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Drei riesige Worte

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08.10.2008
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Drei riesige Worte

"Words are, [...], our most inexhaustable source of magic; capable of both inflicting injury and remedying it." Harry Potter and the Deathly Hallows: Part 2


Severina hatte sich durch einen tiefen, schwarzen Ozean treiben lassen, dessen Wogen sie nun wieder an die Oberfläche spülten. Das Laken unter ihr hatte sich mit Schweiß vollgesogen. Noch bevor sie die Augen öffnete, wusste sie, dass es regnete. Laut und in einem monotonen Rhythmus wurden die Tropfen vom Wind gegen das Fenster gepeitscht. Ihr Körper signalisierte ihr hart und unmissverständlich, dass es besser sei, im Bett liegen zu bleiben. Doch im Grunde gab es für sie nichts besseres, als an diesem Samstag aus dem nassen Bett zu steigen, draußen durch den Regen zu rennen und an ihre körperlichen Grenzen zu gelangen. Denn nur dann würde sie abends wieder erschöpft in ihr Bett fallen können. So geschwächt, dass ihr Körper dem Hirn nicht mehr genug Kraft überließ, um allzu intensiv über ihre Situation nachzudenken. Hastig streifte sie ihr Nachthemd ab und hängte es zum Trocknen über eine Stuhllehne. Sie warf einen flüchtigen Blick auf die Medikamentenschachteln im Papierkorb. Dann wrang sie ihre Haare über dem Waschbecken aus. Irgendwo krähte ein Hahn. Wenn sie sich beeilte, konnte sie noch pünktlich sein.

Als sie mühsam keuchend auf dem rostigen Rad um die Ecke bog, standen bereits sieben große, neue Autos auf dem Parkplatz des Waldkindergartens. Die Eltern der Kinder wurden hin und wieder gebeten, am Wochenende bei Reparaturen oder der Pflege des Gemüsegartens mit anzupacken. Sie fuhren an diesen Helferwochenenden mit ihrem Mercedes aus der Stadt vor, um sich dann auf dem Schrebergartengelände des privaten Kindergartens im Schlamm zu tummeln und ihre soziale Ader zu demonstrieren. „Man muss ja auch an die Ökologie denken“, äffte sie die Eltern im Stillen nach und stieg vom Rad. Eine Zeit lang musste sie sich vornüber beugen und um Atem ringen. Dann fing sie sich wieder und öffnete das Gartentor. Die Hunde kamen ihr freudig entgegen. Kurz erinnerte sie sich daran, wie sie vor drei Monaten zum ersten Mal durch dieses Tor gegangen war., um sich hier als Praktikantin zu bewerben. Die Hunde hatten sie angeknurrt, so als könnten sie ihre Panik spüren. Damals fragte sie sich, ob sie ihr Geheimnis kannten.

„Guten Morgen, liebe Severina“, tönten ihr drei der Eltern entgegen, die gerade durch ein Salatbeet robbten und Unkraut jäteten.
Hastig nickte Severina und versuchte dabei, freundlich zu lächeln. Händeschütteln war eigentlich eine der wichtigsten Regeln hier im Kindergarten. Doch keiner machte Anstalten, ihr die Hand zu geben. Also schritt sie weiter zum Traktor und drehte den Zündschlüssel um. In ihrer Kindheit hatte sie das schon tausende Male getan. Genau deshalb war auch ihre Therapeutin auf die Idee gekommen: „Du musst raus aus diesem Großstadtchaos. Auf dem Land kommst du sicher zur Ruhe.“
Zur Ruhe kommen war so ziemlich das Letzte, was Severina wollte. Schnell brachte sie den Hebel in die richtige Position und beobachtete, wie sich der automatische Holzspalter am Ende des Schleppers in Bewegung setzte. Geschickt sprang Severina vom Sitz und begann damit, immer wieder neues Holz zum Spaltblock zu tragen.

Jascha und Mina kamen in ihrer knallbunten Regenkleidung herbeigerannt und schauten gebannt, was Severina da mit dem Holz anstellte. Als sie sich zu ihnen umdrehte, kamen die beiden Kinder freudig näher und reichten ihr die Hand. „Guten Morgen“, riefen sie und grinsten breit. Dann blieben sie noch eine Zeit lang verlegen stehen und plantschten mit den Gummistiefeln in einer großen Pfütze. Schließlich trauten sie sich, zu fragen: „Dürfen wir mal auf dem Schlepper sitzen?“ Unwillkürlich musste Severina an sich selbst denken. Wie sie als kleines Mädchen bei der Heuernte dabei sein wollte. Wie sie sich stolz auf den Traktor ihres Vaters gesetzt und sich ganz erwachsen gefühlt hatte. Anfangs hatten diese Erinnerungen geschmerzt wie eine offene Wunde. Sie hatte die Kinder deshalb kühl behandelt und abwimmeln wollen. Doch Kinder hatten weder große Scheu noch Vorurteile. Sie hatten nicht locker gelassen und Severinas Herz erwärmt. Das hatte dazu beigetragen, dass sie sich nun fast wieder wie damals fühlte, als sie selbst ein kleines Kind war. Die Unbefangenheit der Kleinen half ihr, die Angst als ein dumpfes Gefühl tief in ihr Inneres zu verbannen. Sie hob zuerst Mina und dann Jascha auf den Schlepper und ließ sich von ihrem Lachen mitreißen. Hinter ihr ertönte ein weiteres, angenehm tief klingendes Glucksen. Es war einer der Väter. Der einzige, den Severina näher kannte. „Hallo Severina!“ Er drückte ihre Hand auf die selbe Weise, wie er es bei ihrer ersten Begegnung auch getan hatte. Wolf war an jenem Montag vor drei Monaten, als er seine Mina vom Kindergarten abholte und die neue Praktikantin mit gesenktem Kopf Laub rechen sah, direkt auf sie zugegangen und hatte ihre Hand sanft aber bestimmt festgehalten. Sie waren sich auf Anhieb sympathisch gewesen. Er trat nun sehr nahe an Severina heran, scheinbar um den Traktor genauer zu betrachten. Sie fühlte sich an jenen Abend erinnert, als er mit einer Flasche Wein und selbstgemachtem Gebäck vor ihrer Haustür gestanden hatte.

