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Draußen ist Flohmarkt

Seniors
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01.09.2005
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Draußen ist Flohmarkt

Das Aquarium interessierte niemanden. „Kein Wunder“, sagte Eule. Wer gehe auch zu einem Flohmarkt, um so etwas Großes und Teures anzuschaffen? Man schlendere mal rüber und nehme irgendwas mit, für einen Euro.

„Blöd nur, dass wir damit so viel Arbeit hatten“, sagte Oliver. „Hat ja kaum ins Auto gepasst.“
Eule zuckte die Schultern und drehte sich eine Zigarette. Hinter ihrem Stand lag bereits jetzt alles voller Stummel. Oliver rauchte seit Kurzem weniger. Neidisch sah er beim Drehen zu.

Das mit dem Aquarium, sagte Eule, das mache nichts. Da habe er schon mit gerechnet. Er leckte an der Klebefläche des Zigarettenpapiers.

„Und was machst du dann damit?“, fragte Oliver.
Eule zündete die Zigarette an.
„Wegschmeißen?“, schlug er vor.

Die Luft roch nach frühem Morgen und Eules Zigarette. Oliver rieb nervös die Fingerspitzen aneinander. „Darf ich mir eine drehen?“

Eule grinste. „Jetzt schon?“ Er sah auf sein Handy. „Ist gleich erst neun Uhr. Du hast gesagt, nicht mehr vor Nachmittag.“
„Der ist weit weg, wenn man um sechs aufsteht.“
Eule zog den Tabakbeutel aus der Tasche. Oliver versuchte, beim Griff danach nicht gierig zu wirken. Während er drehte, blickte er immer wieder hoch zum Aquarium.
„Wir hätten die Scheiben auch besser sauber machen sollen“, stellte er fest.
Eule stierte ziellos vor sich hin, mit diesen Glubschaugen, die ihm seinen Spitznamen eingebracht hatten. „Kann sein“, sagte er.
Oliver versuchte, sein Benzinfeuerzeug lässig aufschnappen zu lassen und ließ es dabei fallen. Fluchend hob er es wieder auf. Normalerweise kommentierte Eule solche Missgeschicke, aber heute sagte er nichts.

„Und wenn du mit dem Preis runtergehst?“
Eule schüttelte den Kopf.
„Hat fast 150 Euro gekostet. Dreißig ist es locker noch wert. Wenn ich die nicht kriege, schmeiße ich es weg.“
„Ebay?“
Wieder schüttelte Eule den Kopf, viel ungeduldiger als zuvor, wohl auch, weil sie schon über Ebay gesprochen hatten. „Zu stressig“, sagte er. „Mit dem ganzen Verschicken, das lohnt sich nicht. Und da kann es auch für einen Euro weggehen. Außerdem können die mich jetzt jederzeit in den Knast bestellen.“
Oliver dachte darüber nach. „Ja, da würdest du wohl eine miese Bewertung kriegen. Sobald ich in drei Jahren draußen bin, schicke ich es los, könntest du schreiben. Das glaubt dir doch kein Mensch.“
„Nee, das glaubt keiner.“

Oliver glaubte es selbst nicht, dabei hatte er in der Verhandlung auf der Zuschauerbank gesessen. Er fragte sich, ob Eule es glaubte.

Ein klappriger Typ in Jogginghose und Metallica-T-Shirt kaufte eine VHS-Kassette mit einem Endzeitfilm. Er zahlte zwar nicht den Euro, mit dem die Kassetten ausgezeichnet waren, aber immerhin fünfzig Cent. Fünf weitere Filme für einen Euro und fünfzig handelte er aus, Horror und Action. Für fünf Euro, sagte Eule, lege er richtig was drauf. Er holte einen der Pornos aus der Kiste unter dem Tisch hervor. Das Werk hieß Trächtige Milchkühe, aber der Kunde grinste nur unsicher und ging weiter.

