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Dr. L

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08.11.2013
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Dr. L

Robert war ein verzweifelter Mensch. Er hatte ein besonderes Problem. Er beendete jedes Wort das er sprach mit einem L. Diese Schwäche sorgte dafür, dass ihn alle immer nur Dr. L nannten. Und das schlimmste daran war, dass ihnen bewusst war, wie sehr es ihn schmerzte diesen Namen zu hören. Es lag nicht nur am Namen. Es lag auch an der Betonung. Dieser provokante Name wurde von niemandem freundlich oder gar liebevoll ausgesprochen. Wenn jemand diesen Namen aussprach hörte man nur Spott Gehässigkeit und Hass heraus. Und egal wie sehr er sich auch bemühte, er schaffte es nie seine Wut, Trauer und Verzweiflung zu unterdrücken. Wenn es doch nur einen gegeben hätte, nur einen der ihn unterstütze. Doch da war niemand. Da war niemand der zu ihm hielt und ihn tröstete. Nur er. Er war es der sich mit sechzehn eine eigene Wohnung suchen musste, nachdem ihn seine Eltern wegen des ständig wachsenden Scharms rausgeworfen hatten. Er war es, der jeden Tag wieder über den Marktplatz eilte, auf der Suche nach Arbeit, die er nie fand. Und er war es der von jüngeren Kindern mit Steinchen beworfen und gehänselt wurde. Sie riefen ihm so laut sie konnten „Dr. L“ hinterher. Die Steine, die ihn überall trafen, waren so klein, dass sie nicht wirklich schmerzten. Aber wie konnte man einen einsamen, hilflosen Mann Steine aufs Haupt werfen? Und irgendwann kamen die Eltern hinzu. Kleine Flammen der Hoffnung loderten auf, leckten an seinem Herzen. Doch dann fingen die Eltern der kleinen Gören an zu lachen. Die Flammen, die nur ein spärliches Licht ins Dunkel geworfen hatten, wurden mit eiskaltem Wasser übergossen. Kälte. Überall Kälte. Die Eltern beugten sich zu ihren kleinen Kindern hinunter. Er sah es genau, was sie flüsterten. Dummkopf. Auch wenn er es nicht genau verstand. Er las es an ihren Lippen ab. Die lautlosen Worte hallten in seine Lippen wieder. Sein Zorn loderte auf. Er konnte sich nicht mehr beherrschen. Er schrie so laut er es vermochte: „Ichl binl keinl Dummkopfl. Wiel könntl ihrl esl wagenl sol überl michl zul sprechenl? Wennl ihrl nurl wüsstetl wiel ichl schreibenl kannl!“ Ja, dies stimmte tatsächlich. Mann konnte alles über ihn sagen, aber zu behaupter er könnte nicht schreiben wäre Verleumdung. Doch woher sollten die Anderen das wissen? Sie kannten keine seiner Gedichte. Jegliche Vorurteile hatten sie davon abgehalten auch nur eins zu lesen. Nach diesen Sätzen wurde alles nur noch schlimmer. Das Lachen schwoll an, wurde lauter und lauter. Ein Druck auf seinen Ohren, der sich einfach nicht nehmen ließ. Er machte enttäuscht auf dem Absatz kehrt. Rannte durch das Dorf auf die Brücke zu, welche über dem Fluss errichtet war. Er kletterte über das Geländer, hielt sich mit beiden Händen fest. Das Wasser floss unter ihm vorbei. Ein leises Rauschen. Er begann zu überlegen, wie oft hatte er hier schon gestanden? Wie oft hatte er schon darüber nachgedacht zu springen? Wieso hatte er es nie getan? Er war schon oft hier gewesen. Doch zuvor war er nie gesprungen. Er war aus Angst nicht gesprungen. Nicht aus Angst vor dem Tod, nein, aus Angst davor etwas in diesem Leben verpasst zu haben. Etwas verpasst zu haben wofür es sich vielleicht doch zu leben lohnt. Und immer war etwas Schönes passiert. Nichts besonderes, aber etwas Schönes. Ein wunderschöner Schmetterling war vorbei geflogen, ein Vogel hatte angefangen zu zwitschern, ein Regenbogen tauchte in der Ferne auf. Auch dieses Mal hatte er eigentlich nicht vor zu springen. Er wartete. Er wartete auf ein neues, kleines Wunder. Doch nichts geschah. Er hörte weiterhin nur das Rauschen des Flusses. Und dann begann es. Nicht langsam sondern von der einen Sekunde auf die andere. Es regnete. Der Himmel weinte. Der Himmel weinte über den Entschluss, den er gefasst hatte. Den Entschluss, Robert sterben zu lassen. Dieser verstand es sofort. Er ließ los. Alle Geräusche um ihn herum wurden ausgeblendet. Er spürte nicht wie er die Oberfläche des unruhigen Flusses durchbrach. Er hatte schon lange mit freudiger Erwartung auf ihn gewartet. Plötzlich nahm er wieder etwas wahr. Die Kälte des Wassers, welche sein erhitztes Gemüt wieder abkühlte. Doch desto klarer er denken konnte, desto mehr wurde ihm bewusst, dass er dies hier schon immer gewollt hatte. Das Ende. Er spürte wie sein Leben ihn verließ. In seinem Herzen gab es schon lange keinen Flammen mehr die gelöscht werden konnten. Er starb.
Die Dorfbewohner versammelten sich während dessen auf der Brücke. Sie lachten über ihn. Ein Dummkopf und sein verdientes Ende. Doch während sie noch lachten begann einer der Bauern, Roberts Gedichte vorzulesen. Einer nach dem Anderen verstummten sie. Sie begannen alle seinen Gedichten zu lauschen. Den Gedichten, die von Wut, Trauer und Hass handelten. Die von Respekt und Ehre handelten. Die von Leben und Tod handelten. Ihnen wurde bewusst, was Robert war. Er war ein Mensch. Ein Mensch mit Gefühlen und Träumen. Und sie? Was waren sie? Monster? Hatten sie überhaupt Gefühle? Einer nach dem Anderen fingen sie an zu weinen. Ihre Tränen liefen ihre verzerrten Gesichter hinunter, landeten auf dem Boden. Etwas, dass von ihnen kam, versank im Dreck, vermischte sich mit dem schmutzigen Regenwasser. War es nun dort, wo es hingehörte?

