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Die Werkzeugkiste
Eine Geschichte zum Vorlesen
„So, jetzt sind wir fertig!“, sagte der Papa und wischte sich die Hände an dem feuchten Lappen ab. Stolz standen Frederick und Jette vor ihren frisch geputzten Fahrrädern, die in den Strahlen der Frühlingssonne blitzten. „Jetzt müssen wir nur noch die Sättel etwas höher stellen“, sagte Papa, „ihr seid schließlich wieder ordentlich gewachsen!“
Das stimmte. Bei beiden Kindern stießen die Knie beim Treten mittlerweile an den Lenker. „Welchen Schraubenschlüssel brauchen wir dafür?“, fragte Frederick und griff in den roten Werkzeugkasten, der auf dem Regal hinter ihm stand.
„Wir müssen schauen, wie groß die Mutter genau ist, die wir losschrauben müssen!“, sagte Papa. „Werkzeug ist nicht gleich Werkzeug – die meisten erfüllen eine ganz spezielle Aufgabe. Für jede Schraube gibt es am Ende nur einen wirklich passenden Schlüssel!“. Sie nahmen alle heraus und reihten sie auf dem Boden auf.
Sie beugten sich zur Sattelklemme herunter, die das Sattelrohr am Rahmen hielt. Sie probierten erst den 17er-Schlüssel – zu groß! Die Zähne des Rings fassten die Mutter nicht, so dass sie ins Leere schraubten. „Da müssen wir eine andere Größe wählen.“ Papa griff den nächsten Schraubenschlüssel. Diesmal war es ein 11er-Schlüssel, der nicht einmal über die Mutter passte. „Damit können wir lange drehen“, sagte Jette, „da wird sich gar nichts tun!“ Recht hatte sie. Also versuchten sie es mit dem 13er-Schlüssel. Der saß perfekt! Der Ring aus kleinen Zähnen schloss sich um die Mutter und mit wenigen Handgriffen war die Schraube gelöst. Papa zog und ruckelte am Sattel, drehte dann den Schraubenschlüssel in die andere Richtung und zog die Sattelklemme fest. „Fertig!“, sagte er, „jetzt könnt ihr wieder schön auf den Rädern fahren.“
„Aber erst müsst ihr das Werkzeug wieder aufräumen!“ Mama rief vom Balkon herunter, wo sie die Reste des Winters zusammenfegte. „So kann das nicht liegenbleiben.“ Papa, Frederick und Jette sahen vor sich auf den Boden. Auf der ausgebreiteten Decke lag der gesamte Inhalt des Werkzeugkastens wild durcheinander. Sie hatten die Schraubenschlüssel für die Sättel gebraucht. Die Kabel der Lampen hatten sie mit einem Kreuzschlitzschraubenzieher nachgezogen und das verbeulte Schutzblech hatten sie mit einem Hammer geradegeklopft. Dazwischen lagen Schrauben, Muttern und Unterlegscheiben in unterschiedlichen Größen. „Ja, das Werkzeug müssen wir wieder einsortieren“, sagte Papa. „Und wir sollten diesmal darauf achten, dass wir die richtige Reihenfolge beachten: Das am wenigsten benutzte Werkzeug sollte ganz unten liegen – da, wo man schwer herankommen kann. Das Werkzeug, das wir häufig brauchen, sollten wir nach oben in die ausklappbaren Fächer tun, damit wir es jederzeit benutzen können.“
Gesagt – getan. Frederick sammelte den Hammer ein und steckte ihn in das mittlere Fach des Werkzeugkastens. Jette griff sich die verschiedenen Schraubenschlüssel und ließ sie in eines der oberen Fächer gleiten. Die Schraubenzieher kamen in das Fach gegenüber. Zum Schluss wischte Papa die Schrauben und Muttern auf der Decke mit einer Handbewegung zusammen. Sie fanden ihren Platz in einem speziellen Fach mit Deckel, damit nichts verloren ging. Nachdem alles verstaut war, klappte Papa den Werkzeugkasten zusammen. Sie falteten die Decke und marschierten zurück ins Haus. Während Papa das Garagentor schloss, drehten sich Jette und Frederick noch einmal um, winkten in Richtung des Werkzeugkastens und sagten „Auf Wiedersehen, liebes Werkzeug, bis morgen!“ Zufrieden öffneten sie die Haustür.
Während das Rolltor langsam herunterfuhr, öffnete der Hammer vorsichtig sein linkes Auge. „Sie sind weg“, raunte er den anderen zu, „wir können uns wieder bewegen!“ Natürlich wissen die Menschen nicht, dass Werkzeuge in Wirklichkeit lebendig sind. Immer wenn sich jemand dem Kasten näherte, legten alle die Arme eng an den Körper an, kniffen die Augen zu und sagten keinen Mucks. Sie spannten jeden Muskel an, deshalb schien es für die Menschen so, als wären sie leblos und aus Metall. Erst wenn die Menschen weg waren, entspannten sich die Werkzeuge wieder, öffneten die Augen und streckten und reckten sich.
