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Die Zugfahrt
‘’Edgar, schlaf nicht ein, oder glaubst du etwa, dass sich die Kohle von allein in den Ofen bewegt?’’
‘’Ich mach ja schon. Kein Problem, Bud.’’
Edgar schaufelte weiter Kohle in den Ofen, der die riesige Lok antrieb. Bud, er war der Lokführer, hatte immer an irgendetwas rumzumeckern. Wahrscheinlich gefiel es ihm, Edgar rumzukommandieren.
‘’Dieser dämliche Fettsack,’’ brabbelte er vor sich hin, ’’der wird sich noch wundern, oh ja, das wird er.’’
Edgar war Mitte zwanzig und arbeitete seit zwei Monaten auf dieser Lok. Aber das war nur ein vorübergehender Job, denn er war zu Höherem bestimmt, da war er sich sicher. Er musste nur auf seine Chance warten und die würde kommen.
Sie waren unterwegs von Pittsburgh nach Cleveland, mit etwa dreihundert Gästen an Bord.
Es lief alles normal, sie fuhren mal wieder auf einen Tunnel zu, wie Bud nach hinten rief.
Sie waren noch etwa hundert Meter vom Tunneleingang entfernt, als aus dem Nichts plötzlich eine Feuerwand direkt davor auftauchte. Bud hatte gerade auf die Anzeigen geblickt und fuhr erschrocken hoch.
‘’Verdammt noch mal, wo kommt die denn jetzt her?’’ rief er und zog die Bremse.
Sie reagierte nicht.
Edgar stand schon neben ihm.
‘’Was ist denn los?’’
‘’Guck doch nach vorne,’’ sagte er während er auf die Bremse drückte,
‘’Um Gottes Willen, Bud, brems doch, zieh doch endlich die Bremse!’’
‘’Was glaubst du, was ich hier tue? Spinnen zertreten?’’
Dieser Sarkasmus war typisch für Bud, wenn er unter Stress stand.
‘’Die Bremse reagiert nicht, verdammte Scheiße.’’
Seltsamerweise hatte Edgar keine Angst vor der Feuerwand, im Gegenteil er spürte, dass hier etwas seltsames vor sich ging und er wollte wissen was. Und er wusste, dass die Antwort im Tunnel lag.
Unaufhaltsam rasten sie auf die Feuerwand zu und noch bevor noch einer etwas sagen konnte, waren sie hindurch.
Aber sie fuhren nicht in den Tunnel, sondern es fühlte sich an, als ob der ganze Zug schweben würde. Eine unheimliche Ruhe umfing sie. Es war, als ob sie in einer großen Nebelwolke hingen. In einer düsteren grauen Nebelwolke.
Unruhe breitete sich in den Abteils aus, wie Edgar feststellte, als er aus dem Fenster nach hinten blickte. Ein hagerer Mann mit grauen, kurzen Haaren streckte seinen Kopf ebenfalls aus dem Fenster, ’’Was ist denn los? Wo sind wir denn?’’
‘’Keine Sorge, Sir. Es geht gleich weiter,’’ erwiderte Edgar. Und zu sich selbst mit einem teuflischen Grinsen, ’’Es geht gleich weiter.’’
Denn er spürte, dass hier etwas im Anmarsch war, dass hier etwas mit ihnen geschehen würde, mit ihnen allen. Und er freute sich, weil er wusste, dass er nun eine Aufgabe bekommen würde, die seiner gerecht wurde.
‘’Ihr werdet die Vorhut sein,’’ dröhnte es von allen Seiten.
‘’Ich bin Aka Manah und ihr seid auserkoren, mir zu dienen.’’
Während dieser Worte schlugen plötzlich dunkle Schatten von allen Seiten auf die Lok zu und hüllten diese ein. Sie hüllten nicht nur die Lok ein, sondern auch die Menschen darin. Es waren panische, angsterfüllte Schreie, die an Edgar’s Ohren drangen. Aucht Bud neben ihm schrie wie am Spieß, sein Gesicht war zu einer Fratze verzerrt, als der Schatten ihn umschlang und einhüllte. Nur er selbst schrie nicht, er kicherte bösartig. Das letzte, was er von Bud mitbekam, war ein schmatzender, röchelnder Laut, dann stand neben ihm nur noch ein schwarzer Schatten mit den Konturen Bud’s. Dann wurde auch er komplett eingehüllt.
Er sah nichts, absolut nichts, es war die tiefste Schwärze die es gab, da war Edgar sich sicher. Aber er spürte, dass der Schatten, der ihn umfangen hielt sich bewegte und nie stillstand. Aber spürte noch etwas anderes. Er spürte, wie die Wärme aus ihm verschwand und durch Kälte ersetzt wurde. Liebe, Mitgefühl und alle anderen guten Gefühle wurden aus ihm entfernt und durch Boshaftigkeit und Haß ersetzt.
‘’Ihr seid nun meine Diener, ich befehle euch: geht hinaus in die Welt und bereitet sie vor. Es dauert nicht mehr lange, dann werde ich auf eure Welt zurückkehren und alle Menschen unterjochen. Ich werde der Herrscher sein!’’
‘’Geht nun und führt eure Befehle aus, Geht!’’
‘’Ja, Aka Manah, wir gehorchen,’’ schallte es monoton im Chor.
Im nächsten Augenblick waren die Schatten verschwunden, ebenso wie die Nebelwolke und sie fuhren weiter Richtung Cleveland, als ob nie etwas passiert war.
Edgar warf einen Blick auf Bud. Er erwiderte seinen Blick und nickte ihm zu.
‘’Aka Manah wird kommen,’’ sagten sie gemeinsam.
‘’Aka Manah!’’