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Drachenbaby

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12.02.2019
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Drachenbaby

An den allerersten Drachen, den ich jemals gesehen habe, kann ich mich gut erinnern. Es war am helllichten Tag. Nicht in der Nacht. Und es war nicht in einem Märchenwald, sondern in einem U-Bahnwagen, der nach Pisse roch. Es war kein erhebendes Erlebnis, sondern ein banales.

Als ich damals in der U-Bahn saß, hatte ich siebzig Stunden nicht geschlafen, mit 29 kann man das. Meine Dissertation hatte am Tag vorher den letztmöglichen Abgabetermin haarscharf gerissen. Oder, verständlicher ausgedrückt: Ich war einen Tag zu spät dran.

Ich wusste, dass mein Prof mindestens einen Tag Puffer eingebaut hatte, weil er mich kannte. Und der Prof wusste, dass ich das wusste, weswegen ich davon ausging, dass er von drei oder vier Tagen Verspätung ausging.

Trotzdem waren es an die 48 Stunden Arbeit am Stück gewesen. Es ging bei meiner Dissertation um die Frage, ob Christian Kracht schlicht Bret Easton Ellis plagiiert hat. Wichtiges Indiz ist, wie ähnlich beide Autoren Gewalt darstellen – was sie viel zu gerne und zu oft tun.

Vor diesen 48 Stunden war die Arbeit gerade einmal halb fertig und ich hatte mich komplett durch beider Werk gelesen. Danach umfasste sie 180 Seiten, ich hatte jede Stunde mehr als drei Seiten abgesondert!

Nach der Abgabe erfasste mich Euphorie, nicht Ermüdung. Es war so erleichternd, beide Autoren nie mehr lesen zu müssen, mir wurde schwindelig vor Glück. Ich würde den Geburtstagsbrunch besuchen, zu dem ich eingeladen war. Meine Idee war, dass sich mein Bio-Rhythmus nicht dauerhaft verschiebt, wenn ich erst abends einschliefe.

Sylvie wurde 28 Jahre alt und feierte im Café Marschall mit einem großen Buffet. Sie war jene Mitstudentin, die ich jahrelang begleitet hatte bei ihrem Weg von einer Liebschaft zur nächsten. Der ich regelmäßig die Haare gehalten hatte, wenn sie sich übergeben musste. Und deren Sachen ich sauber gemacht hatte, als ... Ach, schweigen wir gnädig!

Tatsache ist: Sylvie war nicht in der Position, mir vorzuwerfen, dass ich scheiße aussah! Machte sie aber trotzdem. Ich bügelte sie barsch ab und stürzte mich auf's Buffet.

Zwölf Pancakes später sprach sie mich noch einmal an: Ob es mir gut geht, wollte sie wissen. Ich antwortete, es wäre mir selten besser gegangen, schließlich war meine Scheidung mit Kracht und Ellis endlich durch!

Ich würde dauernd über meinem Teller einnicken, meinte sie, dabei leise schnorcheln und – was das Ekeligste sei – auf die Pancakes sabbern.

Also gab ich auf, packte zusammen, verabschiedete mich, setzte mich in die U-Bahn und fuhr nach Hause. Meine einzige Aufgabe war es, nicht einzuschlafen. Um das zu erreichen, blieb ich stehen, statt mich zu setzen. Und ich sprach ganz leise mit mir. Und ich haute mir immer wieder mit der flachen Hand ins Gesicht.

An einer Haltestelle sah ich ein Plakat mit einer Frau, die für Parship warb. Alle elf Minuten verliebt man sich da, behauptete sie. Und sie grinste dabei sehr breit. Riesige, weiße Zähne grienten vom Plakat. So riesig, so weiß!

Diese Zähne wurden auf einmal spitz und die Haut der Frau zeigte rote, glänzende Schuppen, ihr Gesicht verformte sich. Es knallte kurz und laut, als die Schnauze das Plakat verließ. Und dann der Hals und dann der Körper. Mit den vier Klauen, mit den Fledermausflügeln.

