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Dinosaurier

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02.06.2006
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Dinosaurier

Durch die spärlich beleuchteten Korridore drang der Hall eines Papierkorbs, der mit geübtem Griff entleert wurde. Eigentlich war es nicht die Aufgabe von Hausmeister Willy Kawuttke, in der Nacht zu arbeiten. Doch für jemanden, der seinen Job ernst nahm, war es eine Selbstverständlichkeit, diesen sorgfältig zu erledigen. Er war am Tag nicht fertig geworden, weil im ESOC, dem Raumflugkontrollzentrum der Europäischen Raumfahrtbehörde in Darmstadt, ein Gewusel von Wissenschaftlern aus aller Herren Länder geherrscht hatte und die Mülleimer schneller übergequollen waren als gewöhnlich. Deswegen schob er eine Nachtschicht ein.
Stumm schüttelte er einmal mehr den Kopf über diese seltsamen Eierköpfe. Obwohl er und sie im gleichen Gebäude zu tun hatten, lebten die Astronomen, Astrophysiker und all die anderen Weltraumheinis in einer komplett anderen Welt, mit der er sich nicht näher befasste. Er durchschaute nicht einmal, was sie überhaupt da oben wollten, im Sonnensystem, und es war ihm auch egal. Er war froh, wenn er seine Arbeit getan hatte, abends nach Hause kam, und sich von seiner Frau vor dem Fernseher bei einem kühlen Bier die Füße massieren ließ.
Plötzlich hörte er aus dem benachbarten Flur gedämpfte Rufe. Sie klangen wie Stadionjubel und kamen aus der Richtung des Hauptkontrollraums, in dem all die Raketenstarts und Satelliten überwacht wurden.
Was ist denn das, dachte Herr Kawuttke, für heute war doch gar keine Mission angekündigt? (Um Einbrecher machte er sich nie Sorgen: Das Gelände war streng gesichert, aber koscher war ihm die Angelegenheit dennoch nicht.)
Er unterbrach seine Arbeit und schob den Rollwagen mit den Müllsäcken schnurstracks zur großen Tür des Kontrollraums. Deutlich vernahm er ein hektisches Stimmengewirr. Manche Stimmen hatten einen ausländischen Akzent.
Wenn im Kontrollraum reger Betrieb herrschte, sahen die Wissenschaftler es nicht gern, wenn man einfach unangekündigt hineinplatzte. Doch schließlich räumte Herr Kawuttke ihnen ständig den Dreck auf, sorgte für freie Heizungsrohre und putzte die Klos, und außerdem war das Gebäude in der Nacht sein Territorium, also durfte er verdammt nochmal erfahren, was um diese Stunde hier getrieben wurde.
Ohne zu klopfen öffnete er die Tür.
Der Saal war zum Bersten gefüllt mit Menschen. Sie saßen und standen überall zwischen den verschiedenen Reihen von Computerkonsolen, sogar in den Seitengängen drängelten sich welche. Alle tuschelten wie aufgeregte Teenagerinnen und starrten gespannt auf die großen Bildschirme an der Wand, die die stärkste Lichtquelle in dem nur schwach beleuchteten Raum darstellten.
Niemand schien ihn zu bemerken.
Nur ein dürrer älterer Mann in dunklem Frack und halblangen weißen Haaren, der sich noch kindischer freute als der Rest und erregt auf der Stelle hüpfte, drehte sich dabei halb um die eigene Achse, wobei sein Blick auf Herrn Kawuttke fiel. Sofort erstarrte er, sein ausgelassenes Lachen verebbte zögerlich.
"Haha-…ha. Was machen Sie denn hier?!", fragte er erstaunt.
Herr Kawuttke kannte diesen Mann vom Sehen: Er hatte sich die letzten Monate fast täglich an seinem Schreibtisch befunden, hatte in fremden Sprachen telefoniert oder war mit seinem hässlichen Assistenten durch die Korridore gewandert und hatte letzterem unverständliche Dinge vorgetragen. Der Assistent hatte ihm stets schweigsam ein Diktiergerät unter die Nase gehalten. Ein Wort hatte der Hausmeister mit dem alten Mann aber nie gewechselt.
„Ich bin der Hausmeister hier. Wir sehen uns fast jeden Tag, wenn ich in Ihrem Büro die Fensterbank wische.“
„Ah, achso… aber was machen Sie hier drinnen?! Wir haben dem Wachposten am Eingang strikte Anweisungen gegeben, dass er heute keinen unangemeldeten Personen Zutritt gewährt!“
„Ach was, der Holger und ich gehen jedes Wochenende in die ‚Krone’ und heben einen, der lässt mich immer rein.“
Der Mann bekam große Augen und fuhr sich nervös durch die Haare.
„Herr im Himmel! Wenn die Öffentlichkeit erfährt, dass das auch noch von Steuergeldern finanziert wird…!“ rief er.
Mittlerweile hatten auch einige andere im Saal Herrn Kawuttkes Eindringen bemerkt, was sie neugierig ihre Köpfe recken ließ. Der Mann im Frack ballte angespannt seine Linke zur Faust und fletschte die Zähne, während er sich seinem hässlichen Assistenten zuwandt, den Herr Kawuttke jetzt auf einem Sitz in der angrenzenden Reihe entdeckte.
„Loppmann! Sie haben mir versichert, dass strengste Geheimhaltung gewahrt wird! Sie wollten sich persönlich darum kümmern!“
Der dickliche Assistent sah durch die runden Brillengläser betreten zu seinem Vorgesetzten hinauf und sagte kleinlaut: „Aber Herr Professor, ich musste mich gleichzeitig um die Datenkalibrierungen und die Flugbahnprogrammierung kümmern, da habe ich halt den Überblick verloren…“
„Loppmann! Dass man sich nicht ein einziges Mal auf Sie verlassen kann!“
Einer der Männer aus der vorderen Reihe rief: „Datentransfer beendet, starte Decodierung!“
Die Menge blickte auf einen der Wandbildschirme, der anscheinend der Hauptmonitor war. Die Zahlen- und Schriftkolonnen waren der Darstellung eines dunkelgrünen Kreises gewichen. Ein Pizzastückförmiger Teil des Kreises begann sich nun mit heller Farbe zu füllen. Offensichtlich handelte es sich um das runde Gegenstück eines Ladebalkens. „4 Prozent“ stand daneben.
Der Mann im Frack trat dicht an Herrn Kawuttke heran.
„Herr Hausmeister! Was sich hier abspielt, steht unter höchster Geheimhaltung! Was auch immer passiert, es darf auf gar keinen Fall an die Außenwelt weitergegeben werden. Deswegen muss ich Sie in aller Form auffordern, sofort dieses Gebäude zu verlassen und kein Wort über den Vorfall zu verlieren!“ sprach er, aber seine Augen sagten: Hey, guck mal, was ich Tolles zum Spielen habe! „Hier spielt sich in wenigen Minuten das vielleicht wichtigste Ereignis in der Geschichte der Menschheit ab! Und so leid es mir tut, Sie dürfen nichts davon erfahren!“
Herr Kawuttke zuckte mit den Schultern. „Na wenn das so ist, geh` ich halt wieder.“
Der Mann guckte verdattert, dann meinte er: „Aber- also gut, wenn Sie schon zum Kreis der Eingeweihten gehören, dann bleiben Sie in Gottes Namen hier. Aber versprechen Sie mir hoch und heilig, niemandem davon kund zu tun!“
Der Assistent räusperte sich laut und sagte mit unterdrücktem Ärger: „Aber Herr Professor! Sie haben mich so oft zusammengedonnert, dass alles unter Verschluss bleiben muss, und jetzt machen Sie selber…“
„Das ist was anderes!“, blaffte der Mann zurück. Zum Hausmeister sagte er: „Ich will Ihnen alles erklären. Aber gestatten Sie, dass ich mich zuerst vorstelle: Ich bin Professor Archibald Adolar. Sie haben sicher schon von mir gehört, als mir vor drei Jahren der Nobelpreis für meinen Durchbruch in der Tachyonenforschung überreicht wurde.“
„Nää.“
„Haben Sie nicht…? Öh, naja… Aber Tachyonen sind Ihnen ein Begriff, oder?“
„Nein. Wieso?“
Professor Adolar verdrehte die Augen, dann meinte er: „Also passen Sie auf: Wie Sie sicher wissen, wird bei Geschwindigkeiten nahe der des Lichts die Zeitdilatation spürbar.“
„Hä?“
„Ja, das weiß doch jedes Kind! Je näher ein sich bewegendes Objekt der Lichtgeschwindigkeit kommt, desto langsamer vergeht bei ihm die Zeit im Vergleich zur Außenwelt. Wird die Lichtgeschwindigkeit erreicht, steht das Objekt in der Zeit vollkommen still. Aber was würde nun geschehen, wenn es noch schneller werden würde?“ Professor Adolar sah Herrn Kawuttke verschwörerisch an. „Die Zeit würde auf einmal rückwärts laufen! Das Vergangene würde zum Zukünftigen, und umgekehrt!“
Dieser Mann hat sowas von ein Rad ab, dachte der Hausmeister.
„Bis vor kurzem dachte man, die Lichtgeschwindigkeit könne von nichts überschritten werden! Aber ich habe durch meine Forschung Teilchen nachgewiesen, die sich permanent im superluminaren Bereich bewegen, das heißt, schneller als das Licht! Das sind besagte Tachyonen!“
Die Pizza war bei 51 Prozent.
Herr Kawuttke wurde misstrauisch. Wollte der Alte ihn verhunnepiepeln?
„Und was hat das jetzt mit diesem Aufstand hier zu tun?“, fragte er mürrisch.
„Ganz einfach: In Kooperation mit der NASA haben wir eine Raumsonde mit einem Tachyonenemitter ausgestattet. Diese Tachyonen werden aber ins Innere der Sonde, in eine Art Kammer, abegestrahlt, wo sie unendlich oft reflektiert werden. Die Sonde wurde auf eine Umlaufbahn in unserem Sonnensystem gebracht, auf der sie sich extrem lang stabil halten kann. Und jetzt kommt der Clou: Die Sonde kann von Radiowellen bis zu Filmaufnahmen alle möglichen Daten aufzeichnen. Das machen zwar viele Raumsonden. Aber diese Sonde verschlüsselt die Daten nicht in herkömmlichen Funkwellen, nein! Sie codiert sie auf dem Tachyonenstrahl. So sind sie im Stande, den Lauf der Äonen zu überstehen. Aber Äonen in umgekehrter Richtung, verstehen Sie? Die Sonde ist so programmiert, dass sie nach Jahrmillionen im Ruhemodus auf ihrer Umlaufbahn erwacht und sich dann automatisch dem Orbit der Erde nähert. Dort sammelt sie dann alle erdenklichen Daten, und schickt sie dann zu uns- aus der Zukunft in die Gegenwart!“ Herr Kawuttke sah ihn verständnislos an.