„Komm, lass uns irgendwo draußen picknicken!“, hatte er nur gesagt und gegrinst. Es war ein überraschend warmer Herbsttag gewesen, die letzten Strahlen der Sonne ergossen sich in einem satten Orange über die Wiesen und beschienen einen Teil von Wolfs Gesicht. Es roch noch einmal nach Sommer.
„Eigentlich passt es mir gerade nicht so sehr“, hatte sie damals gemurmelt, während sie von einem Fuß auf den anderen trat. Es würde ihr nie mehr passen.
„Oh... Entschuldige, es war ja auch nur eine Idee.“
In diesem Moment hatte Severina etwas in Wolfs Augen erahnt. Sie konnte nicht ausmachen, ob es an den Lichtverhältnissen lag, oder ob seine Gesichtszüge ihr etwas normalerweise tief verborgenes offenbarten. Sie fühlte sich ihm seltsam vertraut.
„Okay, lass uns gehen“, hatte sie gesagt. Sie setzten sich auf eine Wiese und beobachteten schweigend ein am Waldrand grasendes Reh. Plötzlich schreckte es auf und hetzte davon.
„Trinkst du Rotwein?“, fragte Wolf. Severina nickte. Sie genossen den fruchtigen Geschmack auf der Zunge, während die Sonne langsam hinterm Horizont verschwand.
„Mina hat mich mal gefragt, warum die Sonne immer wieder den Weg zu uns zurück findet“, erzählte Wolf.
„Das frage ich mich auch manchmal“, gab Severina zu. Sie mussten beide lachen. Ihre Blicke kreuzten sich. Für einen Augenblick blieben sie aneinander hängen.
„Minas Mutter hat gesagt, die Sonne wird uns immer finden. Sie orientiert sich am Schlag unserer Herzen.“, sagte Wolf. Seine Stimme klang seltsam gedämpft. Severina erkannte seinen Schmerz. Ihre Hand bewegte sich in seine Richtung.
„Sie ist... Sie hat... Sie hat mich von den Drogen weggebracht. Es war ein schrecklicher Kampf. Aber ich wusste, sie würde warten. Wenn ich stark bin, wenn ich es schaffe, dann bleiben wir für immer zusammen. Wie in einem Hollywoodfilm. Ich war mir sicher.“ Es wirkte, als wolle Wolf das Karomuster der Picknickdecke studieren. „Sie ist tot. Rettet mich vor der Drogensucht und dann wird sie gelbsüchtig. Ausgerechnet gelb“, sein Lachen klang nicht fröhlich. „Nur für meine Mina bleibe ich clean.“
Dann blieben sie beide stumm. Severina kam ihr eigener Atem unglaublich hohl und laut vor. Sie blickte in die Dämmerung und kniff die Augen zusammen. Dabei versuchte sie, den Punkt auszumachen, an dem zuvor das Reh gegrast hatte. „Das mit den Drogen... Ich weiß, wie es dir ging.“ Ihre Stimme bebte und war kaum hörbar. Fast wurde sie vom Zirpen der Grillen übertönt. Die ersten kühlen Tage des Herbstes hatten den Insekten noch nichts anhaben können.
Eine Ewigkeit blickten Mina und Wolf in Richtung Wald und bewegten sich nicht. Dann legte Wolf seine Handfläche vorsichtig in die Severinas. Sie schaute auf. In der Dunkelheit wirkten ihre Augen tiefschwarz. Wolfs Hand streichelte ihren Unterarm, während er langsam näher zu ihr rückte. Sein Kopf neigte sich. Er legte seine Lippen sanft auf ihre. Severinas Herz schien zu zerspringen. Alles um sie herum begann, sich zu drehen. Sie konnte diesen kurzen Moment genießen. Um dann einem plötzlichen Impuls folgend zurückzuzucken.

Nun standen sie sich hier im strömenden Regen gegenüber. „Ich habe noch deine Tupperdose. Willst du vielleicht mal wieder vorbeikommen?“, fragte sie ihn jetzt.
Er runzelte die Stirn. Dann schüttelte er den Kopf, so als wolle er eine lästige Erinnerung fortschicken. „Das ist nicht wichtig, ich habe mehrere davon“, sagte er hastig und trat schnell einen großen Schritt zurück.
„Wolf, ich...“, ein Teil von Severina wollte es herauschreien, wollte es ihm sagen.
„Mina, komm wir müssen los“, rief Wolf, packte seine verdutzte Tochter und ging mit ihr zu seinem Mercedes.

