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Dieser eine Junge
Sie wachte auf. Es war mitten in der Nacht. Ihr Zimmer war dunkel. Bis auf das kleine rote Licht ihres Handys, das neben ihr im Bett lag. Gähnend nahm sie es und blinzelte, als sie auf das helle Display schaute. 3:33 Uhr.
Es war wie jede Nacht. Ihre Träume plagten sie. Quälende Gedanken,die sie nicht abschalten konnte. Eigentlich schien ihr Leben gut und makellos. Die Biografie ihres Instagram Accounts schmückte sie mit dem Spruch: „My dreams have no limits.“ Darunter einige Bilder von ihr. Sie war ein sechszehnjähriges Mädchen mit einem schönen Lächeln, tollen Freunden und Interessen. Doch das war ihre Fassade. Hinter diesem Mädchen steckte sehr viel mehr. Man musste genau hinschauen, um ihr wahres Gesicht zu erkennen.
Sie stand auf, schaltete die Bettlampe an und zog sich einen schwarzen Kaputzenpulli über, schlüpfte in ihre schwarze Leggins und in die schwarzen Airmax. Bevor sie aus der Tür verschwand, nahm sie noch ihr Handy, steckte sich Ohrhörer ein und checkte das Zimmer noch einmal.
Dunkelheit und Kälte umhüllte sie draußen. Sie zog die Schultern hoch und vergrub ihre Hände tief in die Taschen ihres Pullis. Leise hauchte sie in die schwarze Nacht. Die Musik dröhnte durch ihre Ohrstöpsel. Erinnerungen. Lieder, die sie innerlich zerbrachen. Aber trotzdem hörte sie diese Lieder immer wieder.
Loslassen ist so schwierig. Vergessen, nach vorne schauen. Aber da gab es diesen einen Jungen, der alles an ihr veräderte. Dieser eine Junge, der ihr immer die Sprache verschlug. Dieser eine Junge, bei dem sie immer Schmetterlinge im Bauch hatte. Dieser eine Junge, den sie immer mit anderen Jungen verglich. Dieser eine Junge, der ihr Hoffnungen machte. Dieser eine Junge, der anders war als alle anderen. Dieser eine Junge, aus dem sie nicht schlau wurde. Er hatte ein Geheimnis. Sie ging kaputt an ihm. Er machte sie verrückt. Wahnsinnig. Immer die gleichen Szenen liefen vor ihren Augen ab. Sie wusste jedes Detail ihrer kurzen Treffen. Wie er sie anschaute. Wie er lächelte. Wie er redete. Wie sie sich selbst dabei erwischte, wie sie immerzu auf seine Lippen starrte, während er sprach. Wie sie über alle Witze lachte, die er machte.
Eine warme Träne rollte über ihre kalte Wange. Sie lief schneller. Als wollte sie nicht, dass ihre Gedanken sie einholten. Ihre Gedanken an ihn.
Sie fing an zu rennen. Tausende Tränen liefen ihr über das Gesicht. Voller Gefühle. Aber nicht an ihren Freund, sondern diesen einen Jungen, den sie nicht verstand. Warum liebte er sie nicht? Warum? Manche wären froh, wenn sie eine Chance bei ihr bekommen hätten. Aber er spielte mit ihr und ihren Gefühlen. Wenn auch unbewusst, aber er tat es.
Sie blieb stehen. Schrie. Ihr Puls raste, die Tränen tropften auf ihren schwarzen Kapuzenpulli. Sie starrte ausdruckslos in die Dunkelheit. Stechender Schmerz zog sich durch ihren Körper. Ihre Knie zitterten und gaben nach. Sie fiel auf den Asphalt, ein dumpfer Schlag und sie zerbrach in tausend kleine Teile. Wegen ihm. Diesem einem Jungen, der ihr alles raubte.