„Was war das wieder für ein Tag heute!“, rief der 13er-Schlüssel, nachdem er die Augen geöffnet hatte. „Was hätten die heute wieder ohne mich gemacht?“ Er wandte sich an die anderen Schraubenschlüssel: „Ihr habt es gesehen – ohne meine Zähne hätten die den Sattel niemals verstellen können – niemals!“
Er hakte die Daumen unter seine Hosenträger und holte tief Luft, um seine Heldentat nochmal in aller Ausführlichkeit zu schildern. „Da war diese Schraube, für die du“, er wies auf den 17er-Schlüssel, „viel zu groß warst. Was haben sich deine Zähne in der Luft gedreht, ohne die Mutter zu fassen zu bekommen! Man hätte es filmen sollen. Und dann erste der 11er-Schlüssel...“ Er sah sich nach seinem Mitbewohner um. „Du konntest dich dehnen und strecken – die Mutter hast du nicht zu fassen bekommen. Aber dann habe ich ja die Bühne betreten. Man soll sich nicht selber loben, aber ich muss schon sagen, dass es eine souveräne Leistung war, die ich heute abgeliefert habe.“
„Kunststück!“, schnaubte der 17er-Schlüssel. „Du weißt genau, dass eine Mutter so groß ist, wie sie eben ist. Und du weißt auch, dass wir alle für eine bestimmte Größe von Muttern hergestellt wurden! Wir sind eben hochspezialisierte Experten auf unserem Gebiet! Ich wurde nicht eingestellt, um irgendwelche 13er-Muttern zu drehen – ich befasse mich nur und ausschließlich mit 17er-Muttern! Wenn du dich mit 13er-Muttern abgibst, dann ist das deine Sache.“
„Genau!“, meldete sich von hinten der 11er-Schlüssel, „Meine Sache sind diese ollen Dinger auch nicht. Klein, aber fein ist meine Devise! 11er-Muttern werden nur für ausgewählte Schrauben verwendet – und eben nicht bei jedem schnöden Fahrradsattel.“
„Dafür komme ich von uns allen hier ja wohl am häufigsten zum Einsatz!“, verteidigte sich der 13er-Schlüssel, „Das ist ja wohl nicht von der Hand zu weisen, oder? Deswegen hat mich der Vater ja auch hier oben einsortiert – und nicht da unten.“
„Massenware!“, spottete der 17er-Schlüssel und deutete dann mit dem Daumen über seine schmalen Schultern in Richtung des draußen stehenden Audis, „Ich werde sogar hinzugezogen, wenn der Vater an seinem Wagen Ad-Blue nachfüllen muss! Er nimmt mich dann mit in sein Auto und lässt mich auf dem Beifahrersitz liegen. An der Tankstelle habe ich dann meinen großen Auftritt, vor all den Leuten da draußen, und schraube entschlossen den Ad-Blue-Deckel auf! Da passt nur der 17er-Schlüssel, soviel steht mal fest.“
Die anderen Werkzeuge hatten den Schlüsseln bislang nur zugehört und nichts gesagt. Nun wandte sich der Kreuzschlitzschraubenzieher an seinen Nachbarn, den Schlitzschraubenzieher. „Hörst du die Angeber? Halten sich wohl für besondere Helden, die Spezialisten. Dabei sollten die doch erst einmal uns bei der Arbeit zusehen. Die Muttern der Schrauben mögen ja unterschiedlich groß sein, sicherlich“, meinte er, „aber mit unserer Arbeit wären die Herrschaften doch wohl völlig überfordert! Bei uns sehen die Typen von Schrauben ja sogar ganz anders aus!“
„Genau!“, fiel der Schlitzschraubenzieher ein, „Wir wären ja schon dankbar dafür, wenn jede Schraube einen Schlitz hätte - das würde uns die Arbeit schon deutlich erleichtern.“
„Einen Kreuzschlitz, meinst du wohl, lieber Kollege...“ Der Kreuzschlitzschraubenzieher sah ihn von oben an.
„Das ist doch wohl ganz egal!“ Der Schlitzschraubenzieher fuchtelte erregt mit den Händen. „Hauptsache, die Schraube lässt sich anziehen. Ob das mit einem einfachen Schlitz oder einem Kreuzschlitz geschieht, macht doch wohl kaum einen Unterschied.“
„Und Sie wollen ein Profiwerkzeug sein?? Dass ich nicht lache!“ Der Kreuzschlitzschraubenzieher hob den Zeigefinger wie ein Oberlehrer. „Sie wissen so gut wie ich, dass das Drehmoment bei einem Kreuzschlitz weit besser ist als bei einem einfachen Schlitz. Kreuzschlitzschrauben haben diese, diese...“ Er rang mit den Worten. „...diese ordinären Schlitzschrauben in der industriellen Fertigung fast vollständig verdrängt!“
„Und das zu Recht!“, rief ein kleinerer Kreuzschlitzschraubenzieher aus den hinteren Reihen im Werkzeugkasten. „Kreuzschlitzschraubenzieher – bei uns hat der Name noch Klang!“ „Ruhe auf den billigen Plätzen!“, tönte es dagegen aus der Richtung der anderen Schlitzschraubenzieher.
Der 17er-Schlüssel hob beschwichtigend die Hände. „Liebe Kollegen, wir haben heute alle unsere Aufgaben zu meistern gehabt, auch wenn vielleicht nicht jede Schraube gleich passte. Selbst der Mann fürs Grobe...“ Er machte eine Kopfbewegung in Richtung des Hammers. „...ist heute ehrenvoll zum Einsatz gekommen. Wir können uns also auf die Schultern klopfen und stolz darauf sein, dass Jette und Frederick dank unserer Leistung weiterhin sicher und bequem Fahrrad fahren können!“ Mit einer ausladenden Handbewegung schien er sämtliche Schraubenzieher und Schraubenschlüssel umfassen zu wollen. Die anderen Werkzeuge nickten zustimmend, einige murmelten ein leises „Hört, hört!“ oder ein „Wohl gesprochen!“.