„Danach kehrt die Sonde wieder in die stabile Umlaufbahn zurück, und schlummert weiter bis zum nächsten Erdanflug. Der Name dieses Projektes ist übrigens Eons Lasting Orbital Investigator, kurz ELOI. Toll, nicht?“
„Auf jeden Fall…“
„Ich finde den Namen immer noch an den Haaren herbeigezogen…“, murmelte der Assistent mit halbverschlossenem Mund.
„Loppmann, das haben wir schon x-mal erörtert! Also fangen Sie nicht wieder damit an!“ „Jaja, ist in Ordnung, Herr Professor…“
97 Prozent, 100 Prozent.
Der Ladekreis verschwand, jetzt sah man nur ein flimmerndes Bild, doch allmählich kristallisierte sich etwas heraus. Eine helle, runde Fläche vor dunklem Hintergrund.
„Und jetzt“, flüsterte der Professor voller Aufregung, „werden wir sehen, ob ELOI erfolgreich ist. Die Bilder, die Sie jetzt sehen, Herr Hausmeister, stammen zehn Millionen Jahre aus der Zukunft!“
Der Saal erstarrte in ehrfurchtsvoller Stille.
Das Flimmern auf dem Bildschirm ließ nach, und die runde Fläche war nun als etwas Vertrautes vor der Schwärze des Alls zu erkennen: Die Erdkugel. Als das Bild vollständig scharf wurde, zeichneten sich deutlich die Küstenlinien von Australien und Indien gegen die tiefblauen Ozeane ab, unterbrochen von den darüberliegenden Wokenschichten.
So etwas Langweiliges, dachte Herr Kawuttke, den doofen Knödel haben die doch schon zighundertmal fotografiert!
Am unteren Bildschirmrand war ein Schriftzug eingeblendet: „10 MIO Y“.
Das musste die Datumsangabe sein, mutmaßte der Hausmeister.
Das Bild zuckte erneut, und auf dem jetzigen Bild hatte sich die Erde ein Stückchen weiter Richtung Westen gedreht. Australien war ganz am Rand, dafür war das Horn von Afrika deutlich zu sehen.
„Sieht genauso aus wie heute“, brummte Herr Kawuttke.
„Pschscht!!!“, zischten der Professor und sein Assistent gleichzeitig, obwohl überhaupt kein Ton übermittelt wurde.
Wieder ein neues Bild, und wieder war die Erde ein kleines Stück weiter rotiert. Wieder sah alles ganz genauso aus, wie auf altbekannten Aufnahmen. Aber halt! Nicht ganz genauso… zwischen dem Horn von Afrika und dem Rest des Kontinents war etwas Merkwürdiges zu sehen.
Es sah aus wie ein kleiner Riss.
„Da! Sehen Sie das! Ostafrika ist im Begriff, eine Insel zu werden!“ rief der Professor in das Schweigen des Raums. Die Wissenschaftler brachen in Rufen und Jubeln aus, als hätten sie auf das Kommando des Professors gewartet.
„Loppmann, ich denke, Sie sehen, was ich sehe?“
„Nun ja, die astronomischen Messdaten wie Planeten- und Sternkonstellationen werden wir ja erst später auswerten, genau wie das Strahlungsniveau…“
„Ich rede von den Aufnahmen! Fällt Ihnen denn gar nichts auf? Das muss man doch sehen!“ Er schüttelte theatralisch den Kopf und zeigte auf den großen Monitor. Er legte eine Hand feste auf die Schulter des Assistenten, als wolle er ihn am Schlafittchen packen. Der Assistent duckte reflexartig den Kopf.
„Ich habe Ihnen schon mehrmals gesagt: Schauen Sie genau hin, wenn Sie Daten analysieren! Die Polkappen sind viel ausgedehnter als heute! Wir sehen eine Eiszeit!“
Der Professor wandte sich mit ausgebreiteten Armen dem Saal zu und schritt langsam nach vorne.
„Eine richtige Eiszeit! Nur leider können wir dadurch keinen Blick auf Europa werfen, da es von einem massiven Eispanzer bedeckt ist. Aber eine Frage lässt sich vielleicht doch klären: Existiert noch irgendeine Form von menschlicher Zivilisation in der Zukunft?“
Er wirbelte wieder zu seinem Assistenten herum und sagte: „Zeigen Sie jetzt die Bilder aus dem niedrigeren Orbit!“
Der Assistent tat, wie ihm geheißen und betätigte ein paar Knöpfe seiner Computerkonsole.
Jetzt wurde es schwarz.
„Die Nachtseite. Zeigen Sie die Infrarotaufnahmen!“
Der Assistent drückte weiter Knöpfe, und es erschienen verschwommene Flächen in unnatürlichen Farbtönen. Einige davon ähnelten ausgefranzten Gebirgszügen, und hier und da konnte man etwas wie eine Küstenlinie oder ein geschlängeltes Flussbett erkennen, aber auch nicht viel mehr.
„Hier ungefähr liegen heute New York und Washington. Irgendein Anzeichen von Siedlungsvorkommen zu entdecken?“, fragte der Professor.
„Nichts“, antwortete der Assistent.
„Und Hinweise auf Infrastruktur?“
„Auch nicht.“
Die Geräuschkulisse im Halbdunkel des Saals hatte sich mittlerweile auf ein spannungsvolles leises Gemurmel eingependelt. Herr Kawuttke kratzte sich gelangweilt im Schritt.
Nach einer Minute Bilderschau sagte der Professor mit ernster Stimme: „Also die optische Analyse zeigt ja nicht viel, außer, dass das Weltklima arider geworden zu sein scheint.“
In heitererem Tonfall fügte er hinzu: „Aber das will nicht viel heißen! Wir haben ja noch eine andere Methode, um etwas festzustellen! Loppmann! Spielen Sie die aufgefangenen Radioemissionen im hörbaren Bereich ab!“
Plötzlich war aus irgendeinem Lautsprecher ein Knistern zu hören.
„Ich bitte um absolute Ruhe!“, rief der Professor.
Alle horchten gebannt.
„Und was ist das jetzt?“ fragte Herr Kawuttke den Professor, ohne auf dessen Bitte von eben Rücksicht zu nehmen. Der Professor stellte sich vor ihn und sah ihm beschwörend ins Gesicht. „Bitte leise!“, flüsterte er, „Wir prüfen, ob irgendwelche Funkwellen von der Erdoberfläche ausgehen!“
Es knackte.
Dann ertönte ein gedämpftes Rauschen, wie von einem entfernten Wasserfall. Sonst nichts.
„Die Sonde empfängt kein Signal von der Erde“, sprach der Assistent. „Nur kosmisches Hintergrundrauschen.“
„Nun denn. Deaktivieren Sie es wieder.“
Das Rauschen brach ab. Professor Adolar fasste sich nachdenklich ans Kinn und schüttelte den Kopf. „Meine Herrschaften, auch, wenn das eine erste Enttäuschung war, und ich mir auch ein anderes Ergebnis erhofft hatte, so habe ich dieses Resultat schon von vornherein befürchtet. Es wird dauerhaft keine fortschrittliche Zivilisation auf unserem Planeten geben.“
Er begann mit ausladenden Schritten in einem Halbkreis hin- und herzuwandern. Sein Blick sorgenschwer zu Boden gerichtet, seine Arme hinter dem Rücken verschränkt.
Mit klarer Stimme erhob er zu einem Monolog: „Sehen wir es einmal realistisch: Die Menschheit hat über kurz oder lang keine großen Überlebenschancen!“
Die anderen Wissenschaftler beobachteten ihn. Unter ihren Blicken war alles von Anteilnahme bis Skepsis zu finden.
„Die meisten von uns, besonders hier in der westlichen Zivilisation, gehen davon aus, dass sie unsterblich sind, zumindest kulturell. Sie kennen keine Seuchen, keine Naturkatastrophen, und das bedrohlichste, was ihrer Existenz widerfährt, ist, dass sie nachts auf dem Heimweg keine offene Frittenbude mehr finden, sodass sie ihr Hungergefühl erst daheim vor dem Kühlschrank befriedigen können. Aber sie können sich nichts- ja: Nichts! -ausmalen, dass sie und ihre Nachkommen ein für alle mal vom Antlitz unserer Welt hinwegfegen könnte.“
Herr Kawuttke mochte keine Leute, die Reden hielten, darum hatte er schon nach dem ersten Satz weggehört und begonnen, die Papierkörbe unter den Computerkonsolen abzuklappern. Dabei verscheuchte er ein paar untätige Wissenschaftler, die ihm im Weg standen. Unglaublich, was diese Eierköpfe für einen Dreck machten: Vorgestern hatte er die Körbe erst geleert, und heute waren sie schon wieder gefüllt mit Einwegflaschen und Papiertüten vom McDonalds vorne an der Tankstelle.
„…Aber zu welchen Preis? Unser selbsterschaffenes Schlaraffenland steht auf wackeligen Stelzen; die Weltbevölkerung steigt immer weiter, und der Raubbau an der Natur wird immer verheerender. Irgendwann- und ich rechne schon in naher Zukunft damit- wird das ganze Ausbeutungssystem, von dem wir leben, unter seiner Last zusammenbrechen. Unsere Kultur wird untergehen, und selbst wenn es dann noch Menschen gibt, werden sie ohne Hochtechnologie den Naturgewalten ausgesetzt sein. Wir werden Aussterben, und das meiner Meinung nach schon in weniger als einem Jahrhundert!“
Herr Kawuttke hörte einen jüngeren Wissenschaftler neben sich ein entnervtes „Amen“ stöhnen.
Der Hausmeister hatte alle Papierkörbe in seine große Plastiktüte geleert und wollte den Saal endlich verlassen, da schoss auf einmal ein Gedanke in seinen Hinterkopf.
Er war erhellend und spritzig wie frisch gezapftes Bier, so dass sich ihm die Nackenhaare aufstellten.
Er drehte sich um und sagte zu dem Professor: „Sagen Sie mal, wenn das Ding Funk empfangen kann… können Sie dann auch das Fernsehen von nächster Woche reinkriegen?“
„Fernsehen? Aber warum… Ja, theoretisch wäre das durchaus im Bereich des Machbaren, aber…“
„Klasse!“ Herr Kawuttkes Zahngelb strahlte durch seinen Stoppelbart, „Dann sagen Sie uns doch die Lottozahlen aus der Zukunft!“
„Die Lottozahlen?!“ Adolar glotzte ihn fassungslos an.
„Mein lieber Herr, “ setzte er schließlich an, „zum einen: Das wäre rein materialistisch. Wir sind aber Forscher, die höheren Zielen entgegenstreben, deswegen machen wir so etwas grundsätzlich nicht. Und außerdem sind Sie sich wohl nicht im Geringsten der Tragweite dessen bewusst, was Sie damit auslösen würden?! Dieser Gedanke, mein Herr, ist ein absolutes Tabu!“
Herr Kawuttke verstand nicht.
Hatte dieser Mensch mit all seinem Weltraumgedöns denn kein bisschen Sinn für die Schokoladenseite des Lebens?
„Was ist denn jetzt schon wieder?“ raunzte er verwirrt, „Sie haben da oben so ein Ding, mit dem Sie in die Zukunft sehen können. Dann können Sie das doch auch für was Sinnvolles benutzen!“
