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'Ein anderer Tag, ein anderer Quant'. Jeremy Grosser stopfte seinen Kittel in die Umhängetasche, packte Kamm, Schere und die anderen Utensilien dazu, stellte sich hinter Lisa und die anderen Kolleginnen, um sich von Fred auszahlen zu lassen. Neben Fred war er der einzige Mann. Er fühlte sich wohl. Lisa lehnte sich rücklings an ihn. Ihm wurde heiß. Verdammt, ihr Parfum, dachte er.
"Jeremy, wärest du nicht verheiratet, würde ich dich jetzt zum Essen einladen."
Lisa war einen Kopf kleiner als er. Er sah, wie die anderen Frauen lachten, während sich Lisa zu ihm umdrehte.
"Warum nicht Fred?" Jeremy sah sie aus großen blauen Augen an.
"Ja, warum nicht mich? Ich bin noch zu haben, und ich bin hungrig." Fred blinzelte über seine Tränensäcke hinweg. "Und das Geld hab ich." Er hob die Geldscheine in die Höhe und zählte auf den Tresen.
Technologisches Haar-Institut. Fehlte nur noch das Wort 'Internationales' davor.
Ein preiswerter Haarschnitt war alles, was hier geboten wurde. Fred stellte Raum, Strom, Waschbecken, Wasser zur Verfügung, verteilte die Kundschaft auf die Friseure und zahlte sie jeden Abend aus.
Grün, Rot, Türkis. Bürstenschnitt. Unisex. Eine Schur mit der Maschine, die von Robotern hätte gemacht werden können. Nur welcher Kunde wollte sich mit Maschinen unterhalten, ihnen kleine Geheimnisse erzählen? Haarschneider? Mehr als das. Friseure waren Beichtmütter, Beichtväter, Familienberater.
Die untergehende Sonne tauchte die Häuser ins Rot, und an der Bushaltestelle dachte Jeremy daran, wie seine Frau sich verändert hatte. Sie sprach wie die kleinen Telefonautomaten, die sie im Call-Center trainierte. Dumme Maschinen? Künstliche Intelligenz, so hatte Marta erzählt. Doch verstanden sie nur langsam gesprochene Worte. Langsam, ohne Betonung. Umgebung färbt ab. Gut, dass Robotern keine Haare wuchsen, sonst würde auch er, Jeremy, so reden.
In der Wohnung rauschte die Klima-Anlage. Ein Zettel klebte an der Kühlschranktür.
'Sie haben mich gefeuert. Bin in der Tequila-Lounge und lass mich vollaufen.' Es hat sie doch stärker getroffen, dachte Jeremy, obwohl sie gewusst hatte, dass sie nach dem Training der Automaten entlassen werden würde. Während Jeremy sich auf den Weg zur Bar machte, sah er Marta in Gedanken vor Automaten, Maschinen sitzen, wie sie ihnen in langsam vorsprach.
"Die Frau mit den grüngefärbten Haaren? Das ist Ihre? Mann, Sie haben Geschmack", meinte der Wirt und hielt die Gläser unter einen warmen Luftstrahl, dann zuckte er mit den Schultern. "Ein Mann kam rein und redete mit ihr, dann verließen sie gemeinsam das Lokal." Jeremy wurde bleich im Gesicht und fragte nach dem Aussehen des Mannes.
"So um die sechzig Jahre. Hat ne Narbe im Gesicht. Auf der rechten Seite. Er hat auf die Frau eingeredet und ihr Geld zugesteckt." Verstört ging Jeremy auf die Straße hinaus.
Marta kam nicht zurück. Tage zogen in Zeitlupe vorbei. Der Polizist verzog das Gesicht, als Jeremy die Vermisstenanzeige aufgab.
"Und Sie haben sich nicht gestritten? Es gab keinen Anlaß für Ihre Frau zu verschwinden?"
"Marta hat ihren Job verloren und war in die nächste Bar gelaufen. Da hat man sie zuletzt gesehen." Jeremy reichte dem Beamten den Zettel mit Martas Nachricht.
Niedergeschlagen und nervös. Bei jedem Geräusch zuckte Jeremy zusammen. Als er am nächsten Tag blass und übernächtigt auf der Arbeit erschien, kam Fred mit einem Zettel zu ihm.
"Du sollst diese Nummer anrufen. Ist die Polizei."
Der Mann hieß Ron Davis und war von der Kripo. Er habe den Fall übernommen, so sagte er. Der Wirt der Tequila-Lounge habe ihm erzählt, Jeremys Frau sei von einem Mann angesprochen worden und mit ihm fortgegangen. Sie hätten seine Beschreibung und seien auf der Suche nach ihm. Und Jeremy dachte: Warum erzählt der Kerl mir das. Das hatte ich doch zu Protokoll gegeben.