„Warum musste Mina schon gehen?“ Jascha verstand die Welt nicht mehr.
Auch Severinas mühsam aufgerichtete Normalität bekam tiefe Kratzer. Ihr wurde seltsam heiß und ihr Mund fühlte sich ganz trocken an. „Ihr Papa musste halt los“, sagte sie unwirsch und hob Jascha unter dessen heftigem Protest wieder vom Traktor. Dann begann sie hastig damit, große Holzbrocken unter den Spaltblock zu hieven.

Wolf fühlte sich, als habe er vergessen, wie man atmet. Dieses Gefühl hatte mit Severina zu tun, das wusste er. „Eigentlich sollte ich umdrehen“, dachte er bei sich. Zurückfahren und sie einfach ganz fest halten.
„Papa, fahr doch nicht so schnell!“ rief Mina vom Rücksitz.

Es war, als sei ein stummer Startschuss abgegeben worden. Jascha rutschte auf dem Matsch aus und erschrak. Severina hörte ihn schreien. Sie schaute nicht, was ihre Hände taten. Nur wenige Kilometer entfernt drehte Wolf sich am Steuer zu Mina um. Sein Auto kam von der nassen Fahrbahn ab und prallte frontal auf einen Baum.

Die Eltern sahen von ihrem Gemüsebeet auf und rannten zum Schlepper. Dort saß die schreiende Severina. Der Spaltblock hatte ihren Arm an der Hauptschlagader getroffen. Alles war voller Blut. Jetzt konnte sie nicht anders, als die Worte hinaus zu schreien. Fühlte sich gezwungen zu sagen, was sie die ganze Zeit hatte verdrängen wollen. Was zu schrecklich war, um wirklich zu sein. Die Eltern starrten sie mit offenem Mund an. Alles schien für eine Ewigkeit eingefroren. Um dann plötzlich rasend schnell über sie hereinzubrechen.
Eine Mutter, die zur Hilfe geeilt war, wich erschrocken zurück und blickte auf das Blut an ihren Händen. Sie begann zu kreischen. Ihr Mann kam herbei, wollte sie festhalten. Doch dann verstand er, schrie nur: „Es hat nichts zu bedeuten!“ und reichte ihr mit spitzen Fingern ein Taschentuch.
„Das ist ja unerhört. Sowas in unserem Kindergarten“, brüllte irgendwer.
Immer mehr Blut schoss aus Severinas Adern. In ihren Ohren brausten die Wellen des Ozeans. Die Gesichter der Eltern konnte sie kaum noch erkennen.
„Mensch, ruft einen Krankenwagen“, rief jemand.
„Warum helft ihr denn nicht?“, fragte ein verschrecktes Mädchen.
„Bringt doch die Kinder hier weg“, sagte einer.
„Hilfe!“, schrie die Frau mit dem Blut an den Händen und ließ das Taschentuch achtlos auf den Boden fallen. Es wurde vom Regen fortgespült.

Irgendjemand rief irgendwann einen Krankenwagen. Er sagte nicht viel. Etwas von Kindern. Von Blut und Gefahr. Einem Unfall. An einer Landstraße. Bei einem Schrebergarten. Der Rettungsdienst dachte, es handle sich um den Autounfall, der bereits von einem kleinen Mädchen namens Mina gemeldet worden war.

„Du hast sie doch angefasst! Dann ist es schon egal, also hilf ihr doch“, sagte jemand zu der Mutter, die sich endlich das Blut von den Händen wusch. Severinas Arm zuckte. Die Kinder schrien und weinten. Nach ewigem Warten riefen die Eltern den Rettungsdienst ein zweites Mal. Als schließlich der Notarzt eintraf, war es zu spät. Jascha murmelte noch wochenlang die letzten Worte seiner großen Freundin vor sich hin, deren Bedeutung er doch nicht erfassen konnte: „Ich habe AIDS!“

 
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Hallo Eine wie Alaska,

woher kommt dein Nick, was hat er für eine Bedeutung? Ungewöhnlich, aber interressant und schön.

Eine sehr gute Geschichte, hat mich mitgenommen und berührt. Ich muß aber zugeben, am Ende hatte ich einmal den Faden verloren und musste manche Sätze mehrfach lesen, bevor ich den Sinn erfasste. Da sind vielleicht ein paar logische oder zeitliche Sprünge drin, die man evtl. klarer herausarbeiten könnte. Ich komme später drauf zurück.

Nur wenige kleine Fehler:

Anfangs hatten diese Erinnerungen geschmerzt wie wie eine offene Wunde
ein wie zuviel

als jugendlicher abgerutscht
als Jugendlicher abgerutscht

zurück zu zucken

zurückzuzucken?? Ich bin mir nicht sicher, ist wohl eine Regel der neuen RS? Liest sich aber komisch auseinander geschrieben.

Es war, als sei von irgendwoher ein stummer Startschuss abgegeben worden
Das ist ein guter Satz, der das fatale Ende sehr gut einleitet. Man weiß jetzt passiert irgendwas. Das ist eine sehr gute Einleitung für den Showdown.

