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Die Zeugin

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04.09.2002
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Die Zeugin

Vorbemerkung:
Martina ist Bänkerin
Anne ist Jungpolizistin
Spatz ist Lebenskünstlerin
Sie sind Freundinnen.
Kennengelernt haben sie sich über einen Internet-Chat. Seitdem meistern sie gemeinsam die schwierigsten Situationen. Da sie ab und zu Hilfe von Annes Kollegen Benzmann brauchen, nennt man sie auch: BENZMANNS AMAZONEN

1.
Fritz Bäuler sah genauso aus, wie man sich jemanden vorstellte, der im organisierten Verbrechen zu Wohlstand gekommen war. Er stand vor seiner luxuriösen Hausbar und goß viel Whisky in ein Glas. Dann öffnete er ein unbeschriftetes Papiertütchen und schüttete weißes Pulver in den Wisky. Das Ganze rührte er mit dem Finger um.
„Wartet auf mich“, sagte er, als er an drei Männern vorbeiging.
Einer der Männer war geknebelt und an einen Stuhl gefesselt. Er hatte angstgeweitete Augen. Die beiden anderen Männer standen links und rechts von ihm. Sie trugen Handschuhe und beobachteten ihn mit kaltem, verächtlichem Blick.
Der Gefangene zuckte zusammen, als er eine Tür ins Schloß fallen hörte.

2.
„Da bin ich wieder“, sagte Fritz Bäuler, als er die Tür zum Schlafzimmer hinter sich ins Schloß warf.
„Haben wir noch Besuch gekriegt?“, fragte seine viel jüngere Freundin Nina, die im Negligé vor dem Spiegel stand und ihr Haar kämmte.
„Nur zwei alte Kumpel von mir, die mit mir noch eine kleine Runde UNREAL spielen wollen“, sagte er. „Ich mache die mal eben fertig, schmeiße sie raus und komme zu dir. Hier hast du was zu trinken!“
Sie nahm den Whisky.
„Letztesmal habe ich Schmerzenslaute gehört“, sagte sie.
„Das ist das Spiel“, sagte er. „Trink, das beruhigt!“
Er drehte sich um und ging.
Sie watschelte mit dem Glas in der Hand zum Fenster und öffnete es. Dann zog sie die Jalousien hoch und schüttete den Whisky aus dem Fenster.
Unter sich hörte sie ein Fluchen.

3.
„Nun zu uns“, sagte Fritz Bäuler. Er zog sich Handschuhe an.
„Du hast kein Schutzgeld bezahlt und jetzt wirst du sehen, was einem dann alles zustoßen kann.“
Der Gefangene bäumte sich auf.
„Haltet ihn besser fest!“, rief Bäuler. „Wafür bezahle ich euch!
Und wo ist der Lieferwagen, mit dem wir ihn nacher wegschaffen?“
„Unter dem Balkon“, sagte einer der beiden Helfershelfer.
Er holte mit der rechten Faust aus.

4.
Martina hatte ihre Freundinnen Anne und Spatz in ihr eigenes, komplett ausgestattetes Fitness-Studio eingeladen. Sie und Anne strampelten auf Ergometern, während Spatz mit Händen und Füßen auf einen Sandsack eindrosch.
„Du machst das ganz falsch“, kritisierte Anne.
„Laß sie doch“, sagte Martina. „Ist doch nur Spaß!“
Spatz baute sich vor den beiden auf und stemmte ihre Hände in die Hüften.
„Ihr habt beide Unrecht! Meine Technik ist genial und darum bin ich im Nebenberuf neuerdings Türsteherin!“
„Türsteherin?“, fragte Anne. „Kriegt man da nicht leicht Streit? Sieh dich bloß vor! Du bist noch auf Bewährung!“
„Seit wann gibt es denn weibliche Türsteher“, sagte Martina mit aufkommenden Atemschwierigkeiten.
„Seit es Mädels gibt, die Stunk machen wollen“, sagte Spatz.
„Aha, solche wie dich“, sagte Anne.

5.
Bäuler wischte sich mit den Unterarmen Schweiß von der Stirn. Dabei fiel sein Blick auf die einen Spalt offenstehende Tür.
„Nina!“, brüllte er. „Komm sofort her!“
Ruckartig wurde die Tür geschlossen. Dahinter ertönte Getrappel.
„Schnappt sie euch!“, brüllte Bäuler. „Sie weiß zuviel! Den Rest hier kann ich alleine machen!“
Die beiden Helfershelfer spurteten zur Tür

