Die zweite Nacht
Nur wenig erhellt das Licht der Lampe unser Hotelzimmer. Nackt steht sie draußen auf der Terrasse. Ich erkenne nur die Umrisse ihres Köpers, das Halbdunkel betont ihre sinnlichen Formen noch mehr. Entspannt wirkt sie dort, raucht. Ihre Lässigkeit erregt mich. Langsam stehe ich auf, öffne die Tür und gehe zu ihr in die Kälte. Umarme sie von hinten. Haut an Haut. Spüre sie.
Sie lässt mich an ihrer Zigarette ziehen. Schaut mich nicht an, sondern blickt verträumt auf die hell erleuchteten Gebäude der Stadt. Wir verweilen so einige Minuten, reden nicht, genießen die Vertrautheit, die allein solche Stille angenehm sein lässt.
Dabei kennen wir uns eigentlich erst ein paar Wochen. Zumindest richtig. Nicht nur als Studentin und Dozent wie zuvor, sondern als Flirt, Paar oder Verhältnis. Wie immer man es nennen will. Aber unsere Seelenverwandtschaft, wie wir es nennen, brachte die Geborgenheit schneller als den Sex. Dazu wird es erst heute kommen - in unserer zweiten gemeinsamen Nacht.
Sie zittert. „Gehen wir rein“, sage ich. Auf Viva dröhnt laute Musik. Sie legt sich aufs Bett. So sehe ich sie heute zum ersten Mal. Ihre Lippen sind voll. Ihr Körper wie gemalt. Ihre Haut ist weiß, zart, jung. Das Haar blond, lang und wild. Ihre Brüste sind fest, ihr Hintern ein Traum, ihre Bewegungen reine Erotik.
Mit zwei Fingern umfasse ich ihre Brustwarze, drehe sie erst leicht, dann mit mehr Kraft. Sie stöhnt nicht auf, wehrt auch nicht ab. Streichele sanft mit der Handfläche über die andere, merke wie auch diese sich langsam erregt. Hinab zu ihrem Bauch, über das Piercing, weiter zu ihrem nackten, rasierten Schoß.
Mein Mund folgt dem Weg der Finger. Ich schmecke sie zum ersten Mal, meine Zunge gleitet über ihren Körper. Erst langsam hinab, dann die Innenseiten ihrer Oberschenkel hinauf, über ihre Schamlippen, ihre Erregung suchend. Sie bäumt sich leicht auf. Lecke ihren Kitzler, meine Bewegung wird fester. Mein Kopf in ihrem Schoß. Dann lacht sie.
„Es kitzelt.“
Ich halte inne, schaue zu ihr hinauf: „Was macht es?“
„Es kitzelt.“
Lege mich wieder neben sie, blicke sie fragend an.
„Das kitzelt?“
„Nicht immer aber manchmal“
„Jetzt weiß ich endlich, woher der Name kommt“, sage ich lachend. Man lernt offensichtlich immer dazu.
Wir suchen Nähe, vertreiben den Moment. Rauchen eine Zigarette. Sprechen nicht, schauen Viva. Sie liegt in meinem Arm. Ich streichle sanft über ihr Haar, ihre Wange. Sie legt ihre Hand leicht auf mein Bein. Wir trinken einen Schluck Prosecco. Es prickelt.
Mein Mund sucht sie wieder. Wir küssen uns sanft. Ihre Hand fährt hinab. Streichelt meine Schenkel, meinen Bauch. Erst vorsichtig, dann etwas fester. Beobachte sie und mich. Richte mich auf, drehe ihren Körper, so dass sie auf dem Bauch mit ihren Beinen zu mir liegt. Dringe mit zwei Fingern tief in sie ein.
Sie greift nach hinten, sucht meine Erregung. Will mich ganz spüren. Sie nimmt ihn fester, ich bewege meine Finger in ihr. Sehe sie vor mir, so wie gedacht, gewünscht und erträumt. Ein fantastisches Bild. Männerphantasien. Daran denke ich. Zuviel gedacht. Zuviel beobachtet. Ich bin erregt, er nicht. Nicht wirklich gefühlt, nicht fallen gelassen. Die Bewegungen werden wieder ruhiger. Wir lassen voneinander ab, nicht sofort, aber wir fühlen es beide.
„Er ist sehr sensibel“, sage ich.
„Er? Sensibel?“
„Ja, sehr sensibel.“
„Habe Dich sehr lieb“, sagt sie.
„Und ich Dich, Süße.“
Wieder so ein Augenblick. Kein falsches Gefühl. Geborgenheit, Seelenverwandtschaft. Keine Eile. Wir reden über dies und das. Plaudern, lachen und rauchen. Sie geht ins Bad, ich schaue ihr nach, genieße den Anblick, noch mehr ihren Gang, als ihren Körper. Liege allein auf dem Bett. Sehe Szenen des Abends vor mir, wie sie die ersten intensiven Berührungen hinauszögerte. Das Hotel erkunden wollte, die Terrasse und die Bar. Vielleicht noch etwas essen – vorher. Kein Problem, wir hatten ja Zeit.
