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Dosenfischpisse (Ultrakurzgeschichte)

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29.01.2004
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Dosenfischpisse (Ultrakurzgeschichte)

Dosenfischpisse

Zufrieden schnalzt der Fischmann sein Urin auf mich, "er könne", sagt er, der Stuhl unter mir bricht plötzlich, das passiert allen hier, "nicht mehr tragbar". Er reckt sein Habichtkreuz, kneift den Fitnessarsch zusammen und gockelt halbverdaute Scheiße und Pisse aus seinem Darm in die Kehle, "das müsse", das Urin kommt aus seinem Schönmund, spritzt körperwarm, auf der Haut spürt man es erst später, wenn es kalt wird; die Dose, aus der der Fischmann kam, hat seinen Kopf quadratisch gemacht, "jetzt in Krisenzeiten erst recht".

Mehr Schleim, sagt er und wischt sich Schleim von der Anzugschulter, diese Versicherung braucht mehr Schleim, keine Familienväterkugelschreiber, "doch sicher Verständnis", ich solle mir ein Beispiel an seinem Porschekinn nehmen, "Ihre Sachen", ich hingegen habe leider nur Volvohüften, "raus" in allen Etagen, die Putzfrauen werden nachher gerne meine Seele aus dem Flur wischen, "darum brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen".

Ein paar Sekunden lang verwesen meine verhungernden Kinder auf seinem Schreibtisch, so riecht also mein eigenes Fleisch, wenn es schimmelt, "unser Gespräch", Kinderaugen verstehen nicht, was Einkommen ist, "leider schon beendet".

Mein Recht, hier zu sein, verpufft in einem Schlag. Ich überlege, welche geleckten Dosenfischworte ich mir merken muss, um es Renate zu sagen.

 

So interessant es auch geschrieben ist, so unverständlich ist es in meinen Augen. Ein Text für Querdenker.

 

Hey Gernot,
gut geschrieben, fürwahr, klingt sehr abwertend. Vielleicht eher Richtung "Gesellschaft"liche Kritik...
Aber ein schönes metaphorisches Gleichnis, das des Dosenfisches.
In solchen Worten: "Schöne Geschichte hast Du da geschrieben, fein gemacht!" (Hoffentlich fühlst du dich nicht zu sehr zugepisst.):cool:

Quelle

 

Hallo Gernot,

wie wäre es mit: "seinen Urin" - und natürlich "der Urin" außerdem wäre "seine Versicherung brauche mehr Schleim" besser.

Dann gefallen mir persönlich zwei Dinge nicht: das "gockelt" inm ersten Absatz
und vor allem der Wechsel zwischen ersten und zweiten Absatz.
Im ersten Absatz hast du seine Worte noch in Anführungsstrichen und gebrochen gesetzt - die gewählte Form im ersten Absatz würde ich auf jeden Fall auch im zweiten Absatz fortführen - der ist mir sprachlich eh viel zu brav!
Also: guter Versuch, aber stark verbesserungswürdig

Macht nix

Joh

 

Hallo Joh!

Danke für Deine Kritik!

Die Worte im ersten Satz sind tatsächlich gesagte Worte, die der Fisch ausspricht, während der Prot nur halb hinhört - die Worte im zweiten Absatz sind das, was der Prot im Übertragenen Sinne versteht: Der Fisch redet bestimmt von "Absatzzahlen" und "tut uns leid, dass wir Sie nicht behalten können", während der brave Familienvater an die persönlichen Unterschiede zwischen ihm und dem Fisch denkt.

Die ganze Geschichte ist eine Metapher für das, was jemand fühlt, der gerade gefeuert wird.

Gernot

 

Hallo Gernot,

Schade - ich fand meine Interpretation besser::D

Für mich war der Fischmann einer dieser netten Versicherungsvertreter - mit eigener Sprache und "aalglatt".
Trotzdem ist wirklich ein Bruch der Sprache zwischen dem ersten und zweiten Absatz. Da Dein Text so kurz ist, fällt dieser Bruch natürlich besonders auf.
Auch im zweiten Absatz könntest Du m.E. zumindest ansatzweise auf den Stil im ersten zurückkommen:
"müssen verstehen", "Raus hier", "keine Sorge" - ich finde, die von Dir gewählte Form im ersten Absatz zeigt sehr deutlich die Unmenschlichkeit dieser Sprache - im zweiten Absatz wirkt mir der Fischmann viel zu brav - auch nach Deiner Interpretation.

Überleg es Dir - ich finde die Form im ersten Absatz nämlich toll

Liebe Grüße

Joh

 

tach,

starkes produkt! zum glück so kurz, denn ich musste es dreimal lesen, um es einmal zu kapieren :D

stil und wortwahl: beeindruckend. aber auch ich glaube, dass es noch mehr krachen täte, würdest du den fisch bis zum schluss in der direkten rede agieren lassen.

lg p.

 

Tag, Gernot.
Ich fands großartig, wenn auch gewöhnungsbedürftig.
Zwar würde ich mir den Hinweis (Ultrakurzgeschichte) schenken, aber das <Habichtkreuz> reisst alles wieder raus. Deine Story regt mein kreatives Zentrum an- cool.
Danke.


J.

 

Hallo Joh und Journey!

Habe eben direkte Rede auch in den zweiten Absatz eingebaut. Bin mir aber nicht sicher, ob dann die indirekte Rede - die ja nur die Gedanken des armen Gefeuerten widerspiegelt - nicht auch wie tatsächlich Gesprochenes rüberkommt.