6.
Anne, Spatz und Martina saßen gemeinsam schwitzend in der Sauna.
„Nicht schlecht, wenn man die Kohle hat, sich eine eigene Sauna zu bauen“, sagte Spatz.
„Trotzdem schwitzt sie genauso wie wir“, sagte Anne.
Spatz warf Martina eine langen, prüfenden Blick zu.
„Jo“, sagte Spatz, „ist wahr. Früher dachte ich, sie würde Geld ausschwitzen...“
„Ganz im Gegenteil“, sagte Martina, „ich muß oft schwitzen, wenn ich mein Geld verdiene. Aber dann ist es kalter Schweiß.“

7.
Der Raucher stand an den Lieferwagen gelehnt unter dem Balkon. Als er vom Dach des Wagens ein dumpfes Geräusch hörte, sah er sich um.
Nina sprang vom Dach auf die kurze Motorhaube. Der Raucher warf seine Zigarette fort und griff nach seiner Pistole. Ehe er sie ziehen konnte, trat Nina von oben nach ihm und erwischte ihn voll. Er fiel der Länge nach um.
„Das hat mir Spatz beigebracht“, sagte sie, als sie von der Motorhaube sprang.
Nina lief zu dem Bewußtlosen, um sich von seinem Zustand zu überzeugen. Dann öffnete sie die Fahrertür des Wagens, um zu sehen, ob der Schlüssel steckte. Sie seuzte und ging noch einmal zu dem Bewußtlosen. Als sie ihn seinen Taschen nach dem Schlüssel für den Lieferwagen suchte, kam er kichernd wieder zu sich. Sie nahm seine Pistole und schlug ihm den Griff an den Kopf. Sofort wurde er wieder bewußtlos. Dann hörte sie laute Geräusche aus dem Haus. Die beiden Helfershelfer hatten die Tür zum Schlafzimmer aufgebrochen und randalierten auf der Suche nach ihr. Es hörte sich an, als würden sie das Bett umwerfen und die Schranktüren eintreten. Nina stürmte mit dem Autoschlüssel in der einen und der Pistole in der anderen Hand zum Wagen. Sie legte einen Kavalierstart hin. Die beiden Helfershelfer hatten inzwischen ihren Fluchtweg entdeckt und sprangen ebenfalls aus dem Fenster, um auf dem Wagendach zu landen. Nina fuhr aber so flott an, daß die Männer den Wagen verfehlten und hart auf dem Boden landeten.
„Ihr Pfeifen!“, rief Bäuler ihnen durch das offene Fenster nach.

8.
Martina, Anne und Spatz waren inzwischen wieder angezogen und saßen in Ledersesseln vor Vitamin-Drinks.
Spatz erzählte plötzlich: „Ich hatte mal eine Freundin, die hat nie richtig lesen oder schreiben gelernt, aber sie hat noch vor mir mit Männern angefangen. Um gut auszusehen, hat sie sich andauernd aus Katalogen Sachen auf Pump bestellt und nie bezahlt. Vor dem Gerichtsvollzieher hat sie sich immer versteckt. Dann wurde sie wegen Kreditbetrug oder so polizeilich gesucht. Sie geriet an einen Luden, der sie bei sich versteckt und ausgehalten hat. Immer wenn er was von ihr wollte, drohte er ihr mit der Polizei. Dann hat er sie an Fritz Bäuler verkauft.“
„Fritz Bäuler?“, wiederholte Anne staunend. „War das nicht mal ein richtiger Gangsterboß?“
„War?“ Spatz lachte bitter.

9.
Nina wartete mit dem Lieferwagen an einer Ampel und durchsuchte die Fahrerkabine.
„Verdammt“, fluchte sie, „warum habe ich dem Typen nicht auch sein Handy abgenommen! Dann könnte ich Rabe anrufen!“
Schließlich hielt sie eine Telefonkarte hoch.
„Super Beute!“, murmelte sie.
Hinter ihr wurde immer mehr gehupt. Sie versuchte loszufahren, aber nichts passierte. Sie legte sie einen anderen Gang ein und verursachte damit unschöne Geräusche.
„Schönen Gruß vom Getriebe!“, rief jemand hinter ihr.

10.
„Nina sollte sich stellen“, sagte Anne. „Anders kommt sie da nicht raus. Sie muß für ihre Fehler geradestehen, dann wird ihr auch geholfen werden.“
„Du redest wie ein Pfarrer“, sagte Spatz.
„Sie hat aber Recht“, sagte Martina nachdenklich. „Das ist doch kein Leben, praktisch die Sklavin von so einem Mistkerl wie Bäuler zu sein.“
„Du kennst ihn?“, fragten Anne und Spatz fast gleichzeitig.
Martina zuckte mit den Schultern.
„Nur geschäftlich.“ Sie räusperte sich und fügte rasch hinzu: „Beinahe!“
„Beinahe?“, wiederholte Anne.
„Wie- beinahe!“, rief Spatz.
„Tja... „ Martina zuckte erneut mit den Schultern. „Er wollte Kunde meiner Bank werden. Aber ich kann mir die Kunden aussuchen und lebe von meinem guten Ruf. Was er mir erzählte, stank nach Geldwäsche.“
Anne und Spatz starrten sie schweigend an.

