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Die Zuflucht

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13.12.2015
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Die Zuflucht

Leise trällert das Klavier im Hintergrund, ein „Klavier“, hat mir meine Mutter beigebracht, die Menschen von früher scheinen auf diesen seltsamen, kastenförmigen Dingern mal Musik gemacht zu haben.
Ich weiß nicht genau, was ich davon halten soll, es klingt irgendwie, gewöhnungsbedürftig.
Ich kann den Klang nicht genau zuordnen, er strömt in meine Ohren, jede Note drängt sich herein, jeder Tastendruck, ja, ein Klavier besitzt Tasten, erzeugt einen Klang, je weiter rechts die Taste liegt, desto höher scheint der Ton zu sein.
Ich weiß nicht warum, aber irgendwie faszinieren mich die Klänge, sie sind so, so geschlossen in sich, so vollkommen.
Schaue ich aus dem Fenster vor mir, so sehe ich den Wandel, ich sehe die Welt an mir vorbeirauschen, ich sehe die Menschen, sie sind die Wesen, die sich am stärksten verändern, aber trotzdem gleich bleiben.

Meine Mutter meinte, dass unsere Vorfahren auf „der Erde“ gelebt haben, irgendein Planet im ersten Sektor, von hunderten von Jahren zerstört, natürlich von Menschenhand!
Erstaunlich, dass dort alles begann, die Menschheitsgeschichte hat sich über die Jahrtausende dort abgespielt, die Menschen sind dort entstanden, alles hat dort begonnen, für viele endete es auch wieder dort, aber die Geschichte der Menschen sollte anscheinend nicht dort enden.
Es soll dort ein richtiges Leben möglich gewesen sein, fast so, wie wir es heute tun, nur ohne den ganzen technischen Fortschritt, zumindest für eine lange Zeit.
Sie haben wohl irgendwann angefangen mit Technologien herum zu experimentieren, aber genaueres weiß ich nicht.
Ich weiß nur, dass sie Klaviere hatten, so eins wie das vor mir, wenn sie solche Dinger bauen konnten, dann müssen sie auf zu mehr im Stande gewesen sein.
Warum haben sie sich in den Untergang geführt, Kreaturen, die solche wundervollen Dinge schaffen können, können nicht so zerstörerisch sein, das passt einfach nicht zusammen!
Aber es muss so sein, sonst wäre ich jetzt nicht hier, sonst könnte ich nicht hier sitzen und zuschauen, wie wir leben, wie wir fühlen, wie wir vergessen.
Eine Träne bahnt sich ihren Weg über meine Wangen hinunter auf mein weißes T-Shirt, eine zweite folgt ihr.
Auf dir Frage, was uns von ihnen unterscheidet fällt mir keine Antwort ein, auf die Frage, was uns ausmacht aber schon.
Unsere Gesellschaft ist verkommen, sie merken es nicht, aber sie wissen es, wir wandern von Planet zu Planet, nur um unsere Gelüste zu stillen, wir beuten sie aus, ohne den Blick von ihnen abzuwenden, und irgendwo inmitten dieses Vorgangs stehe ich, in Erinnerung an das, was längst vergangen ist.

Wir hätten, wie die Menschen auf der Erde, schon längst aussterben müssen!
Wir sind nicht dafür geschaffen zu leben, aber wir haben uns dem natürlichen Lauf einfach entzogen, haben uns selbstständig gemacht.
Wir sind zu viele, eine Rasse die mehr als ein Sonnensystem bevölkert?
Aber wer soll uns stoppen, wer hat überhaupt die stärke uns aufzuhalten?