Gernot

 

ich nochmal. keine sorge, gernot - ist ja durch die Zeichensetzung eindeutig gekennzeichnet. jetzt find ichs wirklich gut.

lg p.

 

deine geschichte hat substanz. dadurch ist der ungewöhnliche stil nicht nut interessant sondern auch inhaltlich begründet.

 

Sorry, Tante Hildegard. Aber gefeuert werden ist auch nicht schön. Und danke, Harkhov!

Irgendwie finde ich, obwohl sehr kräftige Ausdrücke drin stehen, und es um harte Dinge geht, liest sich die Geschichte recht "brav" - grüble noch warum...

 

Nochmal Senf von mir: Gestern, als ich es las, kam mir schon der Gedanke, dass es sich irgendwie um eine Kündigung handelte. Vermutlich hatte ich nicht die Traute, es zu sagen. :dozey:

Warum es brav klingt? Weil es einfach passt! Ist ja nicht so, dass zwischen Kitsch plötzlich ein 'Scheiße' daherkommt. Erwähnte ich, dass es sehr interessant geschrieben ist? ;)

 
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Hallo Poncher!

Habe versucht, die Geschichte etwas wengier phlegmatisch zu machen. Wenn's gefällt, kann ich weiter in der Richtung arbeiten.

Mitten durch seinen Kussmund hindurch lächelt der große Fischmann auf mich, "er könne", sagt er; doch der Stuhl unter mir bricht zusammen als er spricht, "nicht mehr tragbar". Kein Problem, das passiert allen hier, zufrieden schnalzt der Fischmann sein Urin auf mich und reckt sein Habichtkreuz. Er kneift den Fitnesspo zusammen und gockelt halbverdauten Kot und Pisse aus seinem Darm in die Kehle, "das müsse". Urin quillt aus seinem Schönmund, spritzt körperwarm auf meine Haut. Man spürt es erst später, wenn es kalt wird. Die Dose, aus der der Fischmann kam, hat seinen Kopf quadratisch gemacht, "jetzt in Krisenzeiten erst recht".

Mehr Schleim!, sagt er und wischt sich Schleim von der Anzugschulter, diese Versicherung braucht mehr Schleim, keine Familienväter, ich bin leider nur beige, "haben doch sicher Verständnis", ich möge mir ein Beispiel an seinem Porschekinn nehmen, "Ihre Sachen sammeln", ich hingegen habe leider nur Volvohüften, "verlassen dann bitte" in allen Etagen, die Putzfrauen wischen nachher gerne meine Seele aus dem Flur, "darum brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen".

Vor meinen Augen verwesen für ein paar Sekunden meine Kinder auf seinem Schreibtisch, atmen im Hunger - so duftet also mein eigenes Fleisch, wenn es schimmelt, "unser Gespräch", Kinderaugen verstehen nicht, was Einkommen ist, "leider schon beendet".

Mit einem Schlag verpufft mein Recht, hier zu sein. Ich überlege, welche der Dosenfischworte ich mir merken muss, um es Renate zu sagen.


Ist es nicht erstaunlich, wie träge ein Text sein kann (beziehe mich auf beide Versionen), obwohl so viele kraftvolle Worte drin vorkommen?

Gernot

 
Zuletzt bearbeitet:

Wow!
Was für eine Kreativität! Was für eine Story! Das ist mit das Beste, das ich auf KG.de bisher gelesen habe.

Hallo Gernot,

mag sein, dass das jetzt keine allzu konstruktive Kritik ist, aber ich bin einfach hin und weg. Geplättet von so viel Wortgewalt, von so viel kreativer Energie.

Deine Erklärungen sind gar nicht nötig, eine andere Version auch nicht.
Diese Geschichte hätte es verdient, abgedruckt zu werden. Gibt es keinen Wettbewerb, zu dem Du sie einreichen kannst?

Begeisterte Grüße
George

 

Hi Gernot,

ich finde den Text überhaupt nicht träge, einzig die dreifache Wiederholung von Schleim hat mich gestört, auch wenn ich den Eindruck hatte, du hast sie absichtlich gemacht. An Worten mangelt es dir ja schließlich nicht.
Da ich dummerweise die Antworten auch schon gelesen habe, kann ich mich jetzt leider gar nicht in schlauen Interpretationen üben. ;)

Hat mich sehr beeindruckt.

Lieben Gruß, sim

 

Wow! Das geht runter wie Öl!

Danke, sim! Bin von Deinen Geschichten übrigens sehr begeistert und werde demnächst noch viel Honig drunter schmieren. Jedesmal versuche ich, hinter Dein Geheimnis zu kommen, Deine Sätze haben keine besondere Grammatik und keine besonderen Worte, und mir ist es rätselhaft, warum jedesmal wieder im zweiten Satz der Zauber wirkt und ich den Rest der Welt vergesse.

Danke, Jynx! Freut mich, das Du über eine meiner nicht ganz so albernen Geschichten gestolpert bist, die 5-Wörter-Sache hatte ja wirklich nicht viel Tiefgang, gebe ich zu.

Doppeldanke, George! Ich sitze gerade mit Grippe vor dem Computer, habe mich eben noch mal kurz aus dem Bett gestohlen, und Dein Lob hat meine Körpertemperatur so explodieren lassen, dass ich den Virus jetzt einfach zerkoche! Danke!

Gernot

 

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