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Die Zukunft ist ein Hundehaufen

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14.08.2002
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Die Zukunft ist ein Hundehaufen

Mit letzter Kraft zerrt sich mein Restkörper am Schreibtisch hoch und tippt mit zitternden Händen diese Zeilen in die Tastatur. Ich stinke und habe einen faden Geschmack im Mund. Meine Lunge ist eine Rosine und meine Leber Bier. Ein Nachhall des Knallergeballers dröhnt meinen Kopf in Grund und Boden. Wer dem Wagnis ins Auge blicken sollte, mich zu fragen, ob ich gut ins neue Jahr gestartet sei, der renne, so schnell er kann.

Schon das Bleigießen war die letzte Scheiße. Mit Manuel, Karen und Jochen sitze ich um einen mit Wasser gefüllten Topf und eine Kerze. Reihum verbrennt man sich die Finger beim Bleierhitzen und schlabbert dann das flüssige Metall in den Pott. Die Zukunft, verbleit. Was folgt: Positives in bleierne Pilze, Quallen und Wurzeln reindeuten. Mir ist vom Käsefondue sowieso schon speiübel. Jetzt auch noch diese Idiotenspielchen ertragen…

Ich bin an der Reihe. Karen reicht mir den Blei-Erhitzungslöffel, ich erwärme mein Metallteilchen, schütte das flüssige Blei in den Topf. Plop. Ich gieße einen schäbigen Bleiklumpen. Am ehesten erinnert er noch an einen Hundehaufen. Oder an einen Knödel, auf den man kräftig draufgehauen hat. Weder Rose, noch Feder erkennbar. Manuel schlägt in der Fachliteratur nach. In dem Heftchen, das dem Bleigieß-Set beiliegt, stehen Erklärungen, was Gegossenes für die Zukunft bedeutet. „Schäbiger Bleiklumpen“ wird nicht aufgelistet. Kein Raum also für schöngeistige Interpretationen. Einfach ein fieser Bleiklumpen. Und das soll meine Zukunft sein?

Der Unvernunfts-Alkoholpegel ist schnell erreicht, die ersten Feuerwerkskörper werden sich schon lustig ins Gesicht geworfen. Ich habe mir fest vorgenommen, spätestens wenn feuchtfröhliche Knallfrösche auf die glorreiche Idee kommen sollten, Raketen aus Nasenlöchern starten zu lassen, schleunigst den Heimweg anzutreten.

Es ist bereits kurz vor knapp. Plötzlich schießt mir ein schrecklicher Gedanke durch den Kopf: Was, wenn mehrmals im Jahr Neujahr wäre? Was, wenn der Grottenolm, der festgelegt hat, wann ein Jahr rum ist, Silvesterfetischist gewesen wäre? Was, wenn er gesagt hätte: „Ein Jahr hat vier Wochen“?
Was für ein Stress! Ständig neue Kalender kaufen. Ständig billigen Rotkäppchensekt saufen. Ständig von besoffenen Freunden die Kapuze voll gekotzt kriegen…und ständig Blei gießen.

Als ich den Gedanken zu Ende fasse, grölen Manuel und Karen (Jochen liegt bereits unansprechbar aber grinsend auf dem Sofa) den Countdown herunter. Dann ist das Jahr rum. Ohne auch nur im Ansatz ein „frohes Neues“ zu wünschen kralle ich mir meinen Blei-Hundehaufen und laufe nach Hause.

Mit letzter Kraft zerrt sich mein Restkörper am Schreibtisch hoch und tippt mit zitternden Händen diese Zeilen in die Tastatur. Es ist ein Hilferuf, ein verzweifelter Schrei nach Trost. Ich weiß keinen Ausweg, bin mit meinem Latein am Ende. Meine Zukunft ist ein Hundehaufen.

 

Hmmm... sprachlich gefällt mir das sehr gut! Inhaltlich allerdings finde ich das ein klein wenig zu dünn und erzählerisch irgendwie ... unkonzentriert. Insgesamt lässt mich der Text trotz sprachlicher Eleganz etwas unbefriedigt zurück. Eine klarere Linie, eine etwas sorgfältiger aufgebaute Pointe (im Moment gibt es sowas wie eine Pointe nur sehr verschwommen) und entweder mehr Detailreichtum (dann wäre es halt eine Silvester-Party-Persiflage geworden) oder eine fülligere Thematik (d.h. etwas stärkere Konzentration auf einen bestimmten Kritikpunkt und Auserzählen desselben) hätten der Geschichte gut getan. So ist es mE weder Fisch noch Fleisch.