Oliver sagte, dass er das nicht gedacht hätte, dass Eule noch welche von den Kassetten los wird. Da habe er Glück gehabt.
„Da ja, da habe ich Glück gehabt“, bestätigte Eule. „Auf dem Aquarium bleibe ich wohl hängen.“
„Die Pornos musst du auch wegschmeißen“, sagte Oliver. „Kein Mensch guckt mehr Pornos. Jedenfalls nicht so. Wenn du Titten sehen willst, gibst du es einfach bei Google ein.“
So ein richtig klassischer Porno auf Kassette sei was anderes, sagte Eule. Das verhalte sich wie Schallplatten zu MP3s.

Es wurde warm und Eule zog seinen Pullover aus. Wie er das aushielt, fragte Oliver sich, als sein Blick auf den tätowierten Unterarm fiel. Da war ihr Name drauf, in so einer verschnörkelten Schrift, als wäre sie eine Elbenprinzessin. Ihr Name auf diesem dünnen Arm.
„Kann ich mir noch eine drehen?“
Eule lachte.
„Du reduzierst ganz schön krass.“ Er äffte Olivers stolze Stimme nach an dem Abend, als er den Entschluss zum Reduzieren bekannt gegeben hatte: „Ich will es reduzieren.“
Oliver dachte an Knastfilme, in denen die Gefangenen Zigaretten als Währung benutzen. Eule lachte noch ein bisschen und gab schließlich den Tabak raus.

Ein Mädchen in einer schlabberigen Hose, die scheinbar aus lauter bunten Lappen zusammengenäht war, kaufte ein paar von Eules Techno-CDs. Sie steckte sie in ihren Rucksack und sah das Aquarium an.
„Und das verkaufst du auch?“, fragte sie.
Eule überlegte kurz.
„Vierzig Euro“, sagte er.
Sie rümpfte die Nase, so dass ihre große Brille vor ihrem Gesicht herumtanzte.
„Das ist zu teuer“, meinte sie und ging weiter.
Eule sah ihr hinterher. Er schlug Oliver mit dem Handrücken gegen die Brust. Oliver bekam Rauch in den falschen Eingang und begann, zu husten.
„Sorry“, sagte Eule. „Aber ich meine, was war das denn gerade? Was sollte die Frage? Wenn sie es wirklich hätte haben wollen, hätte sie wohl mindestens noch ein Angebot abgewartet.“
„Vierzig Euro ist echt zu teuer“, sagte Oliver und hüstelte ein letztes Mal. „Ich dachte, du wolltest dreißig haben, und das ist schon zu viel.“
Eule riss seine Eulenaugen weit auf und keifte, es sei noch mindestens fünfzig wert. Ein paar Leute drehten sich um, auch das Mädchen in der Lappenhose. Sie durchwühlte gerade am Nachbarstand mit den vergilbten Büchern eine Plastikkiste voller Groschenromane.
„Kannst du ruhig gucken, du blöde Schnalle“, flüsterte Eule.
„Bleib mal locker“, sagte Oliver. „Ich hab doch gesagt, du kannst es auch bei mir unterstellen.“
Eule tippte sich an die Stirn.
„Und dann hole ich es in drei Jahren wieder ab, oder was? Blödsinn, Alter. Alles kommt weg, bevor ich rein gehe. Vielleicht bin ich in drei Jahren tot. Das kann passieren drin. Nicht, dass ich es nicht verdient hätte.“
Olivers Herzschlag schien kurz auszusetzen.
„Ach, quatsch“, sagte er. „Du warst total zugedröhnt. Mit deiner Geschichte, mit dem Entzug und der Psychose. Dein Anwalt ist eine Flasche, sonst hätte er da viel mehr von gemacht.“
„Das interessiert kein Schwein drinnen“, sagte Eule. „Da bin ich Kinderficker, und dann machen sie mich kalt. Ist auch okay, ich habe es ja verdient.“

