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Die Welt in Brand
Die Welt in Brand
Es war dunkel.
Die allgegenwärtige Finsternis wurde nur von wenigen Kerzen erhellt.
Onars Herz pochte, als er zum zweiten Mal die Seite las, die ihn beunruhigt hatte. Er hoffte sich wegen dem fahlen Licht verlesen zu haben, aber er hatte es nicht. Schweiß tropfte auf das Pergament, und er wischte ihn vorsichtig fort.
Eine Motte zog einen immer enger werdenden Kreis um die Kerze zu Onars Rechten, und er schrak zusammen, als das Licht mit dem Insekt verlosch.
„Ein Zeichen?“, fragte er sich und legte das Buch beiseite.
Müde und verspannt fuhr er sich über die Augen und betrachtete dann seine Finger, die von den goldberandeten Seiten des Buches kleine Schnitte aufwiesen.
„Wann?“, fragte er das Buch und bekam keine Antwort.
„Morgen schon?“
Die Stille griff nach seinem Geist, und er schluckte schwer.
„Wissen ist Macht!“, stieß er plötzlich hervor und sprang auf, wobei sein Stuhl zu Boden schepperte.
„Warum macht mir dieses Wissen dann Angst?“
Verwirrt schob er das Fenster auf und blickte hinaus in das Schweigen der Nacht.
Kein Laut drang bis an sein Ohr. Die Tiere schienen sich auch zu fürchten. Das Firmament war wolkenbedeckt, der Mond wollte wohl nicht sehen was hier bald geschehen könnte.
Onars griff sich erneut das Buch und schlug die verhasste Seite auf.
Ein Funkeln durchzog seine Augen, und das Buch entglitt seinen Händen. Eine Schabe duckte sich gerade noch unter dem fallenden Schriftstück weg und suchte hastig das Weite, froh den Anschlag heil überstanden zu haben.
Wind kam auf und griff an Onars vorbei nach den kleinen Flammen. Tanzende Schatten schienen ihn zu verspotten, lachten ihn aus, und sein Gesicht verzerrte sich.
Die Schatten hielten inne, als fürchteten sie Onars´ Zorn, der seine Brauen misstrauisch senkte. Ein weiterer Odem der Natur fuhr in den Raum, und die Schatten flüchteten.
Die Dunkelheit umfasste Onars´ Herz, und es pochte wild, wollte sich befreien um sich von der Angst zu lösen, aber er hielt es fest.
Im Geist hallte ihm immer wieder die letzte Zeile der Seite nach und suchte ihn den Wahn ein wenig näher zu bringen.
Schweigend stand er da, klammerte sich an die Stille, die ihn zuvor geklammert hatte und verfluchte die Finsternis, die ihn davon abhielt die Worte nochmals zu sehen. Er wusste, der Satz würde sich nicht ändern, die Worte stets die gleichen bleiben, aber hoffte, dass dem nicht so war.
Vorsichtig tastete er auf dem Boden nach dem Buch und hob es dann sacht auf, nur um es in der Finsternis fühlen zu können.
Er verkrampfte sich und legte das Buch auf den Sims des Fensters.
Die Schwärze starrte ihn an.
Bedächtig stützte er sich am Fensterrahmen ab, während seine Beine sich über den Sims hoben.
Der kühle Atem der nächtlichen Dunkelheit umspielte ihn, als er noch nach dem sicheren Sitz suchte und trug zu seinem Unbehagen bei.
Abermals griff er nach dem Buch und schlug die Seite auf. Neugierig schaute der Mond daraufhin zwischen den Wolken hervor, er wollte auch lesen was die Feder verewigt hatte.
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…die Funken werden die gesamte Welt in Brand setzen, und ein Flammenmeer wird über das Land ziehen.
-------------------------------------------------------Kaum mehr konnte der Mond lesen, bevor ihn die Angst wieder packte, und er den Schutz der Wolken suchte.
Onars schaute hinab. Der Boden war so verlockend weit entfernt, versprach ihm eine Lösung für all seine Sorgen.
Zaghaft lies er sich immer weiter nach vorn gleiten und starrte unablässig auf das Buch in seinen Händen, umschlossen von seinen Fingern wirkte es so unbedeutend winzig, so klein und unbedeutend.
Ein Tropfen Leben löste sich von seinen Daumen und, obwohl der Odem der Natur versuchte ihn sanft davon zu tragen, zerschellte er an deren Leib.
Nur noch ein Ruck trennte ihn vom Abgrund, aber die Stille zerrte ihn zurück, und er wollte sich nicht wehren.
„Feigling!“, schallt er sich selbst und lies sich wieder in den Raum gleiten, nachdem das Buch vorweg geschnellt war.
Der Tisch protestierte, als sich das Schriftstück entschied darauf liegen zu wollen, aber ohne Erfolg. Flatternd erstarb der Drang des Buches sich zu bewegen, und Onars trat wieder an es heran.
Der Atem der Finsternis stöberte in dem Foliant und blätterte mal nach der, dann nach jener Seite.
Schließlich fasste auch der Mond neuen Mut und schob sein Bollwerk aus Watte beiseite, um einen weiteren Blick einfangen zu können.
Geblendet vom Mondlicht stöberte der Hauch der Nacht wahllos durch die Seiten und lies die Blätter tanzen. Dann griff sich die neidvolle Stille das Buch und verängstigt entwich der Odem.
Verwirrt hatte Onars das Schauspiel der Nacht betrachtet und ängstig zum Mond geschaut, der nur neugierig strahlte.
Die verhasste Seite war erneut aufgeschlagen, und er begann zu zittern.
Aber der weise Odem strich ihm über die Schulter und blätterte zaghaft zur nächsten Seite.
Der Mond erstrahlte freudig und schob sein Bollwerk vollends fort, während ein Lachen die Stille zerschnitt und die Finsternis erschreckte.
Onars´ Angst ertrank in erleichterter Freude, während der Mond den Anfang der nächsten Seite nochmals las:
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Diese Flammen der Freiheit werden die Welt verändern und sie in eine neue goldene Ära führen…