„Etwas Sinnvolles!“
Adolar schnappte nach Luft.
„Hier geht es nicht darum, sich zu bereichern! Wir versuchen, der ganzen Menschheit zu dienen!“
Herr Kawuttke ließ die Mülltüte zu Boden plumpsen und antwortete: „Dann dienen Sie doch Mal der Menschheit und geben uns eine Chance, ’n bisschen mehr Kohle zu kriegen! Braucht ja sonst keiner zu wissen, dann käme für uns mehr zusammen!“
Adolar kniff seine Augen zusammen wie ein Raubvogel, der zum Sturzflug auf ein Kaninchen ansetzt.
„Wissen Sie, was geschehen würde, wenn wir Einblick in die unmittelbaren Jahre oder Jahrzehnte vor uns haben würden?!“
„Die Trulla, die das Wetter liest, würde nicht mehr falsch liegen!“
„Ich habe doch gerade dargelegt, was eine wahrscheinliche Entwicklung der Menschheit sein wird! Was wir sehen würden, wäre also vermutlich unser eigener Untergang. Meine Forschung hat gezeigt, dass alle zukünftigen Ereignisse in einer festen Schiene verlaufen. Das heißt, sie stehen unabdingbar fest! Was wir sehen würden, könnten wir nicht ändern, selbst wenn wir es versuchen würden. Auch, oder gerade wenn es um unser selbstverschuldetes Ende geht! Jetzt kennen Sie auch den Grund, weshalb wir nichts an die Öffentlichkeit dringen lassen wollen: Es besteht die Gefahr einer Massenhysterie!“
„Excuse me, Herr Professor!“, ertönte eine fremdländische Stimme aus der vordersten Reihe, „Ich und meine Kollegen würden jetzt gerne mit dem Programm weitermachen, please...“
Adolar fasste sich wieder. „Aber natürlich, natürlich… Zeigen Sie den zweiten Erdanflug!“
Adolar drehte sich noch mal zu Herrn Kawuttke um und sagte in beleidigtem Tonfall: „Und übrigens… das hier ist sinnvoll! Und ich werde es Ihnen beweisen!“
Er klang fast bockig. Herr Kawuttke fühlte sich provoziert.
Herausfordernd erwiderte er: „Okay, das will ich sehn!“
Er fixierte den Bildschirm und verschränkte herausfordernd die Arme.
Die Diashow ging weiter. Sie sahen wieder schwarzes All, und davor diesmal nur eine helle Sichel, die einen leuchtenden Bogen durch das Nichts beschrieb.
„Das ist wieder die dunkle Hälfte des Planeten. Zeigen Sie weitere Bilder, Loppmann!“
Auf dem nächsten Foto war schon mehr zu erkennen.
Die Schrifteinblendung besagte jetzt „30 MIO Y“.
„Die ersten zehn Jahrmillionen waren nur ein Blick in die vergleichsweise nahe Zukunft. Ab jetzt schreiten wir schneller voran, nämlich immer zwanzig Jahrmillionen pro Besuch“, sagte der Professor zu Herrn Kawuttke im Glauben, dass diesen das interessierte.
Man sah den Erdball jetzt fast vollständig.
Wieder war Afrika zu sehen, oder besser das, was davon übrig war: Die ostafrikanische Insel war deutlich vom Mutterland abgedriftet und bildete nun einen neuen Kontinent im Indischen Ozean. Nordafrika war derweil mit Europa zu einer durchgängigen Landmasse verschmolzen; das Mittelmeer war nicht mehr auszumachen. Noch ein auffälliger Unterschied zu der Erde, die vor wenigen Minuten über den Anwesenden prangte, war das fehlende Weiß auf der Nordhalbkugel, mit Ausnahme eines kleinen Restes um den Pol herum.
„Diesmal ist aber keine Eiszeit…“ sprach der Assistent reuevoll, als wolle er den Fehler von vorhin wieder wettmachen.
Der Professor sagte zu Herrn Kawuttke: „So, jetzt werden Sie sehen, was wir hier leisten!“
„Wenn es funktioniert!“, warf der Assistent ein, wofür er sofort einen strafenden Blick von Adolar erntete.
„ELOI verfügt nämlich über ein kleines Zusatzgimmick, mit dem Sie bestimmt nicht gerechnet haben!“
Noch während der Hausmeister über die Bedeutung des Wortes ‚Gimmick’ nachdachte, erläuterte Adolar: „Die Sonde trägt ein leichtes Landemodul mit sich, das- ähnlich den Marsbuggies- zur Oberfläche der Erde befördert wird! Dabei sammelt es Bild- und allerlei anderes Datenmaterial, das es per Funk zur Sonde überträgt, welche sich noch im Erdorbit befindet. Jawohl: Wir werden gleich sehen, was sich an jenem Tag in ferner Zukunft abspielt!“ Händereibend setzte er hinzu: „Und das Modul startet bei diesem Besuch! Loppmann! haben Sie schon Kontakt?“
„Ja. Gleich kommt das erste Bild von der Landekapsel im Orbit.“
„Dann schalten Sie auf manuelle Kontrolle!“
Es erschien eine Aufnahme von der Erdoberfläche aus geringerer Höhe, doch sie war nicht senkrecht nach unten, sondern an der Erdkrümmung entlang geschossen worden, so dass sich ein gewölbter Horizont durch die Bildmitte schwang.
„Sie haben richtig gehört, Herr Hausmeister: Wir steuern das Modul durch die Zeitalter hinweg von Hand! Ein kleiner Geniestreich von mir… Wir schauen gerade in Flugrichtung des Moduls, das sich von der Sonde gelöst hat und sich der Atmosphäre nähert… so erkennen wir, was sich unter ihm befindet. Um nicht ins Meer zu stürzen, gibt Loppmann Navigationsbefehle ein, die an die heutige Version der Sonde gesendet werden. Dort überdauern sie im Speicher, um dann nach der Abkopplung der Reihe nach abgerufen zu werden. Es entsteht also der Eindruck, dass das Modul in situ gesteuert wird!“
Mich beeindruckt der damit nicht!, dachte Herr Kawuttke.
Einer der Wissenschaftler rief: „Da ist Europa!“
„Dann bringen Sie die Kapsel runter, Loppmann!“
Das Bild wechselte, und die Oberfläche kam näher. Eine weitläufige Küstenlinie zeichnete sich ab. Sie trug die Merkmale des europäischen Kontinents, allerdings schien es, als sei dieser wie ein Stück Käse in der heißen Sonne geschmolzen und in die Breite verlaufen. Wo einst das Mittelmeer lag, zog sich ein dickes, schneeweißes Band mit vielen dunklen Furchen entlang, offenbar ein Gebirge. Eine unförmige Halbinsel ragte dort aus dem Kontinent, wo sich sonst die Britischen Inseln befanden. Der Osten und Westen Europas wurden von einem Meeresarm getrennt, der nach oben in die Nordsee mündete. Herr Kawuttke glaubte Seen zu erkennen, wo eigentlich keine sein sollten, sofern er sich an den Erdkundeunterricht erinnerte.
„Sehen Sie mal, wie mächtig die Alpen sind!“, tönte ein Wissenschaftler.
Der Professor rief für alle hörbar: „Das geschah durch die afrikanische Kontinentalplatte, die sich immer weiter nordwärts schiebt! Und wissen Sie, was dieser Meeresarm da ist? Das ist der Rhein! Schon heute driftet der Rheingraben immer weiter auseinander, und hier haben wir das Endergebnis: Er wird einmal vom Meer geflutet werden!“ Alle klatschten Beifall, als wäre dies der Verdienst des Professors.
Das nächste Bild kam, der Erdboden war noch näher gerückt.
„Ich versuche, das Modul möglichst in der Mitte zu landen“, sagte Adolars Assistent. Eine Schweißperle stand ihm auf der knorpeligen Stirn.
„Seien Sie um Gottes Namen vorsichtig, Loppmann!“
Jetzt sah man die Oberfläche schon sehr nahe, Einzelheiten wie kleine, dunkelgrüne Punkte ließen sich ausmachen. Die Bildmitte wurde von dem dunkelblauen Rhein-Meer ausgefüllt.
„Um Gottes Willen, Sie steuern das Modul genau auf das Wasser zu! Ziehen Sie gefälligst stärker nach unten!“
Der Assistent gab sich sichtlich Mühe, und Furcht stand ihm ins Gesicht geschrieben.
„Aber nicht zu tief! Sie dürfen doch nicht zu steil in die Atmosphäre eintauchen!“
Wieder Bildwechsel, jetzt sah man ein kleines Eckchen mattgrünes Festland an der unteren Ecke, aber das Meer beherrschte immer noch in bedrohlichem Ausmaß das Gesamtbild. Wolkenflächen warfen ihre Schatten als dunkle Umrisse auf Wasser und Erdboden.
„Runter. Runter!“ befahl Adolar. „Genau hier auf Autopilot umschalten!“
Das Bild blieb für einige Sekunden stehen, ohne dass ein neues folgte.
„Das war knapp! Aber es müsste reichen… Jetzt werden wir gleich sehen, was da unten alles kreucht und fleucht…“
„Und wenn’s abgestürzt ist?“, fragte Herr Kawuttke.
„Malen Sie bitte nicht den Teufel an die Wand! Was nun kommt, sehen wir durch das Auge des Landefahrzeugs… Loppmann! Starten Sie die nächste Bildfolge!“
Das, was dann den Bildschirm erhellte, ließ sogar Herrn Kawuttke die Augenbrauen staunend nach oben ziehen: Ein Himmel aus strahlendem Blau. Graue Sturmwolken hingen über dem Horizont und kontrastierten die Farbe des Himmels.
Dieser fand sein Gegenstück in einer weiten, hügellosen Ebene, die die unmittelbare Umgebung des Landepunktes bildete. Weit hinten wurde sie von einer Kette aus steilwandigen Felsplatteaus begrenzt, die, in dunstiges Blau gehüllt, durch zahlreiche Schluchten und Einschnitte durchbrochen war und von unterschiedlich großen Felsnadeln gesäumt wurde. Herrn Kawuttke kamen die Wüstenfelsen in den Sinn, die immer in den Westernfilmen zu sehen waren, bloß dass diese hier fast schwarz waren und von dunkelgrünen Gewächsen überwuchert zu sein schienen.
Die Ebene im Vordergrund war eine Steppenlandschaft, bedeckt von Grashalmen in bleichem Grün, so weit das Auge reichte. Seichte Wellen, die das Grasmeer durchzogen, verrieten eine Brise, die in dieser zukünftigen Welt wehte. Die Grasfläche war von mehreren dunklen Schlangenlinien zerfurcht, die das ganze Bild durchspannten und ausgetretene Trampelpfade von Kleintieren hätten sein können. In einiger Entfernung lagen rundliche Dinger verstreut, die wie Feldsteine anmuteten. Etwas weiter weg ragten hellgraue Objekte aus dem Boden, die die Form und Größe von Termitenhügeln hatten, bloß breiter. Genaueres war nicht zu erkennen.