„Einige Werkzeuge in dieser Werkzeugkiste kommen dagegen ja so gar nicht mehr zum Einsatz“, fuhr der 17er-Schlüssel mit einem tadelnden Unterton in Richtung der Fächer weiter unten im Werkzeugkasten fort. „Ich kann mich nicht erinnern, dass irgendjemand hier mal die Maurerwaage benutzt hätte. Oder was denken Sie, liebe Kollegen?“ Er sah die orange schimmernde Wasserwaage an. An ihrer Seite war dasLogo des Baumarktes zu erkennen, in dem sie gekauft worden war. Im Gegensatz zu den meisten Werkzeugen hier hatte sie keinen Kratzer und zeigte keinerlei Rost in ihrer leuchtenden Lackierung. „Ich??“ Die Wasserwaage sah überrascht auf. „Ich war erst neulich wieder aktiv dabei, als im Wohnzimmer die Bilder aufgehängt wurden! Ohne mich wäre das in einem völligen Kuddelmuddel geendet... Ich kann Ihnen sagen, ohne mich wäre der Vater doch gar nicht in der Lage, auch nur einen Nagel so in die Wand zu schlagen, dass ein Bild ansatzweise gerade hängen würde. Ich stehe für Präzisionsarbeit, da kommt es auf jedes Detail an. Da ist es doch nur selbstverständlich, dass man nicht täglich zum Einsatz kommt.“
„Das kann ich bestätigen“, warf der Hammer ein und trat gemessenen Schrittes vor die Schraubenschlüssel, um sich besseres Gehör zu verschaffen. „Ich nehme es ja nun nicht immer so ganz genau, und wo ich hinschlage, wächst kein Gras mehr. Auch wenn es selten ist, aber wenn die Wasserwaage zum Einsatz kommt, dann kann sich das Ergebnis sehen lassen.“ Er nickte anerkennend.
„Ausgewogen eben, und ganz geradeaus“. Die war erleichtert, die Situation unbeschadet überstanden zu haben.
„Wie dem auch sei.“ Der 17er-Schlüssel setzte erneut an. „Nicht jeder hier kann von sich behaupten, ein wirklich tragendes Mitglied in der Gemeinschaft dieser Werkzeugkiste zu sein. Ich denke da nur an dich da unten.“ Und damit senkte sich sein Blick auf ein Werkzeug, das versteckt hinter anderen Gerätschaften lag und bislang keinen Mucks von sich gegeben hatte. „Die Pum-pen-zan-ge da unten“, sprach er ihren Namen abfällig aus, „Die ist nun wirklich lange nicht mehr zum Einsatz gekommen! Liegt stattdessen faul rum, lässt sich nicht blicken und trägt auch sonst nichts zu unserem harten Tagewerk bei!“ „Sehr richtig“, fiel der Kreuzschlitzschraubenzieher ein, „aber was soll man mit einem solch profanen Werkzeug auch anstellen? Keinerlei Spezialkenntnisse, keinerlei besondere Fähigkeiten! Einfach nur eine Zange, um Rohre auseinander- und wieder zusammenzuschrauben!“
Die Pumpenzange lugte verstohlen zwischen den anderen Werkzeugen hervor, die allesamt seit langem nicht mehr benutzt worden waren. Deshalb lagen sie ja unten am Boden Werkzeugkastens. Sie kannte die Prahlereien der Schraubenschlüssel schon, die weiter oben ihren Platz gefunden hatten. Ständig gaben sie damit an, was sie alles leisteten und wie unwahrscheinlich wichtig sie doch waren. Die Pumpenzange war froh, wenn sie von den anderen nicht beachtet und in Ruhe gelassen wurde.
Es stimmte ja: Als Pumpenzange fristete man ein unbeachtetes Dasein am Rande der Gesellschaft, am Boden des Werkzeugkastens eben. Meistens schauten die Menschen nach Spezialwerkzeugen, die sie für eine bestimmte Aufgabe benötigten. Der Kreuzschlitzschraubenzieher war zum Beispiel in den letzten Jahren rasch aufgestiegen, weil es ja immer mehr elektronische Geräte gab! Sobald bei einem Spielzeug der Kinder die Batterien gewechselt wurden, brauchte der Vater einen der Kreuzschlitzschraubenzieher.