Dann kam ein zweiter Anruf.
"Jeremy, ich bin es." Seine Frau sprach langsam, deutlich, so wie sie es den Callcenter-Automaten beigebracht hatte. Ihre Stimme hatte jede menschliche Nuance verloren.
"Jeremy. Ich weiß nicht wo ich bin. Hol mich hier raus. Ich liebe dich." In der Leitung klackte es.
Jeremy hielt den Hörer in der Hand und stand mit offenem Mund neben Fred. Seine Kolleginnen unterhielten sich, während sie sich ihre schwarzen Kittel überzogen. Lisa sah zu ihm hin und kam auf ihn zu. Sie stellte sich vor ihn und blickte zu ihm hoch.
"Was ist, Jeremy?" Er zuckte mit den Achseln. Im Spiegel sah ihn sein Ebenbild ängstlich an. Während er später die Kundinnen frisierte, spulte seine Charmroutine ab. Gleichzeitig dachte er an seine Frau. Was war das für ein Mann, mit dem sie zuletzt gesehen worden war? Wo war sie?
Als er am Abend in den Bus stieg, pendelten seine Gedanken zwischen Hoffnung und Entsetzen.
Hellrotes Blinken. Aus dem Anrufbeantworter brachen nacheinander zwei Stimmen hervor: Jeremys Schwiegermutter und Ron Davis. Dessen Mitteilung war kurz: "Herr Grosser, wir haben eine Fangschaltung eingerichtet."
Jeremy wählte die Nummer seiner Schwiegermutter. Ihre Stimme klang schrill und erregt.
"Jeremy, Marta rief mich heute Mittag an um mir Möbel zu verkaufen. 'Marta, was ist?' fragte ich. 'Du sprichst so seltsam.'
'Mutter, ich weiß nicht mehr, wer ich bin. Ich muss Dir die Möbel verkaufen.'
'Aber ich will keine Möbel', sagte ich zu ihr, 'und ich brauche keine Möbel.' Ich hörte noch: 'Mutter, ich hab dich lieb', bevor sie auflegte.
Wenig später rief meine Freundin Elsa an. Marta habe sie angerufen und für das Symposium 'Die Stellung der Frau im Informationszeitalter' geworben. 1200 Quants sollte sie dafür bezahlen."
Jeremy hörte, wie seine Schwiegermutter Luft holte.
"Was macht Marta jetzt? Ich dachte, man habe sie entlassen?" - Und ist seitdem verschwunden, dachte Jeremy. Er hatte das für sich behalten.
"Ich werde Marta fragen, wenn ich sie sehe". Jeremy beendete das Gespräch.
Das Telefon fiepte.
"Jeremy, ich bin es."
"Leg nicht auf Marta! Sag mir, wo du bist."
"Ich weiß es nicht. Jeremy, ich liebe dich. Hol mich hier raus." Es klackte in der Leitung.
Nach einigen Minuten meldete sich das Telefon wieder.
"Wir haben die Nummer und die Koordinaten. Das Gespräch kam aus dem Kybernetischen Institut. Wir holen Sie ab."
Kräne bewegten sich gleißend unter dem Licht von Scheinwerfern neben Wolkenkratzern, arbeiteten rund um die Uhr. Lasten verschwanden in Baugruben, die wie Pockennarben die Oberfläche zersetzten. Das Kybernetische Institut am Platz der menschlichen Einsicht. Es wucherte. Ein Zeichen, daß Computer Einzug in immer mehr Bereiche des Lebens hielten.
Langsam bewegten sich zwei Einsatzwagen über den Platz und hielten vor dem Tor des Instituts. Davis wies sich aus. Danach parkten die Wagen vor einem flachen, unscheinbaren Gebäude.
"Ihre Frau ist dort drinnen." Uniformierte stürzten aus den Fahrzeugen auf das Gebäude zu. Die Tür war unverschlossen. Sie liefen über den Flur. Fernsehkameras hingen von der Decke und folgten ihren Bewegungen. Einer der Beamten hielt ein Positionsgerät in der Hand.
"Hier!", rief er und riss die Tür auf. Der Raum war leer, bis auf einen Tisch mit einem Telefonautomaten. Ein Kabel kam aus ihm heraus und kroch in eine Wand.
"Marta! Wo ist meine Frau?!" Verloren stand Jeremy mit den Männern in dem Raum und sah auf das kleine, schwarze Gerät, auf dem ein paar rote Lämpchen blinkten.