"Ich präsentiere: Mitteleuropa in dreißig Millionen Jahren! Da sind Sie sprachlos, nicht wahr, Herr Hausmeister?" bemerkte der Professor triumphierend. In der Tat, ein solches Bild hatte Herr Kawuttke unter all den eintönigen Weltraumfotos noch nicht gesehen. Als Hochglanzfoto und eingerahmt hätte es ein prima Geburtstagsgeschenk für seine Frau abgegeben, die solchen Kram mochte. Er knurrte ein anerkennendes "Hm-hmm!", für seine Verhältnisse ein großes Lob.
"Das Auge, durch das wir hier Blicken, ist die Kamera des kleinen Landefahrzeugs, Earth Rover genannt. Wir haben ihm den Spitznamen 'DeLorean' gegeben." Adolar grinste, während sein Assistent so schaute, als müsse er sich mit Gewalt einen sarkastischen Kommentar verkneifen. Stattdessen sagte er nur: "Ich starte jetzt den Bilddurchlauf, mittlere Geschwindigkeit."
Er gab eine Tastenkombination ein, und im Sekundentakt drehte sich der Blickwinkel nach links, wobei die Aufnahmen immer ein neues Stück der Landschaft preisgaben. Die metallene Plattform der geöffneten Landekapsel, auf der der Rover noch stand, lugte unten ins Bild, störte die Sicht aber kaum.
Den Anwesenden entfuhren ehrfürchtige "Oooh!'s" und "Aaah!'s".
Das Grasland erstreckte sich in alle Richtungen, die merkwürdigen Furchen darin verliefen sich weiter weg zwischen den Halmen, und ständig erschienen neue hellgraue Objekten, aber in immer weiterer Entfernung.
Etwa nach dem fünften Bild ebbte die Felskette im Hintergrund allmählich ab, um dann ganz zu verschwinden. Dafür erstreckte sich nun links am Horizont eine spiegelglatte, glänzende Fläche, die die grelle Sonne reflektierte: Ganz offensichtlich ein großes Gewässer.
Adolar trat einen Schritt nach vorne und kniff die Augen zusammen, als wäre der riesige Wandmonitor eine vor ihm liegende Zeitung, die er nicht richtig lesen könne.
"Mein lieber Schwan, Loppmann! Ihr Landeanflug war wirklich außerordentlich knapp! Sie haben das Wasser des Rheins nur um Haaresbreite verfehlt! Ich meine natürlich das Meer, das einst der deutsche Nationalstrom war. Die Kapsel ist wohl östlich davon gelandet."
"Entschuldigung...", kam es pikiert zurück.
Die Perspektive war jetzt ganz auf diesen Küstenstreifen gerichtet. Die Sonne hing tief.
Wenn sie wirklich nach Westen sahen, stand der Abend kurz bevor.
"Stellen Sie sich das nur einmal vor, meine Herren", sprach Adolar voller Wonne und ignorierte dabei die drei Damen, die als einzige Vertreterinnen ihres Geschlechts dem Schauspiel beiwohnten, "Das ist vielleicht genau die Stelle, an der wir just in diesem Moment stehen, und doch scheint es, als blickten wir auf einen anderen Planeten! Wir dürfen stark annehmen, dass das Leben beim Verstreichen einer so langen Zeitspanne durch allerlei Naturkatastrophen einen oder sogar mehrere Neuanfänge unternommen hat. Was immer in dieser Zeit lebt, es hat womöglich einen komplett anderen Weg der Evolution eingeschlagen! Loppmann, was sagen die Messergebnisse?"
"Temperatur bei 17,4°Celsius, Sauerstoff-Stickstoffverhältnis um zweieinhalb Prozent niedriger als heute. Luftfeuchtigkeit entspricht marinen Verhältnissen der gemäßigten Breiten, CO-2-Gehalt und radioaktive Belastung sind deutlich geringer als in unserer Zeit."
"Unberührte Natur...", murmelte Adolar.
Langsam verließ der Blick des Rovers das Meer wieder. Auf der Erde direkt vor der Landekapsel tauchte plötzlich ein großes, weißes Stoffsegel auf, das an einigen Stellen vom Wind aufgebläht wurde. Es war der Fallschirm, mit dem die Kapsel zu Boden geglitten war. Nur wenige Meter dahinter schob sich einer von den Termitenhügeln ins Bild, diesmal jedoch wesentlich näher. Jetzt war auch die wirkliche Form zu sehen: Was von Weitem wie ein massiver Hügel wirkte, waren in Wahrheit viele, eng zusammengedrängte Säulen. In der Mitte standen die höchsten und dicksten, zu den Seiten hin wurden sie immer niedriger und schmaler. Die ganz Äußeren waren nicht mehr als kleine, helle Sockel im Erdboden, aber es sah ganz so aus, als wären sie eine Vorhut von Jungtrieben, die dem Gebilde später einmal einen noch imposanteren Durchmesser verleihen sollten.
Jetzt lüftete sich auch das Geheimnis um den Ursprung der Grasfurchen: Sie wurden durch wurzelähnliche Ranken verursacht, die aus knollenartigen Verwachsungen rings um den Fuß des Gewächses heraustraten und sich dann zwischen den Halmen geduckt weit in der Umgebung ausbreiteten.
Professor Adolar schaute wie ein Kind in die Runde, dann fragte er: "Was ist das? Worum könnte es sich bei diesem Organismus handeln?"
Ein Mann in weißem Hemd, der nicht weit vom Assistenten saß und sich offenbar mit Gewächsen auskannte, antwortete: "Könnte eine futuristische Pflanze sein, aber da sie keine Grünfärbung zeigt, würde ich fast auf einen gigantischen Pilz tippen."
"Gigantisch, in der Tat!", rief Adolar, "ich schätze, der Organismus ist mindestens drei Meter hoch!"
Während dieser Sätze hatte sich das Auge des Rovers weitergedreht.
Jetzt tauchte nur einige Meter hinter dem Gewächs eins der rundlichen Dinger im Bild auf, und es schien sich tatsächlich um einen Feldstein zu handeln. Aber mit einer merkwürdig gesprenkelten Oberfläche...
Drei Bilder weiter, und auch der Stein war wieder dem Blickfeld entschwunden, man sah die Felsenkette vom Anfang. Die Kamera war wieder in der Ausgangsstellung, die kleine Rundumschau war zu ende.
"Wenn alles nach Plan läuft, müsste sich der Rover jetzt in Bewegung setzen!" Das Bild änderte sich erneut, und der Rover stand inmitten der Grashalme, deren Spitzen fast die Kameralinse berührten.
Das Fahrzeug war von der Rampe heruntergefahren.
Es folgte Bild auf Bild, das Fahrzeug bewegte sich vorwärts, das Gras durchpflügend.
Herr Kawuttke bemerkte, dass der dickliche Assistent gar nicht mehr an seinem Schaltpult herumfingerte.
„Steuern Sie den noch fern?“, fragte er leicht verwundert.
„Nein, nein!“, gab Adolar zurück, „Ab hier übernimmt die Recheneinheit des Rovers. Er ist so programmiert, dass er sich selbstständig steuern kann. Das ist zwar schon ein alter Hut, auf dem Mars wurden schon ähnliche Systeme eingesetzt. Aber noch nie waren diese schon mehrere Millionen Jahre alt!“, scherzte er und schmunzelte dabei vergnügt.
Das wiederum ärgerte Herrn Kawuttke.
Wieso schaffen die es, einen Wagen nach zigmillionen Jahren noch zum Laufen zu bringen, wenn seine Schrottkarre schon wieder mit einem Getriebeschaden in der Werkstatt war?!
„Warum geht der Klapperatismus noch? Der müsste doch schon längst verrostet sein!“ schimpfte er.
Der Professor verstand erst nicht, dann stieß er aber einen spitzen Lacher aus: „Das Vehikel hat all die Äonen im Vakuum des Alls verbracht. Auf der Erde wäre er natürlich rasch der Witterung zum Opfer gefallen, aber da oben existiert so gut wie kein Verschleiß!“ Adolar lachte in sich hinein und drehte sich kopfschüttelnd um, was Herrn Kawuttkes Groll noch mehr Zunder gab.
Klugscheißer, dachte er.
Wie in einem ruckeligen Film näherte sich der Rover dem riesigen Pilz-Pflanzen-Etwas. Der Rover würde gleich sehr dicht daran vorbeifahren.
Die Rankenauswüchse lagen direkt vor dem Gefährt, dick und unförmig wie vollgefressene Schlangen.
Der Blickwinkel neigte sich kurz nach oben, als der Rover darüber hinwegfuhr. Die kleinen Sprösslinge am Rand des Gewächses wurden kurz in Großaufnahme gezeigt, bevor das Ganze dem Auge entschwand und der Rover sich entlang des großen Abendschattens des Gewächses weiterbewegte.
Die Fahrt ging direkt auf den Stein zu.
Als das Gras beiseite gedrückt wurde, sah man, dass eine der Ranken darunter verlief. Eigentlich schien der Stein aus der Ranke emporzuwachsen…
„Sehen Sie das? Das muss eine Art Ableger sein. Vielleicht der Keimling einer Neuen Kolonie?“
Der Stein kam immer näher.
Herr Kawuttke freute sich insgeheim, dass es gleich zu einem Crash kommen würde.
Adolar nahm ihm allerdings die Vorfreude, als er sagte: „Großartig. Einfach großartig! Der Rover wird automatisch Proben von dem Hindernis nehmen, bevor er darum herumnavigiert!“ Jetzt war der Auswuchs ganz nah. Er zeigte eine schmutziggraue Oberfläche, die von einer Art aufgeplatzter Haut bedeckt war, deren vertrocknete Bruchstücke wie abblätternde Farbe daran hingen.
„Ich frage mich, was…“ Adolar stockte: Der Auswuchs war schlagartig verschwunden!
Die Kamera hatte freie Sicht auf die Felskette, und der Rover bewegte sich keinen Zentimeter mehr.
Rechts unten auf dem Bild waren zwei unscharfe, dunkle Flecken, so als klebte etwas auf der Linse.
Da, wo eben noch der Auswuchs stand, war ein großer Riss in der Ranke, um den herum etwas wie ein zerfetzter Sack in einer teerähnlichen Pampe lag.
Rauchfähnchen stiegen auf, wo die Pampe den Boden berührte.
Erschrocken fuhr der Professor seinen Assistenten an: „Was in Gottes Namen ist da passiert?! Warum fährt DeLorean nicht weiter??“
„An... anscheinend ist dieses Ding geplatzt...“
„Aber warum platzt es einfach, Loppmann?!“
Es herrschte betretendes Schweigen. Keiner wusste eine Antwort.
Herr Kawuttke beobachtete die Szene mit steigender Belustigung. Schadenfroh grinsend besah er sich die ratlosen Gesichter. Er schaute auf den Professor, der hysterisch in der Luft herumfuchtelte. Geschieht dem Lackaffen recht!, dachte er und musste leise lachen.
Adolar fuhr entrüstet herum. „Finden Sie das etwa lustig?!“ rief er empört. „Sie wissen wohl nicht, wie viel der Rover gekostet hat!“