Die großen Zeiten der Pumpenzangen waren dagegen lange vorbei. Mit geschwellter Brust hatten sie ihre Arbeit verrichtet, als die Menschen Autos ohne diese ganze Elektronik fuhren! Da war der Motor noch etwas für echte Werkzeuge, da war noch Handarbeit gefragt. Da gab es Wasserpumpen, deren Stopfbuchsen angezogen werden mussten. Mit Muskelkraft – und eben einer Pumpenzange. Das waren die großen Zeiten, an die sich die Pumpenzange so gerne zurückerinnerte, wenn sie so dalag, einsam und missachtet am Boden der Werkzeugkiste. Diese schnöseligen Kreuzschlitzschraubenzieher hatten doch keinen blassen Schimmer davon, wie das damals gewesen war. Bei Wind und Wetter wurde zwischen all dem Dreck und Öl im Motorraum gearbeitet. Das war etwas anderes, als im sauberen Wohnzimmer Kinderspielzeuge auseinanderzubauen und Batterien auszutauschen, die frisch aus der Verpackung kamen und nicht nach Benzin und Abgasen rochen. Da fiel man auch mal herunter und klöterte durch den Motorblock hindurch auf den harten Betonboden der Garage – und nicht auf Plüschteppich im Wohnzimmer! Spielzeugeisenbahnen aufbauen. Das war leicht auszuhalten. Aber mal richtig tief im Dreck zu stecken und trotzdem wieder aufzustehen – da gehörte schon mehr dazu!
Seufzend setzte die Pumpenzange zu einer Antwort an den 17er-Schlüssel an. Dieser lächelte sie von oben herab überlegen an. „Ach, jetzt kommt diese alte Leier wieder“, sagte die Pumpenzange. „Ich kann doch wohl nichts dafür, wenn die Aufgaben heute anders sind als früher. Früher gab es viel weniger Werkzeuge als heute und wir mussten unterschiedlichste Dinge leisten können!“ „Das ist alles lange her.“ Der 17er-Schlüssel winkte ab. „Heute ist man eben spezialisiert und arbeitsteilig organisiert. Dass du rostige Pumpenzange da nicht mithalten kannst, ist nun weiß Gott nicht mein Problem. Nur wer etwas Besonderes kann, wird heute noch gebraucht. Du liegst hier nur rum und verbrauchst Platz!“
Als wenn Platzmangel ein Problem in dem überdimensionierten Werkzeugkoffer wäre! Aber das sagte die Pumpenzange nicht, die diese Sprüche schon so häufig hatte ertragen müssen. „Alteisen!“, rief ein Imbus von hinten. „Dein letzter Einsatz war auf dem Klo beim Abflussreinigen! Hat dein Rostansatz seitdem etwa noch mehr zugenommen?“ „Ja, ganz im Gegensatz zu deinem Taktgefühl!“, antwortete die Pumpenzange trotzig.
„Klozange, Klozange, Klozange!“, rief eine Gruppe Schraubenzieher. Die Pumpenzange sah verschämt auf ihre Gewindestangenschenkel herunter. Wer wurde schon gerne so von seinen Kollegen und Mitbewohnern verspottet? Sie warf den Werkzeugen einen letzten Blick zu, die von oben über die Ränder der Werkzeugkastenfächer auf sie herunterschauten. Einige schnitten Grimassen, andere streckten ihr die Zunge heraus. Die Schraubenzieher, die eben „Klozange“ gerufen hatten, machten laute Pupsgeräusche. Die Pumpenzange drehte sich mit hängenden Schultern um und zog sich in die hintere Ecke des Werkzeugkastens zurück, in der man sie hoffentlich nicht mehr sah. „Ich werde nicht weinen“, dachte sie, während sie sich ihre Bettdecke bis an das Kinn hochzog – und doch rollte eine Träne aus ihrem Augenwinkel. Mit einem dicken Kloß im Hals versuchte sie einzuschlafen.
In der Nacht meldete sich der Winter zurück. Der Wind pfiff laut um die Hauswände und vertrieb die leichte Wärme, die die erste Frühlingssonne gebracht hatte. Der Regen peitschte gegen die Fenster, das Thermometer sank noch einmal auf den Nullpunkt und der Regen vermischte sich mit dicken, feuchten Schneeflocken. Die blattlosen Bäume bogen und schüttelten sich im Wind und der Schneeregen klatschte auf das nasse Pflaster. Im Haus krochen Frederick, Jette, Mama und Papa tiefer unter ihre Bettdecken und kuschelte sich aneinander. Im Werkzeugkasten rückten die Werkzeuge enger zusammen und schauten ängstlich in den Himmel. Als am nächsten Morgen die Sonne wieder aufgehen wollte, war sie von dicken, regenschweren Wolken verhangen. Das Thermometer blieb wie festgenagelt am Nullpunkt stehen. Auf den Straßen färbte sich der Schnee braun und mit jedem vorbeifahrenden Auto spritzte der nasse Matsch auf den Bürgersteig.
Hinter den Mauern erwachte langsam das Leben. Frederick und Jette schlüpften aus ihren Betten hinunter ins Wohnzimmer. Die Fenster waren beschlagen, dicke Tropfen rannen an ihren Rändern herunter. Die Kälte hatte sich im gesamten Haus ausgebreitet. Die Kinder bibberten in ihren Pyjamas und verkrochen sich unter die Decken auf dem Sofa. Mama huschte ins Bad, um zu duschen. Ein spitzer Schrei ertönte. „Iiih, das Wasser ist ganz kalt!“ Papa rappelte sich mühsam auf. „Bestimmt wieder die alte Heizung“, murmelte er und stapfte die Treppen hinunter. Er öffnete müde die Tür zum Heizungsraum – und da sah er die Katastrophe!
