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Dortmund - my kind of town.
Dortmund ist, im Vergleich zu beispielsweise Sodom, eine eher ruhige und beschauliche Stadt.
Auch kann Dortmund es architektonisch schwerlich mit Berlin aufnehmen, atmet aber genauso den Charme der Verzweifelten.
Wir haben alles, was eine Großstadt benötigt:
Mehrere Diskotheken, jetzt „Clubs“ genannt (ich denke immer, ich bekäme am Eingang einen Mitgliederausweis oder sowas), ein Theater ohne Skandalregisseur(bei uns trägt „Schneewittchen“ tatsächlich eine rote Satinkluft - und keinen umgeschnallten Edelstahl-dildo), ein Großraumkino, dass Menschenschlangen wie zu DDR - Zeiten produziert und in dem man für Nachos aus einem Styropor - Weizengemisch und einem Bier seinen Dispo überziehen muss- und mehrere Boutiquen „Mambo“, „Zambo“, „Friaul“ und ähnlich absurden Titulierungen, in denen aber niemand einkauft.
Und die Menschen?
Studenten in Schlaghosen aus sperrholzartigem Material, die mindestens BWL studieren, vernünftigerweise symptommilderndes Kronenpils trinken, Musik von Bands wie „die kopulierenden Gratulanten“ hören und haschischrauchend die Programmkinos verstopfen, sind hier allerorten anzutreffen.
Ihre Kleidung, im Innenstadtbereich auf einen Haufen geworfen, würde ausreichen, den Berliner Reichstag mit
beigefarbenem Kord zu verhüllen.
Ich mag das alles.
So bin ich aufgewachsen.
Okay - wir Dortmunder haben keine Esskultur.
Aber wir haben McDonalds.
Der Gründer von MC Donalds sagte mal, er erwarte Geld, wie man Licht erwartet, wenn man den Schalter umlegt.
Wenn Sie auf gegartes Fleisch in Eishockeypuckform mit Salat und Brötchen abfahren, wird es schwer, McDonalds zu umgehen. Es gibt zwar alternativ die Möglichkeit in Lokalen wie dem „Louisiana“ und anderen Bollwerken der Pseudo - Südstaatenküche medizinballgroße Spezial - Burger mit etwa 4 kg Pommes frites zu sich zunehmen:aber an den unvergleichlichen Charme des amerikanischen Beinahe - Monopolisten heranzukommen, hat noch niemand geschafft.
Will wohl auch niemand.
Dem Charme von Macdonalds, den vor allem die zauberhafte Arbeitskleidung, die phantasievollen Produktnamen (einen Mac - Baconshake, bitte...) und die bequemen Sitzmöglichkeiten ausmachen, kann sich kaum jemand entziehen.
Allerdings könnte das Personal etwas unfreundlicher sein.
Ich mag es gar nicht, wenn ich übellaunig eine Macdonalds Filiale betrete, freundlich begrüßt zu werden.
Woher nehmen diese Leute, schlechtbezahlt und albern gekleidet, die Frechheit so zu grinsen?
Keine Ahnung.
Der regelmäßige, melodisch gerufene Wunsch, ich möge einen „guten Tag“ haben, lässt jedes Mal den Wunsch in mir erwachen, den Nacken der Mitarbeiter nach verborgenen Schaltern abzusuchen, auf denen
„Freundlich - superfreundlich - beschämend devot“ steht. Dieser Umstand ist mir lästig.
Mein Vorschlag: klingonische, traumatisierte Kriegsveteranen in Originalkleidung mit Sechsunddreißig - Stunden Schichten.
Diese Spezies könnte dann in schuppenbewehrten, von verkrustetem Blut überzogenen 25kg - Panzern
stilgerecht ein kehliges Begrüßungs-Bellen ausstoßen, einen mit seinen Blicken durchbohren und damit dazu führen, dass die übliche "schön ich bin dran - dann mal überlegen...“ - Fraktion in Bruchteilen einer Sekunde irgendeine sinnlose Menüwahl trifft.
Sie geben mir sicher recht, dass der erhöhte Entertainment - Faktor die Gefahren beim Bestellen rechtfertigt.
Ein weiterer Verbesserungsvorschlag wäre ein extremes Ankurbeln der Merchandising-Maschinerie.
Wir kennen das: sobald sich die Schergen von Disney wieder ein zuckersüßes Zeichentrickmachwerk aus dem Kreuz geleiert haben, wird der geneigte McDonalds - Kunde mit Tonnen von entsprechenden Plastikfiguren zugemüllt. Es reicht aber wohl nicht, einfach nur bunte Kunststoff - Abbilder dieser Figuren zu produzieren - sie müssen immer zwingend in einen modernen Kontext eingebunden werden.
Balu der Bär auf einem BMX - Rad, Mowgli auf nem Skateboard, Pocahontas mit Blink - Diaphragma oder der Glöckner von Notre Dame mit der Nachbildung einer Neutronenbombe, die mit Katzenscheiße gefüllt ist.
Wahrscheinlich hätte es auch die Schöne und das Biest als Figuren zum ineinander stecken gegeben, wenn’s nicht so teuer geworden wäre. Wenn wir also schon diesen Käse in einer Juniortüte mitkaufen müssen
wäre es doch viel netter, Sachen mit reinzupacken, die der Mensch auch braucht.
Es muss ja keinen großen Wert haben oder funktionieren - aber es sollte besser funktionieren als Windows XP und besser aussehen als der Smart.
Im Prinzip käme bereits eine Plastiktüte in Betracht.
Nun, ich wollte mich nur mal darüber aufregen. Und die zauseligen Halloween - Paniktierchen im Oktober 2001
waren extrem spaßig. Man konnte Sie sogar einzeln kaufen, was allerdings nicht viel Sinn macht, denn für Einssiebzig mehr gab’s dann schon das Kids Menü dabei.
Da niemand Geld zu verschwenden hat, aber auch niemand, der klaren Verstandes und erwachsen ist, ein Kidsmenü zu sich nimmt, werden die Menüs nach Kauf des Paniktieres an Ort und Stelle weggeworfen. Das erklärt die ungewöhnlich hohe Population von neunzig Zentimeter langen Ratten, die nach Schmelzkäse riechen, in der Nähe von McDonalds Filialen.
Dann doch lieber ab in den Dortmunder Norden, um sich vom freundlichen Nachbarn ein schönes Stück Rottweilerfleisch auf den Grill werfen zu lassen, die eben noch geballte Faust versöhnlich um eine fast abgelaufene Dose Warsteiner geklammert, und den Blick auf das gerichtet, was die Schlote von Hoesch vom Sonnenuntergang übrig gelassen haben.
Große Teile vom „Herrn der Ringe“ hat Peter Jackson in Dortmund Brackel gedreht, vor allem die Szenen in Mordor, aber mir gefällt es.
Ich werde hier leben, ich werde hier vergehen.
Mein Schicksal ist mit dieser Stadt verbunden.
„Gleich hat der Arsch Kirmes“, hat mein Vater immer gesagt, und ich erinnere mich gern an die Worte des Poeten, der an der Kasse der „Raupe“ auf unserer Kirmes saß und verlauten ließ:
„Die nächste Fahrt geht wieder rückwärts.“
Möglich, dass er sich geirrt hat.
Jack Torrance- die Mittagspausenaufzeichnungen