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Die Wildsau im Tempel des Seelenfriedens
In feinsten Gereimtheiten, in winzig kleinen Feinheiten liegt sie als liebenswürdige Einheit an Perfektion immer noch in meinem Bett. Sie führt im Schlaf die Rebellion meiner Emotionen gegen das starre Regime meines Kopfes an. Der gefärlichste Feind dieser klaren Diktatur des Denkens, der Trieb, hat vorher schon die Mauern der Palläste eingerissen. Mit ihrem naiven „du musst aber nicht auf dem Boden schlafen“, gepaart mit diesem unglaublich perfekt gespielten, sorgenvollen Blick, hat sie mich gelockt. Es war nicht schwer sie zu durchschauen, was daran lag, dass sie sich keine große Mühe gab ihr Verlangen zu unterdrücken. Ich habe mitgespielt, bin ins Bett gekrochen, habe noch beiläufig ein „es hätte mir nichts ausgemacht, aber so ist es besser“ dahingebrummelt und meine Hände auf Ihre Brust gelegt.
Ich habe das Perfekte mit einem lustvollen Schuss erlegt.
Schmerzhaft weicht der Siegestaumel jedoch dem bitterbösen Blick der Realität. Alter Folterknecht der Unschuld.
Am Morgen beim Scheissen mache ich mir meine Gedanken und verkrampfe fast.
Es zieht sich alles zusammen. Ich wollte sie in meinem Arm einschlafen sehen, ihr zufriedenes, ein bisschen arrogantes Hauchen auf meiner Haut spüren. Für ihre Sicherheit und Unversehrtheit in dieser Nacht wollte ich mich verantwortlich fühlen. Und nicht zuletzt wollte ich, sobald sie auch nur einmal geblinzelt hätte nochmal drauf. Ich lag wach und hatte Angst vor dem Heute. Was ist, wenn sie geht und mich mit der neuen Weichheit alleine läßt?
Sie hat schon Tage zuvor damit angefangen ein undurchdringliches Labyrinth aus Andeutungen, Zurückweisungen und erotischen Fantasien zu errichten, um mich dann langsam mit dem Köder eines atemberaubend weiblichen Körpers hineingelockt. Diese hauchdünne, verletzliche Laszivität in jedem ihrer Schritte, in jedem Blick. Ihr feiner Sinn für sadistischen Schmerz, den sie mit einem Zwinkern zum besten Witz des Jahrhunderts umformen kann. Ihre Art meine Sorgen mit
Ignoranz zu strafen ohne mich zu verletzen, mich zu zurückzuweisen ohne mich unsicher zu machen, mich zu verführen und mich denken zu lassen ich hätte sie verführt.
Egal. Ich putze mir noch schnell die Zähne und schlendere gespielt gelassen zurück zum Bett, um sie wachzuküssen und ihr einen Kaffee anzubieten. Sie lächelt und zieht mich zu ihr.
"Wie lange denkst Du, könnten wir beide eine Beziehung ohne Sex führen?"
Wenn jetzt die Schwerkraft umgekehrt wäre, würden mir dann dauernd Steine auf den Sack fallen?
"Solange bis wir Sex haben oder Schluß machen."
Etwas verwirrt denke ich über die Möglichkeit mit ihr ein Beziehung zu führen nach.
Beziehungen kamen für mich eigentlich bis dato nie in Frage. Ich war immer der Jäger, der Räuber der Jungfrauen, der sich nicht auf Gefühle einließ, noch die der anderen als eine Tabuzone zum Tanzen ansah.
Frauen sind der ideale Trainingspartner für das Spiel um Macht in einer Männerwelt.
Ich kann, wenn ich will, aufgebautes Vertrauen zerstören und Wut und Entäuschung urheben. Ein bisschen Interesse heucheln, etwas Sinn für gute Zwischenfragen und schon geht die Führung im Tempel ihres Seelenfriedens los. Man läßt sich die Säulen ihrer Weltanschauung zeigen, das Fundament erklären und die selbsgemachten Wandteppiche vorführen. Man prägt sich alles ein und sucht nach Fehlern in der Konstruktion. Wenn man dann durch ist, die Führung sich dem Ende nähert, dreht man sich um, packt den Vorschlaghammer aus und schlägt wie eine Wildsau solange unverdrossen auf alles ein, bis die Trümmer ihrer Existenz erbärmlich vor ihr liegen. Man nimmt sie bei der Hand, wischt ihre Tränen weg und baut alles gemeinsam wieder auf. Sich selbst natürlich setzt man als Glockenturm der Gerechtigkeit, als Stütze des Himmels und als Gottvater der Herrlichkeit mit ein und läßt sich dann verehren. Geht man, wenn man genug hat, stürzt alles wieder ein, doch wenn man sich nicht umdreht, sieht man nichts von dem Elend.
Bei Ihr hat keine Taktik funktioniert, da sie die Regeln selbst aufgestellt hat. Ich bin nach ihrer Pfeiffe getanzt.
Sie steht auf, zieht sich an, zündet sich eine Zigarette an und angelt nach ihren Schuhen. Sie will gehen. Einfach so. Bemüht nicht überstürzt zu wirken und meine Unsicherheit zu verbergen frage ich, ob sie nicht noch zu einem Kaffee bleiben wolle. Sie lächelt mich an, schüttelt den Kopf und sagt: "Morgen komme ich um halb zehn mal vorbei."
Bis dahin baue ich noch etwas an meinem Tempel herum, da sind ein paar Löcher in der Fassade.