Der Schwanz des Drachen hatte das Plakat noch nicht verlassen, als er sich vor mir in der U-Bahn aufbaute. Sein Kopf zuckte nach links und nach rechts und er starrte die anderen Passagiere an. Die reagierten nicht; die taten so, als sähen sie ihn nicht.

Dann drehte er sich langsam zu mir um, seine Schnauze eine Handbreit von meiner Nase entfernt. Die Luft, die aus den Nüstern entweicht, war heiß.

Die Schnauze sagte: „Du musst jetzt aussteigen!“
Und sie hatte recht.
Das war meine Station.

Das war die erste Begegnung mit einem meiner Drachen, der Rote ist der Vorwitzigste.

An diesem Tag dachte ich noch, der Drache wäre eine Halluzination. Der Übernächtigung, den zehn Litern Kaffee und dem Dutzend Pancakes geschuldet. Ich hatte das Geschehene schon beinahe verdrängt, als ich zu Hause, ohne mich umzuziehen, in mein Bett fiel und durchschlief bis zum nächsten Morgen.

Doch es gab mehr Drachen, nicht nur den roten. Am Anfang konnte ich sie nur sehen, wenn ich angestrengt war oder gestresst. Bei der Verteidigung meiner Dissertation war ein großer, grüner Drache Zeuge, der die ganze Zeit durch den Raum flanierte.

Als mein Freund mit mir Schluss gemacht hat, wegen einer anderen – da war ein silberner Drache im Raum. Eigentlich berührte mich das Schlussmachen gar nicht, ich hatte eher Sorge, dass der Drache meinen Freund spontan fressen würde.

Bald sah ich die Drachen verlässlich, wenn ich zu viel Alkohol getrunken hatte. Und das tat ich nach der Trennung zehn Tage lang. Ich kann mich erinnern, wie ich auf meiner Couch lag und die nächste Flasche Weißwein entkorkte. Ich sprach den Drachen an, es war wieder der Rote.

„Glaubst Du, die andere ist viel hübscher als ich?“, lallte ich.
„Ich weiß, dass sie das nicht ist!“, antwortete der Drache.
„Dann ist sie sicher besser im Bett ...“, ich heulte fast nicht.
„Sie heißt Sandra!“, meinte der Rote.

Mir war völlig klar, dass ich einen an der Waffel hatte, aber die Gesellschaft der Drachen war mir kein bisschen unangenehm. Im Gegenteil: Ich gewöhnte mich daran, dass immer mindestens einer bei mir war.

Wenn ich in die Redaktion latschte, huschte der Grüne neben mir wie ein Wiesel durch die Reihen der Passanten.

An meinem Schreibtisch im Büro kringelte sich der Silberne um meine Füße und schlief, bis ich fertig war. Wenn ich mich bückte, um über seine warmen Schuppen zu streichen, achtete ich darauf, dass mich niemand dabei ertappte.

Doch die Erkenntnis, dass ich einen an der Waffel hatte, belastete mich, obwohl ich meine Drachen lieb gewonnen hatte: Speziell am Abend, wenn alle vier bei mir in der Wohnung waren und wir uns unterhielten, fühlte ich mich sicher und beschützt.

Ich vertraute mich einem Seelenarzt an und berichtete von den Drachen. Die Diagnose war schnell gestellt: paranoide Schizophrenie mit Positiv-Symptomen und Affektverflachung, Alogie, Asozialität, Abulie und Anhedonie. Lustig, dass die schlimmen Sachen alle mit „A“ anfangen, oder?

Der Doktor verschrieb mir einen Cocktail aus Anti-Psychotika und Neuroleptika und nach drei Tagen waren die Drachen weg. Die Pillen schützten mich durch einen unsichtbaren Vorhang vor der Welt, so dass ich wieder ein Durchschnittsleben führen konnte.