Er streichelte ihren Namen auf seinem Arm. Das ist so ein Hartz-IV-Ding, hatte Oliver zu ihm gesagt, als die Tätowierung neu gewesen war. Der Name deiner Blagen auf dem Unterarm. Da war er betrunken gewesen, aber Eule hatte ihn trotzdem rausgeschmissen.
Einen Monat lang kein Anruf, keine SMS, kein WhatsApp. Irgendwann war Oliver das Gras ausgegangen. Er hatte seinen Stolz hinuntergeschluckt und Eule angerufen. „Vertickst du eigentlich noch?“, hatte er gefragt, als hätten sie jahrelang nichts voneinander gehört.
„Klar“, hatte Eule gesagt. „Komm vorbei.“
Heike war damals schon mit Emily ausgezogen, aber seine Tochter war oft bei ihm gewesen, bis es passierte. Sie hatte jetzt ein neues Handy. Die Nummer hatten sie Eule nicht gegeben.
„Du hast sie doch gar nicht“, sagte Oliver. „Hast du doch gar nicht. Hast du selbst gesagt. Nur gestreichelt, und du warst ja total zu.“
„Mann, halt die Fresse.“ Eule spuckte auf den Boden voller Stummel. Eine alte Frau blieb stehen, um sich die übereinander gestapelten Teller mit dem Batman-Zeichen anzusehen. Sie schnaufte ungeduldig und huschte weiter an den Bücherstand.
„Juckt kein Schwein“, sagte Eule. „Ist auch richtig so. War einfach widerlich, was ich gemacht hab.“

Da war ein Junge in Jeans und Lederjacke und mit viel Gel in den Haaren. Er interessierte sich nicht für die Videos, nicht für die DVDs und auch nicht für die Teller. Stattdessen nahm er das Aquarium in Augenschein. Er beugte sich vor und studierte die Längs- und die Querseiten. Für die Seite, die nicht dem Markt zugewandt war, musste er hinter den Stand treten.
„Darf ich?“, fragte er.
„Klar“, sagte Eule.
Der Junge in der Lederjacke drückte sich an ihnen vorbei. Er beugte sich wieder vor und es sah aus, als wolle er das Aquarium umarmen. Nachdem er sich wieder gerade hingestellt hatte, betrachtete er nachdenklich den Abstand seiner Hände. Ein Nicken. Zurück vor dem Stand schob er die Lippen wie zum Kuss vor und zupfte an seinen Bartstoppeln.
„Was willst du dafür haben?“
Vierzig Euro, dachte Oliver. Fünfzig Euro, dreißig Euro, hundert Euro, und dann ist er weg, und das wird den ganzen Tag so weitergehen.
„Einen Euro“, sagte Eule. Eine erstaunte Nachfrage und Finger, die zum Ohr gingen wie die eines strengen Lehrers, wenn er sagt: Ich habe mich ja wohl verhört. Eule wiederholte den Preis. Der Käufer klatschte in die Hände und sagte: „Sauber, Alter, ich hole Leute zum Tragen helfen!“

Als er außer Hörweite war, fragte Oliver: „Und was war das?“
Eule zuckte die Schultern. „Scheiß doch drauf. Mitnehmen kann ich es eh nicht.“
„Konntest du doch vorher auch schon nicht.“
„Scheiß doch drauf.“
Vom Stand mit den vergilbten Büchern aus blitzte das Mädchen in der Lappenhose Eule böse an. Er hatte den neuen Preis laut und deutlich genannt und dabei zu ihr gesehen.
„Da guckt sie“, stellte er zufrieden fest. „Als hätte sie es haben wollen. Wollte sie eh nicht.“
„Jetzt ist es weg“, sagte Oliver.
„Ja“, sagte Eule. „Mehr wollte ich auch gar nicht.“

 

