbesserungsvorschläge anzubringen.“ „Das wird dich das Leben kosten“ schrie ihn der Richter an, „du hast dein Wissen leider den Falschen mitgeteilt“ „Ich sehe ein, dass ich mich nicht an die richtige Stelle gewandt habe“ stammelte der Professor. „Ich werde von nun an meine Fähigkeiten in den Dienst der Regierung stellen, um ihr zu helfen, das Rüstungsprogramm schnell voranzutreiben, falls es mir erlaubt sei“.
Nachdem man auch ihn hinausgeführt hatte, wandte der Tyrann sich an seine Söhne. „Nun“, begann er. „Ihr habt heute drei Männer gesehen, über die ich ein Urteil fällen soll. Ich hoffe, dass ihr aufmerksam wart und mir sagen könnt, welchen der Verdächtigen ich zum Tode verurteilen werde.“
Die Gehilfen überlegten nur kurz, dann riefen sie wie aus einem Munde „Den zweiten, den Dichter!“.
„Und wie kommt ihr gerade auf diesen?“ fragte der General seinen ältesten Sohn.
„Er ist der gefährlichste von allen“ erklärte der Sohn ohne zu Zögern. „Er hetzt das Volk gegen uns auf, und anstelle es abzustreiten, bekräftigt er auch noch, in Zukunft damit fortfahren zu wollen. Der Boxer hat erklärt, dass er kein Feind der Regierung ist, und der Professor hat seinen Fehler bereut. Wir können den Boxer freilassen und den Professor in unsere Dienste nehmen“, schloss er seine Rede. Die anderen nickten zustimmend.
„Deine Entscheidung ist falsch“. Der General schüttelte den Kopf. „Ich werde den Professor aus dem Weg räumen lassen. Es wird kein Boxer oder Dichter, sondern ein Mensch sein wie er, der diese Regierung zu Fall bringen wird.“ Und mit diesen Worten verließ er sein Dienstzimmer und ließ seine ratlosen Söhne zurück.