Meine Artikel wurden schärfer und pointierter und mein erstes Buch verkaufte sich nicht schlecht, eine Anfrage von Simon&Schuster für die angelsächsischen Rechte trudelte bald ein. Ich hatte Herrn Kracht sogar persönlich kennengelernt. Er kannte den Inhalt meiner Diss und war nicht angetan. Ich hatte in meinem Leben einen sicheren Platz erreicht und musste mir nicht groß Sorgen machen.

Darum wollte ich das Baby unbedingt behalten, als ich überraschend schwanger wurde.

Ich hatte immer schon Kinder gewollt. Ich wollte meine Kinder so schützen und lieben und pflegen, wie es meine Mutter bei mir niemals getan hatte. Sie sollten es nicht nur besser haben als ich, sie sollten die beste Kindheit haben, die man sich nur vorstellen kann!

Also behielt ich das Baby und setzte meine Medikamente von einem Tag auf den anderen wieder ab. Als die Drachen wieder auftauchten, freute ich mich. Ich ging nicht mehr fort und vermied es, am Abend Termine zu haben, dafür hatte ich sie alle jeden Abend zu Besuch.

Der Rote war bei mir, wenn ich in den Geburtsvorbereitungskurs ging. Das war angenehm, weil das Palavern darüber, wie komisch sich unsere Brüste anfühlten, war weniger langweilig, wenn er durch den Raum kasperte.

Der Silberne interessierte sich für Yoga und der Grüne begleitete mich auf die Termine beim Kinderarzt oder in der Klinik. Ich hatte nicht den Eindruck, eine alleinstehende Mutter zu sein, so umfassend betreuten mich die Drachen.

Ich hatte meinen Frieden mit den Vieren gemacht. Der Goldene sagte zu mir eines Tages: „Wir bleiben da, hab' keine Angst!“ Und ich freute mich.

Es kam der Tag der Entbindung – die Drachen waren dabei – dann gab es auf einmal Ruth. Das perfekteste Neugeborene der Welt!

Sie hatte riesige Augen und zwei Arme, zwei Beine, ein Kugelbäuchlein. An ihren winzigen Füßen waren Zehen, klein wie Erbsen und als ich sie im Arm hielt, lächelte sie mich an!

Die Ärzte im Krankenhaus meinten, Ruth hätte ein Problem. Was natürlich Unsinn war. Sie wäre mit einem schweren Herzfehler geboren und man müsste sie überwachen, weil ihr Körper nicht mit genug Sauerstoff versorgt würde. Auch das war natürlich Unsinn, jeder konnte sehen, dass Ruth perfekt war. Perfekt genau so, wie sie in meinen Armen lag.

Die Ärzte haben Ruth dann auf die Intensivstation verlegt, wo sie in einen kleinen Käfig aus Plexiglas gelegt wurde, mit vier Handschuhen drinnen, durch die man sie anfassen konnte. Ihr wurden lauter Schläuche und Elektroden angeschlossen und viele Monitore neben ihr aufgestellt.

Ich wusste, dass das alles nicht nötig war, dass Ruth perfekt war, aber ich hatte nichts mehr zu entscheiden. Die Ärzte sagten, in meiner psychischen Situation wäre ich nicht in der Lage, über das Leben von Ruth die richtigen Entscheidungen zu treffen. Was natürlich auch kompletter Unsinn war!

Aber nicht einmal der schlimmste Unsinn, denn sie mir erzählten.

Der schlimmste Unsinn war, als sie mir erzählten, Ruth wäre gestorben. Das war der schlimmste Unsinn, denn ich hatte mit eigenen Augen gesehen, dass das nicht stimmt.

Ich stand selber im Raum, als da auf einmal ein neuer, kleiner, weißer Drache im Zimmer auftauchte.