Der Hausmeister musste noch mehr lachen, diesmal lauter.
„Unterstehen Sie sich, noch weiter so hämisch zu kichern, oder ich sorge dafür, dass Sie vom Dienst suspendiert werden, Sie, Sie…“
Herr Kawuttkes Lachen vereiste blitzschnell zu einem Gesichtsausdruck, vor dem sogar ein Pitbull zurückgewichen wäre.
„Wenn Sie das machen, können Sie Ihren verdammten Müll selber wegräumen, Sie Schnösel!“
Der Professor schreckte zurück angesichts einer solchen Drohung. Er tat plötzlich, als wäre Herr Kawuttke gar nicht da und kehrte ihm den Rücken zu.
Um einen sachlichen Ton bemüht, sagte er zum Assistenten: „Loppman, ich verlange eine Erklärung für diese Havarie!“
„Ich vermute, dass dieser... Keimling, oder was das war, eine ätzende, klebrige Flüssigkeit in sich hatte, die beim Platzen auf den Rover gespritzt wurde. Dabei muss er beschädigt worden sein.“
„Und warum filmt er dann noch?“
„Wahrscheinlich hat nur das Fahrwerk richtig was abgekriegt.“
Mittlerweile, in der fernen Zukunft, hatten sich die Wolken verzogen, der Himmel wurde aber immer dunkler. Ein Abendgrauen im Zeitraffer. Die Felskette glühte im Abendlicht in orangenem Rot.
Der Vordergrund stand still.
Aber nein: Da bewegte sich sehr wohl etwas!
„Sehen Sie das?!“, rief Adolar erschrocken, „Die Ranken ändern ihre Position! Sie heben sich vom Boden ab!“
„Wie’s aussieht, versuchen die den Rover wie ein Netz zu umschließen!“, meldete sich der Pflanzenexperte. „Der runde Wulst war kein Keimling, Herr Professor, das war eine Beutefalle! Wir haben es hier augenscheinlich mit einem tierfangenden Organismus zu tun.“ Seine Augen leuchteten vor Faszination.
Die des Professors zeigten nur Zorn und Entsetzen.
„Sie meinen eine Fleischfressende Pflanze?! Als wär der Rover ein Stück Vieh! So eine vermalledeite Sch...!!“ Er biss sich in die Faust, um das böse Wort nicht auszusprechen.
Die Sicht des Rovers wurde schon von zwei Ranken versperrt, die sich über die Linse legten und das Panorama als schwarze Streifen mit verschwommenen Rändern verdeckten. Auf dem Restbild sah man schon die nächste sich emporheben.
Der Himmel war in tiefes Dunkelblau getaucht, die Felsen waren nur noch schwarze Umrisse.
Eine weiß leuchtende Scheibe schob sich über den Horizont: Der altbekannte Vollmond, der die bizarre Landschaft eines fremden Planeten beschien.
Im fahlen Mondlicht tauchten plötzlich mehrere aschfahle Punkte weit hinten auf der Prärie auf.
„Schauen Sie mal, Tiere!“ sagte der Assistent staunend.
Die Herde kam im Zeitraffer in hektischem Gewusel näher. Plötzlich war sie ganz dicht, dann stoppten die Wesen.
Neugierig starrten tumbe Augen in die Kamera. Die vierbeinigen Leiber waren groß und stark behaart, auf dem dunklen Fell waren im bleichen Licht schwarze Streifen auszumachen. Jedes Tier hatte ein großes, schmales Horn auf dem Kopf, das sich von der Schnauze bis zum Nacken erstreckte.
„Diese Kreaturen sehen aus wie... wie...“ Adolar suchte nach einer treffenden Beschreibung für die Geschöpfe.
„...wie riesige, gestreifte Meerschweinchen mit Hörnern?“ vervollständigte der Assistent den Satz.
„Ja. So ungefähr. Die sind die verflixte Beute für das Ding, nicht der Rover!“
So schnell wie sie gekommen war, verschwand die Herde wieder.
Einzelne Wolken schossen am Mond vorbei. Das Bild verschob sich leicht und stand jetzt schräg: Der Rankenkäfig hatte sich eng zusammengezogen.
„Immerhin filmt die Kamera noch!“
Zack! Das Bild war weg. Man sah nur noch Geflimmer.
„Tja, verdaut!“ witzelte der Pflanzenfachmann unbeholfen, gab aber sofort Ruhe, als er merkte, dass Adolars Laune keineswegs besser geworden war.
Herr Kawuttke hätte vor Lachen losprusten können. Diesen Reinfall gönnte er dem aufgeblasenen Dummschwätzer! Amüsiert lehnte er sich an die Saalwand hinter ihm. Hoffentlich führten die noch so eine Lachnummer vor!
Adolar seufzte. „Immerhin konnten wir einige aufsehenerregende Einblicke gewinnen... Starten sie den nächsten Abschnitt!“
Der Assistent drückte mehrere Knöpfe.
„50 MIO Y“.
Die Erdkugel, schon wieder. Zwei Kontinente sah man, einen oberhalb und einen unterhalb des Äquators (obwohl es sich wegen der stark deformierten Küstenlinien nicht leicht sagen ließ, wo dieser verlief). Der untere sah aus wie Südamerika, also schloss Herr Kawuttke, dass es sich bei dem oberen um Nordamerika handelte, allerdings konnte er nirgends die Landverbindung erkennen, die aus Mittelamerika bestand.
Nordamerika war nicht mehr in einem Stück: Aus der Westküste hatte sich ein länglicher Landstreifen herausgelöst und hing nur noch lose verbunden als große Halbinsel am Hauptkontinent.
Die Erde drehte sich weiter, zum Pazifik hin, und gab schon auf dem nächsten Bild die gegenüberliegenden Länder preis.
Für einen Moment grübelte Herr Kawuttke, ob das wirklich der Stille Ozean war, denn er kam ihm merkwürdig schmal vor, eher so wie der Atlantik auf dem verstaubten Globus, den er mal von Tante Irma geerbt hatte.
Der Kontinent im Westen hatte allerdings Ähnlichkeit mit Asien, aus dem nördlich des Äquators ein großer Lappen Festland herausragte, der entfernt an Australien erinnerte. Nur verband Herr Kawuttke Australien mit Wüste, während der Lappen von zartem Grün bedeckt war...
Der Professor nahm die Bilder mit halber Gleichgültigkeit war und wirkte fast gelangweilt.
Die Welt drehte sich weiter. Hinter einem indienähnlichen Zipfel an der Südküste Asiens wurde es auf einmal dunkel: Die Sonde umrundete ein weiteres Mal die Nachtseite der Erde.
Naja, das Beste ist wohl rum, dachte Herr Kawuttke, ich mach' mich lieber wieder an die Arbeit, bevor ich hier noch Wurzeln bekomme.
Als er dem Bildschirm den Rücken zuwandte, schwoll mit einem Mal die Lautstärke im Saal an: Alle Wissenschaftler murmelten plötzlich wild durcheinander, ihre Worte überschlugen sich.
Verdutzt sah der Hausmeister zurück.
Auf dem Monitor war ein Geflecht aus hellen Lichtern zu sehen, da, wo die Dunkelheit den Erdball verschluckt hatte. Viele dicke Leuchtpunkte, verbunden mit Fäden aus unzähligen kleinen.
"Ach du gute Güte!" stieß Adolar hervor, schlagartig wieder voll bei der Sache.
"Da... sind Lichtpunkte, Herr Professor...", druckste der Assistent.
"Ich sehe es selbst! Das sieht ja fast aus wie Lichter einer Großstadt!"
"Aber diese Stadt, die würde sich über ganz Mittelasien erstrecken!" meinte der Assistent, "Genau das ist nämlich das Gebiet, auf das wir gerade sehen..."
"Ja, Loppmann, ich weiß! In Kilometern gemessen wäre das... Also bestimmt tausende..."
"Herr Professor!" fiel ihm der Assistent ins Wort, "Ich empfange noch ein anderes Signal!"
Adolar starrte ihn an. "Was für ein anderes Signal? Von der Sonde?"
"Ja... Es überlagert das normale Signal, aber der Computer zeigt an, dass es Bildinformationen enthält!"
"Dann spielen Sie es ab, Loppmann!"
Was sie dann sahen, ließ ihnen allen das Blut in den Adern gefrieren. Sogar der Hausmeister zuckte vor Schreck zusammen.
Zwei gelbe Augen mit tiefschwarzen Pupillen stierten grimmig auf den Saal herab. Über diesen Augen befanden sich zwei Bögen aus buschigen Haaren oder Federn, die sich stirnaufwärts zu einem hohen Kamm fortsetzten. Seitlich der Augen zog sich braune Haut einen faltigen Hals hinab, und in der Mitte des Gesichts prangte ein großer Schnabel.
"Das ist ja eine Eule!" brüllte irgendwo jemand in blankem Entsetzen.
"Das ist doch keine Eule!", kam es von woanders her.
Adolar schaltete sich ein: "Loppmann! Geht das Bild auch schärfer? Das ist alles ein bisschen grieselig!"
"Ich versuche das Signal zu isolieren… So, ist das besser? Da ist noch mehr, ich mache auf Durchlauf!" Wieder das Vogelgesicht, aber es sah anders aus. Es verging eine Sekunde, bis allen kollektiv bewusst wurde, dass es sich um das Bild eines anderen Gesichts handelte, aber zweifellos derselben Spezies zugehörig. Es war ähnlich, unterschied sich vom Ersten aber etwa so, wie sich Herr Meyer von nebenan von einem Zulukrieger unterschied. Ein Vogelantlitz wechselte mit dem nächsten ab. Keiner hätte sagen können, ob er sich dabei an die Schau gewöhnte oder ob das mulmige Gefühl noch stärker wurde, das jeden im Raum beschlich. Der Pflanzenexperte fing sich als erster wieder. Er sagte: „Wollen die uns ihre genetische Vielfalt vorführen?“
„Augenscheinlich!“, antwortete Adolar.
Die Gesichter waren plötzlich weg. Dafür erschien eine weiße Fläche mit allerlei komischen Symbolen. Sie sahen aus wie Tintenflecken, durch die jemand sorgfältige geometrische Linien gezogen hatte und waren angeordnet wie Buchstaben in einem Text.
Das Bild sprang weiter, jetzt sahen sie ein Dreieck mit einem rechten Winkel, auf dessen Seiten je ein großes Quadrat thronte.
"Der Satz des Pythagoras! Sie müssen die Sonde geborgen und den Signalcode entschlüsselt haben! Sie wollen uns zeigen, dass sie intelligente Wesen sind... Und geben uns gleichzeitig eine Probe ihres Alphabets!"
Der Saal war mucksmäuschenstill.
Dann kam eine Grafik- allem Anschein nach eine Zeichnung- die fünf bizarre Geschöpfe zeigte, die wie in Reih und Glied hintereinander standen und alle nach links blickten. Das Geschöpf ganz rechts sah aus wie ein Vogel Strauß mit zu kurz geratenen Beinen, nur sein Kopf ähnelte dem einer Krähe; nach links hin wurden die Kreaturen vom Körperbau immer menschenähnlicher.