Hey Proof,

entweder hab ich gerade ein Brett vorm Kopf, oder mir ist die Geschichte viel zu kurz, dass ich ihr zutrauen würde, selbst von dir geschrieben, dem Thema irgendwie gerecht werden zu können. Also beiden Themen. Das ist für mich gerade schwierig, weil ich von dir viel erwarte, dann deinen Namen las und mich gefreut hab und mir auch der Stil gefiel und der Aufbau. Dann kam das Wort Kinderficker, ich hab die Augenbrauen hochgezogen, nach unten gescrollt und gedacht, nee, das kann nicht gut gehen auf die kurzstrecke. Also ich lese es nochmal, jetzt will ich Fussball gucken, aber beim ersten Lesen hab ich den Eindruck (genau so einen Kommentar hast du sicherlich auch erwartet, vielleicht nur nicht von mir) du hast dich verhoben. kann auch sein, dass ich was wesentliches übersehe, klar, aber da muss ich nochmal drüber nachdenken, was das alles soll

Peace

Lollek

 
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Lieber Proof,

für mich ist das eine gelungene Geschichte. Im Vordergrund eine recht banale Angelegenheit: Verkauf allerlei Hab und Guts und im Hintergrund, verstreut in ein paar ebenso banalen Sätzen, lauert das wahre Schicksal. Und während Eule bei mir jäh eine Sympathietreppe runterpoltert, frage ich mich, tja, warum, dumm gelaufen, selber schuld und mögen seine Knastbrüder ruhig wissen, dass er ein »Sittich« ist. Und wo ist die Frage dabei? Nun gut, fragen tue ich mich, warum mir der Eule so den Buckel runterrutscht und ich trotzdem am Ende der Geschichte das Gefühl habe, eine ergiebige Geschichte gelesen zu haben.

Am besten an dem Text finde ich, dass sein Autor die Chuzpe hat, derart kaltherzig lax ein Thema abzustreichen, das in den Medien gemeinhin auf eine Weise aufgebauscht wird, dass es Opfern sexuellen Missbrauchs fast peinlich wird.

Was mich aber auch beeindruckt, trotz meiner etwas selbstgerechten Laune gerade, ist, wie du Oliver gezeichnet hast. Er hält trotz allem zu seinem Freund, scheint vielleicht wertzuschätzen, dass er vor Gericht zumindest aufrichtig war und danach auch noch (wenn ich das jetzt richtig in den Text hineinlese). EDIT: Eine andere Lesart ist, dass ihm über seine Drogensucht jegliches Mitgefühl für die Tochter abgeht, aber irgendwas sagt mir, dass der Text so nicht ausgelegt ist, oder?

„Du hast sie doch gar nicht“, sagte Oliver. „Hast du doch gar nicht. Hast du selbst gesagt. Nur gestreichelt, und du warst ja total zu.“
Naja, was Angeklagte so sagen, wegen so einer Tat, vor Gericht wie vor Freunden, muss ja eben nicht der Wahrheit entsprechen, das weiß Oliver bestimmt. Außerdem wirkt dieser Satz etwas zusammenhanglos dadurch, dass er durch die Rückblende getrennt ist von dem früheren Satz, auf den er sich bezieht. Vielleicht würde ich das explizit wieder aufnehmen >> »Gefickt hast du sie doch gar nicht« ... – so fänd ichs klarer.

Aber trotz des Themas mag ich die Geschichte, eben weil du dem Leser seine Emotionen gegenüber Eule nicht vorbetest.