Eine dritte Träne kullert mein Gesicht herunter.
Sie zieht eine nasse Spur salzigen Wassers hinter sich her und landet auf meine Lippe, wo sie von meiner trockenen Zunge dankbar aufgenommen wird.
Ich stehe auf, schließlich kann ich nicht den ganzen Tag hier verbringen und mir Gedanken über das Unvermeidliche machen.
In der Küche mache ich mir einen Kaffee, damit ich nicht vollkommen verausgabt losgehen muss, die Nacht, wenn man es überhaupt so nennen darf, war ziemlich kurz, ich konnte nicht viel schlafen.
Hier auf Tectum sind die Nächte nicht lang, der Planet braucht für eine Umdrehung 16 Stunden, unsere Tage haben also nur 16 Stunden, da ist es nichts Außergewöhnliches, wenn man mal lange arbeitet und wenig schläft, und schon gar nicht hat man Zeit, um sich mit den Instrumenten unserer Vorfahren zu beschäftigen!
Ich bin Schmeißer, tagein tagaus kümmere ich mich darum, unseren Schrott zu entfernen, ich glaube bei den Erdbewohnern hieß dieser Beruf „Müllabfuhr“.
Sie hatten wohl riesige Autos und sind durch die bewohnten Teile der Länder gefahren um dann den Müll einzusammeln und letztendlich zu verbrennen.
Ich wundere mich, wie es sein kann, dass sie all ihren Müll auf der Erde sammeln konnten, haben sie denn so wenig verbraucht?
Wir Schmeißer haben einen ziemlich anspruchsvollen Job, wir müssen den Müll kompakt in riesige Container verpacken und diese dann mit Raketen in einen toten Sektor schießen.
Nicht sehr elegant, ich weiß, aber es gibt einfach keine andere Möglichkeit, außerdem sind die alten Sektor ehe schon tot, da macht ein bisschen menschlicher Abfall (schon wieder) auch keinen Unterschied mehr.
So gehe ich jeden Tag zur Arbeit, mit immer derselben Routine, meine Kollegen und ich suchen uns einen geeigneten Platz (gerade beschießen wir Sektor 3), wenn es geht einen, in dem es noch einen funktionsfähigen Stern gibt, damit der Müll dann zerstört werden kann, um Platz zu sparen, berechnen, wieviel Treibstoff die Raketen brauchen, um den Sektor zu erreichen und schauen, wann und wo wir die Raketen losschicken können.
Und wir sind nur ein paar von vielen Schmeißern!
Überall verteilt auf Tectum gibt es Schmeißer, wir sprechen uns nicht wirklich miteinander ab, wir schießen den Müll einfach dahin, wo Platz ist.
Das ist mein Beruf, ich bin ein Schmeißer….was mache ich eigentlich hier?
Ich kümmere mich einfach um den Abfall anderer Menschen, ich habe noch nie gemerkt, wie bedeutungslos meine Existenz eigentlich ist, Tag für Tag stehe ich auf, kümmere mich um die Scheiße anderer Leute und gehe wieder schlafen?!
Warum?
Warum mache ich das, warum fällt mir das erst jetzt ein?

Ich möchte doch eigentlich gar nichts, bin doch eigentlich gar nicht glücklich, ich tue einfach, weil ich soll, aber soll denn sonst noch?
Ist es eine Möglichkeit, ist es eine Chance, ist es ein Dasein, oder nur ein Existieren?

Ich weiß nicht, was ich tun soll, all die Jahre friste ich einfach, im Halbwissen, mein Dasein, lebe vor mir hin und denke gar nicht an das, was einmal möglich war, vielleicht gibt es auch einfach gar nichts, was ich tun könnte.
Ich bin ein alter Mann, mein Leben ist gelebt, meine Augen sind schwach, mein Gehör noch schwächer, mein Fühlen aber war nie stärker.
Ich bin ein alter Mann, den die Musik einer längst vergangenen Zeit noch immer bewegt.
So sind es die Töne, die harmonischen, in mein Ohr einfließenden Töne, die mein altes Dasein infrage stellen, die mein Feuer vielleicht noch einmal entfachen.
Bei meiner Mutter hat es längst nicht mehr gereicht, das Alter hat sie vor vielen Jahren eingeholt, sie konnte nicht mehr flüchten, aber sie hat immer versucht meinen Funken noch einmal zu einem lodernden Feuer zu machen, ihr Glaube ist niemals erloschen.
Danke!

 

Hallo keyken,

Glückwunsch zu deiner ersten Veröffentlichung bei den Wortkriegern! Ich finde das Thema und das ganze Setting deines Textes sehr interessant und habe ihn gerne gelesen. Auch dass dein Prot sein Tun hinterfragt und durch die Musik noch immer Leben in sich spürt finde ich gut.

Dein Prot erzählt viel, was er macht. Vielleicht könnte man das mehr zeigen. Als er zum Beispiel beschreibt, was ein Schmeißer macht, könnte man ihn auch einfach einen Teil seines Tages durchleben lassen. Dem Leser wird dann schon deutlich, welchen Beruf er hat. Das ist nur so ein Denkanstoß, ich bin mir nicht sicher, ob es funktioniert, aber vielleicht würde der Text dadurch lebendiger werden. Wenn du willst, probier´ es aus, wenn nicht, ignoriere es.

Bei der Rechtschreibung sind mir ein paar Kleinigkeiten aufgefallen.

...dann müssen sie auch zu mehr im Stande gewesen sein.
...Auf die Frage...
...wer hat überhaupt die Stärke uns aufzuhalten?
...und landet auf meiner Lippe,...
...außerdem sind die alten Sektoren...

Aber das sind nur Kleinigkeiten, die sich ja schnell ausbessern lassen.

Viel Spaß weiterhin,
Sebastian

 

Hallo keyken,

auch von mir ein herzliches Wollkommen hier in der offenen Schreibwerkstatt.
Ich hoffe Du kannst hier eine Menge für Dich mitnehmen und hast Spass hier.

Zum Text:
Der erste Satz ist ja in einer Geschichte (einem Buch) immer etwas besonderes. Er zieht den Leser an, oder stößt ihn ab.

