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Diese gleichgültige Lähmung

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05.03.2003
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Diese gleichgültige Lähmung

Diese gleichgültige Lähmung

Ha, es war doch immer das gleiche. Man mußte mich gar nicht mehr danach fragen.
Ich hatte es mir in meinem schweren Ledersessel so gut ich es konnte gemütlich gemacht, überflog einige Male den Focus, den ich auf dem Schoß liegen hatte, schaute mir aber hauptsächlich das an, was ich nach sechs so auf Pro Sieben zu sehen bekam.
Ich besaß einen bescheidenen Fernseher, bescheidener Bildschirm, kein ausgeflipptes Design, er war schon in Ordnung- mein Zimmer auch... Es ging schon irgendwie, ich konnte Leute hier her einladen, ohne große Erklärungen abzugeben, ich konnte nachts die Augen schließen, ohne mir große Gedanken darüber zu machen. Es war in Ordnung. Ich fühlte mich nicht beobachtet durch die Poster und Bilder, die in jeden Winkel meines Zimmers schauen konnten. Denen konnte ich getrost den Rücken zu kehren.

Christoph hatte mich gegen halb-neun abgeholt. Wir saßen in der S-Bahn und ließen die schwarze Leinwand draußen an uns vorbeirasen. Der Wagon war angenehm leer. Leichtes Stimmengewirr kämpfte gegen das Dröhnen der Räder auf dem Stahl an. Christoph saß mir gegenüber, hatte seine Haare ordentlich gescheitelt und seinen dicken Helly Hansen Annorak geöffnet. Er hing mehr, als dass er saß. Ich hatte mich in meine leichtere Dickies Jacke geschmissen und meine Haare, ach- wie immer.

„Glaubst du nicht, dass du übertreibst?“
„Wie kommst du darauf?“ fragte ich ihn zurück.
„Du kannst doch einmal etwas tun, ohne gleich an deinen nicht vorhandenen Ring am Finger zu denken.“ Er behielt den nötigen Ernst.
„Was willst du mir damit sagen?“

Jetzt hoben sich seine Mundwinkel ein wenig, draußen war eine lange Leuchtreklame zu sehen.
„Genieß die Freiheit so lange du noch kannst.“ sagte er. Mein Unmut fand seinen Ausdruck indem ich etwas tat, was ein Ausatmen, ein Seufzer, ein Kopfschütteln hätte sein können.
„Fang nicht damit an, verstehst du mich!? Die Scheiße fehlt mir gerade noch.“ Ich beugte mich nicht direkt vor, aber ich näherte mich ihm „Es ist das, was du glauben sollst, mich scheert es einen Dreck. Freiheit; dieses verdammte scheiß Wort, ist damit überhaupt nicht zu vergleichen. Vielleicht wirst du es irgendwann einmal verstehen. Dieser ganze Mist hier, dieses in die Schule gehen Tag für Tag, treffen mit irgendwelchen Wichsern, die einem nichts geben, dieser ganze Unsinn hat nichts mit Freiheit zu tun. Dieser verdammte Spießerkram, obwohl ich es hasse dieses Wort zu gebrauchen. Beschissene Ansichten sind das, die uns irgendwann einmal von jemandem vermittelt wurden, der... ach scheiße, was weiß ich!?“
Christoph war diesmal derjenige der seufzte. „Einer deiner Laberflashs, stimmt’s?“
„Ach verdammt.“ schloß ich ab und wußte dass er der Falsche war... das war doch nichts neues.
Die Tür öffnete sich zischend und Lars stieg zu, er hatte sich in derart dünne Klamotten geworfen, dass ich selbst in der warmen S-Bahn für ihn mitfror. Christoph und mir ein Check gebend setzte er sich neben mich.
„Nicht ein bisschen kalt so ganz ohne?“ fragte Christoph.
„Hey Alter, das geht schon, ist doch auch mein Problem!“ fühlte sich Lars schon gleich wieder angemacht. Wie der größe spirrige Typ da saß, irgendwie seltsam.
Die S-Bahn warf sich wieder in die Schienen und raste weiter.
„Wo zum Teufel geht es eigentlich hin?“ fragte ich nach einigen dutzend schwarzen Metern.
„Kenn die Tuss von irgendeinem Geburtstag, kann mich nicht mehr genau dran erinnern.“ sagte Lars und dachte eine Weile nach.
„Geht das auch in Ordnung, wenn wir so einfach mitkommen?“ fragte ich weiter.
„Hey Tommy, das geht schon, warum sollte die Leute wie uns rauswerfen!?“ entgegnete Lars.
„Um das zu wissen werden wir noch ein paar Jahre brauchen.“ sagte ich, es kehrte Ruhe ein. Zeit für Musik. Jetzt war Zeit dafür, MiniDisc drauf und dann Musik, aber ich hatte keinen.
„Seht ihr!“ sagte Christoph plötzlich „Das da hinten“ er deutete aus dem Fenster und ich sah ein paar rote und weiße Lichter in einem Meer aus Schwarz „Das ist das neue Einkaufszentrum.“
„Ein wenig weit ab.“ stellte ich fest.
„Das ist egal, es ist verdammt groß, eine kleine Stadt sozusagen.“ Es verschwand aus dem was wir hinter der dicken Scheibe sahen „Müssen wir echt mal vorbeischauen.“