Auf den Fliesen hatte sich eine gewaltige Wasserlache gebildet, aus dem Schrägventil über dem Speicher quoll plätschernd das Wasser heraus. Der Abfluss in der Ecke des Raums blubberte angestrengt, aber die Wassermengen stauten sich zentimeterhoch! Die Anzeige auf dem Wasserspeicher war nach links gerutscht, weit weg von den normalen 60 Grad, die Druckanzeige auf dem Heizkessel stand auf null. Kein Wunder, dass sie alle froren – die Heizung war ausgefallen! „Da kommt immer mehr Wasser!“, rief Papa erschrocken nach oben. „Wir müssen es stoppen!“ Die Kinder sprangen von den Sofas auf und rannten besorgt zur Treppe. Er umfasste das grüne Rad des Absperrventils, um es zu schließen. Nichts rührte sich. Er drückte kräftiger. Fieberhaft versuchte er es mit beiden Händen. Zitternd vor Anstrengung zog er an dem Rad – das knirschend abbrach und mit einem lauten „klonk!“ nach unten fiel. „Und natürlich passiert das wieder am Wochenende!“ Papa raufte sich verzweifelt die Haare. Jetzt einen Notdienst ans Telefon zu bekommen, morgens kurz vor sechs, war so gut wie unmöglich. „Frederick, Jette!“, rief er die Kinder, die sich vor Kälte ihre Daunenjacken über ihre Schlafanzüge gezogen hatten. „Wir brauchen die Werkzeugkiste – schnell!!“
Die Kinder schnappten sich die Fernbedienung für das Garagentor, schlossen die Haustür auf und rannten an der Hauswand entlang. Kaum war das Rolltor einen halben Meter offen, schlüpften sie in die Garage und wuchteten mit gemeinsamen Kräften den roten Werkzeugkasten vom Regal. Die Werkzeuge wurden unsanft aus dem Schlaf gerissen und kräftig durchgeschüttelt. „Was ist da denn los?“, fragte der 17er-Schlüssel schlaftrunken. „Da muss etwas passiert sein.“ Der Zollstock übernahm das Kommando. „Macht euch bereit! Wir wissen nicht, was uns erwartet, also müssen wir auf alles gefasst sein!“ Die Schraubenschlüssel und Schraubenzieher sortierten sich in ihren Fächern nach Größe. Der Hammer ließ seinen schweren Metallkopf auf den Schultern kreisen und dehnte seine Muskeln. Die Anspannung vor dem Einsatz war mit den Händen zu greifen.
Nur die Pumpenzange blieb, wo sie war. Sie rührte sich nicht von der Stelle und hielt sich versteckt in der hintersten Ecke des Werkzeugkastens. „Ich werde ja doch wieder nicht gebraucht“, dachte sie düster. „Wahrscheinlich ist wieder ein Fahrrad oder ein Spielzeug zu reparieren – da kann ich als Werkzeug fürs Grobe sowieso nichts beitragen. Ach, wäre ich doch auch so ein Schraubenschlüssel oder Kreuzschlitzschraubenzieher, dann könnte ich auch mit meinen speziellen Fähigkeiten glänzen und bräuchte mich nicht hinter den anderen zu verstecken. Ich bleibe lieber hier liegen, dann bemerkt mich keiner und ich erspare mir die Blamage.“
Frederick und Jette rannten mit dem schweren Werkzeugkasten die Stufen in den Keller hinab. Mama und Papa standen in der immer größer werdenden Wasserlache. Verzweifelt versuchten sie, den Boden mit Handtüchern trocken zu bekommen. Aber das Schrägventil leckte weiter, immer mehr Wasser ergoss sich auf die Fliesen. „Ich muss das Ventil absperren!“, rief Papa und klappte den Werkzeugkasten auf.
Mit herausgestreckter Brust präsentierten sich die Schraubenzieher in Reih und Glied. Die Schraubenschlüssel hatten Haltung angenommen, die Maulöffnung korrekt nach links geneigt. Das erleichterte im Ernstfall den Zugriff.
Papa griff in die Kiste und zog einen der Schraubenzieher hervor. Dieser grinste die anderen Werkzeugen triumphierend an. „Ich werde versuchen, das Ventil zuzuschrauben. Das scheint zu klemmen!“ Er setzte die Spitze des Schraubendrehers am Absperrventil an und versuchte zu drehen. Der Schraubenzieher spannte seine Muskeln an, aber nichts rührte sich!
„Das muss verklemmt sein!“, sagte Papa und kratzte mit dem Werkzeug am rostigen Rohr entlang. Na klar, dieses Ventil bewegte man sonst ja kaum, da war es nur verständlich, dass die Metallteile wie ein Tropfstein aussahen, dick von einer Kalkschicht umschlossen. Mit der Spitze des Schraubenziehers versuchte er, das Ventil hochzudrücken und so zu lockern.