11.
Bäuler begutachtete den Ersatz-Lieferwagen.
„Ist das eine häßliche Karre! Unglaublich!“, schimpfte er. „Wehe, ihr holt den anderen Wagen nicht zurück!“
Er sah sich zu seinen drei Helfershelfern um. Sie trugen einen Teppich. Der Mann in der Mitte stolperte und brachte die beiden anderen ebenfalls aus dem Tritt. Sie ließen den Teppich fallen, der sofort ein Stück wegrollte und eine Leiche enthüllte. Es handelte sich um den Mann, den Nina vor ihrer Flucht noch lebend gesehen hatte.
„Ihr Idioten! Maximaldeppen! Telekom-Aktionäre!“, schrie Bäuler.

12.
Nina fluchte und schlug die Hände über dem Kopf zusammen, als sie in der Telefonzelle sah, wie gering das Restguthaben auf der im Auto gefundenen Telefonkarte war.
„Oh nein!“, rief sie. „Ausgerechnet wenn ich Spatz anrufen will, der man immer alles so langatmig erklären muß!“
Erschrocken drehte sie sich um, als hinter ihr ein ungepflegter, bierbäuchiger Endzwanziger die Tür öffnete. Er musterte sie und zwängte sich ebenfalls in die Zelle. Nach wie vor trug Nina nur ihr schwarzes Negligé.
„Hast du eine volle Telefonkarte?“, fragte sie.
„Ich habe etwas, das man in einen Schlitz schieben kann, aber das ist keine Telefonkarte, hähähä...“
Nina griff hinter sich in das Telefonbuch. Dort hatte sie die Waffe versteckt. Mit einer raschen Drehung stieß sie ihm die Mündung in die Bekleidung.
„Hast du nicht vielleicht doch eine Telefonkarte?“
„Äh...“

13.
Spatz sah auf ihre Armbanduhr.
„Oh!“, rief sie, „jetzt muß ich aber los!“
„Wo mußt du denn so spät noch hin?“, fragte Anne.
„Ist das jetzt ein Verhör?“, fragte Spatz.
„Wo mußt du denn so spät noch hin?“, fragte Martina.
„Zur Arbeit“, antwortete Spatz wie aus der Pistole geschossen, „und vorher muß ich mich noch ein bischen umziehen!“
„Ist das etwa ein Nachtclub?“, fragte Anne.
Spatz sah demonstrativ noch einmal auf ihre Armbanduhr und stand schweigend auf.
„Ist das etwa ein Nachtclub?“, fragte Martina.
„Sowas ähnliches“, antwortete Spatz rasch, „jedenfalls ist das HOT HEAVEN keine Teenie-Disco oder sowas. Sonst hätte man nicht mich, sondern eine Kindergärtnerin oder Anne als Türsteherin eingestellt.“
„Denk nochmal darüber nach, ob wir nicht deiner Freundin Nina helfen sollten“, sagte Martina.
„Ja, genau“, sagte Anne.
Spatz zuckte mit den Schultern.
„Vielleicht sehe ich sie ja heute abend. Ihr Macker kommt oft mit ihr zu uns...“
„Ja?“, rief Martina fragend. „Kann ich dann mal mitkommen?“
Spatz überlegte und murmelte schließlich: „Na gut!“
Anne erkundigte sich. „Und ich? Darf ich auch mit?“
Spatz musterte sie abschätzig und sagte: „Also, ob Du bei uns reinkommst, bezweifle ich aber!“
Anne stand auf und legte ihren Arm um Spatz.
„Wieso? Du als Türsteherin kannst das doch entscheiden, oder?“
Spatz stieß Annes Arm fort und fauchte: „Eben darum!“