Wir kamen bis zum Ende, danach wurde die S-Bahn sozusagen geräumt. Das gefiel einem der Penner in den hinteren Regionen ganz und gar nicht, aber was sollte er machen? Wir fanden uns an einem S-Bahnhof wieder der realtiv verlassen wirkte, mich und Christoph erst einmal vor ein Rätsel stellte.
Eine lange Überdachung lief über den ganzen Bahnsteig, bis zur doppeleten Eingansgtüre des dunklen Bahnhofgebäudes.
„Und jetzt!?“ wollte ich wissen.
„Kleine Busfahrt.“ gab mir Lars zur Antwort.
„Super!“ war meine Reaktion. Obwohl es vielleicht den Anschein hatte, aber hier lag kein Nebel über dem Boden, es war einigmaßen still geworden, aber es lag kein Nebel über dem Boden es war auch nicht so beschaulich, wie ich es mir vorstellen wollte.
Der Pfosten an dem der Busfahrplan angebracht war, zog mich förmlich zu sich, ich hatte das gefühl Zeit zu verlieren.


Ja, jeder hatte es. Ausnahmslos, einfach jeder. Etwas, dass man schon einen Regen hätte nennen können nieselte aus den schwarzen Weiten über uns, als wir aus dem versifften Linienbus stiegen. Etwas, dass man eine Nacht nennen konnte starrte wie wahnsinnig auf uns hinab, aber ich merkte es nicht einmal, jetzt stand ich auf der Sonnenseite des Lebens. Ich tat es um zu vergessen, oder meine Ruhe zu haben.

Es war eine Mittelstandsgegend, in der wir abgesetzt wurden. Vorgärten, freistehende und Reihenhäuser, Garagen. An der Stelle, an der wir jetzt standen- um erst einmal eine Orientierung zu finden- sah es noch realtiv trist aus. Mittelmäßige Betonlandschaft, mehr nicht, aber ein paar Schritte weiter fing es schon an, bis es schließlich fließend wechselte... in dieses, naja... naja... ich wußte nicht.
Die Luft war gerade so kühl, dass man sie deutlich wahrnehmen konnte, etwas mehr und ich hätte es mögen können. Am schwarzen Himmel zogen dunkelgraue Fetzen, die mir bekannt vorkamen.
„Irgendwo dort hinten glaube ich.“ sagte Lars skeptisch, was schon ein Anzeichen für den Verlust der Kontrolle war.
„Glaubst Du!?“ entgegnete Christoph daraufhin.
„Ey scheiße, wohne ich hier!?“ Lars lief einfach los. Ich war mir ziemlich sicher ohne zu wissen wohin. Trotzdem folgte ich ihm, diese Gegend hier wollte von mir gemocht werden, deshalb wollte ich sehen, was sie zu bieten hat.
„Regnet es, oder bilde ich es mir nur ein?“ fragte Christoph, als wir den Bürgersteig verließen und auf der Straße weiterzogen. Seine Frage blieb unbeantwortet.