„He, dafür bin ich nicht eingestellt worden!“, quiekte der Schraubenzieher. „Ich bin doch kein Stemmeisen!“ Das Wasser quoll weiter aus dem Absperrventil und floss über Papas Hand. „Das ist heiß!“ Papa wedelte mit der Hand und hätte den Schraubenzieher fast fallengelassen. Er nahm einen zweiten Schraubenzieher und versuchte es von zwei Seiten gleichzeitig, ohne in das heiße Wasser zu greifen. „Ich bin ein Präzisionswerkzeug!“, protestierte der Kreuzschlitzschraubenzieher, den Papa gegriffen hatte. „Für so etwas bin ich überhaupt nicht ausgebildet worden. Das stand nicht in meiner Stellenbeschreibung!“
In der Werkzeugkiste räusperte sich der Hammer. „Vielleicht kann ich ja mal... ein gezielter Schlag auf das Metall und es sollte sich lösen!“ „Das ist wieder typisch Hammer – rohe Gewalt, wo immer sich eine Gelegenheit ergibt!“, lästerten die anderen Werkzeuge. „Viel in den Armen...“, sagte die Wasserwaage und tippte sich auf den zugegebenermaßen deutlich schmaleren Bizeps. „...dafür aber nichts in der Birne!“
Papa griff den Hammer und holte zu einem gezielten Schlag aus. „Hältst du das für eine gute Idee?“, sagte Mama. „Herrgott, was soll ich sonst tun“, erwiderte Papa. „Das Ding klemmt!“ Der Hammer spannte seine Muskeln an und fuhr auf das Absperrventil nieder. Es schepperte, es krachte – aber das Wasser lief unbeeindruckt weiter. Mama griff zum Telefon. „Ich klingel dann mal den Notdienst aus dem Bett...“
„Das Ventil ist jetzt noch mehr verbogen, das sehe ich ja von hier“, sagte die Wasserwaage, die ihre Arme lässig auf den Rand des Werkzeugkastens gestützt hatte und dem Treiben zusah. „Dafür brauche ich noch nicht einmal angelegt werden, das erkennt mein geschultes Auge auch so.“
„Und was genau nutzt uns deine Weisheit jetzt??“, blaffte sie der Hammer an.
Die Wasserwaage zog den Kopf ein. „Ich meine ja nur...“
„Die Erkenntnis hatten wir auch so! Wenn du nichts zur Lösung beitragen kannst, dann halt den Mund und störe uns nicht bei der Arbeit. Schlaue Sprüche! Wir müssen jetzt handeln, sonst steht hier bald alles unter Wasser. Unser guter Ruf steht auf dem Spiel!“, raunzte der Hammer.
„Die Mutter ist Anwältin, die verklagt uns noch alle, wenn das hier schiefgeht!“, jammerte der Zollstock. „Was mache ich dann bloß, wenn ich diesen Job verliere und auf die Straße gesetzt werde? Vielleicht gehen die Eltern sogar so weit und entsorgen uns in der Mülltonne – wegen kollektivem Versagen!“
Die Imbusschlüssel diskutierten aufgebracht, wie sich ihre Zukunftspläne gerade in Luft auflösten. „Die nächste Beförderung können wir dann ja wohl vergessen! Ich weiß nicht, wie ihr es haltet, aber ich gehe dann zurück zu IKEA. Da hat man einen ruhigen Job, kriegt trotzdem sein Geld und baut nebenbei ein paar Möbel nach genauer Anleitung zusammen. Nicht so chaotisch wie hier!“ Der Imbusschlüssel wies auf das Wasser, das aus dem defekten Absperrventil strömte. Die ausgebreiteten Handtücher waren durchnässt. Langsam quoll das Wasser über die Türschwelle in Richtung des Flurs, so dass bald der gesamte Keller überflutet sein würde.
„Ich muss es ganz abschrauben“, sagte Papa. „Da kann uns nur noch der 17er-Schlüssel helfen!“ „Seht ihr“, raunte dieser den anderen Werkzeugen zu. „Auf mich ist man hier angewiesen. Damit sollte geklärt sein, wer hier in der Kiste einen gewissen Status hat!“ Er stolzierte an den Rand der Werkzeugkiste, wo ihn Papa ergriff. Papa drehte den Haupthahn ab und watete durch die immer tiefer werdende Wasserpfütze. Direkt an Leitungsrohr versuchte er, den Schraubenschlüssel anzusetzen. Der Ringkopf passte nicht über das Absperrventil, so dass er die Maulseite benutzte. Immer wieder rutschten die Metallbacken des Schraubenschlüssels an der alten, verkalkten Rohrleitung ab. „Ich versuche, mich festzuklammern!“, presste der 17er-Schlüssel hervor, während er alle Muskeln anspannte, um die Mutter des Ventils zu greifen. Aber das Ventil war so voller Rost und Kalkablagerungen, dass der 17er-Schlüssel keinen Halt fand. „Probiere es doch mit einem größeren Schraubenschlüssel“, schlug Frederick vor. Aber das half nicht, denn die Mutter hatte durch die rostigen Verkrustungen völlig die Form, verloren. „Das klappt so nicht!“, rief Papa. „Ich bräuchte etwas, das flexibler ist. Das sich besser auf die Situation anpasst. Dieser ganze Spezialkram...“, und damit zeigte er in Richtung Werkzeugkasten, „...hilft mir überhaupt nicht weiter! Jetzt bräuchte man einen 17-einhalber – aber so etwas ist natürlich nicht vorgesehen in diesen Schraubenschlüssel-Sets“.
Jette, Frederick und die anderen Werkzeuge sahen bangend zu, wie sich der 17er-Schlüssel weiter mühte und das Wasser anstieg. Nur die Pumpenzange war die ganze Zeit über in ihrer Ecke im Werkzeugkasten geblieben und hatte keinen Mucks von sich gegeben. Jetzt hatte sie mitbekommen, dass das Problem doch schwerer zu lösen war. Sie reckte sich über die Köpfe der anderen Werkzeuge, um etwas zu sehen. „Ich glaube, das wird so nichts“, sagte sie, eigentlich mehr zu sich selbst.
