Mitglied
- Beitritt
- 05.06.2003
- Beiträge
- 1
- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 5
doch verlieben?
Ich stieg aus dem Bus. Mein Herz klopfte bis an den Hals. Ich spürte das Pulsieren an meinem Hals. Zögernd bewegte ich mich auf den verabredeten Treffpunkt zu. Blickte mich um.
„Wieso mache ich das eigentlich?“ Fragte ich mich. „Was verspreche ich mir davon?“ Drauf und dran umzukehren, warf ich noch einen Blick auf den großen Platz, der vor mir lag.
Zu spät. SIE hatte mich gesehen. Kam langsam, aber zielsicher auf mich zu. „Hi!“ Sagte SIE nur. „Hi!“ Erwiderte nun auch ich. „Wohin gehen wir?“ Fragend blickte SIE mich an.
Schweigend bedeutete ich IHR mitzukommen. SIE folgte mir.
Wenige Minuten später legte ich meine Jacke auf den Stuhl neben mir. „Ein Milchkaffee!“ Bestellte ich, während SIE sich mit einer Cola begnügte. Fordernd blickte SIE mich an. „Erzähl!“
Es fing vor einem Jahr an. Im Chat. Man schrieb sich, belanglosen Kram. Doch mit der Zeit, es wurde tiefgründiger. Kein Anonymus mehr, sondern eine Persönlichkeit. Mit einem Charakter. Mit einer Seele. Eine Person wie du und ich.
Wir fingen an zu telefonieren. SEINE Stimme war warm, ein Hauch Akzent verrieten seine Abstammung. Aus einer Stunde wurden zwei, aus zwei wurden drei. Es schien unendlich lange anzudauern.
Doch verlieben? Nein, das kam mir nicht in den Sinn.
„Und ihr habt euch fast ein Jahr lang nicht gesehen? Ihr wohnt doch gleich nebenan!“
ER wohnte nur 20 km von mir entfernt. Mit dem Bus waren es nicht einmal 40 Minuten. Und doch, wir hatten nun fast einen Jahr engen Kontakt, aber Treffen? Mich hinderte mein Freund. Nicht wirklich ein Grund, denn er war tolerant.
Vielleicht hatte ich auch Angst. Angst, das wäre auch die Begründung, weshalb ich nie ein Treffen vorschlug. Das kleine Julchen, sonst immer so selbstbewusst hatte Angst.
Und dann fragte ER mich. Und, als einen Akt der Selbstüberwindung, willigte ich ein.
Der Mittwoch rückte näher....
„Und was passierte Mittwoch?“
Der Tag des Treffens kam, wie so oft schlug mir das Herz bis an die Kehle. Ich warf einen Blick in die Fensterscheibe des Busses, der vor mir stand, die meine Gestalt spiegelte. Und wandte mich ab. Zerzauste Haare, verwirrter Blick, eine unnatürlich Blässe. Meine Jacke saß schief. Ich richtete sie. Blickte mich auf dem belebten Busbahnhof um. Sah aber niemanden, auf den das Foto zutraf, das ER mir geschickt hatte. Mein Handy, ich kramte in meiner Tasche. Fand es erst nicht, dann fiel etwas auf den Boden. Ein vorübergehender Passant hob es auf, zu spät fiel mir ein „Danke“ zu sagen. Hatte das Handy endlich in der Hand. „Ja?“ „Schau mal nach links. Was siehst du?“ „Einen Busplan!“ Antwortete ich verwirrt. Und dann sah ich IHN. Meine Füße bewegten sich wie von selbst auf IHN zu. Das Handy bewegte sich von alleine wieder in meine Tasche zurück. „Ich hasse es, wenn man mich warten lässt!“ Begrüßte ich IHN grinsend. ER lächelte zurück. Sagte etwas. Ich erwiderte etwas. Fand mich in meiner alten Rolle wieder. Die selbstbewusste Jule, die immer das Richtige zu sagen wusste, die immer einen flotten Spruch auf den Lippen hatten. Wir gingen in ein Cafe.
„In dieses hier?“ „Ja, wir saßen an dem Tisch dort in der Ecke!“
Wir redeten, lachten, philosophierten, alberten rum. Dann, SEIN Handy. Ein kurzes Gespräch. Ein genervter Blick. SEIN Finger wanderte auf den Aus-Knopf des Handys. Fragend schaute ich IHN an. Und dann erfuhr ich von IHR. ER erzählte mir alles. Wie SIE war, weshalb die Trennung vor 2 Wochen. Alles. Mein Eindruck von IHR war negativ. ER hatte mir soviel erzählt, ich glaubte SIE schon lange zu kennen.
Ich schaute im Gespräch auf die Uhr. Bekam einen Schrecken. Und ER? ER war so wie ich mir das vorgestellt hatte. Brachte mich nach Hause. Der Abschied verlief knapp. Bussi rechts Bussi links. Danke fürs Nach-Hause-Bringen. Und Schüss!
Doch verlieben? Das kam mir immer noch nicht in den Sinn.