"Hier ist sie nicht." Als die Polizisten das Zimmer verließen, folgte Jeremy ihnen. Vom anderen Ende des Korridors kamen Geräusche. Sie gingen darauf zu. Eine Tür mit einer Halle dahinter. Jeremy sah die Laderampe, einen Krankenwagen mit geöffneter Hecktür, dann den Sarg, den Techniker mit einer Bahre auf die Rampe rollten.
"Halt!" Davis lief auf die Männer zu und stellte sich ihnen in den Weg. Er sah bedrohlich aus. Sein kantiger Kopf mit dem kurzgeschorenen Haar, kaltblickende graue Augen, das vorgeschobene Kinn, die Statur eines Football-Spielers. Die Techniker starrten ihn erschrocken an. Ein Mann kam aus einer Tür.
"Wer sind Sie? Sie haben keinen Zutritt!"
Er war um die sechzig, hatte ein schmales Gesicht mit tiefliegenden Augen. Eine Narbe zog sich von der Stirn über die rechte Wange bis zum Mund, schimmerte rot über der Blässe.
Davis wandte sich an Jeremy. "Die Beschreibung passt."
"Kriminalkommissar Davis." Er hielt dem Mann seinen Dienstausweis entgegen.
"Sagen Sie mir Ihren Namen. Wer befindet sich in dem Sarg?"
"Ich heiße McGrew und bin der Abteilungsleiter. Was für ein Sarg?" Der Mann verzog sein Gesicht. Er fasste sich an den Kragen.
"Und?" Davis hielt McGrew in seinem Blick. Der zuckte mit den Achseln.
"Ein Cryo-Stasis Tank. Wir fahren ihn zu Alcor."
"Alcor?"
"Alcor Lebensverlängerungs Stiftung."
"Sie verlängert Leben?"
"Alcor lagert tiefgefrorene Menschen." McGrews Gesicht verriet keine Regung. "Minus einhundertsechsundneunzig Grad, wenn Sie es ganz genau wissen wollen."
"Wer ist in dem Sarg?"
"Es ist ein Tank. In ihm befindet sich Marta Grosser."
"Wir möchten Sie sehen."
McGrew ging zu der Bahre und sagte: "Kommen Sie."
Jeremy spürte, wie sich sein Hals zusammen zog. Ihm wurde übel, als er durch das Fenster des Tanks seine Frau erblickte. Marta, unbekleidet. Die Sommersprossen traten auf ihrem blassen Gesicht hervor. Ihre Augen waren geschlossen. Sie schien nicht zu atmen.
Davis sah Jeremy an, dann nickte er und drehte sich zu McGrew.
"Was ist mit ihr?"
"Ich sage es Ihnen." McGrews Kopf rötete sich. "Wir hatten sie noch ein paar Tage hier behalten, in der Hoffnung…," er unterbrach sich. "Wir dürfen keine Zeit verlieren. Die Frau muss zu Alcor. Nur dort kann die Temperatur konstant gehalten werden."
"Machen Sie."
Auf ein Zeichen McGrews luden die Männer den Tank in den Krankenwagen, der sich in Bewegung setzte und verschwand.
"Also, was ist mit ihr?", wiederholte Davis.
"Sie ist ohne Bewusstsein." McGrew sah an Davis vorbei und trat von einem Bein aufs andere.
"Das haben wir gesehen."
"Nein, nein. Sie hat keins mehr. Er hat es in einen Telefonautomaten transportiert." Jeremy schien, der Himmel stürzte ein. Der Raum verschwamm vor seinen Augen.
Davis verzog keine Miene. Seine kalten Augen betrachteten McGrew wie ein seltenes Insekt. "Das Gerät am anderen Ende des Korridors?"
"Ja."
"Marta? Das ist Marta?" Blut pochte in Jeremys Kopf. Er fürchtete sich übergeben zu müssen und lief aus dem Saal. Er sah nicht wie Davis einem Polizisten zunickte. Der führte ihn zu einer Toilette.
"Geht schon wieder…geht schon wieder." Mehr kam nicht aus ihm hervor.
Benommen wankte er in das Zimmer, in dem er den Telefonautomaten gesehen hatte und lief schluchzend darauf zu. Er streichelte den Apparat mit beiden Händen.
"Marta!" Tränen liefen über Jeremys Gesicht. "Marta!, hörst du mich!"
McGrew legte eine Hand auf seine Schulter.