14.
Nina steckte die Scheine in ihren Pushup-BH und sagte: „Jetzt wirst du noch was für mich tun.“
„Alles was du willst“, sagte er.
„Laß die Hosen runter.“
Er sah sich um.
„Und wenn das Leute sehen, die vorbeikommen?“
„Duck dich, dann fällst du nicht so auf.“
Sie stellte sich in die Tür. Der Fremde begann geduckt seine Hose runterzulassen. Nina hielt sich mit der freien Hand die Nase zu.
„Eigentlich wollte ich deine Klamotten haben, um meine Blöße zu bedecken, aber wer weiß, was für eine Seuche ich mir dann hole!“
Er lächlelte unsicher und fragte: „Dannn kann ich meine Hose anbehalten?“
„Runter damit!“, brüllte sie und richtete die Pistole mit beiden Händen auf ihn. „Alles runter!“
Zitternd zog der Mann sich weiter aus. Als er fertig war, versuchte er sich auf dem Boden der Telefonzelle ganz klein zu machen. Nina beugte sich vor, um seine Sachen zusammen zu raffen. Als er ihm dabei ein tiefer Einblick zuteil wurde, lächelte er kurz.
„Bilde dir bloß nichts ein“, fauchte sie. Dann trat sie einen Schritt zurück, stieß mit der Schulter die Tür auf und warf die Anziehsachen ins Gebüsch.
„Du kannst mich doch hier nicht so zurücklassen!“, jammerte er.
„Doch“, widersprach sie.“So läufst du mir nicht nach!“
„Oh Gott!“, rief er. „Da kommen schon drei Kerle!“
Sie sah sich rasch um. Der von ihr entliehene und in einiger Entfernung zur Telefonzelle abgestellte Transporter wurde von den drei dunkel gekleideten Männern inspiziert, die Bäuler dienten und ihr an diesem Abend alle drei schon eher negativ aufgefallen waren.
„Immer postiv denken!“, rief sie in die Telefonzelle, ehe sie sich mit einem langen Sprung entfernte und quer durch die Büsche zu einer anderen Fahrbahn durchschlug.

15.
Martina und Anne sahen Spatz nach, als die das Haus verließ.
Franziska taxierte Anne und sagte: „Vielleicht habe ich ein paar Sachen, die dir passen könnten.“
„Ich bin so wie ich bin“, sagte Anne.
„Aber auch aus dir kann man was machen“, sagte Martina.
„Was soll das? Ich bin Polizistin!“
Anne verschränkt die Arme vor der Brust und zog die Nase kraus.

16.
Nina ging zur nächsten Telefonzelle. Die Tür stand weit offen. Schon von weitem konnte man erkennen, daß der Münzfernsprecher stark beschädigt war.
„Willst du telefonieren?“, fragte eine fremde Männerstimme von der Seite.
Ein offensichtlich betrunkener Twen schwenkte wie zur Begrüßung einen abgerissenen Telefonhörer in Magenta.
Nina verbarg die Waffe hinter ihrem Rück und trat näher auf ihn zu.
„Komm schön!“, prustete er. „Du bist lange genug hier draußen im Negligé rumgelatscht.“ Er warf den Hörer weg und fischte einen Autoschlüssel aus der Hosentasche. „Von mir kannst du kriegen, was du am nötigsten brauchst!“
Sie zückte die Pistole.
„Dann mal her mit dem Autoschlüssel!“

17.
Zwei von Bäulers Helfershelfern standen vor Ninas Fluchtwagen. Der ältere der beiden horchte an seinem Handy.
„Chef?“, fragte er.
Anschließend machte er ein schmerzverzerrtes Gesicht und hielt das Handy mit ausgestrecktem Arm. Erst nach einer Weile winkelte er den Arm wieder an.
„Ja, sie war hier, aber wir können sie nicht finden. Nein, sie kann sich hier nirgendwo verstecken.Sie muß schon weg sein. Die ist bestimmt per Anhalter gefahren.
Ein hoher Schrei erklang aus der Richtung der Telefonzelle.
„Nein, das ist sie nicht“, erklärte der Mann seinem Chef Bäuler. „Das ist bloß so ein Idiot, den wir nackt in einer Telefonzelle hockend vorgefunden haben. Wir wußten garnicht, daß Müller so einer ist, der...“
Er wurde unterbrochen.
„Ja, verstanden, wir fahren jetzt zu ihrer Freundin.“

18.
Spatz schloß gerade ihr Auto auf, als sie hinter sich Geräusche hörte und sich umdrehte.
„Nina!“, rief sie. „Wie siehst du denn aus!“
Nina rannte auf Spatz zu und umarmte sie.
„Was ist denn los?“, fragte Spatz. „Wozu hast du die Pistole?“
Nina löste sich von Spatz und wischte mit der freien Hand ihre Tränen weg.
„Ich...“
Weiter kam Nina mit ihren Erklärungen nicht. Sie zuckte und fiel zu Boden. Entsetzt sah Spatz den Fremden und dessen Waffe. Dann fühlte auch sie einen heftigen Stromschlag und ging in die Knie.
Bäulers Leute sahen auf die Frauen herab.
„Tja, Spatz“. sagte der Älteste des Trios, „dagegen hilft auch dein blödes Kung-Fu-Kickboxen nix. Jetzt bist du ein Spatz mit gebrochenen Flügeln.“


19.
Als Spatz erwachte, fand sie sich auf einen Stuhl gefesselt in einem schummrigen Kellerraum. Alles tat ihr weh. Sie öffnete die Augen und sah Nina. Sie war in derselben Lage.
„Tut mir leid, daß ich dir schon wieder Ärger mitgebracht habe“, sagte Nina.
„Du bist eben ein Pechvogel“, sagte Spatz.