Er kletterte zu Ruths Bettchen hoch und öffnete den Plexiglas-Käfig. Und mein kleines Mädchen krabbelte mir ihren kleinen Ärmchen und Beinchen auf seinen Rücken und hielt sich ganz, ganz fest. Dann breitete der kleine weiße Drache seine Schwingen aus und die beiden flogen davon.

Das war das erste Mal, dass ich einen Drachen fliegen sah!

Ich habe wieder Tabletten verschrieben bekommen und versprochen, dass ich sie auch nehme. Aber natürlich tue ich das nicht. Denn, wenn ich die nehmen würde, dann könnten mir nicht die Drachen jeden Abend berichten, was für Abenteuer meine kleine Ruth im Land der Drachen erlebt.

Der goldene Drache hat mir versprochen, dass er mich eines Tages mitnimmt. Und dass ich dann meine Tochter wiedersehen kann und wir gemeinsam für immer im Land der Drachen leben können. Darauf freu' ich mich schon sehr.

 
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Lieber @Herr Wunderlich,
das ist am Ende eine sehr berührende Geschichte, bei der ich allerdings ein wenig das Gefühl habe, dass da der Autor ganz bewusst auf meine Tränendrüse gedrückt hat.;) Aber sei‘s drum: Diese junge Frau, die sich wohl aufgrund ihrer körperlichen und psychischen Überforderung in ihre Drachenwelt geflüchtet hat , tut mir am Ende richtig leid. Das immerhin erreicht dein Text. Und er ist auch flüssig und gut lesbar geschrieben. Allerdings empfinde ich beim Lesen eine gewisse Betulichkeit, die ich darauf zurückführe, dass du ein und dieselbe Aussage manchmal mehrmals wiederholst. Das begegnet mir wie eine gewisse Beredtheit des Autors und inhaltlich wird es dann oft sehr redundant. Ich erfahre zu viel Unwichtiges, bevor es (endlich) zum Wesentlichen, zum eigentlichen Thema kommt.

So sehe ich im ersten Teil ziemlich viel Streichungspotential:

An den allerersten Drachen, den ich jemals gesehen habe, kann ich mich gut erinnern. Es war am helllichten Tag. Nicht in der Nacht. Und es war nicht in einem Märchenwald, sondern in einem U-Bahnwagen, der nach Pisse roch. Es war kein erhebendes Erlebnis, sondern ein banales.

Als ich damals in der U-Bahn saß, hatte ich siebzig Stunden nicht geschlafen, mit 29 kann man das. Meine Dissertation hatte am Tag vorher den letztmöglichen Abgabetermin haarscharf gerissen. Oder, verständlicher ausgedrückt: Ich war einen Tag zu spät dran.

Ich wusste, dass mein Prof mindestens einen Tag Puffer eingebaut hatte, weil er mich kannte. Und der Prof wusste, dass ich das wusste, weswegen ich davon ausging, dass er von drei oder vier Tagen Verspätung ausging.

Trotzdem waren es (waren) an die 48 Stunden Arbeit am Stück gewesen. Es ging bei meiner Dissertation um die Frage, ob Christian Kracht schlicht Bret Easton Ellis plagiiert hat. Wichtiges Indiz ist, wie ähnlich beide Autoren Gewalt darstellen – was sie viel zu gerne und zu oft tun.

Vor diesen 48 Stunden (davor) war die Arbeit gerade einmal halb fertig und ich hatte mich komplett durch beider Werk gelesen. Danach umfasste sie 180 Seiten, ich hatte jede Stunde mehr als drei Seiten abgesondert!

Nach der Abgabe erfasste mich Euphorie, nicht Ermüdung. Es war so erleichternd, beide Autoren nie mehr lesen zu müssen, mir wurde schwindelig vor Glück. Ich würde den Geburtstagsbrunch besuchen, zu dem ich eingeladen war. Meine Idee war, dass sich mein Bio-Rhythmus nicht dauerhaft verschiebt, wenn ich erst abends einschliefe.