 

Dies ist die erste Kurzgeschichte die ich hier veröffentlich habe, ich würde mich deshalb sehr über eine Antwort freuen, auch wenn es eine Kritik sein sollte!!!

 

Hi joezoe!

Das ist echt schwierig, dir da die passenden Worte zu sagen. Ich versuchs mal: Die Idee an sich, dass jemand für seine offensichtlichen Schwächen verurteilt wird und die Lästermäuler im Nachhinein erkennen, dass sie seine Fähigkeiten verkannt haben ist ... nun, es ist schon eine Idee, ja. Aber: Die Aussage, die dahinter steckt, finde ich auch etwas problematisch, weil ich denke, dass sie sagt, es sei nicht okay, jemanden so fertig zu machen, weil man gar nicht weiß, was er in Wirklichkeit kann. Aber wenn er nicht hätte schreiben können? Dann wäre es okay gewesen? Ich finde die Botschaft deshalb problematisch, weil ich der Meinung bin, es sollte der Menschenwürde wegen einfach tabu sein und nicht, weil der Dr.L vielleicht gut schreiben kann. Verstehst du?

Zum Stil, zur Verarbeitung der Idee: Der Stil ist ziemlich zusammengewürfelt. Mir ist das mit dieser lodernden Flamme im Herzen aufgefallen, dass das nicht zum Ton des restlichen Textes passt, nur als Besipiel. Du solltest versuchen, dir vorzustellen, ein einziger Mensch, mit bestimmtem Wortschatz, bestimmten Lebenserfahrungen etc. erzählt die Geschichte. Außerdem klingt das sehr unwahrscheinlich alles. Ein Sprachfehler, wo alle Worte mit L enden, Dorfbewohner, die lachen, wenn sich jemand umbringt ... Wo gibts denn so was? Ich glaube, auch wenn jemand ein Trottel war, gibt es sehr wenige, die sich bei seinem Tod hinstellen und lachen und sagen: richtig so, war eh ein Trottel ...

