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Die zwei Typen

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02.12.2003
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Die zwei Typen

Hallo!

Wie geht’s? Erinnerst du dich noch an die zwei Typen, von denen ich dir erzählt habe? Den mit dem Telefonbuch und den anderen mit der Hupe. Ich hab jetzt mehr über sie herausgefunden, hier also ein kleiner, zusammenfassender Bericht. Die beiden haben jetzt nämlich ein Stammcafé, und zwar das Krummbuckel an der Lichtenstein-Straße, wo ich auch immer sitze. Stefan, der Kellner, hat mir schon einiges erzählt über sie. Die zwei reden aber mit keinem Menschen, von daher kommt auch einiges aus der Gerüchteküche. Ich erzähl dir einfach mal, was der Stefan bisher so gesehen hat.

Wie gesagt, die zwei sitzen jeden Tag von zwei bis vier Uhr nachmittags im Café an dem Tisch in der hintersten Ecke. Der eine heißt Abraham Zinkbart, aber alle nennen ihn nur Das Örtliche. Das liegt daran, dass er immer ein Telefonbuch mit sich herumträgt. Er schlendert meistens schon gegen halb zwei ins Café. Unter dem einen Arm hat er das Telefonbuch eingeklemmt und in der anderen Hand trägt er immer einen roten Regenschirm. Eigentlich ist Abraham Zinkbart ein handelsüblicher Mensch, den man keinen zweiten Blick schenken würden, wäre da nicht das Telefonbuch und der rote Regenschirm.

Und wäre da nicht seine Beschäftigung, der er von halb zwei bis zwei nachgeht. Sanft schlägt er das Telefonbuch auf, blättert lang mit fahrigem Blick ein paar Seiten entlang, um dann völlig erstaunt auf eine Seite zu blicken. Mit seinem Finger geht er die Namen ab und bleibt dann bei einem Namen stehen. Dann blickt er auf den einen Menschennamen und die dazu gehörige Telefonnummer. Irgendwann lächelt er sanftmütig und abwesend. Doch dann wird Abrahams Blick nach und nach ernst und schließlich wird er traurig, eine erst Träne läuft ihm die Wange hinunter und schließlich beginnt er leise zu schluchzen. Weil er nicht möchte, dass ihn die anderen Gäste im Café weinen sehen, klappt er seinen roten Regenschirm auf und hält ihn schräg vor sein Gesicht.

Gegen zwei Uhr kommt dann sein Freund. Stefan sagt, dass der Typ Johann Postwendend heißt. Johann ist auf dem rechten Auge blind und auf dem linken Ohr taub. Deswegen hält er seinen Kopf immer schräg zu Abraham hin, damit er ihn versteht und schielt dafür mit dem sehenden Auge. Und er schmiert sich immer mit Wick WapoRub ein. Man riecht es, wenn man an den beiden vorbei Richtung Klo geht. Auch an Johann würde man vorbei gehen, ohne ihn zu bemerken, wäre da nicht sein Stirnband und seine silberne Handhupe, die er immer mit sich herumschleppt. Damit ihm seine langen Haare nicht ins Gesicht fallen, trägt er ein weißes Stirnband mit einem grün-blauen Schriftzug „??MiRaKuLöS, oder?“.

Gemeinsam bestellen sie etwas zu trinken und zwar immer Southern Comfort und Kirschbananensaft, die sie abwechselnd trinken. Wenn der eine Southern Comfort trinkt, begnügt sich der andere mit seinem Kiba, denn die nächste Runde ist er ja dann mit dem Southern Comfort dran.

Nach einigen Minuten beginnt Abraham Johann zu erzählen, was er gerade in seinem Telefonbuch gelesen hat. Und immer wenn Johann sich an einer Szene erfreut, grinst er über beide Ohren, schlägt sich mit aller Kraft gegen die Stirn, ruft „zauberhaft, zauberhaft“ und hupt mit seiner Tröte. Das mit dem Hupen hat viele gestört, weswegen die beiden wohl aus unzähligen Cafés schon heraus geworfen wurden. Aber der Wirt von meinem Lieblingscafé hat erkannt, dass die zwei ein Publikumsmagnet sind und hat ihnen deswegen einen Stammplatz gegeben. Seitdem floriert das Geschäft, bis vor einigen Tagen.

Da kam ein Mann mit einem schwarzen Anzug, Sonnenbrille und einem Knopf im Ohr, richtig billig, wie in Matrix. Der hat sich dann zu denen gesetzt und sie für etwa drei Minuten angeguckt. Der Typ hat kein Wort geredet, nur mit den Ohren hat er die ganze Zeit gewackelt. Abraham fing irgendwann an zu weinen und hat seinen Regenschirm immer auf und zu gemacht, Johann verdrehte die ganze Zeit sein eines Auge und versteckte die Hupe hinter seinem Rücken. Dann hat Johann sein Telefonbuch aufgeschlagen und wild auf irgendwelche Namen gezeigt, und gerufen „Ich weiß nichts, wirklich!“ und: „Wir haben dem System doch nicht geschadet!“ Johann hat abwechselnd wild gegrunzt und im Dreivierteltakt gebellt, der Schnodder lief ihm dabei nur so aus der Nase. Aber der Typ mit der Sonnenbrille hat sich überhaupt nicht beeindrucken lassen und hat einfach weiter mit den Ohren gewackelt. Nach ein paar Minuten ist er einfach vom Stuhl aufgestanden und ist gegangen. Die beiden waren völlig fertig mit den Nerven, haben fünf Minuten gewartet, dann ihren Kram zusammengepackt, sind hintereinander aus dem Laden gehüpft wie Kängurus und haben dabei gerufen „Eine Fabel ist´s, erzählt von einem Dummkopf, alles voller Schall und Wahn, das nichts bedeutet…“. Seitdem sind Abraham und Johann nicht mehr ins Café gekommen. Keiner hat sie seitdem noch einmal gesehen.

Ich sag dir, irgendwas ist faul an der Realität wie wir sie erleben. Ich recherchiere jetzt erstmal weiter… Machs gut, ich meld mich, wenn’s Neuigkeiten gibt. Gruß Benjaminus

 

Hallo Benjaminus,

der letzte Absatz in Deiner Geschichte spricht das aus, was mir beim Lesen gefehlt hat - ausreichende Recherche. Ich bin wirklich neugierig geworden auf "die zwei Typen" und was der seltsame Dritte von ihnen will. Aber Du läßt Deine Leser so sehr im Unklaren, daß zumindest ich für meinen Teil enttäuscht war. Die Geschichte endet wie ein Kapitel in einem Roman, wo es mich auch nicht gestört hätte, weil so die Spannung steigt. Für eine Kurzgeschichte ist es aber zu dünn, auch wenn das klassische Merkmal offene Enden sind. Hier kann der Leser den Faden nicht weiterspinnen, sondern bleibt verwirrt zurück.
Versuche es doch mal mit einer Fortsetzung.

Gruß von chianello

 

Moin Benjaminus,

Also, mir hat deine Geschichte ganz gut gefallen. Wirklich lustig war sie zwar nicht, aber du hast die beiden Typen ziemlich skurril beschrieben.
Nicht so toll fand ich die Idee, die ganze Handlung als Brief (bzw Nacherzählung) wiederzugeben. Wenn du den ersten Absatz weglassen würdest, würde der Text mMn direkter wirken. Nur meine Meinung.
Das Ende war für mich nicht im Gegensatz zu meinem Vorredner zu offen. Das offene Ende regt zum Nachdenken an und macht tatsächlich Lust auf mehr (aus dem Text könntest du evtl eine gute Matrix-Parodie machen).

 

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