Jetzt konnte sie nicht anders, als zu schreien, was sie die ganze Zeit hatte verdrängen wollen. Was zu schrecklich war, um wirklich zu sein. Die Eltern starrten sie mit offenem Mund an. Alles schien für eine Ewigkeit eingefroren. Um dann plötzlich rasend schnell über sie hereinzubrechen. Eine Mutter, die zur Hilfe geeilt war, wich erschrocken zurück und blickte auf das Blut an ihren Händen. Sie begann zu kreischen. Ihr Mann kam herbei, wollte sie festhalten. Doch dann verstand er, schrie nur: „Es hat nichts zu bedeuten!“
Hier hatte ich das Verständnisproblem. Erst nach dem letzten Satz der Geschichte habe ich verstanden, dass sie offensichtlich hier schon ihre AIDS-Infektion herausschreit. Ansonsten hätte ich die Rektion der Mutter, den Satz des Mannes „Es hat nichts zu bedeuten!“ und die weiteren Reaktionen nicht verstanden. Aber nach zweimaligem Lesen hab ichs kapiert. :D

Irgendjemand rief irgendwann einen Krankenwagen

Irgendjemand :D hat mal in einer meiner Geschichten die gehäufte Verwendung von irgendwas, irgendwem,irgendjemand, etc. bemängelt. Ich habe da eigentlich kein Problem damit, hier taucht irgend... allerdings gleich zweimal in einem Satz auf. Das kann natürlich ein Stilmittel sein, wie gesagt mich persönlich stört es weniger, aber versuch mal testweise eine andere Formulierung.

Die Geschichte ist sehr gut und anschaulich geschrieben, die Charaktere sind gut gezeichnet, die Dialoge stimmig. Wenn man das Ende liest, versteht man auch den Titel. Leider sind ja die Leute immer noch sehr uninformiert über HIV/AIDS. Aber im Prinzip ist die tragische Reaktion der Eltern, das zu lange Warten gut beschrieben und (leider) nachvollziehbar.

Sehr gern gelesen

Fred

 

Hallo ihr,

da seid ihr ja meinem Nick auf die Schliche gekommen ;) "Eine wie Alaska" ist genau genommen sowohl der Buchtitel als auch ein wichtiger Charakter des Buches. Ihr Spitzname ist Alaska, weil sie so wechselhaft wie Alaska ist (mal ganz heiß - mal ganz kalt) :) Also ist sie eben "Eine wie Alaska" . Ein wunderschönes Buch!

Fred, Vielen Dank für die Fehlerchen, habe sie sofort korrigiert. "Zurückzuzucken" kannte mein liebes openoffice nicht und kam mir dann aber auch komisch vor. Aber "zurück zu zucken" selbstverständlich auch.. :D

Irgendjemand hat mal in einer meiner Geschichten die gehäufte Verwendung von irgendwas, irgendwem,irgendjemand, etc. bemängelt
Ja, hier ist es tatsächlich als Stilmittel gedacht und ich werde es erstmal beibehalten. Mal ne Nacht drüber schlafen. Es geht darum, dass es hier an Bedeutung verliert, wer etwas tut und wann es geschieht, weil es einfach offensichtlich feige und zu spät ist und deshalb eben "irgendwer irgendwann" tut... nunja du könntest recht haben, dass manchen so eine Formulierung ein Dorn im Auge ist ;)

Hier hatte ich das Verständnisproblem. Erst nach dem letzten Satz der Geschichte habe ich verstanden, dass sie offensichtlich hier schon ihre AIDS-Infektion herausschreit. Ansonsten hätte ich die Rektion der Mutter, den Satz des Mannes „Es hat nichts zu bedeuten!“ und die weiteren Reaktionen nicht verstanden.
Das war irgendwie auch Sinn der Sache... ich wollte so einen vollkommenen "Häää?"-Effekt einbauen, der sich erst am Ende auflöst. Aber vielleicht verheddert sich der Leser dadurch wirklich zu sehr..?! Ich weiß es nicht ;) Habe in diese Geschichte viel Liebe reingesteckt und sie tausendmal versucht, neutral zu lesen. Was aber schlicht unmöglich ist, da ich das Ende nun mal kenne und weiß, was passieren wird :D Darum weiß ich nicht, ob diese Unwissenheit zu sehr irritiert. Mein Ziel war es, dass sich alle erstmal fragen: Was zur Hölle ist da passiert, dass die Eltern jetzt nicht einfach mal ihren Arsch bewegen und helfen! Und dann erst beim letzten Satz der Schock genauso wirkt, wie er auf die Eltern gewirkt haben muss.

Sehr gern gelesen
Das freut und ehrt mich :) Danke!

es grüßt euch ganz lieb, Eine wie Alaska

 

Hier hatte ich das Verständnisproblem. Erst nach dem letzten Satz der Geschichte habe ich verstanden, dass sie offensichtlich hier schon ihre AIDS-Infektion herausschreit.

habe grade nochmal über diesen Satz nachgedacht und versucht, dies deutlicher zu formulieren. Hilft es?

 

Beiträge, die nur den Nick kommentieren, habe ich entfernt. Bitte konzentriert euch auf den Text.

 
Zuletzt bearbeitet:

Danke Alex für deine Kritik :)

habe die Fehlerchen gleich mal korrigiert...