Die linksäußerste war gertenschlank, groß, und stand völlig aufrecht. Das Wesen war fast nackt bis auf ein paar Federnbüschel an Kopf und Unterarm. Eine unförmige, klauenartige Hand mit zwei sehr langen Fingern bildete das Ende des Armes. Im Gesicht prangte ein spitzer Schnabel, und es hatte enorme Ähnlichkeit mit den Vogelbiestern von eben.
Adolar sagte: „Da sehen Sie ihre Evolution! Ich denke nicht, dass sie von Eulen abstammen!“
Jetzt erschien eine andere Zeichnung- nein, es waren Fotografien- mit einem großen Vogelwesen in Frontalansicht. Rechts daneben stand ein Skelett. Es reichte dem Vogelwesen bis an die Schultern und sah alt und versteinert aus, wie ein Fossil.
Es war das Skelett eines Menschen.
Doch irgendetwas stimmte damit nicht…
Linkerhand stand ein kupfernes zylindrisches Ding mit kegelförmig zulaufenden Enden.
Der Professor rief: „Das ist die Tachyonenkammer! Sie müssen sie ausgebaut haben, und zeigen sie uns als Größenvergleich! Diese Kreaturen sind demnach zweieinhalb Meter groß! Und nebendran das, was einmal von unserer Rasse übrig sein wird! Dieses Skelett, das… also…“
Mit offenem Mund betrachtete er den Bildschirm, doch dieser zeigte schon wieder etwas Neues.
Es war ein Panorama unter freiem Himmel. Man sah ein Gebirgsmassiv, vom Fuß bis zur Spitze mit Bauwerken aus glänzendem Glas bestückt. Auf den schmalen Plateaus nahe dem Gipfel glichen sie heutigen Wolkenkratzern, in Richtung Talsohle hin waren es riesenhafte Pyramiden. Um den Berg herum sah man gitter- oder käfigartige Strukturen, die keiner bestimmten Form gehorchten und wie eine Mischung aus Spinnennetz und Hochspannungsleitungen wirkten. Sie zogen sich durch das ganze Tal bis hin zu den entfernten Bergen im Hintergrund und gingen dahinter vermutlich noch weiter.
Das darauffolgende Bild war noch rätselhafter: In einem kuppelförmigen Innenraum, dessen Decke mit verschlungenen, goldfarbenen Ornamentlinien verziert war und von einem grellen Neonlicht im Scheitelpunkt erhellt wurde, waren ungefähr ein Dutzend der Wesen zu einem lebenden Knäuel verwoben. Die Szene hätte etwas von einer Massenschlägerei gehabt, wäre nicht inmitten diesem Bündel aus Körpern eins der Wesen aufrecht gestanden. Es hielt einen gelben Würfel mit erhobenen Armen empor und starrte ihn konzentriert an. Das Wesen trug einen ausladenden, halbkreisförmigen Kopfschmuck und ein langes Gewand aus vielen herabhängenden Kordeln. Es machte den Eindruck eines extraterristrischen Hohepriesters.
„Ist… das eine… Orgie??“ fragte der Assistent mit angewidertem Staunen.
Der Pflanzenfachmann stellte nüchtern fest: „Es könnte alles von einem Erntedankfest bis zu einer Massenpaarung sein, aber ist auf jeden Fall eine Art Ritual. Ich schätze, diese Dinger wollen uns ihr… na! Ihr Kulturleben zeigen!“
Der Professor gab kein Wort von sich.
Andächtig betrachteten die Wissenschaftler das Dargebotene.
Herr Kawuttke glaubte jetzt fest, dass ihn jemand veralbern wollte. Das Ganze musste doch ein Witz sein! Säuerlich sah er sich nach dem Mann mit der versteckten Kamera um.
Dann verschwand das Bild plötzlich, der Monitor wurde schwarz.
Der Professor stutzte und schaute auf seinen Assistenten, sagte jedoch ausnahmsweise nichts zum Geschehen.
Der Assistent fummelte an seiner Konsole herum. „Das Signal ist abgebrochen…“ Alle Augen waren jetzt fragend auf ihn gerichtet.
„Das war das letzte, was reingekommen ist… ein Signal von einem späteren Zeitpunkt kann nicht abgerufen werden… Auch nicht von einem späteren Erdanflug.“
Der Professor zog eine Augenbraue nach oben.
„Wie kann das sein? Die Wesen wollten uns allem Anschein nach über ihre Kultur aufklären. Weswegen sollten Sie mittendrin damit aufhören?“
„Vielleicht haben sie die Sonde zerstört?“
„Nein, nein… Sie waren in der Lage, die Funktion der Sonde zu verstehen und unsere Datenübertragung zu decodieren. Dann zerstört man die Sonde nicht einfach… aber wenn Sie die Tachyonenkammer aus Versehen geöffnet haben, kann in keiner Weise mehr eine Verbindung zur Vergangenheit aufgebaut werden, da jedes spätere Signal unweigerlich nach draußen entweichen würde!“
Jetzt brach die Saalgemeinde in unkontrolliertes, gemischtsprachiges Gequassel aus, das zeigte, dass das eben erlebte dringend verarbeitet werden musste.
Nur der Professor wirkte immer noch merkwürdig gesetzt.
Herr Kawuttke sah ein Glimmen in seinen Augen.
Plötzlich sagte der Professor: „Werte Kollegen, ELOI war ein größerer Erfolg, als wir alle es uns jemals hätten träumen lassen. Mehr, als Sie augenblicklich wohl vermuten!“
„Wie meinen sie das?“ fragte der Assistent irritiert.
Adolar begann triumphierend zu Grinsen. „Sie haben doch alle das menschliche Skelett auf dem Bild gesehen. Haben Sie es denn genauer betrachtet?“
„Ja, es sah fast so aus wie das eines Kleinkindes!“ sprach eine der Frauen.
„Stimmt. Weil es einen überproportional großen Schädel, winzige Kieferknochen und einen sehr zierlichen Körperbau hatte. Das war auch mein erster Gedanke, aber es war kein Kleinkind! Sie haben den Größenvergleich mit der Kammer gesehen: Dieser Mensch war voll ausgewachsen!“
Verwirrung machte sich breit. „Aber Herr Professor, das würde ja heißen, dass…“
„Sie haben es erfasst! Was wir hier zu Gesicht bekommen haben, waren die archäologischen Überreste einer zukünftigen Epoche der Menschheit… und zwar aus einem Stadium unserer kommenden Evolution!“
Man hörte dutzende Groschen gleichzeitig fallen.
„So ist es, meine Herrschaften: Ich habe mich geirrt. Unsere schlimmsten Befürchtungen sind weggewischt worden, wir haben doch eine große Zukunft. Groß genug, dass wir uns noch lange weiterentwickeln und bei denen, die in Jahrmillionen in unsere Fußstapfen treten, einen bleibenden Eindruck hinterlassen werden! Eine Veränderung unserer Physiologie, wie wir sie gesehen haben, kann nicht schon übermorgen eintreten! Das ist das Resultat von unzähligen Generationen!“
Der Assistent warf verunsichert ein: „Was ist mit Gentechnologie?“
„Auch die steckt heutzutage noch in den Kinderschuhen! Bis wir soweit sind, unsere Körper in dieser Weise zu formen, vergeht mit Sicherheit noch ein Jahrhundert, wahrscheinlich noch mehrere. Wir sind von aller Schuld gegenüber unseren Kindern reingewaschen, denn sie werden ein friedliches Leben führen können!“
Wie einem Prediger hing jedes Ohr an Adolars Lippen.
„Vielleicht sind wir in einer Million Jahren ausgestorben. Gut. Aber so ging es auch den Dinosauriern. Und dennoch haben sie ihre Umwelt nachhaltig geprägt, so dass wir uns heute noch mit Ehrfurcht an sie erinnern. Deswegen plädiere ich ab sofort dafür, unsere Strategie zu ändern. Wir müssen an die Öffentlichkeit treten und ein großes Umdenken anzukündigen: Egal, was wir tun, wir werden überleben!“
„Die Ökosysteme werden sich früher oder später wieder in den Griff bekommen, wir haben es ja gesehen!“, rief der Pflanzenfachmann begeistert. „Dann hätte ich ja gar nicht Ökologie zu studieren brauchen…!“
„Genau! Leckgeschlagene Öltanker, abgeholzte Regenwälder oder verschmutzte Luft- alles ist von nun an kein Hindernis mehr. Wir können uns uneingeschränkt entfalten!“
Wer jetzt noch saß, stand auf, um voll in den Freudentaumel einzutauchen, der wie eine Springflut über den Saal schwappte.
Die einzige Ausnahme bildete der Assistent, der sich sichtlich unwohl fühlte. „Aber Herr Professor, das geht doch nicht… Was ist mit den Elefanten? Und den Robbenbabys…?“
Genervt tat Adolar den Einwurf ab. „Ach Loppmann! Zum Dunnerkeil, vergessen Sie die Robbenbabys! Denken Sie endlich in großen Zusammenhängen! Wir brauchen keine Rücksicht mehr auf Nebensächlichkeiten zu nehmen!“
Jemand rief: „Wir können wieder so viel Müll produzieren, wie wir wollen!“
„Hurrah!“, jubelte es zurück.
Ach, so ist das also! Herr Kawuttke stieg die Zornesröte ins Gesicht.
Wütend bellte er: „Und ich darf den Müll dann wegmachen, wie?! Das könnte euch so passen, ihr Wissenschaftsärsche!“
Eine Sekunde lang gelang es ihm, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
Adolar konterte siegessicher: „Sie glauben immer noch nicht, dass wir hier etwas Sinnvolles machen? Ha! Wenn Ihre Müllsäcke das einzige Problem sind, dass sie haben, dann tun Sie mir aufrichtig leid! Wir hingegen haben soeben die Welt zum Besseren geändert!“
Das war Herrn Kawuttke endgültig zu blöd. Er ließ sich doch nicht verarschen! Mit einem „Leckt mich doch alle!“ verabschiedete er sich und schob den Rollwagen hinaus auf den Flur.
Den Professor, der das einfach ignoriert hatte, hörte er im Hinausgehen sagen: „Wir müssen noch die restlichen Daten auswerten, und dann werden wir eine zweite Sonde starten!“
Doch die Worte gingen unter in dem Getöse, das jeden Beteiligten ergriffen hatte und in dem finsteren Saal den Rufen von Besessenen einer schwarzen Messe gleichkam.
Herr Kawuttke schlug die Tür hinter sich zu und freute sich, seine Arbeit endlich fortzusetzen.
Wozu brauchte er eine veränderte Welt? Er hatte alles was ihn ausfüllte: Eine geregelte Arbeit, bei der er für Sauberkeit und Ordnung sorgte, und das war in seinen Augen sinnvoller als alles, was die Weltraumheinis jemals zustande gebracht hatten.
„Durchgeknallte Eierköpfe!“, grummelte er mürrisch.
Sein Augenmerk wieder auf die Arbeit gerichtet, versuchte er, nicht weiter an dieses Theater zu denken, während seine Schritte in dem dunklen Korridor allmählich verhallten.