Wir beanspruchten die Straße für uns. Da liefen diese drei Gestalten wie auf einem Laufsteg, aber kein Arsch wollte es wissen. In einem Film vielleicht, hätte das ziemlich cool ausgesehen, aber wir hatten nicht einmal einen Fotoapparat.
Die anderen beiden schienen relativ unbeeindruckt, sie achteten vielleicht nicht darauf; vielleicht auch nicht mehr. Ich hingegen hatte dieses bestimmte Gefühl für diese Situationen. Irgendwann zwischen fünfter und achter hatte ich es mir nur durch Zufall angeeignet... oder war es einfach gekommen?... ich wußte es nicht mehr.
Dort waren die erleuchteten Fenster der Häuser, durch die ich gleichgültige Blicke werfen konnte, ohne gesehen zu werden. Manchmal fragte ich mich, ob sie durch diese Fenster nach draußen schauen wollten, oder nur einen Einblick geben.
Ich sah verzierte Spitzengardinen, glimmende Tiffanybausatzkunst, kleine kaschierte Schönheitsflecken und makelosen Glanz, vor dem ich eine panische Furcht hatte.
Christoph und Lars sahen es nicht.

Straßen waren Straßen und das waren sie- dachte ich- überall. Warum sollte es wesentliche Unterschiede geben? Warum erwartete ich das Große und Besondere? Hier würde ich es sicherlich nicht finden, oder etwa doch? Oder etwa gerade hier?
Die leichte Briese einer lauen Musik streifte mein Gehör für einen meiner wachen Augenblicke.
Ich hatte sie bemerkt, sie konnte sich nicht mehr vor mir verstecken.
„Ich höre Musik.“
Christoph blieb stehen. „Sicher?“
Wir alle lauschten.
„Doch, doch, da ist etwas.“ sagte Christoph nach ein paar lächerlichen Sekunden.
„Meinst du?“ fragte Lars.
„Musik.“ Christoph drehte sich in die Richtung, aus der er den Lockruf vermutete „Wir sind ganz dicht dran.“
„Sind wir das!?“ war meine trockene Bemerkung.
Jetzt regnete es wieder und diesmal stellte niemand mehr Fragen, da sich jetzt langsam ein nass-dunkles Muster auf der Straße bildete und immer enger wurde.
Diese Laute, die sich wie Musik angehört hatten, flossen aus einer Quelle, die sich fern der näheren Umgebung befand. Es war die leise Vorahnung gewesen, aber der Verdacht hatte sich unwiderruflich zu einem Großen und Ganzen verkrustet. Jetzt nur noch den Leitfaden finden und dieser süßliche Schallzauber würde uns zum Nest führen. Und das war es doch was wir wollten!
„Ein Vorort wie jeder andere“ philosophierte Lars „sechs Bier und dir ist es scheiß-egal; ein paar mehr und du weißt es schon gar nicht mehr.“ Wir waren dabei weiter zu gehen, hielten uns währenddessen in der Mitte der Straße. Diesmal hatte ich das Gefühl ein Augenpaar würde uns aus einem der Fenster nicht wieder gehen lassen wollen.
Die altbekannten grauen Fetzen über unseren Köpfen zogen unaufhörlich- ich weiß nicht warum, aber sie sahen verdammt nach verworrenem dunkelgrauen Sperma aus.
„Nicht mehr für, ach wer weiß wie lang!?“ sagte Lars „Ich frag mich wie es schmeckt, vielleicht ändert sich unser Geschmackssinn Tag für Tag und wir merken es nicht einmal.“
Diese Laute nahmen uns bei der Hand, sie wußten wo es hinging, da sie wußten wo sie herkamen. Irgendwie würde das hier schon gut ausgehen... irgendwie.