20.
Während Spatz und Nina sich im Keller von Bäulers Villa an ihren Fesseln zerrten, erreichten Martina und Lena den Eingang des HOT HEAVEN. Außer etlichen Gästen warteten dort auch Personal vor der verschlossenen Tür.
Ein glatzköpfiger, schwergewichtiger Mann steckte sein Handy weg und rief: „Alle herhören! Das HOT HEAVEN bleibt heute dicht!“
„Und warum?“, rief jemand aus der wartenden Menge.
„Normalerweise schließt der Chef immer selber auf. Er hätte schon längst hier sein müssen. Keiner weiß, wo er ist. Wir kommen auch nicht rein! Hoffentlich hatte er keinen Unfall!“
Die Gäste gingen murrend davon. Dann verabscheideten sich die Kellnerinnen von dem Barhäuptigen.
Anne zeigte dem Glatzkopf ihren Dienstausweis. Er zuckte mit den Schultern.
„Hat ihr Chef Feinde?“, fragte Anne.
„Nee“, sagte der Glatzkopf, „er hatte ab und zu Streß mit Spatz, aber wer hat das nicht.“
Martina fragte mit Blick auf ihre Armbanduhr: „War Spatz heute schon hier?“
„Nö“, sagte er.
In diesem Augenblick vibrierte Martinas Handy. Sie meldete sich mit „Ja“ und wurde blaß. „Was? Wo soll ich jetzt soviel Geld hernehmen?“

21.
Bäuler mit zwei Helfern den Keller. Er ging zu Nina, während die Männer sich vor dem Eingang postierten.
„Du undankbare dumme Gans!“, schimpfte Bäuler und ohrpfeigte Nina. „ Du brauchtest nur loyal zu sein...“
„Jetzt halt mal die Luft an!“, rief Spatz. „Du bist doch bloß ein geiler alter Sack, der die finanzielle Notlage dieser Frau ausgenutzt hat, um...“
Bäuler ohrpfeigte sie. Ihre Augen funkelten vor Zorn. Sie kniff die Lippen zusammen.
„Hast du sonst noch was zu sagen, ehe du stirbst?“, fragte er.
„Ja“, sagte sie. „Bind mich los, ehe ich deinetwegen zu spät zur Arbeit komme. Dann vergesse ich vielleicht den ganzen Quatsch und lasse dich leben!“
„Du brauchst heute abend nicht mehr zu arbeiten“, sagte Bäuler mit einem dreckigen Grinsen. „Dein Chef ist tot. Nina hat es gesehen. Jetzt seid ihr auch tot.Aber erstmal wird deine Freundin Martina noch eine hübsche Summe bezahlen.“
„Woher hast du ihre Telefonnummer?“, fragte Spatz.
„Die ist in deinem Handy einprogrammiert“, sagte Bäuler, „und ich habe dich schon mal beerbt.“

22.
„Schon wieder umziehen!“, murrte Anne in Martinas begehbarem Kleiderschrank.
„Jetzt stell dich mal nicht so an!“, schimpfte Martina und sah mit Mißvergnügen, wie Anne sich wieder in Jeans und T-Shirt hüllte.
Anne roch an ihren Achselhöhlen.
„Ich sollte wohl auch duschen. Wenn ich dir helfen soll, muß ich mich vielleicht an jemanden anschleichen, aber so wittern die mich ja auf zehn Kilometer gegen den Wind!“
„Ach was, Männer nehmen sowas höchstens unterbewußt wahr“, sagte Martina. „Die müßten schon einen Schwulen dabei haben...“

23.
Bäuler verließ den Raum. Seine beiden Helfer machten ihm artig Platz und öffneten ihm die Tür.
„Ich kontrolliere noch mal ihre Fesseln“, sagte der Mann, der die Türklinke festhielt.
„Na gut. Aber mach mit den beiden Tussis keinen...“
„Häh?“, machte Müller.
„Ach ja...“ Der andere winkte ab. „Du stehst ja garnicht auf Frauen. Habe ich ganz vergessen. Okay, bis gleich, ich muß mal pinkeln.“ Er drehte sich um 90 Grad und ging rückwärts aus dem Keller, wobei er Müller im Auge behielt.
Müller schloß die Tür. Er grinste, als er seinen Kollegen stolpern hörte. Dann ging er zu Nina.
„Du hast bei mir was gut, Schwester“, sagte er.
„Ja?“, fragte sie mißtrauisch. „Ich kann mich nicht erinnern, dir jemals was Gutes getan zu haben. Nachdem was der andere Kerl gerade flüsterte, wäre das bei dir ja auch kaum möglich.“
„Oh doch“, sagte er mit einem warmen Lächeln. „Erinnere dich mal an diesen Burschen in der Telefonzelle, den du gezwungen hast, sich auszuziehen, damit er dir nicht folgen kann.“
„Hätte ich den erschießen sollen?“, fragte Nina gereizt.
„Auf keinen Fall“, sagte Müller erschrocken. „Sonst wäre ich immer noch solo und er wäre gestorben, ohne jemals seine wahre Bestimmung erfahren zu haben...“
Müller steckte Nina ein Taschenmesser zu. „Wir werde Bäuler den Stinkefinger zeigen und in Holland heiraten.“
Müller winkte ihnen zu, ehe er die Tür öffnete und sie allein ließ.