* * *

 
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Leider fehlt mir gerade die Zeit ausführlicher zu antworten, trotzdem, los gehts:

Inhalt: Meiner Meinung nach sehr, sehr schwach! Wissenschaftler Reisen in die Zukunft und finden raus, dass wir uns aufführen können wie die Berserker, weil eh alles Wurst ist und keine Konsequenzen hat ...

Charaktere: Die ganze Story um den Hausmeister herum zu verpacken dient nur einem Zweck: Die Geschichte stellenweise "lustig" zu gestalten. Der Rest der daraus resultiert ist leider grauenhaft... Ein Nobelpreisträger rechtfertigt sich vor einem Hausmeister? Allein die Tatsache, dass er ihn anfangs dabei sein lässt... ufff harter Tobak in meinen Augen.

Schreibstil: Habe jetzt weniger auf die Fehler geachtet, aber was auffällt: Teilweise Wiederholungen (nicht sooo schlimm). Viel schlimmer, das ganze liest sich zäh wie Kaugummi. Nahezu kein Spannungsaufbau, das "Aha" Erlebnis lässt bis zum Ende auf sich warten und selbst da ist es abstinent. Du verlierst dich in endlosen und noch endloseren Beschreibungen der zukünftigen Erde. Das alles ist teilweise mit einmal lesen kaum vorstellbar und selbst nach mehrmaligem Lesen nur mühsam einzuordnen. Außerdem sind 80% deiner Beschreibungen überflüssig und bringen die Geschichte nicht einen cm voran.

Ich konnte mich weder für Inhalt noch für Erzählstil erwärmen und musste mich durch fast alle Passagen durchzwingen. Schade.
Auch in Ihrem logischen Aufbau ist die Geschichte teils Haarsträubend. Zukunftstechnik hin oder her, manches kann so einfach nicht sein und trübt das Lesevergnügen um ein weiteres.

Mein Tipp: Lies dir die Geschichte selber noch mehrmals durch (ruhig erst nach ein paar Tagen) und versuche sie zu Überarbeiten.

- Kürze unnötige Passagen
- Suche logische Fehler und verbessere sie
- Überdenke die Rolle des Hausmeisters. Du wisst ihn als "heiteres" Element beibehalten? Dann mach ihn glaubwürdiger! Warum sollte sich der Prof. so offensichtlich mit ihm beschäftigen? Da sind hunderte Wissenschaftler und er tratscht mit nem Hauser?
- Mache die Story spannender. Ersetze die endlosen Landschaftspassagen durch Handlung! Allein die Szene mit der Fleischfressenden Pflanze ließe sich in einem viertel der länge mit dreifachem Gehalt schreiben ;)

Noch ein paar Beispiele zu alle dem herausgegriffen:

„Herr im Himmel! Wenn die Öffentlichkeit erfährt, dass das auch noch von Steuergeldern finanziert wird…!“
1. Warum erwähnt er, dass es von Steuergeldern finanziert ist, wenn der Hausl nix davon erfahren darf? Er hätte ihn ja rausschicken können - Kommentarlos versteht sich.
2. Was ist so schlimm daran, dass Steuergelder verwendet werden? Offensichtlich handelt es sich doch um ein erfolgreiches wissenschaftliches Projekt. Wer soll das sonst bezahlen wenn nicht der Staat?

„Hier spielt sich in wenigen Minuten das vielleicht wichtigste Ereignis in der Geschichte der Menschheit ab! Und so leid es mir tut, Sie dürfen nichts davon erfahren!“
Das gleiche wie eben... Warum sagt er ihm ins Gesicht, was sich dort abspielen wird, wenn er es gar nicht erfahren darf? Einfach rausschicken den Gutsten und Ende. Das ganze wirkt zu konstruiert nach dem Motto: "Leser, schau, hier geht es um was ganz ganz wichtiges".

Durch die spärlich beleuchteten Korridore drang der Hall eines Papierkorbs, der mit geübtem Griff entleert wurde. Eigentlich war es nicht die Aufgabe von Hausmeister Willy Kawuttke, in der Nacht zu arbeiten. Doch für jemanden, der seinen Job ernst nahm, war es eine Selbstverständlichkeit, diesen sorgfältig zu erledigen. Er war am Tag nicht fertig geworden, weil im ESOC, dem Raumflugkontrollzentrum der Europäischen Raumfahrtbehörde in Darmstadt, ein Gewusel von Wissenschaftlern aus aller Herren Länder geherrscht hatte und die Mülleimer schneller übergequollen waren als gewöhnlich. Deswegen schob er eine Nachtschicht ein.
Stumm schüttelte er einmal mehr den Kopf über diese seltsamen Eierköpfe. Obwohl er und sie im gleichen Gebäude zu tun hatten, lebten die Astronomen, Astrophysiker und all die anderen Weltraumheinis in einer komplett anderen Welt, mit der er sich nicht näher befasste. Er durchschaute nicht einmal, was sie überhaupt da oben wollten, im Sonnensystem, und es war ihm auch egal. Er war froh, wenn er seine Arbeit getan hatte, abends nach Hause kam, und sich von seiner Frau vor dem Fernseher bei einem kühlen Bier die Füße massieren ließ.
Plötzlich hörte er aus dem benachbarten Flur gedämpfte Rufe. Sie klangen wie Stadionjubel und kamen aus der Richtung des Hauptkontrollraums, in dem all die Raketenstarts und Satelliten überwacht wurden.
Was ist denn das, dachte Herr Kawuttke, für heute war doch gar keine Mission angekündigt? (Um Einbrecher machte er sich nie Sorgen: Das Gelände war streng gesichert, aber koscher war ihm die Angelegenheit dennoch nicht.)
Er unterbrach seine Arbeit und schob den Rollwagen mit den Müllsäcken schnurstracks zur großen Tür des Kontrollraums. Deutlich vernahm er ein hektisches Stimmengewirr. Manche Stimmen hatten einen ausländischen Akzent.
Wenn im Kontrollraum reger Betrieb herrschte, sahen die Wissenschaftler es nicht gern, wenn man einfach unangekündigt hineinplatzte. Doch schließlich räumte Herr Kawuttke ihnen ständig den Dreck auf, sorgte für freie Heizungsrohre und putzte die Klos, und außerdem war das Gebäude in der Nacht sein Territorium, also durfte er verdammt nochmal erfahren, was um diese Stunde hier getrieben wurde.
Ohne zu klopfen öffnete er die Tür.
Ein gutes Beispiel fürs kürzen ist der Anfang:
Warum Seitenlang über den Hausmeister erzählen? Und wo er ist?
Lass das ganze doch mitten drin anfangen! Oder kurz davor. Alles was du bisher beschreibst ist mit wenigen Ausnahmen belanglos und schürt nur in sehr geringem Maße die Neugier des Lesers.

"Gigantisch, in der Tat!", rief Adolar, "ich schätze, der Organismus ist mindestens drei Meter hoch!"
Menschen werden schon über zwei Meter und von Walen oder Elefanten fange ich jetzt gar nicht erst an... Was ist so "gewaltig" an einem drei Meter Organismus?

Herr Kawuttke schlug die Tür hinter sich zu und freute sich, seine Arbeit endlich fortzusetzen.
Bereits den ganzen Text über verhält sich der Hausmeister wie ein Gehirnamputierter! Warum?! Ist er wirklich grenzdebil? Der Hausmeister, selbst wenn man ihm einen unterdurchschnittlichen IQ verpasst, sollte annähernd in der Lage sein, die Tragweite dieses Projekts zu verstehen. Nein ehrlich, wer geht lieber zum Putzen wenn vor ihm eine Sonde durch die Zukunft gurkt? Das ist für mich einer der unglaubwürdigsten Aspekte der ganzen Geschichte!

Naja es gibt noch unzählige Ungereimtheiten. Alle aufzuzählen würde definitiv den Rahmen sprengen. Eine Überarbeitung deinerseits wäre sicher hilfreich. Anschließend kann man dir bestimmt noch die restlichen Macken aufzeigen ;)

Natürlich ist das nur meine bescheidene Meinung und sicher nicht der Weisheit letzter Schluss :). Mal schauen wer sich noch wie dazu äußern mag.

Ich hoffe trotz allem dir mit meiner Kritik ein wenig geholfen zu haben und fände es super eine überarbeitete Version lesen zu können.

Hau rein,
mfG ZontableZz

P.S.: Achja, den Titel finde ich auch ein wenig unpassend, auch wenn du darauf hinauswillst, dass die Menschheitsgeschichte ähnlich der der Dinosaurier verlaufen könnte. Es ist nur wage angerissen und kommt irgendwie nicht richtig als Inhalt in der Geschichte vor. Maximal ein, oder zwei Sätze lang. Daher wäre evtl ein anderer Titel aussagekräftiger ;). Ich zumindest hatte mich anfangs auf blutrünstige Überlebenskämpfe zwischen Urzeitechsen und Zeitreisenden gefreut *grins*

 
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Hallo jacksmouth,
mir hat Deine Novelle gefallen! Das geht natürlich nicht in der Erwartung, eine möglichst kurze Geschichte lesen zu wollen.
Die Länge kann also bleiben.
Worauf bei der Überarbeitung zu achten wäre: Der Text könnte konsequenter, ja ausschließlich aus der Sicht Kawuttkes erzählt werden.
Z. B. Man hörte dutzende Groschen gleichzeitig fallen.
Eher so: Kawuttke sah sich um, sah dümmlich dreinblickende Gesichter sich erhellen – da waren wohl dutzende von Groschen gleichzeitig gefallen. Er grinste vor sich hin, das wäre in Echt ein Geklingel! Wie bei seinem letzten Gewinn am Automaten in seiner Stammkneipe.
Die Konfrontation eines überdrehten Professors mit einem einfachen Handlanger ist bereits gut gelungen und könnte sogar noch mehr überspitzt werden. Da prallen in der Tat zwei Welten aufeinander!
Lieber Zontable Zz,
das ist für diese gewollt lange Novelle nicht wichtig, ob die Zeitreise nachvollziehbar ist.
Bereits den ganzen Text über verhält sich der Hausmeister wie ein Gehirnamputierter! Warum?! Ist er wirklich grenzdebil? Der Hausmeister, selbst wenn man ihm einen unterdurchschnittlichen IQ verpasst, sollte annähernd in der Lage sein, die Tragweite dieses Projekts zu verstehen. Nein ehrlich, wer geht lieber zum Putzen wenn vor ihm eine Sonde durch die Zukunft gurkt? Das ist für mich einer der unglaubwürdigsten Aspekte der ganzen Geschichte!
Meines Erachtens, Zz, gibt es jede Menge, ja Massen von Menschen, die so etwas Besonderes ein Scheiß interessiert! Der Kawuttke ist völlig normal in seiner Simplizität und trägt mit seinem 'gesunden BILD-gebildeten' Verstand diese Geschichte herausragend mit!
Jetzt wieder zu Dir, lieber jacksmouth,
Das Ende ist in der Tat etwas steigerungsfähig und zwar in der Weise, wie bereits im Text vorbereitet, aber nicht konsequent 'beendet'. Nämlich die Diskussion der Beiden ob es sinnvoll ist, was da getan wird (Lottozahlen oder die Zukunft der Menschheit). Gerade die abschließende Feststellung des Professors, man könne einfach weitermachen wie bisher, entlarvt ihn ja durch ihre Sinnlosigkeit. Das müsste der Hausmeister ihm vorhalten und irgendwie müssten die meisten im Saal dies einsehen.
Dann herrscht allgemeine Ratlosigkeit und der Hausmeister wird gefragt, was man denn besser machen könnte mit der 2. (!) Sonde. Seine Antwort: Nächste Woche sind 55 Mio. im Pott - Eine Millionen für mich und der Rest für Euch! Die Reaktionen der Anwesenden auszumalen, wäre bestimmt 'lustig'?!
Dann geht das Ganze mehr in Richtung Satire und Ulk und wird noch stimmiger als bisher!
Ob die Story in ihrer Länge überhaupt noch hierher passt, sollen andere befinden. Ich fands unterhaltsam und vor allem AMÜSANT! (Und das willst Du ja erreichen – bist also bereits auf der Zielgeraden)
Mit freundlichem Gruß
kinnison
Apropos Titel: Da hat Zz Recht – such' einen passenderen (Mein Vorschlag: dieser geht auf den Gegensatz Professor/Hausmeister ein)!