„Das hier ist es!?“ äußerte sich Christoph zu dem, was sich uns dort vor Augen drängte „Dieser kleine Schuppen!?“
Es war dieser kleine Schuppen, der uns gütig aufnehmen würde, und etwas Bier schenken, die Nacht vertreiben, all das halt. Zwei Typen lungerten neben einem verwachsenen halbtoten Baum, der früher oder später in das Haus wuchern würde, und redeten mit ihren Bierdosen in der Hand über Autobahnraststätten. Der Rest mußte im Haus sein, ich hörte die Musik. Ja, mein Gott, es war Musik. Kein Laut, der uns anlockte wie die Pfeife die Hunde, es war wirklich Musik gewesen. Mein Gott, ich wurde alt.
„Ja, hier ist es“ sagte Lars erleichtert „Und ich weiß nicht was man dagegen haben kann.“
Ich nickte einem der Typen zu, da er mir direkt in die Augen schaute, als ich einen Schritt in den spärlichen Vorgarten tat. Kleine Stiefmütterchenbeete. Verdammt, kleine rot-violette Stiefmütterchen, die es mir beinahe wieder vor Augen führten... aber nur beinahe.
„Lass mal reingehen.“ sagte ich und wartete nicht bis einer von den beiden anderen etwas wie Yo, oder lass mal machen, sagte.
Die Musik wurde lauter, als wir vor der Tür standen konnte ich hören, dass es ein guter alter deutscher Dance-Track war, es ließ den Türknauf um einige Millimeter- nein, noch weniger- vibrieren, was ich merkte, als ich meine Hand auf das goldene Ding legte.
„Da sind wir.“ sagte ich und öffnete die Tür.
Verdammt es war Sash, so wie ich es noch nie vorher hatte wahrgenommen, es drängte sich mir so anzüglich auf, dass ich es gutfinden mußte, um nicht von ihm vergewaltigt zu werden. Schon etwas altes deutsches, nichts altes bekanntes, es kotzte mich an.
Warum es hier drinnen alles in eine sich wild drehende Spirale hinabgerissen wurde und draußen nur die üblichen gedämpften Bässe pochten entzog sich meinem physikalischen Verständins, aber hier gab es keine Physik, hier gab es mein Gefühl, das ich in meinen Eingeweiden hatte. Und wenn erst der Alkohol kam, dann, ja dann liebte ich Sash.