Es folgt eine Partyepisode, deren Stellenwert innerhalb deiner Geschichte mir auch nicht so recht klar ist. Danach befindet sich deine Protagonistin dann wieder in der U-Bahn, kämpft mit ihrer Müdigkeit und begegnet zum ersten Mal ihren Drachen. Jetzt erst beginnt deine Geschichte für mich als Leser interessant zu werden. Das ganze Hin und Her mit der Dissertation und der Sylvia-Pancake-Geschichte bringen dem, was du mir eigentlich erzählen möchtest, nach meinem Empfinden nichts. Das sind Details, die weder die Protagonistin charakterisieren noch erklären, warum sie ihren Drachen begegnet. Das führe ich auf eine Burnout-Situation, der vollkommenen Überreiztheit und Überforderung deiner Ich-Erzählerin zurück.
Auch den zweiten Teil solltest du mMn noch einmal sehr kritisch nach unwichtigen (und redundanten) Aussagen durchgehen.

Ich habe mir noch ein paar Stellen markiert:

Sein Kopf zuckte nach links und nach rechts und er starrte die anderen Passagiere an. Die reagierten nicht; die taten so, als sähen sie ihn nicht.
Entweder das eine oder andere.

Die Luft, die aus den Nüstern entweicht, war heiß.
entwich

Doch es gab mehr Drachen, nicht nur den roten. Am Anfang konnte ich sie nur sehen, wenn ich angestrengt war oder gestresst. Bei der Verteidigung meiner Dissertation war (es) ein großer, grüner Drache Zeuge, der die ganze Zeit durch den Raum flanierte.

Als mein Freund mit mir Schluss gemacht hat, wegen einer anderen – da war ein silberner Drache im Raum. Eigentlich berührte mich das Schlussmachen gar nicht, ich hatte eher Sorge, dass der Drache meinen Freund spontan fressen würde.


Das klingt alles recht schleppend und erklärend.

Mir war völlig klar, dass ich einen an der Waffel hatte, aber die Gesellschaft der Drachen war mir kein bisschen unangenehm. Im Gegenteil: Ich gewöhnte mich (allmählich) daran, dass immer mindestens einer (ein Drache) bei mir war.
Dass sie einen ‚an der Waffel hat‘ muss die Protagonistin nicht explizieren.

So auch hier:

Doch die Erkenntnis, dass ich einen an der Waffel hatte, belastete mich, obwohl ich (hatte) meine Drachen lieb gewonnen hatte: Speziell am Abend, wenn alle vier bei mir in der Wohnung waren und wir uns unterhielten, fühlte ich mich sicher und beschützt.
Zumal sie sich hier selber widerspricht.

Ich hatte immer schon Kinder gewollt. Ich wollte meine Kinder so schützen und lieben und pflegen, wie es meine Mutter bei mir niemals getan hatte. Sie sollten es nicht nur besser haben als ich, sie sollten die beste Kindheit haben, die man sich nur vorstellen kann!

Also behielt ich das Baby und setzte meine Medikamente von einem Tag auf den anderen wieder ab. Als die Drachen wieder auftauchten, freute ich mich. Ich ging nicht mehr fort und vermied es, am Abend Termine zu haben, dafür hatte ich sie alle jeden Abend zu Besuch.
Dieses ‚also‘ verstehe ich nicht. Wieso setzt sie die Medikamente ab?

Das war angenehm, weil das Palavern darüber, wie komisch sich unsere Brüste anfühlten, war weniger langweilig, wenn er durch den Raum kasperte.
… weniger langweilig war, wenn …

Aber nicht einmal der schlimmste Unsinn, denn (den) sie mir erzählten.

Und wie oben gesagt: Ab hier wird dein Text sehr traurig und berührend.

