Die Wiese
Ich gehe über eine Wiese,
eine Wiese, bewachsen mit saftigem grünen Gras und
bunten Blumen.
Bienen schwirren durch die Luft und laben sich an den
Blüten, ein gelber Schmetterling fliegt an meinem Gesicht
vorbei und streift ganz sanft meine Nasenspitze.
Die Sonne scheint vom blauen Himmel und eine
angenehme Wärme durchfährt mich.
Ich atme tief ein und nehme Düfte wahr, die mich lieblich
umschmeicheln.
Ich gehe weiter.
Schon längst habe ich meine Schuhe ausgezogen, um
auch mit meinen Füßen diese reiche Natur zu fühlen.
Das Gras ist weich und jeder Schritt zeigt mir das gehen
nicht einfach nur gehen ist.
Gehen ist auch fühlen. So, wie ich das Gras sehe, so wie
ich es rieche, so fühle ich es jetzt unter meinen Füßen.
Ein leichtes Gefühl.
Noch bevor ich richtig fest auftrete, spüre ich, wie sich
einige Grashalme meinem Fuß entgegenstellen, ich
zögere, ein schneller Schritt vorwärts, bleibe stehen,
schaue zurück und sehe erleichtert, wie sich die
Grashalme wieder aufrichten.
Keine Sorge - hier tust du keinem Grashalm weh.
Ich gehe weiter, versunken in einer Welt aus Farben,
Düften und einem leichtem Kitzeln an meiner Fußsohle.
Die Bewegungen, der fleißigen Bienen und der bunten
Schmetterlinge im warmen Sonnenlicht, verschwimmen zu
einem sanften auf und ab, und die Vielzahl der Geräusche
erinnert mich an Wellen die nach vielen tausenden von
Meilen mit einem unendlich erleichternden Laut an die
Felsen einer Küste schlagen.
Ich gehe und lasse den Reichtum der Natur auf meine
Seele wirken und beginne, mich auf diesen Rythmus
einzustellen .
Plötzlich zucke ich zusammen, ein stechender Schmerz
durchfährt mich.
Ich bleibe stehen, unfähig den Auslöser dieser Pein zu
finden.
Ich konzentriere mich und schaue hinab zu meinen
nackten Füßen.
Unter meinem rechtem Fuß sehe ich das
obere Ende einer umgeknickten Distel.
Ich hebe den Fuß hoch, die Distel reiße ich dabei aus den
Boden.
Die Stacheln stecken in meiner Fußsohle,
es Blutet nicht, aber es tut weh.
Ich fasse die Pflanze vorsichtig zwischen Daumen und
Zeigefinger und ziehe sie mit einem Ruck aus meinen Fuß.
Wieder durchfährt mich ein stechender Schmerz. Eine
Sekunde lang kämpfe ich mit den Tränen, dann ist das
Schlimmste vorbei.
Vorsichtig stelle ich meinen Fuß auf den Boden, ängstlich
darauf bedacht, nicht wieder auf ein Distel zu treten, dann
sehe ich mich um.
Wo hatte ich nur meine Schuhe hingelegt ?
Ich sehe meine Schuhe nicht.
Dafür sehe ich Disteln, Brennesseln und
einen toten, schwarzen Baum am Rande der Wiese. Nicht
weit von mir entfernt, umschwärmen tausende von
Insekten etwas, dessen Geruch mir nun unangenehm in
die Nase steigt.
Vorsichtig mache ich einen Schritt und senke meine Fuß
auf ein undefinierbares Unkraut, das zumindest keine
Stacheln zu haben scheint.
Ein letztes Zögern, dann belaste ich meinen Fuß - es tut
zwar nicht weh, aber das seltsam klebrig, schleimige
Gefühl läßt mich meinen Fuß schnell zurückziehen.
Hoffentlich finde ich bald meine SCHUHE !