Eine dreiköpfige Gruppe stand direkt neben der Eingangstür und hatte Plastikbecher in der Hand, in denen sich Dosenfrüchte in weicher Bowle auflösten. Wenn wir auch nicht in die Geschichte eingehen würden, ich hatte einen Scheiß-Durst.
Ich kannte keine Sau, es waren zwei Tussen und ein halbwegs passabel aussehnder Typ. Er erzählte etwas von wegen Masters of the Universe wären ein wesentlicher Teil seiner Kindheit gewesen. Die eine Tuss hatte rote Strähnen in ihren pechschwarzen Haaren, ihre Augen waren weich und tief wie der schwarze Himmel da draußen, nur ohne dieses Sperma. Ich verschluckte sie und meine inneren Fühler tasteten ihren Körper ab, ich schmeckte ihre glatte rote Strumpfhose und diese leichten Turnschuhe- comma, wenn mich nicht alles täuschte, comma.
Die andere ein wenig mehr in der Mitte, ein wenig mehr an Pferdeschwanz-Jeans-Wollpullover, nicht übermäßig, ein wenig halt.
„Unsere Jacken?“ Christoph sah sich einem echten Problem gegenüber „Ich kenne hier kein Arsch.“
„Und kein Arsch kennt dich.“ sagte Lars und legte seine blaue Jacke einfach über einen der geschwungenen Holzstühle im Eingangsbereich.
„Du willst doch nicht auch deine Jacke hier einfach-“ Christoph wandte sich dabei an mich.
„Weist du was“ unterbrach ich ihn „Das ist nicht mein Problem.“
„Ich habe einen verdammten MiniDisc-“ begann er wieder, ich drängte mich an ihm vorbei: „Das ist nicht mein Problem.“
Wir hingen drinnen, und ich stellte mich zu dem kleinen Grüppchen im Eingangsbereich, während Lars nach irgend etwas suchte- was, das habe ich nie erfahren.
„Hey!“ sagte ich und dachte für einen Augenblick, dass mir niemand hier Beachtung schenkte. Aber dann schauten mich alle drei gleichzeitig an, nicht unbedingt herablassend.
„Hi!“ sagte das Mittelweg-Mädchen. Der Junge fühlte sich nicht belästigt, vielleicht lag das daran, dass er schwul war, oder dass er gearde bei einem Punkt in dem Gespräch ankam, an dem er fast nicht mehr weiterwußte, doch da er nicht gerade übermäßig erleichtert wirkte strich ich das aus der Liste.
„Ich kenn’ hier eigentlich kein Schwein, wollte mich nur vorstellen“ ich nickte „Thomas.“
„Corinna.“ sagte das Mittelweg-Mädchen halb mir und dem anderem Jungen zugewandt.
„Ich bin Janine.“ war dann der Output des Mädchens mit der roten Strumpfhose und den pechschwarzen-rot gefärbten Haaren. Sie hatte einen toten Zahn im Oberkiefer, ein grauer toter Zahn. Darauf könnte ich sie ansprechen, irgendwann einmal, wenn ich sie besser kannte.
„Tom.“ sagte Tom, der Junge mit der traumhaften Kindheit.
„Ist einer von euch die Gastgeberin, oder der Gastgeber?“ Alle schüttelten den Kopf, mehr oder weniger, was eigentlich egal war... obwohl es nicht unbedingt-
„Welche Schule?“ fragte ich.
„Lorenz.“ sagte das Mädchen mit dem toten Zahn.
„Die meisten hier sind vom Lorenz.“ führte Tom, der Junge vor mir fort.
„Hab ich mir schon gedacht“ erwiderte ich daraufhin „Ist auch die einzige Schule, die ich in dem Kaff hier kenne.“
„So schlimm ist es hier auch schon wieder nicht.“ milderte das Mittelweg-Mädchen ab.
„Ist es das?“ Nach mir trat eine kleine Pause ein, es schien niemanden so recht zu kümmern sie zu unterbrechen. Es war keine von diesen jetzt-ist-alles-aus Pausen, sondern mehr nur eine kleine hör-ein-bisschen-Musik Pause. Alles wieder im Lot.
„Bist du neu hier in der Gegend?“ fragte das Mädchen mit dem toten Zahn.
„Nein, nein“ antwortete ich „Ich wohne schon seit Ewigkeiten hier. Bin durch den Typen da hinten hier rein gekommen.“ Ich schaute zu Lars und sie wußten auch ohne, dass ich auf ihn deuten mußte, wer dieser Typ war. Lars war gerade dabei auf einem kleinen Sideboard Flaschenetikketen zu lesen. In dem Gebiet war er top.