Mein Tipp/ Vorschlag: Überlege welche Personen und welcher Konflikt am wichtigsten ist und konzentriere dich dann auf genau diese Personen. Lass alles andere außen herum erstmal weg.
Z.Bsp.: Fokus auf die AIDS Thematik und die angedeutet Romanze zwischen Severina und Wolf. Bau die erste Begegnung und das Picknick aus. Beschreibe diese Stellen genauer. Erweitere den Dialog und der Personen. Auf der anderen Seite kannst du dir dann die Eheprobleme der Schminskys und die Überforderung von Severinas Chefin sparen.

Damit werde ich mich schwertun... irgendwie häng ich an diesen Persönchen mit ihrem Schicksal etc. Es ist ja beabsichtigt, deren Probleme auch darzustellen und alle mit reinzupacken - Was das zeigen soll? Jeder ist so mit seinen Dingen beschäftigt, dass er Severinas Probleme nicht bemerkt (Chefin), sie nicht annehmen will (Herr Schimsky) oder verletzt wird (Wolf). Die einzige, die von Severinas Problemen weiß (Frau Schimsky), wird vor lauter Sorge aus der (Fahr-)Bahn geworfen... ;) was wiederum damit zusammenhängt, dass ihr Mann ihr Vorwürfe macht.. und so weiter.

Werde versuchen, noch mehr Dialoge zu basteln... Das mit dem Ausdünnen wird hingegen ein schwerer Weg und ich weiß nicht, ob ich das schaffe :(

liebe Grüße, Eine wie Alaska

 

Wegen der besseren Lesbarkeit würde ich dir außerdem Empfehlen, nach abgeschlossener wörtlicher Rede einen Absatz zu setzen. Dadurch ist der Text strukturierter.
irgendwie bin ich grad zu doof, das zu verstehen ;) ..soll ich jedes Mal, wenn wer was gesagt hat, einen Absatz machen? Das ist doch auch irgendwie komisch, oder nicht?

 

Hallo Eine!

„Schimsky hier“-„Ach, du..“, Frau Schimsky konnte einen enttäuschten Seufzer nicht verbergen. „Heeeey, hier spricht immerhin dein treuer und lieber Ehemann“, er klang verletzt. Nach über zehn Jahren in ihrem Beruf und sieben Jahren Ehe hatte sie ein Gespür für die Emotionen, die sich hinter seiner Stimme verbargen. „Entschuldige. Lieb, dass du anrufst. Ich hatte nur gehofft, dass es Severina ist.“ Vom anderen Ende der Leitung kam ebenfalls ein Seufzer. „Das haben wir doch schon lange durchgekaut. Du hättest dieser Frau nicht deine Privatnummer geben dürfen, dann würdest du wenigstens nicht bei jedem Anruf mit ihr rechnen. Du hast ihr empfohlen, einen Job auf dem Land anzunehmen. Sie ist nun dorthin gezogen, es geht ihr sicher gut und nun meldet sie sich eben nicht mehr ständig bei ihrer Therapeutin. Wo liegt dein Problem? Erwartest du einen Dank von der Dame?“
Das kann so aussehen:

„Schimsky hier“
„Ach, du ...“ Frau Schimsky konnte einen enttäuschten Seufzer nicht verbergen.
„Hey, hier spricht immerhin dein treuer und lieber Ehemann.“ Er klang verletzt. Nach über zehn Jahren in ihrem Beruf und sieben Jahren Ehe hatte sie ein Gespür für die Emotionen, die sich hinter seiner Stimme verbargen.
„Entschuldige. Lieb, dass du anrufst. Ich hatte nur gehofft, dass es Severina ist.“
Vom anderen Ende der Leitung kam ebenfalls ein Seufzer. „Das haben wir doch schon lange durchgekaut. Du hättest dieser Frau nicht deine Privatnummer geben dürfen, dann würdest du wenigstens nicht bei jedem Anruf mit ihr rechnen. Du hast ihr empfohlen, einen Job auf dem Land anzunehmen. Sie ist nun dorthin gezogen, es geht ihr sicher gut und nun meldet sie sich eben nicht mehr ständig bei ihrer Therapeutin. Wo liegt dein Problem? Erwartest du einen Dank von der Dame?“

Usw. Bei Sprecherwechsel eine neue Zeile beginnen.

Vielleicht hast du auch bemerkt, dass ich deine Zeichensetzung etwas verändert habe, da deine "Redebegleitsätze" (in dem Text-Beispiel) keine solchen sind.

Lieben Gruß

Asterix

 
Zuletzt bearbeitet:

Vielen Dank Asterix! jetzt hab ichs gecheckt :)

Sooo ich konnte mich überwinden und habe nun in nur einer Nacht sowohl die gute Frau Schimsky mitsamt Mann als auch die Chefin und deren Mutter einfach gekillt :( Nunja, man muss wohl Opfer bringen ;) Ich hoffe es hat was gebracht.