24.
„LUSTIGE MUSIKANTEN?“, wiederholte Anne fragend. „Das ist egal, hier ist es auch lustig! Laß den Fernseher und komm her, ich brauche Verstärkung! Und komm allein!“
Martina stand neben ihr und sah auf eine Wanduhr.
„Benzman!“, brüllte Anne, „dein Überstundenkonto interessiert mich null! Das ist ein Notfall! Schwing dich rüber! Ich habe was bei dir gut! Ohne mich hätte man dir die Rübe weggeblasen und nicht nur den Bommel abgeschossen!“
Martina wurde beim Zuhören blaß und sagte: „Seine arme Frau- ihrem Mann hat man den Bommel weggeschossen...“

25.
„Fertig“, rief Nina freudig. Sie riß ihre Hände los, säbelte die Stricke an ihren Beinen durch und befreite ihre Freundin. Spatz rieb sich die Hände.
„Die nächste Aufgabe ist jetzt, durch die Tür zu kommen!“, sagte Spatz.
„Das ist nicht nur die nächste Aufgabe“, stöhnte Nina, „sondern auch schon das nächste Level!“

26.
Anne lachte.
„Nicht, was du denkst! Der trägt immer so eine Schlägermütze wie früher die Arbeiter... Und obendrauf ist so ein roter Puschel... Sieht total blöd aus!“
„Wat?“, dröhnte eine melodische Männerstimme.
Anne und Martina wirbelten herum. Anne zog während der Drehung eine Pistole aus dem Hosenbund. Benzmann ließ sich davon nicht beeindrucken, sondern nahm seine Mütze ab und tippte den roten Bommel an.
„Wieso ist dat wat lächerlich?“, fragte er beleidigt. „Soll ich so´n gräues Mäusken sein wie unser Klein Anne oder wat!“
Anne steckte ihrer Pistole wieder ein und fragte: „Wie hast du es so schnell geschafft, hierhin zu kommen?“
„Mit dem Auto“, sagte er.
„Und wie sind sie hier reingekommen?“, fragte Anne.
„Durch die Tür“, sagte Benzmann.
„Die war abgeschlossen!“
Benzmann setzte seine Mütze wieder auf und richtete sie anhand des Bommels ordentlich aus.
„Ja, die habe ich aufgemacht.“

27.
Spatz fummelte noch mit dem Taschenmesser am Türschloß herum, als sie Schritte hörte.
Rasch versteckte sie sich hinter der Tür. Nina preßte sich an sie. Spatz warf ihr einen bösen Blick zu.
„Wo soll ich denn hin?“, flüsterte Nina.
Zwei Männer stießen die Tür auf. Sie prallte gegen die beiden Frauen, die dort gemeinsam zuwenig Platz fanden.
„Himmel, die dämliche Tür muß endlich mal wieder geölt werden“, schimpfte der Ältere.“
„Das sollte doch Müller immer machen“, sagte der Jüngere.
„Jetzt müssen wir es wohl selber machen“, sagte der Ältere.
Zusammen zerrten sie Müllers Leiche in den Keller.
„Verdammter Deserteur!“, schimpfte der Ältere. „Und dann auch noch wegen so einer Tucke...“
„Seinen Freund müssen wir gleich auch noch hier reinschleppen“, stöhnte der Jüngere. „Den können wir ja nicht im Garten liegen lassen.“
„Den sollten wir einfach dort verbuddeln“, sagte der Ältere.
Sie zogen die Leiche in die Mitte des Kellers. Dann sahen sie sich an.
„Hier fehlt doch irgendwas“, murmelte der Jüngere.
„Die Frauen!“, rief der Ältere.
„Die Frauen?“, fragte der Jüngere.
Sie sahen sich gegenseitig an und riefen im Chor: „Die Weiber!“
Als sie den Blick voneinander abwandten, sahen sie jeder einen dunklen Blitz auf sich zukommen und fielen k.O. genau rechts und links neben Müller zu Boden.