„Du hast gut reden“, erwiderte der 17er-Schlüssel, der ihre Bemerkung gehört hatte. „Ich mühe mich hier ab, und was macht ihr? Liegt da faul im Werkzeugkasten herum und macht große Sprüche!“
„Ich könnte es ja mal versuchen“. Die Pumpenzange wagte es kaum, die Stimme zu erheben.
„Was soll das denn nun bringen?“, sagte der Schraubenschlüssel genervt.
„Immerhin kann ich meine Backen frei einstellen“, versuchte es die Pumpenzange. „Damit könnte ich es doch einmal versuchen. Außerdem kann man mich an den langen Griffschenkeln zukneifen – da entwickle ich einen ganz anderen Halt als ein Schraubenschlüssel.“ Sie wackelte mit den langen Griffen und ließ ihr Maul in verschiedenen Stellungen auf- und zuschnappen. Einige der anderen Werkzeuge nickten nachdenklich. Hier und da war ein gemurmeltes „Das könnte gehen“ zu hören.
„Hör mir doch auf! Es ist allgemein bekannt, dass unsere Größen in genau diesem Set optimal für alle Anwendungen sind. Wir werden sogar in Kfz-Werkstätten und von Profihandwerkern genutzt!“, rief der 17er-Schlüssel. „Es ist doch sinnlos, jetzt auf ein Allerweltswerkzeug wie eine Klozange zurückzugreifen!“
Die Pumpenzange überhörte die Beleidigung und ließ nicht locker. „Aber es doch nun einmal so, dass die Mutter sich nicht mehr lösen lässt. So kommen wir hier scheinbar nicht weiter.“
Die anderen Schraubenschlüssel schüttelten nur unverständlich mit dem Kopf. „Lass dir von dem nichts sagen“, riefen sie dem 17er-Schlüssel zu. Dieser sah das Rohr grimmig an und versuchte erneut, die Mutter zu fassen zu bekommen. „Es wäre doch gelacht, wenn ein so hochqualifiziertes Spezialwerkzeug wie ich das hier nicht schaffen würde!“
„Also, ich sehe nur immer mehr Wasser auf den Boden fließen“, sagte die Pumpenzange und drängte sich an den anderen Werkzeugen vorbei nach vorne. Es war ein kleiner See, der sich gebildet hatte. Und Papa stand mit seinen durchweichten Socken mittendrin. „Mit deinen starren Backen kannst du noch so sehr drücken und ziehen. Du findest da keinen Halt. Etwas lockerer und etwas flexibler wäre nicht schlecht.“ Der 17er-Schlüssel starrte sie mit hochrotem Kopf an. Die Pumpenzange war sich nicht sicher, ob das von der Anstrengung oder der sich anbahnenden Blamage für den stolzen Schraubenschlüssel herrührte.
Sie fuhr unberührt fort: „Ich habe Zähne aus Stahl an meinen Backen. Mit denen könnte ich mich in dem Rost festbeißen und dann die Mutter lösen“. Die anderen Werkzeuge sahen die Pumpenzange erwartungsvoll an. Der Schraubenschlüssel ließ schnaufend von dem Ventil ab und schüttelte verdrossen den Kopf. „Nichts zu machen.“
Papa war außer Atem und sah ratlos auf den Schraubenschlüssel. „So kommen wir hier nicht weiter.“ Er sah unschlüssig in den Werkzeugkasten. Alle Werkzeuge hatten sich inzwischen tief in die Werkzeugkiste zurückgezogen. Das war doch ein Himmelfahrtskommando!
Nur die Pumpenzange war ruhig und gefasst vorne stehengeblieben. „Jette, wir versuchen es mit der Pumpenzange. Alle anderen Werkzeuge sind ja wohl nicht in der Lage sich auf eine neue Situation einzustellen“, sagte Papa. Jette griff nach der Pumpenzange, die ihr bereitwillig in die Hand sprang. „Wir stellen die Maulweite so ein, dass es ungefähr passt“, sagte Papa und bewegte die Hebel so, dass sich das Maul der Zange langsam öffnete.
„Ungefähr!“, motzte der 17er-Schlüssel. „Ungefähr ist für eine Fachkraft nun wirklich keine Kategorie. Ganz oder gar nicht, sage ich nur!“ „Ungefähr steht bei niemandem von uns im Arbeitsvertrag“, pflichtete der Kreuzschlitzschraubenzieher bei.
Aber die Pumpenzange war nicht zu beirren. Sie öffnete das Maul so weit, dass die Greifbacken das Absperrventil gerade umschlossen. Papa drückte die Hebel kräftig zu, und die Zähne der Backen gruben sich unerbittlich in die Kalkschicht ein. Die Pumpenzange mobilisierte alle ihre Kräfte und ließ sich nicht abschütteln.
„Das wird doch nichts“, unkte der 17er-Schlüssel. „Lächerlich!“ Die anderen Werkzeuge starrten gebannt auf das weiter tropfende Ventil. Einige hatten vor Aufregung die Hände zusammengeballt und fieberten mit der Pumpenzange. Würde sie es schaffen? Würde sie das Wunder vollbringen? Würde sie das Wasser stoppen?
