Die Welt ist rund
Es hat aufgehört zu regnen. Ich gehe aus dem Haus. Es ist kalt. Der Bus ist noch nicht da. Die Bäume sind kahl und der Boden ist vom Regen ganz durchgeweicht. Ich fahre einkaufen. Allein. Wahrscheinlich wäre es besser, wenn jemand dabei wäre. Besser für mich. Aber auch besser für ihn? Manchmal wundere ich mich, warum ich Freunde habe. Wenn ich mich selber nicht verstehe, wie soll es dann jemand anders schaffen? Aber, habe ich überhaupt Freunde? Der Wind pfeift eisig um meine Ohren. Mir ist kalt. Der Bus ist da. Ich steige ein. Augen starren mich an. Wieso nur?
Scheiße, ich habe meinen Discman vergessen. Hauptsache ich habe das Ticket. Und Geld. Leute sagen, von Geld allein werde man nicht glücklich. Recht haben sie. Geld habe ich genug. Aber bin ich glücklich? Vorne im Bus sitzt Lena. Ich gucke weg. Mein Handy klingelt. Meine Mutter: Ich solle noch Milch mitbringen. Bis auf das Geräusch des Motors ist alles still. Gott sei Dank. Keine Kiddies, die über alles und jeden lästern. Als würde ich das nicht schon alles kennen. Einkaufen ist schön. Nur nicht im Winter. Draußen friert man sich den Arsch ab und in den Kaufhäusern ist es so heiß, das man denken könnte, man wäre in der Sahara gelandet. Ich kaufe hauptsächlich Lebensmittel. Finde nichts für mich. Ich gehe zur Kasse, um die Sachen zu bezahlen. Vor mir steht Dominik. Jetzt muss ich ja Hallo sagen. Er fragt, ob ich die Hausaufgaben schon gemacht hätte. Nein. Obwohl ich genug Zeit habe. Die andern haben immer viel zu tun. Auf dem Rückweg, fällt mir ein, was viele Leute von mir wissen wollen: Warum ich denn noch keinen Freund hätte. Ich brauche erst mal ein paar Freunde um mich dem zu widmen. Außerdem bin ich erst 15. Das mag sich viel anhören, aber im Grunde ist es das nicht. Manche hatten mit 15 schon mehr Freunde als sie alt sind. Ich warte lieber. Aber worauf? Sie sagen, ich sei hübsch. Aber schön bin ich ganz gewiss nicht. Ich könnte all die Dinge aufzählen die mich stören, aber ich tue es nicht. Zuhause ist mir immer noch kalt. Die ganze Zeit. Ich mache Hausaufgaben. Ich weiß selbst nicht wieso. Ich gehe duschen. Obwohl ich keine Lust habe. Aber das muss ja mal sein.
Es ist Montag. Sechs Uhr morgens. Ich muss aufstehen So ne scheiße. Ich schaue aus dem Fenster und sehe Bäume, kahl, im Wind sich biegend, mitschwingend, als wären sie glücklich. Aber wie könnten sie? Sie sind doch kahl. Ich sehe keinen Himmel, aber auch keine Wolken. Alles ist eine weiß-graue Soße. Meine Zunge ist trocken, sie schmeckt nach Holz. Der Bleistift ist schon ganz abgenagt. Was der Lehrer sagt, verstehe ich nicht, es ist Französisch. Französisch konnte ich noch nie.
Carolin ruft mich an, und fragt ob ich Lust hätte, mit auf SV-Fahrt zu kommen. Ich habe keine Lust. Ich mag Carolin nicht. Aber Mareike fährt auch mit. Mareike ist nett. Also fahre ich mit.
Der Regen prasselt an die Scheibe des Autos. Mareike sitzt neben mir. Richard sitz vorne. Ich mag Richard nicht sehr gerne. Was ist das auch für ein Name, Richard. Hinterm Lenkrad sitz mein Lehrer. Wir hören WDR2. Genau das Richtige für mich.
Ich steige aus dem Wagen und in eine Pfütze. Sie besteht nicht aus Wasser. Es ist Matsch. Mir ist alles egal. Außer Mareike kenne ich keinen so richtig. Sonja stellt uns Anna vor. Anna ist nett. Sie wollen mit uns auf ein Zimmer kommen, doch das geht nicht.
Wir sitzen an einem langen Tisch. Das Holz ist schon ganz zerfallen. Eine große Gruppe von Jugendlichen. Gehöre ich etwa dazu? Nein, es sieht nur so aus.
Im Kamin knistern die Flammen. So langsam wird mir warm.
Doch dann lernen Anna und ich uns näher kennen. Am nächsten Tag machen wir einen langen Spaziergang, wir suchen das nächste Dorf. Das ist aber ein bisschen weiter weg, deshalb kommen wir hinterher viel zu spät. Aber bereuen tu ich’s nicht.
Anna und ich sind immer noch Freunde, waren zusammen im Urlaub und so. Und wenn ich jetzt in der Schule nur zur Cafeteria gehe, muss ich dauernd Hallo sagen, weil ich jeden Zweiten kenne. Manchmal nervt das schon.
Dieses Wochenende war SMS-Party im Soundgarden. Ich war überrascht, wie viele Leute mir schrieben. Und einer, na ja, der war richtig nett. Ich hab ihm doch tatsächlich meine Nummer gegeben. Mal sehen.
Ich komme gerade aus der Schule. Die Sonne scheint. Ich frage mich: Bin ich wirklich glücklich? Ja.