„Kenne ich nicht.“ sagte das Mädchen mit dem toten Zahn schulterzuckend.
„Manchmal wünsche ich mir das auch.“ seufzte ich, sie lächelte mich an, MICH, nicht etwa Tom-Boy, oder die andere Tuss, diesmal war ich im Fadenkreuz und ich wollte die Ladung Blei mitten ins Gesicht bekommen.
Kid Rock dröhnte durch meine Ohren, für den Burchteil einer Sekunde dachte ich, das wäre reine Einbildung. Die Stimme war klar, so hatte ich sie noch nie gehört.
„Die Bowle ist echt gut.“ sagte das Mädchen, das noch eben ein Lächeln auf dem Gesicht hatte „Ich geh’ mir neue holen.“ Sie ließ sich Zeit, aber ich bekam ein Gefühl auf der Zunge, was nach einem Durstlöscher schrie, der mehr sein mußte als nur Bier.
Endlich weg von dem Mädchen in der Mitte und von Tom-Boy, mit seinen Plastikmuskeln in den grauen Hirnlappen, jetzt war ich aus der Bezirksliga in die nächst höhere gestiegen. Dabei hielt ich mich an das Mädchen, das mich noch eben angelächelt hatte und jetzt mit ihrem süßen Arsch vor mir herwackelte, um die verdammte Bowle nachzufüllen.
Ich passierte unbekannte Gesichter, die mich jetzt wenisgtens akzeptierten, wenngleich auch nicht respektierten. Aber ich hatte ein Ziel vor Augen und wenn man ein Ziel hatte, hatte man auch dieses Gefühl tief in einem, das einen hart machte.
Ein Tisch war dort aufgebaut. Die heiligen drei Könige Fanta-Cola und Spirte trohnten in ihrem Revier und daneben standen drei massige Glasschüsseln. Obstsalat in der einen, in der nächsten die weiche Bowle und die letzte gefüllt mit einem Joghurt-Gemisch, das mich bis hier hin ansiffte, obwohl ich Joghurt mochte.
Wir waren im Wohnzimmer des Hauses. Dort hatten sie eine Stereoanlage aufgebaut, die nicht zu übersehen war, hinter der ein Typ saß, dessen Sommerhut schon zu seinem Körper gehörte. Wie ich es von hier abschätzen konnte befanden sich um die zwanzig Leute in dem mittelgroßen Wohnzimmer... nein, etwas mehr als mittelgroß. Eine durch einen Holzkeil geöffnete Terassentür ließ sich die Leute etwas über das Areal verteilen, doch der Garten war stockfinster. Dort mußte jemand sein, da ich Gestalten im Schwarz zucken sah, aber ich konnte nicht darauf schwören.
Ein schiefer Stapel Plastikbecher stand schon neben den Schüsseln bereit, deshalb schlug ich die Einladung nicht ab und nahm mir zwei, die ich ineinandergesteckt ließ. Das Mädchen Janine füllte sich den Becher unter Hilfenahme einer Plexiglasschöpfkelle, ich tunkte meinen Zeigefinger in das Joguhrtgemisch und kostete. Vielleicht standen für die Weile in der ich den Finger im Mund hatte und die Augen fest geschlossen, alle still und starrten mich mißbilligend an, ich wußte es nicht, sie konnten mit ihren ausgestreckten Fingern auf mich zeigen während ich die Augen geschlossen hatte und still dastand, mit dem Finger im Mund, doch der Joghurt war nicht gut, ich fand in jedem Plus-Regal was besseres.
Janine trank in großen Schlücken und ich tauchte den Plastikbecher- der sich etwas nach innen wölbte, da ich ihn ein wenig zu fest umfasste- in die weiche Bowle ein. Er hatte sich schnell gefüllt, dann goß ich ihn mit einem Schluck hinunter, scheiß-egal was da hätte drin sein können. Es schmeckte wahnsinnig gut, wenn ich das sagte meinte ich das, einfach Wahnsinn. Das glich den Joghurt nicht nur aus, es glich auch jede scheiß Bowle aus, die ich jemals zuvor getrunken hatte.
„Die ist echt okay.“ sagte ich.
„WAS!“ rief Janine über das Schallgewitter des Songs zu mir.
Ich deutete auf die Terassentür, sie nickte und wir gingen dicht beeinander aus dem stickigen Wohnzimmer.