Falls irgendwen noch die Version mit Schimsky und Chefin und dafür ohne romantisches Picknick interessieren sollte:

Alte Version:
Drei riesige Worte
"Words are, [...], our most inexhaustable source of magic; capable of both inflicting injury and remedying it." Harry Potter and the Deathly Hallows: Part 2


Severina hatte sich durch einen tiefen, schwarzen Ozean treiben lassen, dessen Wogen sie nun wieder an die Oberfläche spülten. Das Laken unter ihr hatte sich mit Schweiß vollgesogen. Noch bevor sie die Augen öffnete, wusste sie, dass es regnete. Laut und in einem monotonen Rhythmus wurden die Tropfen vom Wind gegen das Fenster gepeitscht. Ihr Körper signalisierte ihr hart und unmissverständlich, dass es besser sei, im Bett liegen zu bleiben. Doch im Grunde gab es für sie nichts besseres, als an diesem Samstag aus dem nassen Bett zu steigen, draußen durch den Regen zu rennen und an ihre körperlichen Grenzen zu gelangen. Denn nur dann würde sie abends wieder erschöpft in ihr Bett fallen können. So geschwächt, dass ihr Körper dem Hirn nicht mehr genug Kraft überließ, um allzu intensiv über ihre Situation nachzudenken. Hastig streifte sie ihr Nachthemd ab und hängte es zum Trocknen über eine Stuhllehne. Sie wrang ihre Haare über dem Waschbecken aus. Irgendwo krähte ein Hahn. Wenn sie sich beeilte, konnte sie noch pünktlich sein.

Als sie mühsam keuchend auf dem rostigen Rad um die Ecke bog, standen bereits sieben große, neue Autos auf dem Parkplatz des Waldkindergartens. Die Eltern der Kinder wurden hin und wieder gebeten, am Wochenende bei Reparaturen oder der Pflege des Gemüsegartens mit anzupacken. Sie fuhren an diesen Helferwochenenden mit ihrem Mercedes aus der Stadt vor, um sich dann auf dem Schrebergartengelände des privaten Kindergartens im Schlamm zu tummeln und ihre soziale Ader zu demonstrieren. „Man muss ja auch an die Ökologie denken“, äffte sie die Eltern im Stillen nach und stieg vom Rad. Eine Zeit lang musste sie sich vornüber beugen und um Atem ringen. Dann fing sie sich wieder und öffnete das Gartentor. Die Hunde kamen ihr freudig entgegen. Kurz erinnerte sie sich daran, wie sie vor drei Monaten zum ersten Mal durch dieses Tor gegangen war. Die Hunde hatten sie angeknurrt, so als könnten sie ihre Panik spüren. Inzwischen hatte Severina gelernt, dass sie sich hier eigentlich keine Sorgen um Ausreden machen musste. Sie war sehr spät dran, aber die Chefin war wie immer auf dem Sprung und hatte wenig Zeit für Fragen. Severina streckte ihr die Hand entgegen, das Handeschütteln war eine der wichtigsten Regeln hier im Kindergarten. Manchmal wirkte es so, als würde die Chefin selbst unter dieser von ihr eingeführten Regel leiden. „Es muss Holz gespalten werden! Ich muss meine Mutter zur Tagespflege fahren!“, rief sie gehetzt, legte ihre Handfläche gerade für den Bruchteil einer Sekunde in die Severinas und war schon wieder weg. Da sie neben der Leitung des Kindergartens noch ihre kranke Mutter bei sich daheim pflegte, war die Chefin einfach nur froh über die neue Praktikantin, die so fleißig mit anpackte und sich auch über Wochenendarbeit nie beschwerte. Anfangs war Severina zwar auffallend distanziert gegenüber den Kindern gewesen, doch auch das hatte sich nach ein paar Wochen gelegt.

„Guten Morgen, liebe Severina“, tönten ihr drei der Eltern entgegen, die gerade durch ein Salatbeet robbten und Unkraut jäteten. Hastig nickte Severina und versuchte dabei, freundlich zu lächeln. Keiner machte Anstalten, ihr die Hand zu geben. Also schritt sie weiter zum Traktor und drehte den Zündschlüssel um. In ihrer Kindheit hatte sie das schon tausende Male getan. Genau deshalb war auch Frau Schimsky auf die Idee gekommen: „Du musst raus aus diesem Großstadtchaos. Auf dem Land kommst du sicher zur Ruhe.“ Zur Ruhe kommen war so ziemlich das Letzte, was Severina wollte. Sie brachte den Hebel in die richtige Position und beobachtete, wie sich der automatische Holzspalter am Ende des Schleppers in Bewegung setze. Sie sprang vom Sitz und begann damit, immer wieder neues Holz zum Spaltblock zu tragen.