Leise trällert das Klavier im Hintergrund, ein „Klavier“, hat mir meine Mutter beigebracht, die Menschen von früher scheinen auf diesen seltsamen, kastenförmigen Dingern mal Musik gemacht zu haben.
Inhaltlich machst Du hier viel richtig. Du nimmst einen allgemein bekannten Gegenstand und lässt den Protagonisten "raten" was das ist. Das macht Neugirig. Da will man als Leser mehr.
Sprachlich dagegen will man als Leser gleich weit weg von Deinem Text. Lies Dir den Satz bitte mal laut vor. Mit dem Trick bekommst Du sprachliche Fallen leicht selbst aufgedeckt. Falls es Dir trotzdem nicht auffällt, was ist kaputt? Der Nebensatz "hat mir meine Mutter beigebracht," suggeriert, dass da jetzt eine Erklärung kommt, was ein Klavier ist. Doch die Grammatik der Erklärung "die Menschen von früher scheinen auf diesen seltsamen, kastenförmigen Dingern mal Musik gemacht zu haben." steht wörtlich als eigenständiger Satz da und führt den Satzanfang "ein "Klavier"" nicht weiter. Wobei das wiederum auch kein Satzanfang ist, da davor ein Komma steht. Insgesammt ist der Einstiegssatz schwer zu lesen, und das bedeutet man muss zu lange nachdenken, um zu verstehen, was du eigentlich sagen willst. Und wenn der Einstiegssatz schon so stolpert, mag man gar nicht weiterlesen.

ich hab aber trotzdem weitergelesen :)
Ein paar Sachen sind mir aufgefallen:

Wer spielt eigentlich das Klavier, wenn eigentlich keiner weiss wie das geht? (mal ganz abgesehen von der Frage wie das Klavier zu ihm gekommen ist)

...ein bisschen menschlicher Abfall...
Ist das Wortspiel gewollt? Bei "menschlicher Abfall" muss ich eher an Leichenteile denken. Aber Du meinst hier vielleicht eher den Abfall von Menschen, oder?

Ich kümmere mich einfach um den Abfall anderer Menschen, ich habe noch nie gemerkt, wie bedeutungslos meine Existenz eigentlich ist, ...
Schade, dass Du den Gedanken nicht weiter führst. Du wirfst die Fragen auf - ok. Zum einen ist aber das entsorgen des Mülls existenswichtig, sonst müssten die Menschen da ja gleich wieder weiterziehen. Also geht es bei der Bedeutung nicht um das Tun, sonder um das Sein. Was für ein Leben hätte denn Bedeutung? Oder ist das etwas, was der LEser für sich selbst entscheiden sollte?
^^Meine Frage hier an Dich ist eher so zu verstehen, ob du das mit deinem Text so haben wolltest. Und die Beantwortung meiner Frage sollte für Dich wichtiger sein, als für mich ;)

Ich habe noch ein paar mehr Sprachliche Schnitzerm die ich unschön finde:

..., aber soll denn sonst noch?
Hä? Für mich fehlt da noch ein Verb.

Wir sind zu viele, eine Rasse die mehr als ein Sonnensystem bevölkert?
Warum ist das eine Frage?

Ist es eine Möglichkeit, ist es eine Chance, ist es ein Dasein, oder nur ein Existieren?
Du wirfst hier mit philosophischen Wörtern um Dich, ohne zu erklären, wie du (oder Dein Protagonist) sie verstehen. Aber von vorn: "ist es" - was ist "es"? Es fehlt mir Sprachlich in den Sätzen davor der Bezug, was mit "es" gemeint ist. Ich nehme an, Du meinst "das Leben" - dann schreib das doch :)
Zu den Begriffen fehlt mir auch einiges: Eine Möglichkeit Wozu? Eine Chance Wozu? Was ist dabei der Unterschied zwischen Möglichkeit und Chance? Und was ist der Unterschied zwischen "Dasein" und "Existieren"?

Wie auch Sebastian geschrieben hat, finde ich Deine Grundidee gut. Für mich fehlt aber noch einiges, um den Text gut zu finden. Wenn Du philosophisch werden wolltest, geht es mir nicht tief genug,bzw. benutzt Du nur ausgelutschte "Bilder" (z.B. das innere Feuer), ohne diese Bilder weiter auszuführen, was Dein Prot darunter versteht. Und für ScineFiction fehlt mir zu viel Story, bzw. schlüssiger Hintergrund. Diese Überlegungen (von dem Klavier mal abgesehen) könnte auch einer von der Müllabfuhr in Berlin haben.

Lass Dich nicht entmutigen! Ich hoffe meine Anmerkungen helfen Dir besser zu werden!

Gruß
pantoholli

 
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Vielen Dank!
Im Gegenteil, deine Rückmeldung entmutigt mich nicht, sie macht mich ehrgeizig, es ist eben nicht so einfach eine wirklich schöne Geschichte mit vielen Rundungen auf die Beine zu stellen, das erfordert Übung!
Ohne konstruktive Kritik wie diese hier, würde ich beim Üben nicht wirklich weiterkommen, von daher bedanke ich mich noch einmal herzlich bei dir.

Dann mache ich mich mal gleich an den nächsten Text! :)

Viele Dank, du sprichst tatsächlich etwas an, an das ich ziemlich lange gedacht habe, den Tagesablauf eines Schmeißers.
Leider war die Idee von diesem speziellen Beruf ziemlich spontan und der Fokus sollte nicht all zu stark von der Musik abweichen, aber ein Versuch wäre es auf jeden Fall wert gewesen!

Nochmals, vielen Dank! :)

 

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