Gruß,
Horni

(Heute mal wieder Captain Kurzkritik... :schiel: )

 

Also, ich bin auch der MEinung, man könnte das Ganze ruhig noch etwas ausbauen. Im Großen und Ganzen finde ich die Geschichte aber sehr gelungen.

Und noch etwas, was mir gleich auf Anhieb am Ende deiner Geschichte augefallen ist:

Im ersten Satz sowie im letzen Absatz beginnst du mit:

"Mit letzter Kraft zerrt sich mein Restkörper am Schreibtisch hoch und tippt mit zitternden Händen diese Zeilen in die Tastatur."

Es hätte sich angeboten aus dem Ganzen eine Endlosgeschichte zu machen. Also, den letzten Absatz wieder wie den ersten zu schreiben. ISt nur eine spontane Idee....

Naja, das war´s dann erstmal von mir

NAthalie

 

Hallo!

Vielen Dank erstmal an euch alle für Kommentare und Kritiken.

im Moment gibt es sowas wie eine Pointe nur sehr verschwommen
Stimm ich dir zu. Das hab ich mir ehrlich gesagt auch gedacht, als ichs nachm Schreiben nochmal durchgelesen hab. Hab mir dann - scheinbar fälschlicherweise - gedacht, die Pointen (hauptsächlich, wie du schon erwähntest, sprachlicher Art) die so mitten im Text rumschwurbeln, reichen.

Eine klarere Linie
Eigentlich verzichte ich in meinen Texten gerne darauf, springe von hier nach da. Ich assoziiere gerne spontan irgendwelche Sachen aneinander. Wenn das nicht gefällt werde ich mir aber dennoch überlegen, ob das so sinnvoll ist. (Wenns nur mir gefällt, bringts das ja auch nich) Deshalb danke! ;)

Also, ich bin auch der MEinung, man könnte das Ganze ruhig noch etwas ausbauen. Im Großen und Ganzen finde ich die Geschichte aber sehr gelungen.
Vielen Dank. Ich werde deine Anmerkung berücksichtigen, auch in meinen nächsten Texten. (bezüglich Ausbauen).


Morphin schrieb:
(...)Und als er so da oben die Sterne betrachtet, kommen ein paar Hubschrauber und spucken alpine Silvestertouristen auf die Gipfelwächte ...
Ich wollte das Ganze eigentlich möglichst nah an der Realität, trotzdem aber "ironisierend" (oder wie mans halt nennen ma) aufziehn. Damit meine ich die aus der Nase startenden Raketen beispielsweise.

Dazu kommt ein - meiner Meinung nach - prinzipielles Problem. Ich setze mich nicht hin und nehme mir vor: Jetzt schreibe ich eine Satire. Ich schreibe etwas und möchte es dann in das Passendste Forum posten. Das wäre in diesem Falle mE Humor Satire oder Alltag. Da aber ein Alltagsgeschehen (Silvester/Bleigießen) karikiert wird (oder werden sollte), handelt es sich meiner Ansicht nach eher noch um eine Satire. Wohlwissend, das dieser kurze, ganz bewusst etwas konfuse, "unkonzentrierte" Text keine wirkliche Satire im herkömmlichen SInne ist.

Schönen Gruß,. Kaktus.

 

Hallo Kaktus,

also ich fand die Geschichte recht gut. Warum heisst es denn hier ständig die Pointe würde fehlen? Silvester hat keine Pointe. Darum geht es doch, dachte ich, in Deiner Geschichte. Ich frage mich nur warum Dein Protagonist, wenn er doch scheinbar von vornherein ein Silvesterhasser ist, sein Sylvester so klischeemäßig verbringt. Mit Bleigießen, Käsefndue und Silvesterknallern. Reine Selbstzerstörung? Naja wenn er leiden will, soll er leiden.

Kurz noch eine Anmerkung zum Vorschlag von Vanillakiss aus der Geschichte eine Endlosschleife zu machen: WARUM? Warum bloß?

Gruß Häppchen

 

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