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Die Wunderflöte
In einer völlig anderen Welt, weit von der unseren entfernt, lebte einmal ein kleines Mädchen mit dem Namen Rosalie. Sie spielte leidenschaftlich gerne auf ihrer Holzflöte. Tag und Nacht übte sie die verschiedensten Lieder, um die Leute in ihrem Dorf zu beeindrucken.
So kam es, dass sie an einem Feiertag vor der gesamten Einwohnerschaft ein Stück vortragen durfte. Aufgeregt setzte sie ihr Instrument an und begann, eines ihrer Lieblingslieder zu spielen.
Doch anstelle von Beifall, erntete sie nur mitleidige Blicke. Irritiert fragte sich Rosalie, was sie wohl falsch gemacht hatte. Schließlich war es ihr größter Traum, einmal reich und berühmt mit dem Musizieren zu werden.
Da erklärte ihr der Vater, dass sie nun mal nicht genug Talent für eine Weltkarriere hatte. Angeblich klangen ihre Töne trotz des vielen Übens schrill und lieblos. Rosalie brach in Tränen aus. Gedemütigt lief sie davon. Nicht einmal ihre Mutter konnte sie zurückhalten. Ohne eine Pause einzulegen, lief Rosalie aus dem Dorf, über die vielen Hügel und hielt schließlich vor einem See inne. Wütend schleuderte sie ihre Flöte in das Wasser und ließ sich ins grüne Gras plumpsen. Nachdenklich legte sie ihren Kopf auf die angezogenen Knie.
„Ich bin doch zu höherem bestimmt“, dachte Rosalie enttäuscht. Kaum hatte sie diesen Gedanken gefasst, hörte sie plötzlich eine bezaubernde Melodie. Neugierig blickte sie auf und entdeckte eine goldene Flöte zu ihren Füßen. Fasziniert langte Rosalie nach dem Wunderinstument, das von selbst zu spielen vermochte. Noch nie in ihrem Leben hatte sie ein derartiges Material gesehen. Die Flöte bestand weder aus Gold, noch aus Silber.
Unsicher setzte Rosalie das Instrument an ihre Lippen und blies in das Mundstück. Aufgeregt stellte Rosalie fest, dass ihre Finger von selbst eine traumhafte Melodie spielten.
Von nun an war Rosalie wieder von sich selbst überzeugt. Obwohl ihr klar war, dass sie nur aufgrund der Wunderflöte derartig elegante Töne und Lieder spielen konnte, beschloss sie etwas aus sich zu machen.
Ohne noch einmal in ihr Heimatdorf zurück zu kehren, zog Rosalie von Dorf zu Dorf und bot überall die schönsten Stücke zum Besten. Jedesmal erntete das Mädchen Beifall und wurde über die Maßen gelobt. So kam es, dass auch der junge König von ihrem Geschick hörte und ließ sie ins Schloss rufen.
Auch dort verzauberte Rosalie alle mit ihren Liedern. Nur ein alter Mann beäugte sie mit großem Misstrauen.
Jeden Abend wollte der König ein neues Stück hören und belohnte Rosalie dafür reich. So kam es, dass sich Rosalie in den mächtigsten Mann des Landes verliebte. Nach nur drei Wochen hielt der König auch wirklich um ihre Hand an. Obwohl Rosalie glücklich war, fragte sie sich immer wieder, ob sie der König auch wirklich liebte. Dennoch konnte sie es kaum erwarten an der Seite ihres Gatten, das Land zu regieren. In ihren Augen sah sie schon alle Leute, die sie einst auslachten oder mitleidig anblickten, vor ihren Knien um Gnade flehen.
Aber am Tage der Hochzeit erschien der seltsame alte Mann und reichte Rosalie eine andere Flöte. Vor versammelter Gesellschaft bat er die angehende Königin, etwas auf diesem Instrument zum Besten zu geben. Erschrocken zuckte Rosalie zurück, als sie in diesem Blasinstrument ihre alte, kleine Holzflöte erkannte.
Mit zitternden Fingern griff Rosalie nach ihrem ehemaligen Instrument und setzte es unsicher an die Lippen. Obwohl sie inständig gehofft hatte, mit der Zeit tatsächlich Talent entwickelt zu haben, kamen wie erwartet nur grausige Töne aus der Flöte.
Einjeder hielt sich die Ohren zu und bat Rosalie nur schnell wieder aufzuhören. Da sprach der alte Mann: „Schon am Tag ihrer Ankunft habe ich die goldene Wunderflöte wiedererkannt. Unser letzter König verliebte sich einst ebenfalls in ein Mädchen, das auf genau dieser Flöte die zauberhaftesten Werke darbot. Es ist nämlich die Flöte, nicht das Mädchen, die nach Macht strebt. Als schließlich die letzte Königin, von dem Wunderinstrument in den Wahnsinn getrieben, Selbstmord beging, verschwand mit ihr auch die Flöte und ward nie mehr gesehen. Bis Rosalie hier ankam.“
Da fürchtete Rosalie, in den Kerker geworfen zu werden. Schließlich hatte sie das ganze Land betrogen. Weil sie der König aber wirklich liebte, befahl er nur so schnell wie möglich die Wunderflöte vernichten zu lassen.
„Vielleicht hat die Flöte das Handeln meiner angehenden Frau beeinflusst, nicht aber unsere Liebe.“
So hielten sie doch Hochzeit und Rosalie lud dazu ihr Heimatdorf ein. Außerdem entdeckte Rosalie schließlich, dass sie vielleicht zum Musizieren nicht geeignet war, dafür aber ausgezeichnet malen konnte.
Der Diener, welcher den Auftrag hatte die Flöte zu zerstören, stellte fest, dass sich das Instrument weder zersägen, noch verbrennen oder verbiegen ließ. In seiner Verzweiflung also vergrub er sie einfach unter einem Apfelbaum, der augenblicklich zu blühen begann. Für den Moment war die Wunderflöte also verschwunden, doch eines Tages würde sie bestimmt nach ihrem nächsten Opfer suchen.