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Drachenpupse
Es war wieder einer dieser Nachmittage, die sich zogen wie Kaugummi. Lukas Freunde hatten keine Zeit: Simsa wollte ein paar neue Sterne auf ihren Hexenhut nähen und Max war übers Wochenende bei seinen Großeltern in der Stadt. Lukas kickte gelangweilt einen Tannenzapfen durch den Wald. Er wollte zum kleinen Teich, vielleicht konnte er dort wenigstens ein paar Enten erschrecken. Schon von Weitem hörte er ein Blubbern, als ob man mit einem Strohhalm in Limonade pustet. Nur viel lauter.
Lukas bahnte sich einen Weg durchs Gestrüpp am Ufer und spähte durch die Zweige aufs Wasser. Was er sah, war groß, grün und gar nicht langweilig.
„Hey, das gibt’s doch nicht“, rief er, „bist du wirklich ein Drache? Ich wusste gar nicht, dass die gerne baden.“
„Ich hasse Wasser“, zischte der Drache. Dann blubberte es rund um ihn herum.
„Cool, ein Whirlpool“, sagte Lukas.
„Das war ein Pups“, sagte der Drache und fing an zu weinen.
„Aber Pupsen ist doch nicht so schlimm. Wieso sitzt du denn hier im Wasser, wenn du es gar nicht magst?“
„Ach, das ist eine lange Geschichte“, schniefte der Drache und blubberte wieder.
„Komm, erzähl schon, ich hab heute eh nichts vor.“
„Es war am Drachenfest, da gab es wieder den berühmten Bohneneintopf. Eigentlich sind es zwei Töpfe: Einen für die großen Drachen extrascharf mit viel Chili und Tabascosoße und einen für die Kleinen, mit Zimt und Zucker.“
„Hmm, hört sich lecker an“, schmatzte Lukas.
„Ist es auch“, sagte der Drache, „aber dieses Mal hat Onkel Bert beim Verteilen nicht aufgepasst. Er hat mir einen großen Löffel von dem scharfen Eintopf gegeben. Ich esse immer alles auf einen Haps auf, darum habe ich erst nachher gemerkt, wie scharf es war. Seither muss ich ganz viel pupsen. Und das brennt richtig, also ich meine, da kommt richtig Feuer mit raus. Naja und darum sitze ich hier im Wasser, damit ich nicht noch mehr kaputt mache. Ich habe schon ein Loch in meine Matratze gebrannt und auf dem Weg hierher, haben einige Büsche Feuer gefangen. Die anderen Drachen finden das total komisch und lachen sich kugelig bei jedem Pups. Ich finde es richtig doof. Eigentlich will ich gar kein Drache mehr sein.“
Der Drache weinte dicke Tränen in den Teich und schluchzte ganz fürchterlich.
„Hör auf“, sagte Lukas, „sonst bekommen wir noch Hochwasser. Wir finden schon eine Lösung. Wenn du kein Drache mehr sein willst, was wärst du denn dann gerne?“
„Ein Pudel“, schniefte der Drache, „klein, weich, niedlich. Den man gerne streichelt und kuschelt.“
„Aha“, wunderte sich Lukas, „ich finde ja einen Drachen viel cooler, aber wenn du meinst. Ich hole mal Simsa, die kann dich bestimmt in einen Pudel verhexen.“
Simsa hatte gerade den letzten Stern an ihren Hexenhut genäht und freute sich, Lukas zu sehen. Und als sie von dem Drachen hörte war sie gleich Feuer und Flamme.
„Supi, ein Drache, der Feuer pupst“, freute sich Simsa, „komm, das will ich sehen!“
„Lach ihn aber bloß nicht aus, sonst weint er wieder.“
Lukas brachte Simsa zum Teich. Schniefend und blubbernd watete der Drache gerade zum Ufer.
„Ich will hier raus, ich will aus dem blöden Wasser raus!“
„Schau, ich hab Simsa mitgebracht. Sie ist eine Hexe und will dir helfen.“
„Willst du wirklich lieber ein Pudel sein?“, Simsa schaute den Drachen ungläubig an, „wir könnten dich auch als Raketentriebwerk zum Mond schießen.“
Der Drache schaute Simsa entsetzt an und heulte.
„Mensch, Simsa“, schimpfte Lukas, „sei nicht so gemein. Er will doch nur ein Pudel sein.“
„Ist ja gut, dann pass mal auf: Pudel, Nudel Apfelstrudel, dieser Drache wird zum Pudel! Hex, hex, hatschi!“, Simsa nieste einmal laut und dann hörten sie ein fürchterliches Jaulen.