Du musst gucken, dass die Dinge, die du erzählst, in unserer Welt vorstellbar wären. Ansonsten hast du es sehr schwer, Leser zu begeistern....


Lollek

 

Hi Lollek,

ich verstehe deine Kritik und bin dir sehr dankbar .

Dieser Sprachfehler ist natürlich sehr überzogen. In solchen Ausmaßen ist mir auch keiner bekannt, aber ein 'einfaches' Stottern würde nicht ausreichen, um diese Reaktion bei Menschen hervorzurufen (obwohl es vermutlich manchmal nur weniger braucht...) und ich denke auch das ich mich mit diesem unrealistischen Aspekt etwas selbst von der Geschichte distanzieren wollte. In diesem Fall ist es vermutlich für den Leser hinderlich, da es ihm schwerer fällt die Situation des Prot nachzuvollziehen.

Ich denke nicht das das Auslachen des Suizides überzogen oder unrealistisch ist. Vielen 'Mobbern' ist nicht bewusst was sie mit ihren Handlungen anrichten und sie sind auch nach einem Ende wie bspw. einem Selbstmord nicht in der Lage mit ihrem Opfer zu sympathisieren. Sie denken das dieses als Mensch weniger wert ist und vielleicht sogar den Tod verdient hat. (Als Beispiel würde ich hier Amanda Todd nennen)

Und natürlich hat jeder Mensch das Leben verdient, unabhängig davon, ob er nun besondere Talente hat oder nicht. In diesem Fall wollte ich eigentlich nur sagen das jeder Mensch irgendein Talent hat. Vielleicht ist es vielen nicht bewusst, aber ich bin fest davon überzeugt das es so ist. Und ich habe auf das Schreiben zurückgegriffen, da seine 'Schriften' auch noch nach seinem Tod erhalten waren und somit immer noch etwas bei den Dorfbewohnern bewirken konnten. Könnte er nun z.B. singen oder tanzen oder reden (was ja sein Sprachfehler ausschließt :D), so würde dies nichts mehr helfen wenn er tot ist.

Zu dem Schreibstil kann ich nur sagen das ich dir vollkommen Recht gebe. Ich bin 16 Jahre alt und gerade erst dabei meinen eigenen Schreibstil zu verfestigen. Ich bin stark von den unterschiedlichsten Autoren beeiflusst (die Bücher die mir mein Vater vorgelesen hat, die Bücher die ich in der Schule lesen muss, die Bücher die ich lesen möchte...) und noch spiegelt sich diese Unsicherheit sehr in meinen Texten wieder. In diesem Fall habe ich die Geschichte schon vor einem Jahr geschrieben (also mit 14/15 Jahren) und ich muss zugeben das ich ziemlich stolz auf mich war als ich einen Punkt hinter den letzten Satz gesetzt habe. Mir kamen Sätze wie der mit der lodernden Flamme im Herzen unheimlich intelligent und bedeutungsschwanger vor, heute denke ich das sie überzogen sind und nicht zu der Geschichte passen.

Ich möchte dir auf jeden Fall für deine Kritik danken und versuchen sie zu berücksichtigen. Ich würde mich sehr freuen wenn du auch meine zukünftigen Texte kommentieren würdest, viellicht komme ich ja mit der Zeit an deinen Standart ran :D

lg, joezoe

 

Ich bin über deine Antwort sehr froh! Deine Reaktion zeigt mir, dass du tatsächlich was lernen willst und dann bist du hier absolut richtig. Weißt du, es gibt sehr viele Neulinge, die nach so einer Kritik sofort beleidigt den Rückzug antreten. Du antwortest sehr freundlich und ausführlich, deshalb habe ich ein gutes Gefühl, was dich angeht und ich vermute, du wirst dranbleiben.