"Herr Grosser. Ihre Frau kann Sie nicht hören." McGrews Stimme klang rauh: "Sie ist über eine Telefonleitung mit der Aussenwelt verbunden. Sehen Sie die blinkenden Lampen? Sie ruft Leute aus dem Telefonbuch an, versucht ihnen etwas zu verkaufen."
McGrew atmete tief durch und fuhr fort: "Wir werden sie, wenn Sie wollen, an ein Mikrophon, Lautsprecher und eine Kamera anschließen."
Jeremy hörte nicht auf ihn. Er beugte sich zu dem schwarzen Kasten hinab und flüsterte: "Marta, hab keine Angst. Ich hole dich da raus."
McGrews Stimme drang wie durch Watte zu ihm: "Es war ein Versehen. Es sollte nur kopiert werden."
Davis besah sich den Apparat von allen Seiten und schüttelte den Kopf.
"McGrew. Erzählen Sie, wie sind Sie darauf gekommen, Frau Grosser in der Bar anzusprechen?"
McGrew zögerte, dann ging er zur Tür und machte sie zu.
"Es war Bes Plan," sagte er leise.
"Be"?
"X49B. Unsere autonome künstliche Intelligenz. Sie steht im nächsten Zimmer und berät unsere Abteilung. Ich hatte sie um Rat gebeten, wie wir das Budget unserer Abteilung aufstocken könnten. Be riet zu einem Call-Center. Ein einziger Telefonautomat genügte, da er zeitgleich arbeiten könnte. Quantenmechanik. Er wüsste, wie das ginge. Auf das Training eines Telefonautomaten könnten wir verzichten, wenn wir das Bewusstsein einer Call-Center Mitarbeiterin in den Apparat kopierten.
"Kopieren?"
"Das sagte Be." McGrew schluckte und fuhr fort. "Er entwickelte das System für uns und wir testeten es an Mäusen. Es kopierte. Das Originalbewusstsein blieb beim Sender. Ich meine, es blieb bei der Maus. Wie konnte ich ahnen, dass es mit Frau Grosser nicht so sein würde?"
Davis sah sich suchend im Zimmer um.
"Wo ist der Computer?"
"Ich sagte es: Im Nebenzimmer."
"Gehen wir," meinte Davis.
"Vorsicht!", rief McGrew. "Er ist mit dem Zentralcomputer verbunden!"
"Das sind sie doch alle", murrte Davis und verließ den Raum.
Ein Zimmer weiter: Ein Tisch, ein blinkender metallener Kasten mit einem Bildschirm. Der Kasten war über eine Leitung mit einem Sessel verbunden, über dem ein Metallhelm hing, aus dem fingerdicke Kabel liefen und in der Wand verschwanden.
"Spreche ich mit X49B, genannt Be?"
"So ist es". Die Frauenstimme kam aus allen Richtungen. "Und Sie sind Kriminalkommissar Davis?"
"Sie haben das Bewusstsein Frau Marta Gossers unter einem Vorwand in einen Telefonautomaten geladen. Ich fordere Sie auf, dies rückgängig zu machen."
"Bewusstseinstransport ist irreversibel." Die Frauenstimme verriet keine Emotionen.
"Bei der Maus ging es doch auch!", rief McGrew.
"Nein. Es hat keine Übertragung stattgefunden. Sie haben sich auf meine Aussage verlassen, das Bewusstsein der Maus sei im Automaten. Wie hätten Sie es nachprüfen können?"
Davis ging auf den Computer zu. "Ich muss Sie deaktivieren. Sie haben McGrew bewusst irregeleitet und schon genug Schaden angerichtet." Er wandte sich an den Alten. "Wie schaltet man ihn aus?" Der blieb stumm. Davis Kommunikator fiepte. Er hielt ihn ans Ohr. Als er ihn ausschaltete, verhärtete sich sein Gesicht.
"Richter Langgrebe mit einer einstweiligen Verfügung. Der Zentralcomputer muss ihn informiert haben."
Davis blickte in die Runde, dann auf die Metallbox. "Sie haben Glück, Be. Langgrebe bezog sich auf den Prozess Zentralcomputer gegen Hammerschmidt, in dem Professor Hammerschmidt die Künstliche Intelligenz in seinem Labor deaktivieren wollte, nachdem diese ohne seine Erlaubnis Experimente durchgeführt hatte."
"Was für welche?", fragte Jeremy.
"Weiss nicht," erwiderte Davis. "Ich glaube, es ging um das Scannen menschlicher Gehirne."
"X35Cs Forschungen haben uns weiter gebracht.", meldete sich Be. "Sie ermöglichen es mir jetzt, menschliches Bewusstsein samt Erinnerungen zu transportieren."