Danke fürs Lesenlassen,
-- floritiv

 

Grüß Dich,

für mich eine super Geschichte. Als Tag hättest du durchaus noch "Humor" angeben können, denn den beweist du hier auf jeden Fall. Schön, dass Eule sich ein wenig Genugtuung vor dem Einzug ins Gefängnis verschaffen konnte und sich auf herrlich provokante Art an dem Mädel rächen durfte. Auch, dass man nicht genau erfährt, was er angestellt hat, fesselte mich. Ich hatte immerzu die Hoffnung, dass im Gespräch doch noch die exakte Tat beschrieben wird. Mit dem Wort "Kinderficker" wird schließlich eine große Tür aufgemacht und als ich erfahren habe, dass er ja zum Glück doch keinen Sex mit einer Minderjährigen hatte, sondern dass es sich nur um eine Art Annäherungsversuch handelte, wollte ich endgültig wissen, wofür er denn jetzt die drei Jahre bekommt. Naja, am Ende enttäuscht du mich und behälst es für dich, was aber überhaupt nicht schlimm ist. Schließlich geht es in deiner Geschichte mehr um die momentane Gefühlswelt und den Dialog zwischen den zwei Freunden.

Einzig die Sache mit Heike und Emily hättest du weglassen können, denn das war jetzt für mich nicht wirklich von Bedeutung.

Oliver sagte, dass er das nicht gedacht hätte, dass Eule noch welche von den Kassetten los wird
Absicht? Finde die Dopplung unschön, auch wenn du damit wahrscheinlich Olivers Rede genauer treffen möchtest.

Ansonsten:

Oliver versuchte, sein Benzinfeuerzeug lässig aufschnappen zu lassen und ließ es dabei fallen.
Sehr schön. Musste doch ein wenig lachen.

Das Werk hieß Trächtige Milchkühe
Spitze! Einfach lustig der Name. Trifft die absurden Gedanken der Pornoindustrie doch ganz gut.

Das ist so ein Hartz-IV-Ding, hatte Oliver zu ihm gesagt
War auch mein erster Gedanke.

Die Geschichte ist nicht sonderlich lang, hat aber dazu geführt, dass mir Oliver und Eule recht sympathisch und lustig rüberkommen. Was genau Eule angestellt hat, will ich jetzt auch gar nicht mehr wissen. Hauptsache das scheiß Aquarium ist verkauft.

Bis dahin
Fred

 

Hallo Proof,

mir gefällt deine Geschichte. Sie lässt sich flüssig lesen und du lässt den Stand auf dem Flohmarkt vor dem inneren Auge deutlich entstehen. Sprachlich hätte ich jetzt auch nichts finden können, was nicht gepasst hätte.

Das scheinbare Kernstück, das Aquarium, hast du nach meinem Empfinden gut platziert. Es harmoniert gut mit dem wahren Problem deines Protagonisten. Gefallen hat mir, dass Eule seine Vergangenheit bereut, und auch den von ihm verlangten Preis zu zahlen bereit ist, obwohl ja noch nicht einmal richtig klar wird, ob er überhaupt etwas verbrochen hatte. Er selbst konnte es ja wahrscheinlich auch nicht sagen.

Etwas enttäuscht war ich, als er seinen Vorsatz über den Haufen geworfen hatte und am Vormittag zur Zigarette gegriffen hatte. Das erinnert mich daran, dass ich vor fast genau vierzig Jahren meine letzte Zigarette geraucht habe und ich heute noch träume, dass ich mir eine anbrenne. Ich ärgere mich danach immer so sehr, dass ich, wenn ich aufwache, erst mal sortieren muss, was daran nun wahr ist.

Übrigens: ich habe auch noch ein Aquarium. Wills einer :D

Schönen Gruß
khnebel

 

Jo,

Lollek:

Ich würde keine Kurzgeschichten schreiben, wenn ich der Meinung wäre, viele Worte für egal welches Thema zu brauchen. Eigentlich geht es im Kern aber auch nicht um Sex mit Kindern:


Floritiv:

Eule wird dir wohl den Buckel runterrutschen, weil das hart ist, was er gemacht hat. Trotzdem ist er immer noch ein Mensch. Für mich ist das so ein Ding, ich find's schlicht furchtbar, wie da gesellschaftlich mit umgegangen wird. Vor allem geht es mir auf den Sack, weil ich glaube, dass man viel mehr Kindern helfen könnte oder es gar nicht erst zum Missbrauch käme, wenn man weg wäre von dieser Dämonisierung der Täter (nicht der Tat). Jedes direkte oder indirekte Opfer sexueller Gewalt wird das wahrscheinlich nicht für einen Geniestreich halten, sich dieser Sache "kaltherzig lax" anzunehmen, aber wir haben ja auch irgendwann mal angefangen, unser Strafrecht zu de-emotionalisieren, und jede Teenie-Mutter, die heillos überfordert ihr Kind an irgendeiner Tankstelle ablegt und dafür nicht lebendig in einem Klosterkeller eingemauert wird, dürfte es uns danken. Wobei für mich nicht so sehr die Frage war, wie genau sexueller Missbrauch von Minderjährigen eigentlich aussieht. Man könnte dem Text ja vorhalten, dass das Opfer quasi komplett im Dunkeln bleibt, während der Täter zur zweiten, vielleicht sogar zur ersten Hauptfigur ausgebaut wird. Aber irgendwie geht es auch glaube ich mehr darum, was Freundschaft so aushält. Ich denke, wenn du erzählst, ich habe im Irak jede Menge Zivilisten erschossen, weil ich mich für Einsätze mit Drogen vollgepumpt und dann einfach draufgehalten habe, wird dir das eher verziehen, als das, was Eule gemacht hat.


Fred S.:

Interessant, dass es dich auf Eules Seite verschlägt. Zumindest, was seinen Zwist mit der unentschlossenen Käuferin angeht. Dass die Details des Verbrechens nicht bekannt werden, mag auch daran liegen, dass die Geschichte durch Olivers Augen erlebt wird. Der weiß nur, was Eule ihm erzählt: "Hast du doch gar nicht, hast du selbst gesagt." Vielleicht hätte ich mir Heike und Emily da auch schenken können, wenn es schon so diffus bleibt. Allerdings kennt und interessiert Oliver sich so für beide Seiten und muss sich nicht vorhalten lassen, sein Verhältnis zu Eule grenze an Kameraderie.


Khnebel:

Unschuldig ist Eule sicher nicht. So gesehen: Wer schon? Hadere selbst immer mal wieder mit dem Rauchen, was sich eben auch in meinen Geschichten niederschlägt. Wenn ich eine gedankliche Pause brauche, steckt sich irgendwer erstmal eine an. Kunst und Leben und umgekehrt.


Vielen Dank für euer Feedback!


Beste Grüße
Ein-Euro-Proof

 

Eule wird dir wohl den Buckel runterrutschen, weil das hart ist, was er gemacht hat.
Ich würde dich bitten, Subjekt und Prädikat auseinanderzuhalten. Seine Tat und ihre Folgen für das Kind rutschen mir nicht den Buckel herunter, oh nein.

 

Hä? Gerade weil dir die Tat nicht am Arsch vorbeigeht, ist dir Eule schnuppe. Passt doch? Subjekt, Prädikat, Objekt? Wie jetzt?

 

Gerade weil mir die Tat nicht am Arsch vorbei geht, ist mir als Leser das Schicksal von Eule schnuppe. Genau. Zurück zum Text.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hei Proof

irgendwo habe ich Deinen Nick gesehen und mir ist aufgefallen, dass Du "Meyer. Die Nacht, die Lichter" liest, dann habe ich mal Deinen Text angeklickt...

Mit Vorbehalt: Er gefällt mir gut.

Zwei Typen auf dem Flohmarkt, die da irgendwie gar nicht hin passen und eine nach der anderen weg quarzen und dann

„Ja, da würdest du wohl eine miese Bewertung kriegen. Sobald ich in drei Jahren draußen bin, schicke ich es los, könntest du schreiben. Das glaubt dir doch kein Mensch.“
„Nee, das glaubt keiner.“

Jetzt geht es erst richtig los. Das gefällt mir und ich bin als Leser interessiert. Im Vordergrund geht die Flohmarkthandlung weiter und so langsam kriege ich präsentiert, was die eigentliche Geschichte ist.