„Hilfe, ich glaub mein Puschelschwänzchen brennt!“ Beim nächsten Pudelpups züngelte wieder eine kleine Flamme heraus.
„Hm“, sagte Simsa, „da ist wohl innendrin noch ein Stück vom Drachen übrig, aber ich bin ja auch nur eine kleine Hexe.“
Lukas schnappte sich schnell den qualmenden Pudel und warf ihn in den Teich – zum Löschen.
„Holt mich hier raus“, der Pudel zappelte wie verrückt im Wasser, „ein Pudel kann wohl nicht schwimmen! Ich hab die Schnauze voll vom Pudel, ich will wieder ein Drache sein, dann kann ich hier wenigstens stehen.“
„Na gut, Moment: Hunderttausend Feuersachen, mach den Pudel nun zum Drachen. Hex, hex, hatschi!“ Im Wasser blubberte nun wieder der Drache. Grün wie zuvor und genauso traurig.
„Huhuhu, wenn nicht mal eine Hexe helfen kann, dann hilft wohl gar nichts. Ich sitze für immer hier im Teich fest. Ich bin der traurigste Drache der Welt.“
Da hatte Lukas eine Idee: „Also, was bei mir immer hilft, egal wie traurig ich bin, ist Omas Griesbrei. Extrasüß mit Himbeersauce, Vanillesahne und Schokosplittern oben drauf.“
„Wirklich?“, schniefte der Drache, „aber wie soll ich denn zu deiner Oma kommen? Ich kann doch hier nicht raus.“
„Klar geht das“, rief Simsa, „du kannst doch bestimmt einen Handstand! Schau, so.“ Und schon stand Simsa auf den Händen. „Wenn du dann pupsen musst, kann nichts verbrennen.“
Lukas Oma hatte schon viel gesehen, also wunderte sie sich auch nur ein kleines Bisschen über die seltsame Gruppe, die da auf ihr Häuschen zukam: Lukas und Simsa auf den Händen gehend, gefolgt von einem Drachen. Auch der verkehrt herum. Und wie es aussah, brannte ihm der Hintern.
„Oma, schnell“ , keuchte Lukas, „wir brauchen deinen Griesbrei. Eine Riesenportion und extrasüß.“
„Aha“, sagt Oma und stellt einen Topf auf den Herd, „aber der Feuerwerfer hier kommt mir nicht ins Haus.“
Der Drache schnaubte beleidigt.
„Aber du sagst doch immer, gegessen wird gemeinsam am Tisch!“, protestierte Lukas.
„Dabei habe ich aber nicht an einen brennenden Drachen gedacht“, sagte Oma, „aber hol doch den alten Waschzuber aus dem Schuppen, da kann er sich reinsetzen.“
„Nicht schon wieder ins Wasser“, sagte der Drache.
„Hier werden keine Ansprüche gestellt“, antwortete Oma.
Dann wurde das Essen serviert. Der Drache bekam einen Eimer voll Brei und Lukas und Simsa teilten sich den Rest. Oma aß lieber ein Wurstbrot. Bis auf das Blubbern aus dem Waschzuber war es ganz still am Tisch, weil alle so mit dem Essen beschäftigt waren. Als der Drache den Griesbrei fast aufgegessen hatte, hörte das Blubbern langsam auf.
„Was ist los? Keine Lust mehr auf Pupsen?“
„Ich glaube es ist vorbei“, sagte der Drache und stand langsam aus dem Waschzuber auf.
„Wehe du verbrennst mir die Gardinen“, rief Oma und dann wurde sie vom Drachen durch die Luft gewirbelt.
„Danke, danke, das war der beste Griesbrei, den ich je gegessen habe!“
Dann wollte der Drache wieder nach Hause.
„Kommst du mal wieder?“, fragte Lukas, „Wir könnten zusammen im Teich baden…“
„Ins Wasser bekommen mich keine fünf Einhörner mehr, aber wir könnten Drachensteigen lassen oder Bäume fällen.“
„Was auch immer“, sagte Lukas, „ich freu mich, wenn du kommst.“
Lukas und Simsa begleiteten den Drachen noch zum Wald, wo er hinter dem dritten Busch verschwand. Oder war es der Vierte? Wo genau die Drachen wohnten, war geheim, aber das war ja auch nicht wichtig. Wenn man einen Drachen zum Freund hatte, brauchte man ihn nicht zu suchen, er kam ganz von alleine. Spätestens dann, wenn es bei Oma Griesbrei gab.