„Schimsky hier“- „Ach, du..“, Frau Schimsky konnte einen enttäuschten Seufzer nicht verbergen. „Heeeey, hier spricht immerhin dein treuer und lieber Ehemann“, er klang verletzt. Nach über zehn Jahren in ihrem Beruf und sieben Jahren Ehe hatte sie ein Gespür für die Emotionen, die sich hinter seiner Stimme verbargen. „Entschuldige. Lieb, dass du anrufst. Ich hatte nur gehofft, dass es Severina ist.“ Vom anderen Ende der Leitung kam ebenfalls ein Seufzer. „Das haben wir doch schon lange durchgekaut. Du hättest dieser Frau nicht deine Privatnummer geben dürfen, dann würdest du wenigstens nicht bei jedem Anruf mit ihr rechnen. Du hast ihr empfohlen, einen Job auf dem Land anzunehmen. Sie ist nun dorthin gezogen, es geht ihr sicher gut und nun meldet sie sich eben nicht mehr ständig bei ihrer Therapeutin. Wo liegt dein Problem? Erwartest du einen Dank von der Dame?“ Frau Schimsky hasste es, wie ihr Mann Severina als Dame bezeichnete. Sie musste ihre Emotionen zurückhalten und Verständnis für ihren Mann aufbringen. „Du kennst sie nicht. Du kannst nicht wissen, wie sie ist. Ich habe das Gefühl, dass sie davonrennen will. Was, wenn sie ihre Medikamente nicht mehr nimmt? Es ist klar, was dann passiert!“ Jetzt wurde ihre Stimme panisch. Das musste auch ihr Mann erkennen. Er versuchte, sich weiche Worte zurechtzulegen. Für die Frau, die er liebte. Doch stattdessen sprang nur ein Satz aus seiner Kehle. Zu verletzt war er durch die Tatsache, dass eine Patientin einen solch hohen Stellenwert im Leben seiner Frau einnehmen konnte. Die Worte purzelten im Stakkato durch die Telefonleitung: „Du bist einfach vollkommen unprofessionell!“ Frau Schimsky beobachtete durch das Fenster, wie der Regen in Sturzbächen die Straße hinunterlief.

Jascha und Mina kamen in ihrer knallbunten Regenkleidung herbeigerannt und schauten gebannt, was Severina da mit dem Holz anstellte. Als sie sich zu ihnen umdrehte, kamen die beiden Kinder freudig näher und reichten ihr die Hand. „Guten Morgen“, riefen sie und grinsten breit. Dann blieben sie noch eine Zeit lang verlegen stehen und plantschten mit den Gummistiefeln in einer großen Pfütze. Schließlich trauten sie sich, zu fragen: „Dürfen wir mal auf dem Schlepper sitzen?“ Unwillkürlich musste Severina an sich selbst denken. Wie sie als kleines Mädchen bei der Heuernte dabei sein wollte. Wie sie sich stolz auf den Traktor ihres Vaters gesetzt und sich ganz erwachsen gefühlt hatte. Anfangs hatten diese Erinnerungen geschmerzt wie eine offene Wunde. Sie hatte die Kinder deshalb kühl behandelt und abwimmeln wollen. Doch Kinder hatten weder große Scheu noch Vorurteile. Sie hatten nicht locker gelassen und Severinas Herz erwärmt. Das hatte dazu beigetragen, dass sie sich nun fast wieder wie damals fühlte, als sie selbst ein kleines Kind war. Die Unbefangenheit der Kleinen half ihr, die Angst als ein dumpfes Gefühl tief in ihr Inneres zu verbannen. Sie hob zuerst Mina und dann Jascha auf den Schlepper und ließ sich von ihrem Lachen mitreißen. Hinter ihr ertönte ein weiteres, angenehm tief klingendes Glucksen. Es war einer der Väter. Der einzige, den Severina näher kannte. „Hallo Severina!“ Er drückte ihre Hand auf die selbe Weise, wie er es bei ihrer ersten Begegnung auch getan hatte. Wolf war an jenem Montag vor drei Monaten, als er seine Mina vom Kindergarten abholte und die neue Praktikantin mit gesenktem Kopf Laub rechen sah, direkt auf sie zugegangen und hatte ihre Hand sanft aber bestimmt festgehalten. Sofort hatte große Sympathie zwischen den beiden bestanden. Intuitiv spürten beide, dass der Andere im Geheimen einen tiefen Schmerz mit sich herumtrug. Somit sahen sie einen Teil ihrer selbst im Gegenüber und fühlten sich einander seltsam vertraut. Wolf trat nun sehr nahe an Severina heran, scheinbar um den Traktor genauer zu betrachten. Sie fühlte sich an jenen Abend erinnert, als er mit einer Flasche Wein und selbstgemachtem Gebäck vor ihrer Haustür gestanden hatte. Er hatte sie überredet, draußen zu picknicken und ihr nach ein paar Gläsern Wein mit stockenden Worten ganz leise seine Geschichte erzählt. Er war als Jugendlicher abgerutscht und drogenabhängig geworden. Hätte er damals nicht seine Frau kennengelernt, würde er vermutlich nicht mehr leben. Er verliebte sich in sie und schaffte es nach einem langen, harten Kampf, clean zu werden. Schließlich heirateten sie und bekamen ein kleines Töchterchen. Aber das Leben ist kein Hollywood-Film. Seine Frau starb an Gelbsucht. „Sie rettet mich vor der Drogensucht und dann wird sie gelbsüchtig. Ausgerechnet gelb“, sein Lachen hatte nicht fröhlich geklungen. „Nur für meine Mina bleibe ich clean.“ Dann hatten sie eine Weile geschwiegen. Severina wusste, dass jetzt ihre Geschichte an der Reihe war. „Das mit den Drogen. Ich weiß, wie es dir ging“. Mehr schaffte sie nicht. Beide hatten erneut eine halbe Ewigkeit geschwiegen und dann hatte Wolf versucht, sie zu küssen. Einen kurzen Moment hatte sie es zugelassen, um dann einem plötzlichen Impuls folgend zurückzuzucken.