Papas Arm und die Pumpenzange zitterten vor Anspannung, aber anfänglich rührte sich nichts. Stück für Stück, Millimeter für Millimeter gab der Kalk nach und bröckelte auf den Fußboden. Papa keuchte und die Pumpenzange ächzte, aber sie gaben nicht auf. Und dann, mit einen Knirschen, löste sich die Verschraubung. „Endlich“, entfuhr es Papa mit vor Anstrengung rotem Kopf. Schnell schraubte er das Ventil zu, dessen Gewinde sich, vom Kalk befreit, wieder problemlos bewegen ließ.
Die anderen Werkzeuge hatten die ganze Zeit den Atem angehalten. Jetzt löste sich die Spannung und sie jubelten der Pumpenzange zu. „Gute Arbeit!“ „Das war buchstäblich in der letzten Sekunde!“ „Ein Teufelskerl, diese Pumpenzange!“ Einige Werkzeuge streckten ihre Daumen anerkennend in die Höhe. Ein Rest Wasser floss gurgelnd in den Bodenabfluss.
„Einfach mal machen, das ist genau die richtige Einstellung!“, meinte einer der Imbusschlüssel.
„Wart ihr nicht eben schon auf dem Weg zu IKEA, um wieder einen ruhigen Job zu haben?“, schnaubte der 17er-Schlüssel.
„Äh, ja, äh... das war doch nicht so gemeint. Mit so einem Tausendsassa wie der Pumpenzange an unserer Seite... da macht das Arbeiten doch viel mehr Spaß.“ Wutentbrannt drehte sich der 17er-Schlüssel um und setzte sich schmollend an seinen Platz im Werkzeugkasten.
Papa legte die Pumpenzange wieder in die Werkzeugkiste, wo sie von ihren jubelnden Kollegen empfangen wurde. Sie stimmten ein „Hoch soll sie leben“ an. Die Wasserwaage wollte sie auf ihren schmalen Schultern tragen, aber glücklicherweise griff der breit gebaute Hammer ein und hievte die Pumpenzange hoch.
Oben im Hausflur klingelte es. Mama hatte den Notdienst erreicht, der endlich jemanden vorbeigeschickt hatte. Er trug einen Blaumann mit dem Logo der Firma darauf und hatte einen Werkzeugkasten in der Hand. Im Keller nickte der Mann anerkennend. „Da haben Sie genau richtig gehandelt“, sagte er zu Papa. „Wenn so ein Absperrventil undicht ist, dann darf man nicht zögern. Da muss es schnell gehen und unkompliziert. Mit langen Debatten sollte man sich da nicht aufhalten.“
„Donnerwetter, gut, dass wir dich dabei hatten. Eine Meisterleistung!“, raunte der Zollstock. „Ihr anderen“, drehte er sich lauter nach seinen Kollegen um. „Ihr anderen hattet ja nichts Besseres zu tun, als euch über Stellenbeschreibungen und Vertragsdetails zu unterhalten.“
Dem Kreuzschlitzschraubenzieher schoss die Schamesröte ins Gesicht. Der 17er-Schlüssel, der sich hinten in der Werkzeugkiste versteckt hatte, kam mit hängendem Kopf hervor und streckte der Pumpenzange die Hand entgegen. „Entschuldigung“, murmelte er. „Ohne dich wären wir verloren gewesen.“
„Das war doch selbstverständlich“, sagte die Pumpenzange, die jetzt ebenfalls errötete. „Wir haben doch alle unser Möglichstes getan! Mehr als helfen kann man nicht! Beim nächsten Mal muss wieder Ad Blue nachgefüllt oder ein Spielzeug repariert werden, dann kommt es wieder ganz auf euch an!“ Sie lagen sich in den Armen und versprachen sich, ab sofort immer zusammenzuhalten.
Die Familie war in der Küche. „Endlich“, sagte Papa. „Nach dem Stress am frühen Morgen müssen wir jetzt erst einmal einen schönen Kaffee trinken.“ Sie saßen am eingedeckten Tisch. Während der Mann vom Notdienst das Absperrventil getauscht hatte, waren Jette und Frederick zum Bäcker gelaufen und hatten Brötchen besorgt. Unten im Keller stand die Werkzeugkiste.
„Wenn wir gleich fertig sind, müssen wir das Werkzeug noch einsortieren“, meinte Papa. Jette und Frederick schauten nachdenklich. „Aber die Reihenfolge der Werkzeuge müssen wir ändern“, sagte Jette.
„Wieso denn dass?“, fragte Papa erstaunt.
„Naja“, antwortete Frederick. „Gestern hattest du uns noch gesagt, dass wir nach der Wichtigkeit der Werkzeuge gehen sollen.“
„Ja, genau. Das, was häufig gebraucht wird, muss ganz nach oben, der Rest nach unten.“
„Das hat diesmal ja wohl nicht gepasst, Papa. Ohne die Pumpenzange wären wir hier ganz schön abgesoffen“, sagte Jette. „Wir sollten uns etwas anderes ausdenken.“ Frederick nickte. „Nach Größe vielleicht – kleine Werkzeuge in die kleinen Fächer, große in die großen.“ „Oder nach Farbe...“ „Nach Wichtigkeit kann es jedenfalls nicht gehen. Wichtig sind alle - und vor allem alle zusammen.“
Sie kauten nachdenklich auf ihren Brötchen und waren zufrieden. Der Keller war nass geworden und geduscht hatten sie heute kalt. Aber sie hatten viel über ihr Werkzeug dazugelernt.