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Die Weide

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05.12.2001
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Die Weide

Die Weide

Das Herz pochte, der Puls raste. Ohne nach links oder rechts zu schauen rannte Veit durch die dichtgedrängten Geschäftsstraßen der Stadt. Das schwarze Haar klebte an seiner Stirn, doch er hatte keine Zeit, es sich aus dem Gesicht zu streichen. Er rannte und rannte. Einige Passanten drehten sich verwundert lächelnd nach ihm um, einige schauten ihm nachdenklich hinterher, doch er sah nichts. Ein alter Mann hob erbost seinen Stock in die Höhe und wetterte: “Kannst du nicht aufpassen! So ein Lümmel! Wenn wir uns das früher erlaubt hätten...“ – Allmählich kam Veit in eine ruhigere Gegend, in der Pflastersteine und kleine, alte Häuser das Bild zierten. Kein Mensch war zu sehen, nur eine schwarze Katze streunte herum. Sie hielt verschreckt inne, als sie den mittlerweile völlig verschwitzten Jungen bemerkte. Schnell verschwand sie um die nächste Ecke. Der Junge rannte bis zum Stadtende, durch das nächste Dorf, die einsame Landstraße entlang. Er passierte noch zwei weitere Ortschaften, wobei er wild mit den Armen wedelte und lauthals schrie: „Ich brauch‘ Luft! Ich brauch‘ Luft!“ Zwei Männer, die gerade im Begriff waren, ein Bierfaß in die Dorfkneipe zu rollen, versuchten den Jungen zu packen und ihn zu beruhigen, doch Veit schlug um sich und brüllte: „Laßt mich los! Laßt mich los, ich brauch Luft!“ Er riß sich los und rannte an den Häusern, Gärten und an den Kuhställen vorbei auf eine große Wiese. Wild gestikulierend rannte er solange die Wiese entlang bis keine Häuser mehr zu sehen waren. Plötzlich blieb er stehen. Er stand mitten auf der Grünfläche und bemerkte erst jetzt den Regen , der sanft auf ihn niederprasselte. Der Junge stand jetzt ganz ruhig, die Arme fest an seine Seite gepresst, stand er stramm wie ein Soldat, allein auf der großen Fläche. Er fühlte den Regen auf seiner Haut Er genoß den Duft der grünen Wiese und die durch den Regen gereinigte Luft. Er hörte in weiter Ferne das gemütliche Brummen von Kühen. Veit schloß die Augen, hob beide Arme in die Höhe, so als wolle er fliegen. Er hob den Kopf gen Himmel und fing langsam an zu laufen. Immer schneller bewegten sich seine Beine. Wie ein Vogel schwebte er über die Wiese, immernoch mit geschlossenen Augen. Ein zufriedenes Lächeln machte sich auf seinem Gesicht breit. Er schrie und jauchzte: „Ich bin frei! Ich bin frei! Ich bin frei!...“ er entschwand selig lächelnd immer weiter dem Mittelpunkt der Wiese. Nur ein Punkt mit ausgestreckten Armen torkelte irgendwo in weiter Ferne auf der Wiese entlang.

Geht man heute in der Nähe dieses Dorfes spazieren, so kommt man vielleicht an einer Weide vorbei, auf der einige Kühe genüßlich das saftige, grüne Gras abfressen. An einer kleinen Stelle jedoch, direkt am Zaun, kann man eine kahle Stelle finden, an der ein schlichtes einfaches Kreuz steht, auf dem geschrieben steht: „Ich bin frei.“

 

Hallo Dinchen,

leider habe ich Deine Geschichte nicht so ganz verstanden.

Lola rennt nicht mehr - jetzt rennt Veit. Woran ist er denn schlussendlich gestorben? Ich kann mir nicht vorstellen, dass er mitten auf einer Kuhweide angefahren worden ist. Diese kleinen weissen Kreuze kenne ich nur von Orten, wo Menschen ihr Leben in schweren Unfällen lassen mussten.

Aufklärung für eine ganz Dumme wie mich? Danke dir.

P.

 

Liebes P.
Vielen Dank erstmal für das tiefere Interesse an der Geschichte...
Vielleicht kommt man dahinter, wenn man Stadt und Dörfer als Synonym für Gesellschaft versteht...Veit fühlt sich eingeengt, flüchtet (also rennt) vor der Gesellschaft (weg) bis er auf die Wiese kommt,wo er denkt er ist frei (geschlossene Augen = Glaube an die Freiheit, Sicherheitsgefühl)...is er aber nicht...denn wie überall gibt´s auch dort ´ne "Beschränkung" (Zaun= gesellschaftliche Schranke), an der er allmählich zerbricht...
Ich hoffe das hat Dir ein bissl weitergeholfen... Gruß Dinchen

 

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