„Ich habe noch deine Tupperdose. Willst du vielleicht mal wieder vorbeikommen?“ fragte sie ihn jetzt. Er runzelte die Stirn. Dann schüttelte er den Kopf, so als wolle er eine lästige Erinnerung fortschicken. „Das ist nicht wichtig, ich habe mehrere davon“, sagte er hastig und trat schnell einen großen Schritt zurück. „Wolf, ich...“, ein Teil von Severina wollte es herauschreien, wollte es ihm sagen. „Mina, komm wir müssen los“, rief Wolf, packte seine verdutzte Tochter und ging mit ihr zu seinem Mercedes.

Frau Schimsky stand an einer roten Ampel. Nervös trommelte sie mit den Fingern aufs Lenkrad. „Eigentlich sollte ich umdrehen“, dachte sie bei sich. Es war mehr als unprofessionell und unüberlegt, einer Patientin, die offenkundig keinen Kontakt mehr wünschte, einfach hinterherzufahren. Doch schon wurde die Ampel grün und von einer großen Unruhe getrieben raste Frau Schimsky weiter in Richtung Landstraße.

„Warum musste Mina schon gehen?“ Jascha verstand die Welt nicht mehr. Auch Severinas mühsam aufgerichtete Normalität bekam tiefe Kratzer. Ihr wurde seltsam heiß und ihr Mund fühlte sich ganz trocken an. „Ihr Papa musste halt los“, sagte sie unwirsch und hob Jascha unter dessen heftigem Protest wieder vom Traktor. Dann begann sie hastig damit, große Holzbrocken unter den Spaltblock zu hieven.

Wolf fühlte sich, als habe er vergessen, wie man atmet. Dieses Gefühl hatte mit Severina zu tun, das wusste er. „Eigentlich sollte ich umdrehen“, dachte er bei sich. Zurückfahren und sie einfach ganz fest halten. „Papa, fahr doch nicht so schnell!“ rief Mina vom Rücksitz.

Schon wieder klingelte Frau Schimskys Handy. Wenn es Severina war? Einen kurzen Moment drehte sie ihren Kopf und überlegte, ob sie nicht abheben sollte.

Es war, als sei von irgendwoher ein stummer Startschuss abgegeben worden. Jascha rutschte auf dem Matsch aus und erschrak. Severina hörte ihn schreien. Sie schaute nicht, was ihre Hände taten. Nur wenige Kilometer entfernt drehte Wolf sich am Steuer zu Mina um. Sein Auto prallte frontal auf das von Frau Schimsky.

Die Eltern sahen von ihrem Gemüsebeet auf und rannten zum Schlepper. Dort saß Severina, der Spaltblock hatte ihren Arm an der Hauptschlagader getroffen. Jetzt konnte sie nicht anders, als die Worte hinaus zu schreien. Fühlte sich gezwungen zu sagen, was sie die ganze Zeit hatte verdrängen wollen. Was zu schrecklich war, um wirklich zu sein. Die Eltern starrten sie mit offenem Mund an. Alles schien für eine Ewigkeit eingefroren. Um dann plötzlich rasend schnell über sie hereinzubrechen. Eine Mutter, die zur Hilfe geeilt war, wich erschrocken zurück und blickte auf das Blut an ihren Händen. Sie begann zu kreischen. Ihr Mann kam herbei, wollte sie festhalten. Doch dann verstand er, schrie nur: „Es hat nichts zu bedeuten!“ und reichte ihr mit spitzen Fingern ein Taschentuch. „Das ist ja unerhört. Sowas in unserem Kindergarten“, kreischte irgendwer. „Mensch, ruft einen Krankenwagen“, rief jemand. „Bringt doch die Kinder hier weg“, sagte einer. „Hilfe!“, schrie die Frau mit dem Blut an den Händen und ließ das Taschentuch achtlos auf den Boden fallen. Irgendjemand rief irgendwann einen Krankenwagen. Er sagte nicht viel. Etwas von Kindern. Von Blut und Gefahr. Einem Unfall. An einer Landstraße. Bei einem Schrebergarten. Der Rettungsdienst dachte, es handle sich um den Autounfall, der bereits von einem kleinen Mädchen namens Mina gemeldet worden war.

„Du hast sie doch angefasst! Dann ist es schon egal, also hilf ihr doch“, sagte jemand zu der Mutter, die sich endlich das Blut von den Händen wusch. Nach ewigem Warten riefen die Eltern den Rettungsdienst ein zweites Mal. Als schließlich der Notarzt eintraf, war es zu spät. Jascha murmelte noch wochenlang die letzten Worte seiner großen Freundin vor sich hin, deren Bedeutung er doch nicht erfassen konnte: „Ich habe AIDS!“

liebe Grüße, Eine wie Alaska

 

Ahja:

für mich haben sich schon zwei Fragen ergeben:

„Okay, lass uns gehen“, hatte sie gesagt. Sie setzten sich auf eine Wiese und beobachteten schweigend ein am Waldrand grasendes Reh. Plötzlich schreckte es auf und hetzte davon.
„Trinkst du Rotwein?“, fragte Wolf.
offiziell müsste ich ja hier im Plusquamperfekt bleiben, was sich aber meiner Ansicht nach irgendwie mühsam liest. Ist es hier legitim, so zu "schummeln"?

„Ihr Papa musste halt los“, sagte sie unwirsch und hob Jascha unter dessen heftigem Protest wieder vom Traktor.

Dessen heftigem Protest? - kommt mir immer komischer vor, je öfter ich es lese...
Oder dessen heftigen Protest? Auch komisch ;)

 

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