Und natürlich hat jeder Mensch das Leben verdient, unabhängig davon, ob er nun besondere Talente hat oder nicht. In diesem Fall wollte ich eigentlich nur sagen das jeder Mensch irgendein Talent hat. Vielleicht ist es vielen nicht bewusst, aber ich bin fest davon überzeugt das es so ist. Und ich habe auf das Schreiben zurückgegriffen, da seine 'Schriften' auch noch nach seinem Tod erhalten waren und somit immer noch etwas bei den Dorfbewohnern bewirken konnten.

Ich denke, wenn du diese Idee in einen leiseren Text eingebettet hättest, wäre sie viel stärker angekommen. Die Idee ist gut, dass man dieses Talent erst nach dem Tod entdeckt und sich dann wundert. Aber versuch mal, dir eine ähnliche Situation mit weniger Vorschlaghammer auszumalen. Ich versuch mal, dir ein Beisipiel zu entwerfen, etwas Zarteres mit deiner Idee, aber anders verpackt:

Ein Junge liebt schon lange ein Mädchen in seiner Klasse, aber der Junge ist so schüchtern, dass er sich nicht traut, dem Mädchen das zu sagen. Er sagt überhaupt fast nichts, weil er so schüchtern ist und alle denken, er habe eben nicht sehr viel zu sagen, er sei gefühlskalt und eigenartig. Das Mädchen ist in diesen Jungen aber ebenfalls heimlich verliebt, sie ist sich sicher, dass da mehr hinter seiner Stille ist, aber sie will nicht auf ihn zugehen, weil sie befürchtet, von den Klassenkameraden ausgelacht zu werden. Also lieben die beiden sich, ohne das dem anderen je zu gestehen. Als der Junge mit seiner Familie ins Ausland zieht, weil sein Vater dort einen neuen Job angenommen hat, findet man in der Klasse ein Schreibheft des Jungen, in diesem Heft stehen die warmherzigsten und schönsten Gedichte und Geschichten. Die Mädchen in der Klasse sind alle total verzaubert von seiner tollen Sprache, sie sehen ihn jetzt mit anderen Augen und das Mädchen sieht ihre Ahnungen bestätigt, liebt den Jungen jetzt erst richtig. Aber der Junge ist weg und sie hat ihn nie angesprochen, weil sie darauf Wert gelegt hat, was die anderen dann von ihr denken würden ....

Das ist deine Idee, ganz ohne Selbstmord und ohne gehässige Dorfbewohner. Wenn du die Geschichte so erzählst, hat sie etwas viel Wärmeres, weil sie persönlicher ist, weil du die zwei Personen charakterisieren könntest und du könntest echte Figuren aus ihnen machen. Es wäre eine Geschichte, die sicherlich weit berühren würde, obwohl weniger dramatische Dinge passieren. Das ist der ganze Trick, bring uns deine Figuren nahe, damit wir mit ihnen traurig sein können, erzähle von Dingen, die wir gut nachvollziehen können und vor allem: Hab Spaß und bleib am Ball!


Lollek

 

Hi Lollek,

Als ich deine alternative Idee gelsen habe musste ich schmunzeln. Es wirklich ein guter Vorschlag und ich denke, dass diese Geschichte eine gewisse Wärme und Ruhe ausstrahlen würde! Leider muss ich gestehen, dass es mir schwer fällt über Liebe zu schreiben :( Aber daran kann man bestimmt arbeiten :D

Natürlich hat mich deine Kritik nicht gänzlich kalt gelassen, immerhin ist jede meiner Geschichten eine Teil meiner selbst, aber genau aus diesem Grund bin ich dir dankbar, denn es ist, vor allem in meinem Alter, schwer in seiner Umgebung jemanden zu finden, der einem seine ehrliche und unvoreingenommene Meinung sagt und genau das brauche ich um mich zu verbessern, denn wie du schon bemerkt hast möchte ich auf jeden Fall lernen!!! Und in der Schule wird das kreative Schreiben eigentlich überhaupt nicht gefördert. Wir haben zwar eine Schülerzeitschrift, aber diese kommt nur einmal im Jahr raus und abgesehen von den Lehrern bin ich das einzige Mitglied, kein anderer Schüler scheint sich dafür zu interessieren :(

lg, joezoe

 

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