Dann ist sie wieder da. Sie zappt. Sehr schnell. Viele Programme, kurze Bilder und laute Töne fliegen vorbei. Dann doch wieder Viva. Noch etwas Prosecco, die ein oder andere Zigarette. Unser kleines Ritual: wenn ich ihr eine hinhalte und sie die Zigarette mit den Zähnen in den Mund nimmt. Ich gebe ihr Feuer. Sie zieht. Viele ruhige Stunden hatten wir bisher nicht, denke ich dabei. Heute endlich. Unsere zweite Nacht. Auch bei ihr spüre ich die Entspannung, wie vertraut sie sich mir fühlt. Wie nah wir uns sind. Unsere kleine Welt nennen wir das.
Ich küsse sie wieder, fester als zuvor, verbeiße mich in ihre Lippen, spüre, wie sich ihre Zunge gegen meine behauptet. Meine Arme halten sie, auch fest. Harte Berührungen. Es gefällt uns. Ich hatte sie so nicht erwartet. Auch sie beißt mich. Ja, so ist es gut.
Langsam fährt sie mit ihrer Hand über meinen Oberschenkel. Kleine Härchen stellen sich auf. Sie ergreift ihn fest, massiert ihn. Nicht leicht, nicht sanft. Erregend. Streicht mit der anderen Hand über meine Brust, meinen Bauch. Weiter massiert sie ihn. Fest und prall ruht er in ihrer Hand. „Ich möchte Deine Lippen spüren“, sage ich leise. Kein Wort von ihr, sie beugt sich langsam nach vorn, ihre Lippen umschließen ihn, umschließen mich. Ganz und gar.
Ich schließe die Augen. Fühle mich, als erlebte ich diese Situation zum ersten Mal in meinem Leben. Ihr vollständig ausgeliefert, wehrlos, genießend. Was tut sie? Öffne die Augen, sehe sie vor mir, wie sich ihr Kopf auf und ab bewegt, ihre Lippen fest um meinen Schwanz geschlossen. So unglaublich gut, kann ich nur denken.
„Setz dich auf mich.“
„Was?“
„Setz dich auf mich.“
Dann spüre ich ihre Bewegungen auf mir. Langsam dringe ich in sie ein, nein, nimmt sie mich. Reitet ihn und mich. Blicke zu ihr auf. Fange den Moment. Zuerst unendlich viele Gefühle, dann bleibt schließlich nur eines, weichen Geborgenheit, Vertrautheit, weicht alles der Erregung. Vergessen zu beobachten, vergessen zu denken, nur noch sie auf mir. Ihr Rhythmus wird schneller, ihr Körper schwer auf meinem, ganz in ihrem Besitz. Spüre ihr Atmen, rieche sie und schmecke sie.
Dann langsam beginnt es. Sie verstärkt ihre Bewegung, wird fester, härter, energischer. Mein Becken sucht ihren Takt, stemmt sich ihr entgegen, vergrößert ihre Kraft. Bitte mach weiter. Spüre sie so zum ersten Mal, erlebe sie, wie sie ist, wenn sie alles fallen lässt, was sonst wie ein Schleier auf ihr liegt. Spüre wie sie erzittert, aber nicht nachlässt. Im nächsten Moment spüre ich nur noch mich. Sie bleibt still, ich werde sehr laut.
30 Sekunden. Dann Stille. Entspannung.
„Wo ist es hin?“ fragt sie.
„Wo ist was?“ Gleichzeitig denke ich „bitte nicht“.
„Ist es auf dem Bauch“, fragt sie und weiß es besser.
Sie geht ins Bad, ich nehme die obligatorische Zigarette. Zwei Gedanken: So schön. Bitte lass mich was falsches Denken. Schön überwiegt.
Trotzdem die Frage als sie wiederkommt: „Du nimmst keine Pille?“ Und weiß die Antwort doch schon.
„Nein, im Moment nicht. Ich weiß, ich hätte etwas sagen sollen“
„Und ich hätte fragen müssen.“
Sie kuschelt sich an mich und ich nehme sie in den Arm. Fühle sie anders als zuvor. Erkenne sie mehr. Und sie erkennt wohl mich. Wieder ist sie enger geknüpft, die Seelenverwandtschaft. Auch Sex kann fester verbinden, wenn schon ein Band besteht. Sich ganz fallen zu lassen, sich dem anderen zu übergeben, das ist es, was Gefühlen leben gibt. Und es macht Lust auf mehr.
Eine Stunde später brennt kein Licht mehr in unserem Zimmer. Sie schläft und ich stehe allein auf der Terrasse. Nackt in der Nacht. Rauche und schaue auf die Stadt. Sehe einzelne Lichter in den Häusern, dann wieder Bilder der vergangenen Stunden vor mir. Entspannt ziehe ich an der Zigarette, die Kälte liegt eisig auf meiner Haut, doch ich spüre sie und spüre vor allem mich.