Fazit:
Du hast gesehen, dass ich sehr vieles streichen würde. Es gibt für mein Empfinden am Anfang zu viel überflüssigen Ballast, der weder das Problem deiner Protagonistin verdeutlicht, noch sie charakterisiert. Im Mittelpunkt deiner Geschichte steht ihre Schizophrenie und die hast du – wie ich finde - mit deiner Drachengeschichte sehr gut dargestellt. Es reicht mMn, ihre Überforderung relativ kurz abzuhandeln, Einzelheiten z.B. der Dissertation geben mir als Leser nichts, lenken mich eher vom eigentlichen Thema ab.

Lieber Herr Wunderlich, keine Ahnung, ob du mit meinen Anmerkungen etwas anfangen kannst, es sind wie immer sehr subjektive Wahrnehmungen.

Liebe Grüße
barnhelm

;)

 

@Herr Wunderlich,
eine schöne Idee. Es wäre tröstlich, wenn Psycho-Probleme immer so schöne Formen annehmen könnten, aber das ist leider unrealistisch.
Ich habe deine Geschichte zweimal sehr gerne gelesen auch wenn ich @barnhelm recht gebe mit den Wiederholungen und ich über ein paar Formulierungen gestolpert bin.
z.B.

Danach umfasste sie 180 Seiten, ich hatte jede Stunde mehr als drei Seiten abgesondert!
das abgesondert klingt irgendwie nach Rotz

Die Luft, die aus den Nüstern entweicht, war heiß.
entwich
Doch die Erkenntnis, dass ich einen an der Waffel hatte, belastete mich, obwohl ich meine Drachen lieb gewonnen hatte:
hat Barnhelm schon angemerkt. Erstens klingt zweimal "an der Waffel..." so, als ob dir kein anderer Eindruck einfällt und dann bleibt unklar, warum sie die Drachen plötzlich stören.
Der Goldene sagte zu mir eines Tages: „Wir bleiben da, hab' keine Angst!“
Ich stelle auch gerne mal einen Satzteil nach hinten, aber hier liest es sich für mich nicht so gut. Und eigentlich kann das eines Tages auch weg.
Denn, wenn ich die nehmen würde, dann könnten mir nicht die Drachen jeden Abend berichten, was für Abenteuer meine kleine Ruth im Land der Drachen erlebt.
dann könnten mir die Drachen nicht jeden Abend ... liest sich flüssiger
Sind aber nur Kleinigkeiten und Geschmackssache.
Grüße von Snowmaid

 

Hallo @Herr Wunderlich ,
Insgesamt gefällt mir der "Plott". Diesen Psycho Charakter mag ich. Was ich allerdings nicht so schön finde ist, dass du so viel Zeit in so wenig Wörtern runter ratterst. Mir hätte es besser gefallen, wenn du mehr Erlebnisse eingebaut hättest, statt nur von ihnen zu erzählen.

An einer Haltestelle sah ich ein Plakat mit einer Frau, die für Parship warb. Alle elf Minuten verliebt man sich da, behauptete sie. Und sie grinste dabei sehr breit. Riesige, weiße Zähne grienten vom Plakat. So riesig, so weiß!

Diese Zähne wurden auf einmal spitz und die Haut der Frau zeigte rote, glänzende Schuppen, ihr Gesicht verformte sich. Es knallte kurz und laut, als die Schnauze das Plakat verließ. Und dann der Hals und dann der Körper. Mit den vier Klauen, mit den Fledermausflügeln.

Der Schwanz des Drachen hatte das Plakat noch nicht verlassen, als er sich vor mir in der U-Bahn aufbaute. Sein Kopf zuckte nach links und nach rechts und er starrte die anderen Passagiere an. Die reagierten nicht; die taten so, als sähen sie ihn nicht.

Dann drehte er sich langsam zu mir um, seine Schnauze eine Handbreit von meiner Nase entfernt. Die Luft, die aus den Nüstern entweicht, war heiß.