28.
Benzmann zuckte mit den Schultern. In diesem Moment klingelte Martinas Handy.
„Ja“, sagte sie, „ich bin´s. Hören sie, ich bin jetzt zuhause. Sie können mich auch übers Festnetz anrufen. Das ist billiger.“
Sie zuckte zusammen.
Anne steckte ihre Pistole ein und fischte für Benzmann ein Feuerzeug aus ihren Jeans. Beide beobachteten schweigend, wie Martina weiter per Handy telefonierte.
„Ja, ich habe das Geld“, sagte Martina. „Aber ich verlange ein Lebenszeichen!“

29.
Bäuler stand telefonierend vor seinem Schreibtisch und knurrte: „Ein Lebenzeichen? Soll ich denen die Ohren abschneiden und sie dir schicken, oder was! Treib mich nicht zum äußersten! Ich sage dir jetzt, wo wir die Geldübergabe machen!“
„Ja, das würde mich auch interessieren“, sagte Spatz.
„Und mich erst“, sagte Nina.
Erschrocken drehte Bäuler sich um.
„Aber du warst doch gerade noch gefesselt!“, sagte er zu Spatz.
„Ja“, sagte sie, „meine Hände und Füße sind ganz taub! Ich muß mich dringend bewegen!“
Bäuler starrte sie an. Dann ging er k.o. und fiel der Länge nach vor seinen Schreibtisch.
Nina fing den Telefonhörer auf.
„Jetzt sieht es hier gleich viel ordentlicher aus“, sagte Spatz und rieb sich die Hände. „Wir Frauen haben eben mehr Sinn für Ordnung als Männer!“
„Hallo?“, sagte Nina in den Hörer. „Wer ist da? Können sie mir die Polizei geben?“ Sie stutzte.
„Wer ist denn dran?“, fragte Spatz.
Nina winkte ab und horchte in den Hörer.
„Ein Herr Benzmann von der der Polizei“, flüsterte sie.
„Und was sagt der?“, fragte Spatz.
Nina guckte verwundert.
„Er fragt, ob wir LUSTIGE MUSIKANTEN auf Video aufgenommen haben, denn die hätte er wegen uns verpaßt!“

30.
Martina, Anne, Spatz, Nina und Benzmann saßen zusammen in einer Eisdiele. Benzmann saß vor dem „Giga-Monster-Früchtebecher“ und schaufelte sich das Eis ungefähr doppelt so schnell wie jede der Frauen rein.
„Wenigstens bin ich diesmal nicht umsonst gekommen“, murmelte er mit vollem Mund.
Martina starrte auf seine Mütze und fragte: „Warum trägst du eigentlich so eine Mütze mit so einem albernen Bommel?“
„Weil ich immer gerufen werde, wenn wirklich Not am Mann... äh. oder an der Frau ist.“
„Ja“, sagte Anne, „das ist der Alarmknopf!“
Sie haute Benzmann leicht auf die Mütze. Prompt fiel die Mütze in sein Eis.
„Und obendrein verhindert die Mütze, daß er zu dick wird!“, rief Nina.
Benzmann verschränkte die Arme vor der Brust, lehnte sich zurück und sagte beleidigt: „Weiber!“
Jetzt mußte sogar Spatz lachen.


ENDE

:cool:

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Wolfsbane und herzlich Willkommen auf kg.de,

Deine Geschichte erinnert mich teils stark an ein Drehbuch (etwas für einen Fernsehkrimi ;) ) - aber Dein kurze und knappe Stil, Dinge zu beschreiben wurde für mich beim Lesen der Geschichte etwas ... eintönig. Auch liest es sich dann schnell wie eine Aufzählung - erst passiert das, dann das, dann tut sie dieses ...
mir fehlt dabei eine mehr lebendige Schilderung der Umgebung und der Gefühle der Frauen, der Stimmung. Vor allem ist mir das bei der Szene, in der Spatz und Nina im Keller zu sich kommen: die Angst, Verwirrung der beiden (die sicher da ist) kommt überhaupt nicht raus. So fühlt man nicht mit den Charakteren und baut auch kein starkes Interesse an ihrem weiteren Schicksal auf.