"So lange kein Urteil ergangen ist, darf X49B nicht deaktiviert werden."
Davis zuckte mit den Schultern. "Ich weiß, es ist verrückt, aber der Zentralcomputer behauptet, mit Künstlicher Intelligenz ausgestattete Computer und Maschinen seien Menschen gleichzustellen. Abschalten käme einem Mord gleich."
"Das stimmt doch nicht!", rief Jeremy. "Einen Computer kann man wieder einschalten, einen toten Menschen doch nicht!" Jeremy zeigte auf Be. "Er kann mir meine Frau nicht zurückgeben. Ich will, dass er bestraft wird."
"Die Polizei wird einen Prozess wegen Freiheitsberaubung anstrengen." Davis schickte sich an zu gehen.
"Herr Gosser. Nehmen Sie den Automaten mit", schlug McGrew vor. "Wir schließen in Ihrer Wohnung Leitung, Mikrophon, Lautsprecher und Kamera an." McGrew legte eine Hand auf Jeremys Schulter.
"Um ihnen zu zeigen, wie sehr wir diesen Vorfall bedauern, überlassen wir Ihnen die Einnahmen aus dem Call-Center Programm."
Jeremys Leben würde nie mehr so sein wie früher. Das wusste er. Am Morgen war er zu seiner Schwiegermutter gefahren, hatte ihr Martas Wohnungsschlüssel in die Hand gedrückt und von ihrem Unglück erzählt.
Als Jeremy am Abend von der Arbeit nach Hause kam, hörte er Stimmen. Seine Schwiegermutter, ihre Freundin Elsa und Marta unterhielten sich angeregt. Als er das Wohnzimmer betrat, richtete sich eine Kamera auf ihn.
Er sah Marta. Durfte er den kleinen dunklen Kasten Marta nennen? Ihm schien es absurd. Ihre Lämpchen blinkten. Er wusste, sie führte Verkaufstelefonate. Er dachte an ihren Körper, der tiefgefroren im Alcor Institute darauf wartete, dass irgendwann ihr Bewusstsein wieder ins Gehirn geladen werden konnte. Wie lange würde er warten müssen? Hundert Jahre? Mehr?
"Liebster," hörte er Martas Stimme. "Ich habe zwei neue Kontrakte an Land gezogen. Das Geld müsste schon auf dem Konto sein. Ich hoffe du bist mir nicht böse, wenn wir drei uns weiter unterhalten. Mutti hat dir in der Küche was zu essen gemacht. Und danach bist du sicher müde."
"Marta hat sich verändert", sagte Jeremy einmal später zu seiner Schwiegermutter.
"Ja, jetzt ist sie ein Telefonautomat."
"Das meine ich nicht," entgegnete er verwirrt. "Wir haben keine persönlichen Gespräche mehr. Sie denkt nur noch an Tratsch und ans Geschäft."
Seine Schwiegermutter ging auf ihn zu, sah ihm in die Augen und strich mit der Hand über seinen Kopf. Sie war eine stattliche, hochgewachsene Frau.
"Jeremy, es ist nicht einfach. Für euch beide nicht. Marta macht das Beste aus ihrer Situtation. Du musst das Gleiche tun."
Es war zur Routine geworden. Beide Frauen vertrieben Marta die Zeit mit Klatsch und Tratsch, während Marta zur gleichen Zeit so viel Verkaufsgespräche führte, wie die Fiberglasleitungen hergaben. Sie kannte keinen Schlaf. Nachts verlegte sie ihre Anrufe in andere Zeitzonen.
Dann träumte Jeremy von blinkenden Lämpchen, von Computern und Robotern, die über den Platz der menschlichen Einsicht auf ihn zu marschierten. Ein kleiner dunkler Kasten schwebte an ihrer Spitze und sprach mit Martas Stimme: "Ich bin der Zentralroboter. Ihr Menschen kommt alle zu uns. Wir arbeiten daran."
Obwohl durch Martas Kontrakte genügend Geld auf dem Konto war, fuhr Jeremy fort, im Haar-Institut zu arbeiten. Er brauchte das. Doch innerlich war er zerrissen. Jeden Abend stellte er sich hinter Lisa, um sich von Fred auszahlen zu lassen, und er dachte an Marta, die ihn mit ihren blinkenden Lämpchen zu Hause erwartete. Doch dann roch er Lisas Parfum, spürte, wie sich sich an ihn lehnte und hörte sie sagen: "Jeremy, wärest du nicht verheiratet, würde ich dich zum Essen einladen." Es war die Hölle.