Die Schnauze sagte: „Du musst jetzt aussteigen!“
Und sie hatte recht.
Das war meine Station.

Die U-Bahn Szene fand ich zum Beispiel sehr gelungen. Der Drache redet und so entsteht ein klareres Bild in meinem Kopf.
Der Rote war bei mir, wenn ich in den Geburtsvorbereitungskurs ging. Das war angenehm, weil das Palavern darüber, wie komisch sich unsere Brüste anfühlten, war weniger langweilig, wenn er durch den Raum kasperte.
Hier würde ich liebend gerne sehen, was genau der rote macht. Und so geht es mir ständig in deinem Text. Du erwähnst etwas in nur einem Satz, während du mir auch die Protagonistin hättest näher bringen können.

Hier noch ein paar kleinere Details:

Es war am helllichten Tag. Nicht in der Nacht.
Ist das nicht offensichtlich?
Wichtiges Indiz ist, wie ähnlich beide Autoren Gewalt darstellen – was sie viel zu gerne und zu oft tun.
Wenn du schon die Wiederholung einbaust, dann bitte richtig. "Was sie viel zu gerne und viel zu oft tun"
Vor diesen 48 Stunden war die Arbeit gerade einmal halb fertig und ich hatte mich komplett durch beider Werk gelesen
Beide
Sie war jene Mitstudentin, die ich jahrelang begleitet hatte bei ihrem Weg von einer Liebschaft zur nächsten. Der ich regelmäßig die Haare gehalten hatte, wenn sie sich übergeben musste. Und deren Sachen ich sauber gemacht hatte, als ... Ach, schweigen wir gnädig!
Die markierten Stellen hätte ich mit einem Komma statt mit eine Punkt getrennt.

Übrigens, wenn du Texte aus Word her kopierst, dann verdoppeln sich die Zeilenumbrüche. Das sieht man deinem Text an.

Liebe Grüße,
Träumerle

 
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Hi @Herr Wunderlich,

mir gefällt der Inhalt deiner Geschichte gut und die Formulierungen im Einzelnen auch. Trotzdem hat es beim Lesen manchmal gehakt: Diese kurzen Absätze, das war zum Teil schwer, das Ganze im Blick zu behalten. Ich habe den Verdacht, das liegt nicht nur an der Form, also an den Leerzeilen, sondern auch an dem Inhalt.
Z.B. als Sylvie in die Handlung schneit: Da brauche ich Zeit, um mir das zurecht zu ordnen.
Nun ist andrerseits die Verfassung der Protagonistin so, dass so eine Sprunghaftigkeit ganz gut vertretbar erscheint. Mir scheint mehr Stringenz trotzdem ein Gewinn zu sein, aber vielleicht übersehe ich was.

Gleich den ersten Absatz finde ich gut gelungen (vielleicht "jemals" streichen oder so), überhaupt dieser lakonische Ton, in dem diese merkwürdigenDinge erzählt werden. Ein schönes Beispiel dafür in meinen Augen auch das hier:
-- "Die Schnauze sagte: „Du musst jetzt aussteigen!“
Und sie hatte recht.
Das war meine Station."
- Das hat eine gewisse Komik, der Kontrast zwischen sachlichem Ton und seltsamem Ereignis. Aber nicht so, dass sie die tragische Stimmung, die sich am Ende durchsetzt, als Bruch erscheinen lässt.
Oder auch:
-- "Ich heulte fast nicht"
Das ist schon gewagt, so deutliche Comedy, aber ich find's eigentlich nicht schlecht.