Wie er das aushielt, fragte Oliver sich, als sein Blick auf den tätowierten Unterarm fiel. Da war ihr Name drauf,

nach dieser Stelle habe ich mit einem Gewaltverbrechen auf, sagen wir mal gleicher Ebene gerechnet. Sprich, Mann gegen Frau mit üblem Ausgang. Und dann kommt die Auflösung ein paar Absätze später.

In einem der Kommentare schreibst Du, dass es Dir nicht um die Straftat geht. Ich vermute, es geht Dir um die Endgültigkeit. Darum, dass Eule davon ausgeht, das Gefängnis im schlimmsten Fall nicht lebend zu verlassen? Für meinen Geschmack sollte der Schwerpunkt dann auch da liegen und nicht darauf, dass er sich outet

Da bin ich Kinderficker, und dann machen sie mich kalt.
und an späterer Stelle noch die Tat beschrieben wird.
Hast du selbst gesagt. Nur gestreichelt, und du warst ja total zu
Ich glaube, es geht aus subtiler und ich wenn ich Dich richtig verstehe, liegt Dein Hauptaugenmerk auch wo anders.

Ein: "So Typen wie mich, schalten die da aus." wäre genug Info, da Du weiter unten ohnehin anmerkst, dass der Name auf dem Unterarm, der seiner Tochter ist.

Was mir noch gut gefällt ist der Vergleich

Das ist so ein Hartz-IV-Ding, hatte Oliver zu ihm gesagt, als die Tätowierung neu gewesen war. Der Name deiner Blagen auf dem Unterarm.

und das Bild, das ich von Eule an der Stelle geliefert bekomme
„Du reduzierst ganz schön krass.“

An der Stelle mag ich Eule noch.

Die Frau in der Lappenhose finde ich auch gut. Auch wenn ich hier

„Kannst du ruhig gucken, du blöde Schnalle“, flüsterte Eule.
ihn eher brüllen als flüstern höre. Das sie am Ende noch einmal auftaucht, als er das Aquarium für einen Euro verkauft, finde ich total unnötig. Oder willst Du damit die Macht gegenüber IHR zum Ausdruck bringen? Ich bräuchte es nicht.

Kurz gesagt, mir gefällt der Text, aber Kinderschändung - explizit zu erwähnen - finde ich schwierig!

Grüße, Nina

Hinzugefügt: - explizit zu erwähnen -

 

Hallo Nina,

dass Eule befürchtet, gleich hopps zu gehen - kann sein. Gefragt habe ich mich in erster Linie, ob sowas wie Freundschaft und Bekumpelt sein noch funktioniert, wenn einer der denkbar schlimmsten Fälle eingetreten ist. So gesehen könnte die gemeinsame Geschichte von Eule und Oliver noch etwas Ausbau vertragen, um Olivers Treue nachvollziehbarer zu machen.

Um den Missbrauch ansich geht es mir allein schon deshalb nicht, weil das so ein vermeintlich sicheres Ding ist, wie ganz am Anfang, wenn alle über Selbstmord schreiben. Tatsächlich merkt man dann fast immer, dass es um Effekthascherei geht, um Wichtigtuerei, und der Kopf dahinter keine Ahnung hat, wovon er da sülzt. Über das Stadium bin ich längst hinweg (hoffe ich doch). Dein Vorschlag, die ausdrückliche Erwähnung des sexuellen Übergriffs ganz einzusparen, gefällt in mir insofern recht gut. Danke für den Anstoß! Muss ich aber nochmal drauf rumkauen.

Danke für deine Kritik
Grüße
JC

 

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