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Die zwei am Nebentisch

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31.03.2003
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Die zwei am Nebentisch

Es waren zwei Vorarlbergerinnen, die am Nebentisch saßen und sich für ihn zu interessieren schienen. Zwei von diesen Vorarlbergerinnen mit rauchiger Stimme und einem schönen, aber nicht hübschen Gesicht. Mit ihnen hatte sie begonnen, diese verfluchte Nacht. Von da an war alles sonderbar zwischen ihm und Tanja.

Er trank. Er trank Bier, damit Tanja trank, damit, wenn sie aufs Klo ginge, er den beiden irgend ein Zeichen geben konnte. Seine Telephonnummer wollte er ihnen geben, alles weitere würde schon von selbst kommen. Er würde sie heimlich tref-fen, beide. Auf dem Klo schrieb er seinen Namen und seine Nummer auf einen Fahrschein.
Sein Gesicht wies keine groben Unzulänglichkeiten auf, er sah ungewöhnlich lange in den Spiegel. Dann öffnete er die Tür, und dann sah er Tanja, sie ging auch aufs Klo. Dahinter eine der beiden Vorarlbergerinnen, sie ging aufs Klo. Seine Beine wurden weich. Er ging an den Tisch, an dem sie gesessen waren, er und Tanja. Ein Marmortisch, ein kreisrunder Marmortisch. Die Rothaarige starrte ihn an, durch den Rauch, den sie ausblies, so, wie nur Lesben den Rauch ausblasen.

Bei der Nachtbus-Station umarmte ihn Tanja und sagte, dass sie besoffen sei. Sie umarmte ihn und steckte dann ihre Hand in seine Gesäßtasche. Irgendwie war es wie damals, als er nach Hause kam und es ungewiss war, wann, nein, ob ihn die Mutter nach dem Zeugnis fragen würde.
Sein Plan war jetzt: ihre Hand greifen, ihre Hand küssen und irgend etwas sagen, am besten, dass er sie heiraten wollte. Er fühlte, wie ihre Finger sich bewegten, wie ihre Hand aus der Tasche glitt, er meinte das Kratzen der Fahrscheinkante auf sei-ner Hose zu hören, und er konnte sich nicht bewegen. Wie damals, als der Blick seiner Mutter über das Zeugnis flog. Anschließen gab es immer eine Phase der In-differenz, immer. Und dann kam immer das Unvermeidliche.
Völlig unverhältnismäßige Konsequenzen, das sind die Reaktionen von Frauen, dachte er in diesem Augenblick. Insofern sind sie berechenbar, dachte er, während die Sache schon in vollem Lauf war. Er sah die Straßenlichter, Autos. Berechenbar, aber die größte Bedrohung für einen Mann, das sind sie, nicht mehr und nicht we-niger. Diesen Satz formulierte er in Gedanken, während er Tanja irgendwelche Antworten gab. Er hörte sich sagen: „Mein Gott, ich wollte eben ein Spielchen ma-chen, ich wollte mit dir so tun, als würden wir uns gerade kennen lernen, mein Gott!“
Und Tanja sagte: „Ja. Die zwei am Nebentisch. Welche!“
Er sagte: „Was ist mit denen?“
Tanja sah ihn an mit diesem Blick. Er wollte nach seinen Zigaretten greifen. Dann ging Tanja. Er stand da.
Er kannte ihren Gang, sie watschelte ein bisschen. Jetzt ging sie sehr langsam, aber sie watschelte trotzdem.
Er sah sich um. Er stand vor einem Puff. Er hatte Geld dabei. „Schlampe“, sagte er und fühlte, wie sein Schwanz sich aufzurichten versuchte, während er das Puff betrat. Er hörte Puffmusik.
Tanja dachte nach und kam zu dem Schluss, dass sie ihm vielleicht unrecht getan hatte. Sie kehrte um. Sie glaubte ihm. Aber bei der Busstation war niemand. Hatte sie den Bus übersehen? Nein, sie hatte die ganze Zeit, ohne es zu bemerken, die Hoffnung im Kopf, umzukehren und mit ihm nach Hause zu fahren. Nun stand sie da.
Dann ging sie hinein, sie ging ins Puff.
Sie war unter Nutten. Die Nutten kümmerten sich nicht um sie. Der Barkeeper war am Klo oder so. Es war ihr egal. Sie setzte sich in eines der Sofas. Dann kam der Barkeeper vom Klo zurück.
Es war nur ein Zufall, ein ganz dummer Zufall, dass gerade in dem Augenblick die Musik eine Pause hatte, als er seinen Orgasmus hatte. Auch das Nuttengeplap-per war plötzlich verstummt.
Tanjas Blick richtete sich nun genau auf den Aschenbecher. Sie fühlte, dass sie im Zentrum von etwas stand und sich in jede Richtung hätte bewegen können, ihn umbringen und ihm gleichgut noch eine Runde zahlen. Beides, und noch mehr. Al-les erschien ihr möglich in diesem Augenblick, als die Musik aussetzte und sein Stöhner zu hören war. Sein Stöhner und der dreckige, verlogene Nuttenlustschrei. Aus einer dreckigen, kleinen Fickkabine, in der eine dreckige, kleine Matratze lag und darauf eine dreckige kleine Hure mit einer dreckigen kleinen Möse, in der sein dreckiger kleiner Schwanz gerade seine dreckigen, kleinen Samen in ein fremdes Kondom verspritzte.
Der Barkeeper schien die Sache zu riechen und hustete, ehe er sie nach ihren Wünschen fragte, aber er hustete zu spät. Weiß Gott, er hätte schneller schalten können und rechtzeitig husten!
Tanja hob den Blick, so, wie nur sie es konnte. Sie bestellte ein Cola und sagte: „Ich hole meinen Mann vom Training ab“. Die Nutten schwiegen immer noch.

 

Hi!
Eine schräge Geschichte, die du da geschrieben hast. Der letzte Satz gefällt mir am besten.
Es ist wirklich unglaublich, dass sie ins Bordell geht?! Irgendwie ein bisschen zu aufgesetzt...

Liebe Grüsse,
Marana

 

Geschrieben von Marana
Es ist wirklich unglaublich, dass sie ins Bordell geht?! Irgendwie ein bisschen zu aufgesetzt...

ich finde, es war schon gut, so aufgesetzt; aber es ist wahr, dass es ohne das "unglaublich" besser ist. danke, marana.

frank

 

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