Einen erkennbar absichtlichen Witz macht die Protagonistin schon hier, ziemlich am Anfang:
-- "Meine Dissertation hatte am Tag vorher den letztmöglichen Abgabetermin haarscharf gerissen. Oder, verständlicher ausgedrückt: Ich war einen Tag zu spät dran."
- Auch das finde ich eigentlich in Ordnung, die Gute überspielt damit halt was, und sie überspielt, wie wir später wissen, vor allem auch Dinge, die noch tiefer liegen.
Problematisch ist da im Detail eher der Inhalt: "letztmöglicher Abgabetermin" für eine Dissertation - wo gibt's denn so was?
Wenn du eine Stufe runtergehst und es eine Masterarbeit sein lässt, hast du das Problem schon gelöst. Und so ein Downgrading wäre auch angesichts den Inhalts der Dissertation selbst vielleicht ratsam, denn mit dem Thema - "ob Christian Kracht schlicht Bret Easton Ellis plagiiert hat" - dürfte die Promotionsarbeit ohnehin nicht am Abgabetermin scheitern, sondern - du sagst es! - an ihrer Schlichtheit.

Ansonsten: Schöne schlimme Geschichte.

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

Vielen Dank für die fundierte, sachliche Kritik!

Es gibt bei diesen vier Antworten nicht einen Punkt, an dem ich sagen würde, die Geschichte würde nicht besser, wenn ich ihn umsetze. Also werde ich die meisten Anregungen aufnehmen, vielen Dank noch einmal!

... bei der ich allerdings ein wenig das Gefühl habe, dass da der Autor ganz bewusst auf meine Tränendrüse gedrückt hat.;)

Ist das so offensichtlich? Oops! ;-)

Dieses ‚also‘ verstehe ich nicht. Wieso setzt sie die Medikamente ab?

Ich habe den Satz umgestellt. Das "Also" bezog sich in der Vorgängerversion auf die Medikamente. Die sie wegen der Schwangerschaft absetzt, aus der berechtigten Angst, dass sie sonst Nebenwirkungen auf den Fötus haben.

Lieber Herr Wunderlich, keine Ahnung, ob du mit meinen Anmerkungen etwas anfangen kannst, es sind wie immer sehr subjektive Wahrnehmungen.

Ich kann sehr wohl etwas mit den Anmerkungen anfangen und habe mich sehr darüber gefreut!

... eine schöne Idee. Es wäre tröstlich, wenn Psycho-Probleme immer so schöne Formen annehmen könnten, aber das ist leider unrealistisch.

Tatsächlich ist das mein Hauptbedenken an der Geschichte. Betroffene könnten das gut und gerne für eine Verharmlosung eine schweren psychischen Erkrankung halten. So angenehme Formen sind ja bei einer Schizophrenie eher die Ausnahme. Darum habe ich mir den Rat einer Fachfrau geholt und die im Text erwähnte Diagnose beschreibt die spezifische Ausprägung der Erzählerin ziemlich genau.

Übrigens, wenn du Texte aus Word her kopierst, dann verdoppeln sich die Zeilenumbrüche. Das sieht man deinem Text an.

Seltsam. Ich kopiere die Texte nicht aus Word. Die vielen Absätze sind schon beabsichtigt. Oder siehst Du auf Deinem Rechner etwas, dass ich hier nicht beobachten kann?

Diese kurzen Absätze, das war zum Teil schwer, das Ganze im Blick zu behalten.

Generell ist es meine Absicht, meine Texte nahe an der gesprochenen Sprache zu halten. Nicht nur, weil ich das für einen anstrebenswerten Stil per se halte, sondern, weil wir sie ja auch in unserem Podcast vortragen. Deswegen sind die kürzeren Sinnzusammenhänge eine Nebenwirkung.

Soviel zur Methodik, deren Absicht es aber ist, das Ganze besser im Blick behalten zu können. Da muss ich wohl noch einmal allgemein darüber nachdenken, wie ich meine Geschichten vom zu Hörenden in das zu Lesende transferiere.

Vielen Dank noch einmal an alle Beteiligten soweit, ich bin sehr dankbar für eure Aufmerksamkeit und eure Zeit!

Liebe Grüße, Oliver

 

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