„Aber, ihr habt euch doch noch mal gesehen?“
Ich sah IHN 3 Tage später wieder. War mit mir selbst und der ganzen Welt nicht zufrieden. Verzweiflung. Mein Freund, es gab Stress. Nein, nicht wegen ihm. Wegen unsere Beziehung. Der Alltag machte sich breit. Ich wollte Neues erleben. Ihm war das Alte gut genug.
Ich fuhr zu IHM. ER wusste, dass etwas mit mir nicht stimmte. Ich hatte es erzählt.
Wir redeten. Lagen auf SEINEM Bett. Kamen uns näher. Doch, Herzklopfen? Nicht die Spur.
Wir schauten einen Film. Ich kuschelte mich an IHN. ER nahm mich in den Arm, streichelte meinen Rücken. Wir kamen uns nahe, gefährlich nahe. In solchen Momenten stockte mir der Atem. Aber, es kam nicht dazu, dazu, was ich mir vielleicht tief in meinem Inneren erhofft habe. Es wurde halb zwei. Nachts. Ich wollte nach Hause. ER brachte mich zum Bus. Wieder ein Bussi, aber auf den Mund. Eine letzte Umarmung. Ein letztes Ciao in SEIN Ohr geflüstert.
Dann saß ich im Bus. Immer noch beflügelt, von den schönen Momenten.
Doch verlieben? Es kam mir immer noch nicht in den Sinn.
„Und beim dritten Mal? Was ist da passiert!“
Es waren 4 Tage verstrichen, in denen nichts passiert war. Nichts zwischen uns. Telefonieren, chatten, ja. Aber ein drittes Treffen? Nein.
Doch dann kam der nächste Mittwoch. Es war der Schrecklichste Tag. Von allen, die ich bisher erlebt habe. Ich rief IHN an. Schluchzte in SEIN Ohr. Und ER? „Ich bin in einer halben Stunde bei dir Darling!“ Wie gut, dass man sich wenigstens auf Freunde verlassen kann.
Etwa eine halbe Stunde später, mein Handy. Es war nachts. ER traute sich nicht zu klingeln. Ein Blick auf die Uhr, 00:30Uhr. Ich öffnete die Tür. ER nahm mich in den Arm.
Das tat so gut. Wir gingen in mein Zimmer. Redeten, fast die ganze Nacht. Ich kuschelte mich an IHN. Wollte Wärme spüren. Spüren, dass ich nicht alleine bin. ER gab mir diese Wärme. Die Geborgenheit. Aber ich wollte mehr. Ich war nun wieder unabhängig. FREI!!!
Ich stütze mich auf meine Ellenbogen, beobachtete IHN lange. ER blinzelte. Dann beugte ich mich zu IHM herab. Küsste IHN. Sanft. Auf den Mund. ER erwiderte den Kuss. Meine Zunge mischte sich ein. Unsere Zungen spielten miteinander. ER drehte mich langsam um. Hörte nicht auf zu küssen. Ich wurde wie benommen. Schmiegte mich an IHN. ER lag fast auf mir. Ich spürte SEINE Muskeln, zum Zerreißen gespannt. Vorsichtig erfassten SEINE Hände meinen Körper. Ertasteten jeden Zentimeter. Was meine Hände taten? Ich nehme an dasselbe.
Nach einer Weile lagen wir nackt nebeneinander. Aneinander gekuschelt. Hin und wieder ein leichter Kuss. So schliefen wir ein. Arm in Arm.
“Und dann?” SIE wollte alles wissen!
Ich wachte auf. Spürte, die Wärme neben mir. Drehte mich um. Doch dort war nichts. Schaute mich benommen im Zimmer um. Seine Klamotten. Einfach weg. Ich hörte einen Wagen anspringen. Rannte zum Fenster. Unbewusst, dass ich nichts anhatte. Sah SEIN Auto noch um die Ecke biegen. Ich ließ mich fallen. Auf den harten Fußboden. Merkte den Schmerz nicht.
Weinte, Tränen liefen ungehindert über meine Wangen. Wie lange ich dort saß? Ich weiß es nicht. Lange.
„Und das war gestern?“ Ich nickte nur. Noch benommen. Schmerz stieg in mir hoch.
„Und das soll ich dir alles glauben?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Ich wollte es dir nur sagen. Wenn eine Schmerz empfindet dann reicht das!“
„Ach Schmerz empfinden. Für was?“ Riss mich eine kalte Stimme aus den Gedanken.
Ich schaute auf. SEIN Gesicht. Kalt, unnahbar. Ein völlig anderer Mensch.
„Aber ich sage nur. Einbildung ist auch eine Bildung!“ Spöttisch schaute ER auf mich herab. Höhnisch. ER strecke seine Hand aus. SIE nahm sie. „Komm Darling, lassen wir sie weiter diesen Mist erzählen!“ ER gab IHR einen Kuss und die beiden gingen Hand in Hand aus dem Cafe.Sie ließen mich mit zuckenden Schultern und verschleiertem Blick zurück!
Und verlieben? Ich war es, ohne es gemerkt zu haben!