 

Hallo jacksmouth,

nach dem ich mich durch deine Geschchte gewühlt habe muss ich dir sagen: Sie hat mich nicht wirklich begeistert.

Sie ist zu lang, die Pointe (Lottozahlen) wird schon im ersten Teil verblasen und die Botschaft am Schluss -nach uns die Müllflut- finde ich sehr bedenklich.

Den Hausmeister nehme ich dir als Chrakter streckenweise sogar ab. Wenn er sich am Sack kratzt oder bei den Lottozahlen z.B. Den Prof und seinen Assi nicht. Als Überhöhung sind sie zu zahm, als Charakter zu blass.

Wenn du rigoros kürzen würdest, hätte die Geschichte mehr Tempo und würde besser funktionieren.

EIn bisschen technisches

Die Sicht des Rovers wurde schon von zwei Ranken versperrt, die sich über die Linse legten und das Panorama als schwarze Streifen mit verschwommenen Rändern verdeckten. Auf dem Restbild sah man schon die nächste sich emporheben.

Solche Sätze und Satzfolgen hast du einige. Sie hemmen den Lesefluss und wirken, als habest du sie dahingeschrieben und dann der Überarbeitung nicht für wert befunden.

Logiklöcher wurden ja schon angesprochen.
Übrigens reichen 10 Millionen Jahre, um durch tektonische Prozesse ausreichend signifikante Veränderungen an der Erdoberfläche auszulösen.

lg
Dave

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo zusammen!

Erst mal danke, dass ihr die Zeit fandet, die Story zu lesen, sie ist mir in der Tat zu lang geraten.

Deshalb nehme ich mir eure Vorschläge für einen strafferen Stil zu Herzen.
Dir, ZontableZz, scheint entgangen zu sein, dass ich die Charaktere absichtlich überzeichnet habe, um einen satirischen Unterton zu erzeugen, also bitte nicht zu sehr an der Glaubwürdigkeit aufhängen!

Zitat:
„Herr im Himmel! Wenn die Öffentlichkeit erfährt, dass das auch noch von Steuergeldern finanziert wird…!“
1. Warum erwähnt er, dass es von Steuergeldern finanziert ist, wenn der Hausl nix davon erfahren darf? Er hätte ihn ja rausschicken können - Kommentarlos versteht sich.
2. Was ist so schlimm daran, dass Steuergelder verwendet werden? Offensichtlich handelt es sich doch um ein erfolgreiches wissenschaftliches Projekt. Wer soll das sonst bezahlen wenn nicht der Staat?
Das bezieht sich auf die Sache mit dem Wachposten, nicht auf das ganze Projekt!

@Dave: Hab noch nicht sooo viel Erfahrung mit Charakterparodien, ich versuche mich aber zu steigern.

die Botschaft am Schluss -nach uns die Müllflut- finde ich sehr bedenklich
Ich auch! Bitte glaube mir- in echt würde ich da nicht mitmachen! Nicht, dass du denkst... :)

Der Text muss konsequenter, ja ausschließlich aus der Sicht Kawuttkes erzählt werden.
Zudem kritisiert ihr den Titel.
Die zwei Punkte waren schwerer, als ich dachte!
Bei der Erzählsicht habe ich mich dann (größtenteils) um eine neutrale Perspektive bemüht, was aber nicht immer den springenden Punkt getroffen hätte.
Den Titel werde ich ändern... sobald mir was knackiges einfällt.

Die Vorschläge, die Lottozahlen an den Schluss zu setzen, finde ich gut. (Schade, dass kinnison schon ne prima Idee vorweggenommen hat- darf ich die klauen? :P)

Mal schaun, welche Passagen ich kürzen oder ganz rauslassen kann- nachdem ich mir den Monstertext noch ein paar mal durch den Kopf hab gehen lassen.

Grüße
jacksmouth

P.S.:

Übrigens reichen 10 Millionen Jahre, um durch tektonische Prozesse ausreichend signifikante Veränderungen an der Erdoberfläche auszulösen.
Auf der Erdoberfläche vielleicht. Aber aus dem Weltraum betrachtet muss eher mehr Zeit vergehen, bis man was sieht.

 

Wo lebst Du, Zz, auf welcher Wolke hoch oben? Und ob es jede Menge, ja Massen von Menschen gibt, die so etwas Besonderes ein Scheiß interessiert! Der Kawuttke ist völlig normal in seiner Simplizität und trägt mit seinem 'gesunden BILD-gebildeten' Verstand diese Geschichte herausragend mit!

Dennoch bleibt die Erklärung schuldig, warum sich der Nobelpreisträger dem hausmeister rechtfertigt. Sollte der Hausmeister wirklich von der wurschtigen BILD-Leser Abteilung sein, dann wirkt es dadurch auf mich noch unglaubwürdiger.

Sry, aber wenn ich grade die Zukunft erforsche, schmeisse ich den dämlichen Hausl raus. Wenn der nichtmal ansatzweise interesse zeigt, dann doch erst recht.

Grüße Zz.

 

Hallo, Zz,
zunächst habe ich den am 22.3. an Dich gerichteten Text ein wenig verändert. War 'n bisschen rough.
In dieser Geschichte ist der Professor klischeehaft beschreiben und der Hausmeister ebenso – nötig für den Zusammenprall zweier Gegensätze.
So stellt man sich ja Professoren vor: von ihrer Sache besessen, ansonsten zerstreut, vergesslich, inkonsequent und durchaus eitel. All das führt dazu, dass er den Mann letztendlich doch im Raum lässt und sich soviel von ihm bieten lässt – die Sache ist ihm längst aus der Hand geglitten.
Also ich kann's durchaus nachvollziehen.
Grüße an alle!
kinnison

 

So stellt man sich ja Professoren vor: von ihrer Sache besessen, ansonsten zerstreut, vergesslich, inkonsequent und durchaus eitel.
--> Eben!
Der Prof brennt im Grunde nur darauf, allen seine tolle Errungenschaft vorzuführen, obwohl er weiß, dass es unvernünftig ist. Außerdem ist er in seiner Welt genauso gefangen wie der Hausmeister in der seinen und merkt gar nicht, dass dem das sonstwo vorbeigeht.
Salve

 

Hallo, Zz,
zunächst habe ich den am 22.3. an Dich gerichteten Text ein wenig verändert. War 'n bisschen rough.
Kein Problem. Ich hab mich ja bei meinen Ausführungen auch nicht hinter Watte versteckt ;). Aber stimmt, das gezeichnete Bild entspricht eben jenem Professor im weißen Kittel wie man ihn in jedem Film/Comic/etc. gezeigt bekommt. Damit die Geschichte funktioniert muss er das auch hier sein. Ich kann mich trotzdem nicht ganz damit anfreunden. Aber is halt meine Meinung :)

--> Eben!
Der Prof brennt im Grunde nur darauf, allen seine tolle Errungenschaft vorzuführen, obwohl er weiß, dass es unvernünftig ist. Außerdem ist er in seiner Welt genauso gefangen wie der Hausmeister in der seinen und merkt gar nicht, dass dem das sonstwo vorbeigeht.
Salve
Ich muss auch sagen, dass der Hausl schon seinen Reiz hat. So der prollo der sich am Säckl juckt wenn vor ihm die Welt verändert wird. Lustig liest sich das allemal. Wenn die Geschichte einen lustigen Aspekt beinhalten soll dann is das volkommen ok. Ich hatte die Geschichte nur mit anderen erwartungen gelesen ;)

Viele Grüße Zz.

 

Ich hatte die Geschichte nur mit anderen erwartungen gelesen

Sowas hatt ich von Anfang an befürchtet, aber es gibt leider keine Kategorie "Science Fiction und Satire"^^
Gruß
jacksmouth

 

Hallo jacksmouth,
in Zz wurden erst durch den Titel falsche Erwartungen geweckt!
Die Rubrik ist richtig, denn seit wann darf SF nicht satirisch sein?
Namhafte amerikanische SF-Autoren, so auch der Klassiker Robert A. Heinlein, sind oder waren sogar der Meinung, dieses Metier sei das ideale Terrain, um dem Homo sapiens den Spiegel mal so richtig nah vor die zumeist zu hoch getragene Nase zu halten.
Übrigens habe auch ich Dir geraten, den Titel dem Inhalt anzupassen. ;-)
Frohe Dinostern!
kinnison

 

Hallo!

Ich mochte Deine Geschichte. Die endlosen Landschaftsbeschreibungen haben meiner Meinung nach ihren eigenen Charme, dieses Eintauchen in fremde Welten mitten in der Nacht in einem bis auf diesen einen Raum völlig verlassenen Forschungszentrum...
Kann ich davon ausgehen, dass Dich Werke wie "The Future is wild" beeinflusst haben könnten? :)

Allerdings muss ich sagen, dass auch ich den Character des Hausmeisters kaum ertragen konnte. Ich hab' mir nur damit beholfen, dass ich ihn mir als Comicfigur vorgestellt habe, wie den Hausmeister Scruffy aus "Futurama". Überhaupt war es das, was die ganze Sache für mich gerettet hat, auch die "Botschaft" (ha!) über die sich alle anderen hier scheinbar so aufregen. Ich zweifele ernsthaft daran, dass Du dafür plädierst, Robbenbabys abzuschlachten. Die Schlussfolgerung, welche die Gelehrten aus ihrer Entdeckung schliessen, ist vollkommen Kindisch und dumm, deswegen hab' ich das auch nicht ernst genommen.

Nicht realistisch? Aber hallo! Das hier ist doch keine Doktorarbeit, sondern eine Geschichte. Natürlich, die Figuren werden greifbarer, wenn sie realistischer sind. Trotzdem sehe ich nicht ein, warum renommierte Wissenschaftler nicht als kindische Trottel in einer Kurzgeschichte auftreten dürfen.

Ich hoffe sehr, das war in etwa Deine Absicht: Eine schrille Geschichte mit einigen interessanten philosophischen Überlegungen, aber ohne offensichtliche Moral (die muss man sich selbst erarbeiten).
Wenn man sich an Deiner Geschichte stösst, dann da, wo der Spagat nicht wirklich gelungen ist. Wo eine Zeile des Nobelpreisträgers dann doch zu blöd ist.
Ein bisschen holprig, Du könntest wirklich kürzen und den Hausmeister ein BISSCHEN menschlicher gestalten. Beispiel: Das seine Frau ihm die Füsse massiert, also echt, wo gibt's denn sowas :) .

Aber ich mag Deine Geschichte. Lass' sie vielleicht eine Weile liegen und nimm sie Dir noch einmal vor, dann könnte sie vielleicht so gut werden, dass nicht nur ich sie toll finde :)

 

dass nicht nur ich sie toll finde
Hey! Ich finde sie auch gut! Nur mal zur Erinnerung … ;-)
Schönen Sommer noch …
kinnison

 

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