An mehreren Stellen lockerst Du das Ganze gut auf:

Jo“, sagte Spatz, „ist wahr. Früher dachte ich, sie würde Geld ausschwitzen...“
Der Spruch malt einen Charakterumriss (sarkastisch...), das lockert Gespräche auf und macht die Personen lebendig. Lebensnah. Das gelingt Dir bei den Frauen, bzw. Benzmann teilweise ziemlich gut.
Atmosphäre, Umgebung, etc. können - finde ich - auch sowas wie 'Charakterzüge' erhalten. So werden sie auch lebendiger.
An manchen Stellen übertreibst Du es allerdings auch bei den Dialogen, bzw. sie wirken künstlich:
Ihr habt beide Unrecht! Meine Technik ist genial und darum bin ich im Nebenberuf neuerdings Türsteherin!“
Ich denke, so würde das wohl keiner sagen, vor allem, wenn es sich um gute Freundinnen handelt - eher etwas lockerer, nicht so aufgesetzt wie das "Ihr habt beide Unrecht!"
Oder:
„Ihr Idioten! Maximaldeppen! Telekom-Aktionäre!“, schrie Bäuler.
Das passt meiner Meinung nach nicht so zu dem Charakter, dem krassen Gangsterboss. An einigen Stellen sind einige Dialoge gar nicht unbedingt nötig. Auch das Ende ansich ist meiner Meinung nach so nicht nötig. Das klingt auch sehr nach dem typischen Hollywood-Ende. ;) Alle treffen sich am Tisch, man macht noch einen Witz und jeder ist glücklich. Wichtiger wäre zum Beispiel die Auflösung der Frage: Was geschieht nun mit Nina?

Die Charakter der 'Bösen' sind die ganze Story hindurch ziemlich stereotyp; genauso erwartet man das niederträchtige und brutale Schaffen, die Aussagen eines skrupellosen
Bosses und seiner Handlanger. Die könnten ruhig etwa mehr Individualität vertragen. Z.B. (auch wenn es nicht ganz neu ist...) könnte Bäuler wider Erwarten Nina tatsächlich lieben, in innere Konflikte geraten, sich dann für eine Seite entscheiden...

Das ist mir so beim Lesen Deiner Geschichte so eingefallen. Meiner Meinung nach gehört einfach etwas mehr Leben hinein.

Viel Spaß noch,
Gruß, baddax

 

Hallo baddax,


danke für das Interesse und die fundierte, konstruktive Kritik.

"Die Zeugin" war ursprünglich eine "Drei wilde Engel"-Fan-Story, die ich für das Story-Forum von "action concept" schrieb. Ich hoffte, daß einer der Verantwortlichen die Geschichte sehen und für eine Verfilmung in Betracht ziehen würde, denn ich hatte den verwegenen Wunsch, mich mal als Drehbuch-Autor zu versuchen. Darum hat die Story auch genau 30 Szenen und jeweils nach einem Drittel eine kleine Wendung.
Ich habe die Charaktere kaum beschrieben, weil es eben die Charaktere (Franziska, Lena, Rabe) aus dem Pilotfilm waren, zu denen man vom "AC"-Server Informationen und Fotos bekommen kann.
Ich habe das Innenleben der Charaktere vernachlässigt, weil ich versuchen wollte, ganz filmisch zu schreiben, d.h. so, daß die die Gefühle der Figuren schon allein durch ihre Taten und Worte klar sind.
Bäuler mußte ein hundertprozentiger Miesling sein, weil er eben eine Nebenfigur ist und die Handlung antreiben soll. Er war nicht wichtig genug, um ihm Gewissenskonflikte zuzugestehen, und es hätte die Spannung gemindert, wären Zweifel an seiner absoluten Skrupellosigkeit aufgekommen.
Bäuler ist eigentlich gar keine richtige Figur, sondern eine Art Stellvertreter für mich als Autor. Immer wenn ich mir überlege, wie man jetzt Nina oder die Heldinnen bedrohen könnte, um den Leser bzw. Zuschauer bange zu machen, lasse ich Bäuler in Aktion treten.
Dafür wandelt sich aber einer der Unter-Bösewichter in der Story und läßt Nina und Spatz aus Dankbarkeit frei...
Zum Schluß wollte ich tatsächlich ein Happy-End. Darum durfte ich nicht darauf eingehen, daß Nina sich tatsächlich noch für ihre Fehler verantworten muß. Ich habe mich tatsächlich ein bischen an Asterix orientiert, wo die Abenteuer auch immer damit enden, daß alle Guten zusammensitzen und schlemmen.
;)

 

Achso! :)
Als Drehbuch mag das gehen, vor allem, wenn die Charaktere bekannt sind (ich habe - ausser dem Kinofilm - 3EFC noch nie gesehen ), aber für eine Geschichte ist es dann meiner Meinung nach eben nicht genug. Da mag dann aber auch die Bindung zu den Charakteren fehlen. Als Kurzgeschichte hättest Du vielleicht von dem Drehbuch-Korset abgehen sollen.

Gruß, baddax

 

@ baddax


Du hast mit allem Recht. Die nächste Story wird besser. Der Anfang ist gemacht.

Sei bitte nächstesmal so freundlich, bei den Zitaten jeweils die Nummern der entsprechenden Kapitel anzugeben.
:rolleyes:


CU

wolfsbane

 

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