Ich hatte recht gehabt, hier standen einige Leute in den Schatten der Büsche und Bäume verborgen, ich verstand nicht was sie redeten. Über mir flossen die dunkelgrauen Wolken über den Himmel. Janine war ganz dicht und meine Ohren dröhnten immer noch. Ich war aus der Spiraale entflohn, vorerst.
„Verdammt laut das alles.“ sagte ich, sie sagte auch etwas, aber ich verstand es nicht.
Wir setzten uns auf einen kleinen Mauervorsprung, der wohl serienmäßig war. Sie ließ ihre Beine baumeln, es war etwas das verflucht sexy aussah.
„Stehst du auf diese Musik?“ fragte Janine. Kid Rock kam mir wieder in den Sinn, ganz plötzlich.
„Ja, läßt sich mit leben, finde ich cool.“ gab ich ihr zur Antwort „Was hörst du so?“
„Ärzte hauptsächlich, sonst alles mögliche.“ sagte sie.
„Ja, die sind in Ordnung.“
„Mehr nicht!?“
Ich lächelte. „Doch, doch, die fallen auch noch unter das, was irgendwann in den Siebzigern mitten durch die Achtziger schoß und die Neunziger überlebte.“
„Wie meinst du?“ sie hatte einen verträumten Blick gen Himmel geworfen.
‘Der Zahn, ist der...’ „Das hier am Arsch der Welt trotzdem noch etwas abgeht hätte ich nicht gedacht.“ sagte ich.
„Da kannste mal sehen!“ sie stieß mir zärtlich in die Seite.
„Tja, es-“ Christoph saß da irgendwo „Denk dran Thomas, vergiß es nicht!“ Sagte er stand dann aber schon wieder auf und verschwand durch die offen stehende Terassentür.
„Wer war das?“ fragte Janine. Ich geriet ein wenig von der Straße ab. Es war etwas anderes, ich war mir nicht sicher... nicht Christoph, es hatte nichts mit ihm zu tun. Silvie hätte schon ein Problem damit gehabt, wenn ich sie betrog, aber-
Es war ein seltsames Gefühl mal eine andere Zunge in meinem Mund zu spüren als die von Silvie. Ich drückte Janine an mich, wir küssten uns, leckten und ich hatte die Augen geschlossen. Wie das bei ihr war wusste ich nicht, dazu hätte ich meine Augen öffnen müssen. Meine Hände hatte ich in ihrem Haar vergraben. Sie schmeckte ausserordentlich gut, wie wir hier beide auf einem Mauervorsprung draussen auf der Terasse sitzend miteinander abstürzten.
„Das-“ Jemand schrie auf und etwas stürzte sich aus der offen stehenden Terassentür, oder wurde gestürzt. Es kam im kühlen nassen Gras des kurzen Rasens auf. Dieses Etwas lag höchstens einen halben Meter von uns beiden entfernt.
„Das ist noch nicht vorbei.“ sagte es, entpuppte sich dabei als irgendein Typ, der nicht besonders aussah, dennoch die Blicke auf sich zog „Da wird noch etwas geschehen.“ Aus der Sache mit mir und Janine wurde nichts, wegen eben dieser gleichgültigen Lähmung. Es war der übliche Scheiß, der durch den Einheitsbrei schnitt, aber Scheiße hin, Scheiße her, diese Sache war in meinem Kopf, die ich nicht bestimmen konnte, die aber trotzdem mich bestimmte wie nichts anderes heute Abend. Ich wußte nicht was es war, aber ich wurde es nicht mehr los, ich konnte nicht dahinter kommen. Es verlor sich in dem lauwarmen zähen Stoff aus dem im nachhinein nichts wurde, selbst hier nicht.

 

Hallo Will!

Hm, ich weiß nicht wirklich, was ich von deiner Geschichte halten soll.
Der Stil ist mir einerseits zu umgangssprachlich, andererseits sind ganz schöne Sätze und Passagen drin. Diese zum Beispiel

Etwas, dass man schon einen Regen hätte nennen können nieselte aus den schwarzen Weiten über uns, als wir aus dem versifften Linienbus stiegen. Etwas, dass man eine Nacht nennen konnte starrte wie wahnsinnig auf uns hinab, aber ich merkte es nicht einmal, jetzt stand ich auf der Sonnenseite des Lebens.
hat mir gefallen. Es sind allerdings viele Rechtschreibfehler vorhanden, das solltest du kontrollieren.

Zum Inhalt:
Eigentlich ganz interessant, aber was willst du jetzt damit sagen? Es wird einfach nicht klar, was du mit "gleichgültiger Lähmung" meinst - sprich, die Aussage kommt nicht rüber. Könntest du mich mal aufklären?

Mfg
xka

 

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